Herzlich willkommen zum Podcast der EFA Stuttgart mit Thomas Powileit und Jörg Lackmann.
Unser Podcast möchte dazu anregen, das Christsein praktisch zu leben und zugleich zum theologischen Nachdenken ermutigen.
Der Herr segne dich.
Kaum eine Aussage der Bibel hören Christen so oft. In vielen Gemeinden gehören diese Worte zum Gottesdienst. Doch was bedeutet eigentlich Segen? Was ist das Wesen und der Sinn von Segnungen? Wird durch eine Segnung eine Kraft vermittelt? Darf jeder Mensch andere segnen, oder ist der Segnungsdienst für geistliche Leiter reserviert? Gibt es einen Unterschied zwischen dem Zuspruch und der Bitte um Segen? Haben alle Menschen, die von Gott gesegnet werden sollen, ein Recht darauf?
Das ist so ein bisschen der Fragenkomplex, der wahrscheinlich auch hinter der Hörerfrage steht, die wir bekommen haben: Dürfen wir überhaupt im Neuen Testament segnen? Oder wie sieht das aus? Oft wird Menschen der Segen Gottes zugesprochen. Doch wenn man genauer beschreiben soll, was da eigentlich geschieht, dann ist das gar nicht so einfach.
Also fangen wir mal ganz am Anfang an. Jörg, wie würdest du Segen definieren? Das ist manchmal gar nicht so einfach, geläufige Worte sehr konkret zu definieren.
Segen ist für mich eine besondere Form der Fürbitte. Letztendlich handelt es sich dabei um ein Gebet, das an Gott gerichtet sein kann. Oft wird der Segen jedoch auch einem Menschen zugesprochen, was einen wichtigen Unterschied darstellt.
Ich möchte das sprachlich betrachten, denn als ich mich näher damit beschäftigt habe, fand ich das recht interessant. Normalerweise betet man zum Beispiel: „Herr, schenke dem dies und jenes“, auch wenn die betreffende Person neben einem steht, etwa: „Gib dem Franz das und das.“ Beim Segnen sieht das jedoch etwas anders aus.
Ich zitiere Jakob, der durch Isaak gesegnet wurde, im ersten Mose 28,3: „Gott, der Allmächtige, segne dich und mache dich fruchtbar und vermehre dich, dass du zu einer Schar von Völkern werdest.“ Hier wird also in der zweiten Person zu ihm gesprochen. Er steht neben Isaak, und trotzdem heißt es: „Der Herr segne dich.“ Es wird nicht gesagt: „Ich segne dich.“ Diesen Satz findet man in der Bibel nicht.
Oft wird Segnen als ein frommer Wunsch verstanden, bei dem ich für den anderen etwas erbitte. Doch in diesem Fall ist das Subjekt nicht „ich“ als Segnender, sondern „ich bitte den Herrn, dass er ihn segnet.“ Als Person trete ich beim Segnen also bewusst zurück. Statt meine eigenen Wünsche oder Gebete zu formulieren, stelle ich die Person in die Nähe Gottes.
Ich setze den anderen, der neben mir steht, in die Nähe Gottes und spreche ihm zu, dass Gott in sein Leben eingreift, indem er segnet. Es ist also nicht mein Segen, sondern Gottes Segen. Das ist der große Unterschied.
Ich finde diese Formulierung sehr schön, auch um Missbrauch vorzubeugen. Wenn ich sage: „Ich segne“, dann beanspruche ich eine eigene Segenskraft. Manche pilgern zu bestimmten Orten, um einen Segen zu empfangen. Wenn ich jedoch sage: „Gott segne dich“, dann liegt der Segen nicht in meiner Verfügungsgewalt. Gott kann den Segen auch verhindern oder verweigern.
Segen ist keine Kraft, bei der man ein bestimmtes Opfer bringt und dann zwingend Gottes Handeln erwartet, wie im Götzendienst. Stattdessen wird der andere vor Gott gestellt. Das, was Gott ihm bereits zugedacht hat, soll nun in sein Leben kommen.
So würde ich das ganz grob definieren. Natürlich gibt es auch andere Bibelstellen, in denen gesagt wird, „Gott segne diese Person“. Diese Verse gibt es ebenfalls. Aber, wie gesagt, „Ich segne dich“ gibt es sprachlich in der Bibel nicht.
Okay, das ist ja spannend. Wo sehen wir denn Segenshandlungen in der Bibel? Wir können einfach am Anfang der Bibel starten. Schon bei der Schöpfung fängt es an – und zwar dreimal.
Zuerst erschafft Gott die Erde, also Licht und Finsternis, Erde, Ozeane usw. Dabei wird immer gesagt, dass Gott sah, dass es gut war. Als es dann zur Erschaffung der Lebewesen kommt, kommt noch etwas dazu. Zu diesem „sehr gut“ Gottes heißt es nämlich im 1. Mose 1,22 zum Beispiel: „Und Gott segnete sie, also die Lebewesen, und sprach: Seid fruchtbar und vermehrt euch.“
Beim Lebewesen kommt also auf einmal dieser Segen Gottes dazu – im Sinne von Fruchtbarkeit, Vermehrung, also noch mehr Leben. Das Leben hat Gott den Menschen schon geschenkt, das ist schon da. Aber Er will jetzt, dass dieses Leben noch gesteigert wird, vermehrt wird, fortgepflanzt wird, weitergeht. Das ist der Segen.
Eigentlich ist der Zuspruch Gottes zu den Menschen ja schon da. Da könnte man sagen: Warum will Er noch segnen? Er hat ihnen doch gerade das Leben gegeben, sie haben das Leben doch schon als Besitz. Aber es soll noch wachsen, und das ist der Segen. Wenn Gott segnet, heißt das nicht, dass vorher nichts da war, sondern es soll jetzt in dieses Leben hineinkommen und dann auch noch fruchtbar werden.
Das war bei den Tieren so. Dann kommt es zum Menschen, und auch da sagt Gott: „Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch.“ Also dieselben Dinge wie eben. Jetzt kommt noch eins dazu: „Füllt die Erde und macht sie euch untertan.“ Der Mensch hat zusätzlich noch eine Aufgabe. Wir sollen nämlich diese Erde regieren, sie bebauen und als Stellvertreter Gottes handeln. So haben wir die Aufgabe bekommen, selber Segensträger zu sein.
Leben wurde von Gott gegeben, und dieses Leben soll wachsen. Dafür ist der Segen da: Das Leben wächst. Das waren die zwei Sachen mit den Lebewesen – Tieren und Menschen.
Jetzt kommt noch etwas Spannendes dazu: der siebte Tag im 1. Mose 2,1. Dort heißt es: „So wurden der Himmel und die Erde vollendet samt ihrem ganzen Heer. Und Gott hatte am siebten Tag sein Werk vollendet, das er gemacht hatte. Er ruhte am siebten Tag von seinem ganzen Werk, das er gemacht hatte.“
Und weiter: „Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn, denn an ihm ruhte er von seinem ganzen Werk, das Gott schuf, als er es machte.“
Eben hatten wir also mehr, sagen wir mal, materiellen Segen im Leben. Jetzt geht es auf einmal – nur in der Schöpfung – ins Geistliche über. Gott hat alles gemacht, Gott ruht jetzt, und der siebte Tag wird geheiligt, also ausgesondert für ihn.
Der Mensch soll sich auf Gott ausrichten, Nähe zu Gott haben, und Gott will seinen Segen darauflegen.
Also nicht nur das materielle Leben, das heißt: Wie kann man sich vermehren? Dafür braucht man genug zu essen und Frieden. Kein Krieg zum Beispiel beim Menschen oder kein Fressfeind. Später gab es hier ja noch keine Raubtiere. Zu diesem Zeitpunkt braucht man ideale Bedingungen, genug Brot zu essen. So heißt es im Vaterunser: "Unser täglich Brot gib uns heute." Das ist auch ein Bitten um Segen, dass Gott das segnet.
Wir haben schon genug Felder drumherum, aber bekomme ich das auch wirklich? Habe ich genug Geld? Gibt es Frieden im Land und andere wichtige Dinge? Ohne den Segen Gottes passiert da nichts, genauso wenig wie ohne Regen und andere wichtige Faktoren.
Das ist so das Materielle, aber es ist gleichzeitig auch das Geistliche, alles im Ganzen. Insgesamt ist Segen, wenn etwas gesegnet wird, eher ein allgemeiner Begriff.
Ich möchte es mal an einer Evangelisation erklären. Dort wird man wohl eher sagen: "Segne diese Evangelisation!" Und wenn es dann konkret wird, heißt es: "Gib dem Evangelisten die richtigen Worte." Also: Herr, segne das Ganze, und wenn es dann konkret wird, wechselt man auf einmal die Person und sagt: "Herr, gib ihm!"
Es ist kein mystischer Begriff, sondern sehr konkrete Dinge, die Gott in mein Leben hineingibt. Ja, aber doch sehr umfassend und ganzheitlich. Du wirst selten Segensformen finden, die sehr ins Detail gehen. Vielmehr meint Segen eigentlich das ganze Gute, das Gott dir gibt: das Leben, die Nähe, das geistliche Zusammensein, das Gott mir gibt – im Großen und Ganzen. Das ist der Segen.
Die Fürbitte ist eher dann ins Konkrete gehend. Während der Segen eher allgemein ist, ist die Fürbitte konkreter, wobei es ja eine Spannung zwischen beiden gibt.
Manchmal sagt man: Der Herr segne dich. Dann stellt sich die Frage, ob es egal ist, wie der andere lebt. Segnet Gott auch das Böse? Ja, die Sonne geht über Bösem und Gutem auf. Gott segnet also auch die Bösen. Manchmal haben sie sogar Erfolg. Doch ich denke, das ist kein echter Segen, denn Erfolg kann auch ein Fluch sein.
Das hat natürlich auch mit uns Menschen zu tun. Wenn Gott segnet, dann oft ungerecht, aus Gnade. Wir bekommen trotzdem etwas. Aber wir sehen zum Beispiel bei der Sintflut, dass die Menschheit gerichtet wurde, weil sie gegen Gott war.
Auch das Vermählen hat damit zu tun, dass die Erde gut wächst und Ähnliches. Nach dem Sündenfall wuchsen plötzlich Disteln, und das Leben wurde schwieriger. Die Vermehrung bei der Frau wurde erschwert, sie sollte mit Schmerzen gebären. Das ist ein Fluch und kein Segen.
Kinder sind zwar ein Segen, aber die Art und Weise, wie es durch die Schmerzen zustande kommt, ist verflucht – einfach durch die Sünde. Sünde hat also Konsequenzen. Das sehen wir auch im fünften Buch Mose, Kapitel 28 bis 30. Dort gibt es den Segen und den Fluch: Wenn ihr mit mir lebt, werdet ihr gesegnet. Wenn nicht, werdet ihr verflucht.
Bei der Sintflut wurde die Menschheit ebenfalls zerstört. Danach lesen wir im ersten Buch Mose, Kapitel 9: „Und der Herr segnete Noah und seine Söhne und sprach: Seid fruchtbar, mehrt euch und erfüllt die Erde.“ Damit hat Gott den Segen erneuert. Er sagte auch: „Ich werde die Erde nicht mehr verfluchen um der Menschen willen. Solange die Erde steht, sollen Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht nicht aufhören.“ Das ist praktisch sein Segen auf der Schöpfung.
Es steht zwar nicht ausdrücklich „Segen“ überall drin, aber oft ist es trotzdem ein Segen. Gott hat vorher gesagt, die Vermehrung wird gesegnet, und das ist die konkrete Umsetzung.
Wenn jemand diskutiert und sagt, das Wort „Segen“ stehe nicht explizit im Text, dann lesen wir Hebräer 6 dazu. Wir sind im Neuen Testament, in der Gemeindezeit. Dort heißt es: „Denn ein Erdreich, das den Regen trinkt, der sich öfter darüber ergießt und nützliches Gewächs hervorbringt, für das es bebaut wird, empfängt Segen von Gott.“ Wenn es also regnet, bedeutet das, Gott segnet. Ausgenommen sind Überflutungen wie Katastrophen. Aber normaler Regen ist ein Segen von Gott.
Das Land, das Dornen und Disteln trägt, ist untauglich und dem Fluch nahe. Es wird am Ende verbrannt, denn Dornen und Disteln sind ein Fluch oder die Folgen eines Fluchs.
Das heißt, wenn ich bete: „Herr, lass es regnen“, könnte ich auch sagen: „Herr, segne dieses Land.“ Das ist dasselbe – segne dieses Land in welcher Form auch immer.
Auch heute noch gehört dieser Segen aus der Schöpfung mit Noah zu uns. Wir haben immer noch Saat und Ernte, Frost und Hitze und so weiter. Diese Dinge werden weitergehen. Das ist der Segen in Noah.
Dieser Segen gilt für die ganze Menschheit, auch für die Guten und die Bösen, auch wenn es natürlich Ausnahmen gibt.
Und was man natürlich nicht machen darf: Segen ist auch eine zweischneidige Sache. Man darf nicht sagen, dass Gott dich nur liebt, wenn es dir gut geht. Also nur, wenn du gesegnet bist, geht es dir gut.
Wir haben hier aber auch einen geistlichen Segen, und Gott schaut weiter. Ein typisches Gegenbeispiel ist Hiob. Er hat so viel Schlechtes erlitten, dass alle gesagt hätten, er sei nicht mehr von Gott gesegnet. Doch das ist falsch! Das war die Segensspur Gottes. Das verstehen wir Menschen manchmal einfach nicht.
Diese Segnungen sehen ganz anders aus. Es sind praktische Segnungen Gottes, die manchen vielleicht auch ein Stück weit tragen, wenn man Hiob zitiert.
Wenn man das Wort „Segen“ hört, denkt man natürlich in erster Linie an den aronitischen Segen. Aaron segnet das Volk Israel immer, wenn es an einen neuen Zeltplatz kommt, und spricht diesen Segen aus.
Magst du dazu noch etwas sagen? Denn wir können schlecht über Segen reden, ohne den aronitischen Segen zu erwähnen. Das geht eigentlich nicht.
Der Text steht in 4. Mose 6,22-27. Ich lese ihn jetzt vor:
Und der Herr redete zu Mose und sprach: Rede zu Aaron und zu seinen Söhnen, also zu den Priestern, und sprich: So sollt ihr die Söhne Israels segnen. Sprecht zu ihnen:
Der Herr segne dich und behüte dich!
Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig!
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden!
So sollen sie meinen Namen auf die Söhne Israels legen, und ich werde sie segnen.
Was wir hier sehen, ist ein Segen, der so gesprochen wird. Das Innere, der Kern, ist der Segen selbst. Übrigens ist der Text im Hebräischen sehr poetisch gestaltet. Die erste Zeile hat nur drei Worte, die zweite fünf Worte und die dritte sieben Worte – das ist sehr schön komponiert.
Interessanterweise steht hier nicht nur „Der Herr segne dich“, sondern auch „Er sei dir gnädig“ und „Er gebe dir Frieden“. Auch das sind Segensworte. Man muss also nicht immer nur sagen: „Der Herr segne dich.“ Man kann auch sagen: „Der Herr gebe dir Frieden.“
Wenn Juden sich mit „Schalom“ begrüßen, was Frieden bedeutet, ist das ebenfalls ein Segensgruß. Auch wenn nicht ausdrücklich gesagt wird: „Der Herr segne dich mit Frieden“, sagen sie einfach „Schalom“.
Früher, besonders in Süddeutschland, war „Grüß Gott“ eine übliche Begrüßung. Das bedeutet eigentlich „Gott grüße dich“. Das ist ebenfalls ein Segensgruß. Es heißt, du sollst von Gott gegrüßt, also gesegnet werden.
Solche Grüße haben alle ihre Wurzeln im Alten Testament. Man muss also nicht alles als bloße Floskel sehen, sondern erkennt darin den Segen.
Der Text sagt: „Er segne dich und behüte dich“, damit dein Leben sicher ist und der Herr bei dir ist. „Er lasse sein Angesicht über dir leuchten“ bedeutet, dass seine Nähe gnädig ist, dass er freundlich mit dir umgeht. „Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden“ – und Frieden heißt hier nicht nur, dass kein Krieg herrscht, sondern dass du dein tägliches Leben führen kannst, dass du Gesundheit hast, dass er dir gnädig ist und dich behütet, dass du nicht in Versuchung kommst.
All das ist sehr umfassend, wenn wir diesen Segen betrachten.
Im Neuen Testament greift Paulus diesen Gedanken im Epheser 1,2 auf und verwendet praktisch genau diesen aronitischen Segensgruß. Er spricht ihn auch den Gemeinden in Ephesus zu, allerdings in etwas anderer Form. Dort heißt es: Paulus, Apostel Jesu Christi durch den Willen Gottes, an die Heiligen und Gläubigen in Christus. Er spricht also ausdrücklich zu Gläubigen, die in Ephesus sind, und sagt: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.“
Manche fragen sich vielleicht: Wie, das ist doch gar kein Segen, es steht ja nicht „Segen“ dabei. Doch vergleichen wir das einmal mit dem aronitischen Segen. Paulus macht es, wie Aaron, er spricht zu den Heiligen, zu den Gläubigen. Auch Aaron hat zu den Gläubigen gesprochen: Gnade und Friede. Wie heißt es im aronitischen Segen? „Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig“ – das ist die Gnade. „Der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.“ Friede und Gnade – Paulus verwendet hier nur die Kurzformel.
Das war damals die übliche Segensformel. Man begann Briefe oft mit einem Segensgruß, genauso wie Tischgebete damals auch mit einem Segensgruß begannen. Das konnte man also gleich so machen. Danach steht im aronitischen Segen: „Und so sollen sie meinen Namen auf die Söhne Israels legen, und ich werde sie segnen.“ Was macht Paulus hier danach? „Gnade und Friede sei euch von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.“ Er legt den Namen Gottes auf uns, und zwar den Namen Gottes des Vaters und den Namen des Herrn Jesus Christus. Das ist die Kurzformel des aronitischen Segens, die sicher Wirkung zeigt.
Wichtig ist auch, was du gesagt hast, und das sollte hier registriert werden: Paulus redet eben zu Gläubigen. Denn die Diskussion ist immer wieder: Darf ich Gläubigen Segen zusprechen? Habe ich nicht den Segen schon lange in Christus? Diese Diskussion hat einen sehr guten Punkt.
Der Hintergrund dieser Überlegung stammt aus einer bestimmten Bibelstelle, zum Beispiel aus Epheser 1,3. Gerade die Stelle nach dem Segen, die ich hier genannt habe, lautet: "Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns mit allem geistlichen Segen in der himmlischen Welt durch Jesus Christus gesegnet hat."
Wir haben also in Christus allen geistlichen Segen. Nun wird eine Argumentationskette, eine logische Beweisfolge, gestartet, die so lautet: Ich habe doch den ganzen Segen in Christus schon. Im Neuen Testament werden Gläubige nicht gesegnet, weil sie den Segen bereits besitzen. Warum sollte ich ihnen das also noch einmal zusprechen? Das wäre praktisch Unglaube.
Diese Gedanken klingen auf den ersten Blick gut, halten einer näheren Prüfung jedoch nicht stand. Zum Beispiel wird der Segen verengt gesehen. Wir haben bereits von der Schöpfung her und auch im aronitischen Segen gesehen, dass es sich um einen geistlichen Segen handelt, der die Nähe Gottes und auch Frieden sowie ganz alltägliche Dinge umfasst. Hier wird aber nur der geistliche Aspekt herausgepickt.
Niemand bestreitet, dass man zum Beispiel noch um Gesundheit beten kann. Habe ich das in Christus schon? Nein, würde ich nicht sagen. Wenn ich nicht einer bestimmten Glaubensrichtung angehöre, weiß ich, dass ich krank werden kann. Deshalb kann ich durchaus um den Segen für Gesundheit beten.
Auf jeden Fall. Habe ich mein täglich Brot? Das habe ich, aber ich darf trotzdem dafür beten. Jesus sagt es ja sogar im Vaterunser. Also kann ich auch das Brot segnen. Jesus tut das übrigens auch. Das ist mir eine wichtige Stelle.
Sündige ich noch? Ja. Wie denn, wenn ich allen geistlichen Segen habe? Nun ja, weil ich Mensch bin. Ich habe den Segen in Christus, ich bin von der Schuld befreit und von der Macht der Sünde befreit, aber nicht von der Gegenwart der Sünde. Das wird erst in der Zukunft überwunden.
Das heißt, in der jetzigen Zeit bete ich natürlich dafür, außer ich befinde mich auf dem Weg zur Vollkommenheit, in der Heiligungsbewegung, und sage: Herr, segne mein Leben, dass ich nicht in Versuchung falle. "Behüte mich" – das ist der aronitische Segen. Herr, behüte mich, wie im Vaterunser, und behüte uns vor dem Bösen, damit wir nicht in Versuchung fallen.
Hier in dem Text wird weiter ausgeführt, dass wir die Sohnschaft haben, aber es gibt auch andere Stellen, die zeigen, dass die Sohnschaft erst zukünftig ist. Das hatten wir schon einmal im Podcast 37, wo es um die Spannung zwischen Jetzt und Zukunft, zwischen Erde und Himmel, zwischen Schon-jetzt und Noch-nicht geht.
Ein großes Missverständnis, das ich an dieser Ansicht schätze, ist, dass sie sagt: Wir haben einen Zuspruch Gottes. Ja, aber das war schon immer so. Segen ist immer der Zuspruch Gottes. Ich habe ja gesagt, das Leben wurde bereits damals von diesen Lebewesen geschaffen. Es ist also schon da, es soll nur wachsen.
Genauso hier: Wir haben die Verheißung Gottes, und diese soll jetzt zu uns kommen. Wir brauchen weiterhin Heiligung. Unser Erbe haben wir noch nicht, sondern erwarten es noch, wie in Kolosser 3,28 beschrieben wird. Obwohl dort steht, wir hätten das Erbe schon, ist unser Segen zwar da, aber um ihn ganz zu uns zu bringen, sollen wir sehr wohl um Segen bitten.
Im Grunde genommen ist Segnen auch ein Erinnern an Gottes Zusagen oder ein Zusprechen von Gottes Zusagen. An dieser Stelle ist dieser Standpunkt richtig, natürlich. Und das gilt jetzt.
Wenn jemand gläubig ist, sage ich nicht: Herr, segne ihn, damit er in den Leib Christi eingegliedert wird, denn das ist er schon. Oder: Herr, segne seine Errettung, denn er ist bereits errettet.
Ich kann aber darum bitten: Herr, hilf ihm, vor Versuchungen bewahrt zu werden, oder: Herr, dass er in seinem Glauben beharrt, und andere Dinge. Dass dieses Leben, das er schon von Gott zugesprochen bekommen hat, wächst – das ist der Sinn von Segen.
Segen ist im Kern ja auch Zuspruch, aber eben Gottes Zuspruch an ihn. Ich stelle ihn darin auf. Ich glaube, das ist sehr wichtig, so etwas zu verstehen. Ich darf durchaus jemandem, der gläubig ist, segnen, damit er sich in seinem Leben wirklich weiterentwickeln kann.
Das machen wir in jedem Amt manchmal.
Also Christus – ich lese mal eine Stelle vor, Matthäus 26, Vers 26. Die vorstehende Gemeinde kenne ich, aber ich lese es jetzt mal vor:
„Als sie aber saßen, nahm Jesus das Brot, segnete es, brach es und gab es den Jüngern und sprach: Nehmt und esst, das ist mein Leib! Und er nahm den Kelch, dankte, gab ihn ihnen und sprach: Trinkt alle daraus!“
Hier haben wir einmal Eulogea, also das Segnen. „Gut sprechen“ übersetzt, „hoi“ immer gut, „Logos“ Wort. Er gab es ihnen und dann dankte er – das ist Eucharistia, also Eucharistie. Er segnete und dankte.
Dieses Eulogia kann sowohl „segnen“ als auch „danken“ bedeuten.
Jetzt gehen wir mal in 1. Korinther 10. Denn das Gegenargument war: Ja, Christus ist ja noch nicht auferstanden. Das ist aber nicht 1. Korinther 9, das ist garantiert 1. Korinther 10.
Genau, 1. Korinther 10, Vers 16. Da geht es um Götzendienst, aber es geht auch um das Abendmahl. Paulus bringt eine Argumentationslinie und sagt: „Der Kelch des Segens, den wir segnen, ist das nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi?“
Er sagt also: Wir sind hier in der Gemeindezeit, wir segnen den Kelch, Christen. Und das hat Christus gemacht.
Es gab damals Segen beim Tisch. Das Tischgebet ist ein Segensgebet. Warum? Weil ich bitte, das Brot ist schon vor mir, ich danke einmal dafür. Er brach und dankte, ich danke. Ich habe dieses Brot, aber dass dieses Brot auch mir zur Kräftigung dient, zu meiner Gesundheit, dass ich weiter wachse, dafür bitte ich um Segen – beides.
Also eigentlich müsste man sagen, dass wir vielleicht sogar ein etwas gestörtes Verhältnis zum Segen haben. Das sollte häufiger in unserem Leben so sein, wenn man einfach von der Bibel her sieht, dass es doch ein Stück weit ihren Alltag ausgemacht hat.
Und wenn man in Israel ist, merkt man auch, dass es im Judentum noch viel stärker vertreten ist. Auch wenn das nicht unser Vorbild ist, das Judentum.
Kannst du ein paar Beispiele nennen? Hast du zufällig welche parat, diese Segnungen im Judentum?
Zum Beispiel, wenn der Sabbat beginnt, gibt es ganz feste Segnungen, die ausgesprochen werden. Interessanterweise, wenn du in Israel bist, musst du ein bisschen aufpassen. Dort gibt es Leute, die dich segnen und dafür Geld verlangen.
Dieses „Ich segne dich“ ist einfach viel, viel stärker im Denken verankert. Wir haben jetzt über die theologische Grundlage gesprochen, die ja auch sehr wichtig ist. Vielleicht werden wir am Schluss noch einmal sehr viel konkreter.
Was heißt es denn, den Segen Gottes zuzusprechen? Hast du da auch einige praktische Beispiele? Noch einmal.
Ja, wir könnten einmal über die Bereiche sprechen, die in der Bibel gesegnet werden. Das ist einiges.
Jesus segnet die Kinder, und dabei denkt man sofort an Kindersegnung. Die interessante Frage ist dabei: Ist das für junge Kinder oder einfach allgemein? Ich persönlich habe unsere vier Kinder nicht segnen lassen, weil ich es als einen Taufersatz sehe und deshalb bewusst darauf verzichte. Andere sehen das anders und dürfen das auch gerne so handhaben.
In unserer Gemeinde segnen wir Kinder, wenn die Eltern das möchten. Für mich stellt sich die Frage, ob das Vorbild Jesu, der Kinder segnete, bedeutet, dass man junge Kinder segnet. Ich sehe das so, dass Kindersegnung oft anstelle der Taufe praktiziert wird, weil es so üblich ist. Das hast du ja auch gesagt. Ja, genau, sonst hätte ich ja nicht so gehandelt.
Für mich ist das eine Ersatzhandlung, ähnlich wie manches im biblischen Unterricht oder Konfirmationsfeiern. Manche dieser Dinge empfinde ich als Ersatz, weil man es einfach so gewohnt ist. Ich verurteile das nicht, das ist völlig in Ordnung. Man kann aber auch sagen: Weil ich das Vorbild Jesu habe, darf ich das gerne annehmen und dankbar tun.
Was es aber nicht ist, ist eine Vorschrift. Es ist nicht preskriptiv, also nicht vorgeschrieben. Es bleibt eine Entscheidung der Eltern, ob sie einen Paten dazu nehmen oder nicht. Das dürfen wir selbst entscheiden.
Dann kann man natürlich alles machen. Wie gesagt, ich habe damit kein Problem. Für mich überwiegt allerdings der Gedanke der Ersatzhandlung. Deshalb machen wir es nicht. Ich sage nicht, dass man seine Kinder nicht segnen soll. Man kann das jederzeit im Alltag tun.
Dafür braucht es keine besondere Handlung, bei der man vor der Gemeinde steht. Das Segnen unserer Kinder fand bei uns nicht einmal im Gottesdienst statt, sondern einfach auf der Straße. So sehe ich das.
Ich möchte diesen äußeren Rahmen nicht, das ist meine persönliche Sichtweise. Natürlich soll man seine Kinder segnen. Ich hoffe nur, dass niemand dabei magisch denkt: „Wenn das Kind nicht gesegnet aus dem Haus geht, passiert ihm etwas Schlimmes.“ Das wäre falsch.
Segnen heißt letztlich, das Kind in die Nähe Gottes zu stellen. Ohne Gottes Zusagen, dass er das Kind liebt, ohne seine Gnade – auch wenn die Eltern gläubig sind, wie es in 1. Korinther 7 beschrieben ist –, liegt bereits eine Gnade auf den Kindern. Das darf man ihnen alles zusprechen.
Ob daraus echter Glaube wird, ist etwas anderes. Und da sind wir wieder bei den praktischen Bereichen. Du hast gesagt, Jesus segnet die Kinder. Ja, wir dürfen das auch tun. Wer möchte, darf das gerne tun. Segnen halte ich für möglich, genauso wie den aronitischen Segen.
Wir haben gesehen, dass auch das Abendmahl gesegnet wird. Im 2. Korintherbrief steht, dass eine Spende eine Segensgabe ist, und zwar eine Spende an Christen in Jerusalem. Diese wurden materiell gesegnet.
Das wurde nicht so eng gesehen, dass man sagt: „Das ist nichts Geistliches.“ Manche versuchen, das so zu konstruieren, indem sie sagen: „Früher war der Segen materiell, heute ist er nur geistlich.“ Das gibt es nicht.
Das einzige Mal, wo das Wort „Segen“ wirklich vorkommt, ist beim Abendmahl und beim Geld. Also sehr geistlich und sehr weltlich, wenn man das so sehen will. Das sind die beiden Stellen, wo in der Gemeindezeit ausdrücklich von Segen die Rede ist.
Sonst wird das Wort eher nicht verwendet. Aber man kann alles Gott zuschreiben, und wir haben viele Segensformeln in der Bibel. Dort steht dann zwar nicht immer das Wort „Segen“, aber die Bedeutung ist vorhanden.
Gibt es noch Bereiche, in denen man ganz konkret sagen kann, dass gesegnet wird?
Als Rebekka die Reise zu ihrem geliebten Isaak antrat, wurde sie gesegnet. Daraus stammen die Reisesegen, in denen man um Bewahrung bittet, dass der Herr behüte und Frieden schenke. Man bittet darum, dass er gnädig ist auf dieser Reise. Denn auf Reisen konnte früher – und auch heute noch – viel passieren. Dieser Segen kommt aus der Bibel und gilt besonders in Lebenssituationen wie dieser. Rebekka war ja nur auf einer Reise zu einer Hochzeit.
Auch beim Sterben, wenn Nachkommen gesegnet werden, bittet man darum, dass Gott den nachfolgenden Generationen gnädig ist. Generell gilt das in besonderen Lebenssituationen, vor allem in der Ehe. Auch im Gottesdienst wird der Segen ausgesprochen. Nach 1. Petrus sind wir heute Priester, und ich denke, es ist eine gute Sitte, wenn man im Gottesdienst den Segen Gottes ausspricht.
Was außerdem dazu kommt, findet sich in Stellen wie im Römerbrief oder im ersten Petrusbrief: Dort wird dazu aufgefordert, auch die Feinde zu segnen, also nicht nur die Christen. Im ersten Petrusbrief, ab Kapitel 3, Vers 8, steht ein sehr schöner Satz: „Schließlich aber seid gleichgesinnt, mitleidig, voll brüderlicher Liebe, barmherzig, freundlich.“ Das gilt auch unter Christen, mit vollbrüderlicher Liebe. Man soll nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort vergelten, sondern im Gegenteil segnen.
Außerdem heißt es dort, dass wir dazu berufen sind, damit wir Segen erben. Wir sind berufen, Segen zu erben – auch in Zukunft. Deshalb sollen wir segnen, selbst unsere Feinde. Ausgehend von Christus, von dem, was er uns alles zuspricht, diesen geistlichen Segen, den wir in Christus haben, soll dieser Segen zu allen Menschen hinausgehen – zu Christen und zu Nichtchristen.
Das habe ich vorhin nicht erwähnt, aber vielleicht ist das noch wichtig: Wer das nachlesen will, sollte mal Galater 3 lesen. Wir haben nicht nur den Segen von Noah aus der Schöpfung, sondern auch den Segen von Abraham. Oft wird ja gesagt, dass die Menschen im Alten Testament den Segen, den wir heute haben, noch nicht hatten. Das stimmt nicht. Abraham wurde schon im Voraus das Evangelium verkündigt, wie es in der Bibel steht. Dort heißt es, dass in ihm alle Völker gesegnet werden.
Später steht dann in Galater 3, dass durch Abraham in Christus der Segen zu uns kam. Wir haben also Abrahams Segen als Christen erhalten, weil Christus gestorben ist. Die Menschen im Alten Testament hatten dieselbe Grundlage wie wir. Wenn ein Priester im Alten Testament gesegnet hat, dann tat er das auf der Grundlage von Christus, in Abraham, weil Abraham das Evangelium schon verkündet wurde. Damit der Segen zu dieser Menschheit hinauskommt.
Diese Trennung, dass wir heute den Segen haben und die Menschen früher nicht, stimmt also nicht. Gott hatte schon immer vorausschauend den Blick auf Christus. Er ist der Mittelpunkt, nur von ihm kommt der Segen. Diesen Segen sollen wir als Christen erben. Einmal haben wir ihn schon – zum Beispiel in Epheser 1 – aber auch in 1. Petrus 3 wird deutlich, dass wir ihn noch erben werden. Es gibt also eine Spannung: Einen Teil haben wir schon, einen Teil noch nicht.
Weil wir den Segen haben und ihn erben sollen, sollen wir ihn auch an andere weitergeben, damit auch sie den Segen Gottes erfahren. Dabei dürfen wir den geistlichen Segen nicht von dem trennen, wo Gott uns im Leben segnet. Beim Abendmahl wird das Brot gesegnet und gedankt – es ist etwas Materielles, aber gleichzeitig ist auch das Geistliche darin enthalten. Oder beim Geld: Es gibt keine Trennung, auch im Neuen Testament nicht.
Für Gott gibt es keine Trennung. Gott umfasst unser ganzes Leben in allen Aspekten. Das macht den Segen aus: Er ist nicht nur eine spezielle Fürbitte, sondern er soll das ganze Leben vor Gott stellen. So weiß ich mich letztlich abhängig vom Segen Gottes und vom Leben, das er mir schenkt.
Das ist dann doch ein intensives Thema geworden. Das war der Podcast der evangelischen Freikirche Evangelium für alle in Stuttgart. Wir hoffen, ihr konntet ein bisschen Klarheit im Blick auf den Segen gewinnen.
Wir ermutigen dazu, uns Fragen zu schicken. Das war eine Hörerfrage, über die wir sprechen wollten. Wenn ihr Anmerkungen zu diesem Podcast habt, könnt ihr uns gerne schreiben unter podcast@efa-stuttgart.de.
Zum Schluss bleibt uns nur noch, euch Gottes Segen zu wünschen mit Römer 15,13: „Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, damit ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.“