Einführung: Persönliche Eindrücke und Sprachbegegnungen
Sich noch ein bisschen auszuruhen, bevor Sie dann hinausstürmen in diesen wunderschönen Tag. Im Grunde bin ich ja eigentlich bescheuert, dass ich den Scheuermann nicht hierherstelle und mich nach vorne setze. Das ist verkehrte Welt. Er ist eigentlich der Chef hier.
Ich bewundere ihn nicht nur wegen seines wunderbaren Klavierspiels, sondern vor allem bewundere ich die Leute immer wegen ihrer schönen Sprache. Die können einfach reden. Die Hochdeutschen, wenn wir reden – ich kann Ihnen sagen, das habe ich jetzt wieder in Berlin gemerkt – das ist damals in mich hineingefahren, als ich in Hamburg studiert habe.
Am ersten Tag war ich auf einem Spaziergang mit meinem Freund, der war Jurist, auch aus Württemberg. Wir gingen frisch und fröhlich auf dem Fahrradweg, den wir nicht kannten. Ich glaube, in Stuttgart gibt es heute noch kaum Fahrradwege, vielleicht ganz wenige.
Kurzerhand gingen wir spazieren, und dann kam ein Hamburger Polizist, ganz anders als ein schwäbischer Bulle, höflich und freundlich. Er sagte: „Meine Herren, Sie haben Ihr Fahrrad vergessen.“ Auf so viel Freundlichkeit war ich nicht gefasst.
Er sagte nochmal zu meinem Freund: „Du hast es vergessen.“ Wir wussten nicht recht, was er meinte, und er wollte uns wohl nicht verstehen. Dann wurde er ernst und zog sein Buch hervor. Das kannte ich von früheren Gelegenheiten, die Bücher sind die gleichen.
Da fiel es mir doch ein, denn ganz blöd sind wir ja auch wieder nicht. Ich sah das Schild und sagte: „Ach, Fahrradweg! Oh!“ und machte schwäbisch: „Das habe ich nicht gewusst, das habe ich nicht gewusst.“
Wenn Sie sehen könnten, über dieses Amtsgesicht ging ein freundliches Lächeln. Das Buch verschwand in der Tasche, und er sagte: „Kommen Sie aus Stuttgart?“ Ich antwortete: „Ja.“ Daraufhin sagte er: „Dann gehen Sie schnell weiter, dann gehen Sie schnell weiter.“
Seither gehe ich schnell weiter, wenn die Schönsprecher hier kommen, richtig. Aber vielleicht verstehen Sie mich dann trotzdem. Ich versuche hier in Hochschwäbisch, wie es dem Schönblick angemessen ist, zu reden.
Rückblick auf die bisherigen Predigtthemen und Einführung in den heutigen Text
Heute nun der richtige Einstieg, gestern sprachen wir über das gute Land. Ich erinnere an das Thema „Land in Sicht“. Das Buch trägt den Titel „Das Land Gottes“. Wir sprachen über das Gesicht des Landes. Es ist nichts Besonderes, aber dennoch ein besonderes Land.
Deshalb sprachen wir im zweiten Teil über den Herrn dieses Landes. Nicht die Stadtkönige, nicht die Philister, auch nicht die Hethiter oder sonst jemand, sondern der lebendige Gott ist der Herr des Landes – bis heute eingetragen in Gottes Grundbuch.
Neben dem Gesicht und dem Herrn des Landes sprachen wir zuletzt über die Not des Landes: Es ist besetzt. Doch Gott will wieder Besitz ergreifen von diesem Land, von dieser Erde. Kanaan wird zum Brückenkopf der Invasion Gottes in dieser Welt. Es will eingenommen sein.
Und dafür braucht es den richtigen Mann. Davon ist heute die Rede.
Lesung aus Josua 1,1-9: Gottes Auftrag an Josua
Ich lese deshalb aus Josua 1, die Verse 1 bis 9.
Nachdem Mose, der Knecht des Herrn, gestorben war, sprach der Herr zu Josua, dem Sohn Nuns, Moses Diener: „Mein Knecht Mose ist gestorben. So mache dich nun auf und zieh über den Jordan, du und das ganze Volk, in das Land, das ich ihnen, den Israeliten, gegeben habe.
Jede Stätte, auf die eure Fußsohlen treten werden, habe ich euch gegeben, wie ich Mose zugesagt habe. Von der Wüste bis zum Libanon und vom großen Strom Euphrat bis an das große Meer gegen Sonnenuntergang – das ganze Land der Hethiter soll euer Gebiet sein.
Es soll dir niemand widerstehen dein Leben lang. Wie ich mit Mose gewesen bin, so will ich mit dir sein. Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen. Sei getrost und unverzagt, denn du sollst diesem Volk das Land austeilen, das ich ihnen zum Erbe geben will, wie ich ihren Vätern geschworen habe.
Sei nur getrost und ganz unverzagt, dass du hältst und tust in allen Dingen nach dem Gesetz, das dir Mose, mein Knecht, geboten hat. Weiche nicht davon, weder zu Recht noch zur Linken, damit du es recht ausrichten kannst, wohin du auch gehst.
Und lass das Buch dieses Gesetzes nicht von deinem Munde kommen, sondern betrachte es Tag und Nacht, damit du hältst und tust in allen Dingen nach dem, was darin geschrieben steht. Dann wird es dir auf deinen Wegen gelingen, und du wirst es recht ausrichten.
Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht, denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.“
Die drei Blickrichtungen am Grab: Rückblick, Gegenwart und Zukunft
Sie haben das alle auch schon erlebt: Ein lieber Nächster, vielleicht schon mein Nächster, wird krank. Es ist nicht mehr aufzuhalten, er stirbt. Und dann kommt es zur Beerdigung, zum Abschied.
Beim Abschied am Grabe schaut man eigentlich in drei Blickrichtungen. Einmal schaut man zurück. Man erinnert sich an die Jugendzeit, an die Lehre und die Dienstjahre. Man denkt an das Berufsleben und daran, wie alles angefangen hat – mit der Krankheit, dem Schwächerwerden und schließlich, wie es ausgegangen ist. Diese Blickrichtung am Grabe ist das Zurückschauen. Man schaut zurück und dabei bekommt man Heimweh.
Die zweite Blickrichtung ist nach unten. Der Sarg wird der Erde übergeben – Erde zu Erde, Staub zu Staub. Man wirft ein paar Blumen hinterher und weiß: Aha! Auch ich werde so fallen. Daneben steckt das Holzkreuz, und darauf sind schon die Jahreszahlen eingetragen. Plötzlich durchfährt es einen: Eigentlich wirst du auch so zu Grabe getragen. Dein Name steht schon hier, du hast den Todeszettel schon in deiner Tasche, nur fehlt das Datum noch. Man sieht das Kreuz vor sich: Konrad Eisler, 1932 bis 2005 oder 2008. Man schaut hinunter und bekommt Angst.
Die dritte, wichtige Blickrichtung ist nach vorne. Was ist jetzt, wenn man nach Hause kommt und das Bett leer ist? Die Schränke sind noch voll, das Haus ist noch erfüllt vom Geist des Anderen, aber entsetzlich leer, entsetzlich leer. Wie mag es denn weitergehen? Schließlich sind wir ja keine Monate im Weltraum, sondern wir sind auf andere angewiesen – auf die Menschen gegenüber, mit denen wir reden können. Besonders schlimm ist es bei denen, die allein leben müssen und niemanden haben, mit dem sie sprechen können, um ihren Frust von Herzen zu reden.
Man schaut nach vorne, und dann überkommt einen die Verzweiflung. Das ist vielleicht das Schwerste: Zurück Heimweh, hinunter Angst und nach vorne die Verzweiflung.
Die Bedeutung von Moses Tod für Israel und Gottes Weichenstellung
Nun ist diesen Israeliten nicht nur der Großvater oder gerade eine Ehehälfte genommen worden, sondern Mose. Nachdem Mose gestorben war, wäre es eins.
Wir müssen in diesem lapidaren Satz das unglaubliche Gewicht ermessen. Seit Gott diesen Mose aus dem Wasser gezogen hatte – Mose heißt ja „der aus dem Wasser Gezogene“ – seit der Zeit, als er am pharaonischen Hof hoch gebildet wurde, seitdem er dort einen Ägypter totgeschlagen hatte, und seit er dann vierzig Jahre die Schafe seines Vaters Jethro gehütet hat, seit er im Dornbusch durch den Dornbusch herausgerufen wurde zum Dienst, seit er beim Pharao dieses Volk herausgehauen und aus der Knechtschaft geführt hat, seit er die Gebote Gottes am Sinai aus der Hand Gottes bekommen hat – was war er doch für ein unumstrittener Führer, der Knecht Gottes, der mit seinem Gott redete von Angesicht zu Angesicht. Eine besonders schöne Stelle, die mir gefällt: Er redete mit seinem Gott von Angesicht zu Angesicht. Solch eine nahe Verbindung hatte er zu seinem Gott.
Er war Fürbitter, er war Richter, er war Anwalt in einer Person. Moses Tod ist nicht nur der Tod, so wie der Tod eines anderen Menschen, sondern er ist der Tod auf die Hoffnung, der Tod ihrer Hoffnung auf das Land. Das ist Mosegehen: der Tod ihrer Hoffnung auf das Land. Gott hat ihnen das Land versprochen, und jetzt ist Mose gestorben, folglich ist auch die Hoffnung mitgestorben. Das ist die Tragik, das ist die Tiefe, das ist das Gewicht dieses Satzes.
Israel ohne Mose war ein Nichts, ein Heulen, ein Weinen, eine einzige Verzweiflung im Volk. Israel ohne Mose ist das Ende des Gottesvolkes. Das Volk war sprachlos, wirklich, das Volk war sprachlos. Und da sprach der Herr eine entscheidende Weichenstellung in der Bibel.
1. Mose 1: Die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe – ein grausamer, hoffnungsloser, dunkler Stern im Weltall –, da sprach Gott: „Es werde Licht!“ Oder 1. Mose 11: Babel – sie bauen einen Turm, und dann werden sie zerstreut in alle Länder. Da sprach der Herr zu Abraham: „Geh aus deinem Vaterland!“ Oder 2. Mose 3: 40 Jahre Hitze in der Wüste, das Volk versklavt, da sprach der Herr zu Mose.
Aber trotz Mose und den Propheten ist das Volk ungehorsam und geht seine eigenen Wege. Amos, Hosea, Maleachi sind Rufer in der Wüste. Und dann heißt es: „Aber es begab sich zu der Zeit.“ Gott sprach zum letzten Mal durch Jesus.
Wenn Alexander eine Stadt belagerte, dann zündete er drei Kerzen an. Solange die drei Kerzen brannten, bot er Gnade und Frieden. War die dritte Kerze abgebrannt, gab es nur noch Schrecken und Gericht. Gott hat verschiedentlich zu seinem Volk gesprochen, zuletzt durch Jesus. Jesus ist die letzte Kerze. Nach ihm kommt keiner mehr.
Deshalb redet die Bibel nicht wie ein Philosoph, über den man diskutieren könnte, sondern wie ein Parlamentär, bei dem man spürt, dass er warnt: Versucht nicht zu fliehen, schlagt diese Einladung nicht aus. Jesus ist die letzte Stimme Gottes, danach kommt nur noch der Ruf zum Gericht. Nach Jesus nur noch der Ruf zum Gericht.
So heißt es hier wörtlich, wenn man genau übersetzt: „Es begab sich aber, dass der Herr zu Josua sprach.“ Mose war ein ganz großer und fähiger Mann, aber die Landverheißung Gottes hängt nicht an ihm. So wichtig dieser Mann war, wichtig ist allein Gott, und der spricht hier wieder.
Wo Menschen am Ende sind, fängt Gott erst an. Wo sie jetzt hier in dieser Woche sind – und vielleicht ist es aber auch hierher gekommen, weil sie einfach fertig sind, weil sie am Ende sind –, wo Menschen am Ende sind, fängt Gott erst neu an. Wo unsere Hoffnung am Ende ist, fängt Gottes Hoffnung erst neu an. Wo Menschen keinen Ausweg mehr sehen, eröffnet er ungeahnte Möglichkeiten. Er lässt nichts halbfertig liegen.
Unser Gott weiß, wie es weitergehen wird mit dem Land, mit seinem Volk, und er weiß auch in ihrem Leben. Er weiß auch mit ihren Bruchstücken, er weiß, wie es weitergehen kann und weitergehen soll. Bei ihm bleibt nichts im Dreck stecken. Auf dem Nebo wurde die Landverheißung nicht mitbegraben, in keinem Grab wird die Hoffnung mitbegraben.
Hoffnung über den Tod hinaus: Fortsetzung folgt
Ach, wir denken immer, wenn wir an lieben Gräbern stehen und dieses Zeremoniell der Verabschiedung erleben, ganz tief erleben, jetzt ist alles aus. Jetzt ist alles aus? Nein! Unsere Wünsche, Vorstellungen und Ideen werden nicht einfach mit begraben – Erde zu Erde, Staub zu Staub.
Er sorgt für die Fortsetzung. „Fortsetzung folgt“ – so steht es an einem Grab. Nicht einmal Jesu Grab war der Schlusspunkt, sondern ein Doppelpunkt: Fortsetzung folgt. Das gilt für jedes Grab.
Ich freue mich ja am Friedhof eines Dorfes. Er ist eigentlich der schönste Platz, weil dort auch am besten gepflegt wird. Man hat immer wieder ganz ruhige Stunden, auch auf unserem Friedhof oben auf der Alb. Aber vergessen wir nicht, was Frossa gesagt hat: Friedhöfe sind nur Gleiterablagen für die Ewigkeit.
Verlieren wir unser Herz nicht auf dem Friedhof. Machen wir ihn nicht zur Kultstätte der Christen. Unsere Friedhöfe sind nur Gleiterablagen für die Ewigkeit. Auch über dem Friedhof steht: Fortsetzung folgt.
Sehen Sie, für jede Sackgasse, für jede Hoffnungslosigkeit, auch wenn wir meinen, es sei Ende, Schluss, „Fini“ – nein! Fortsetzung folgt.
Sehen Sie, weil Gott spricht und weil er das Wort ergreift. Weil er sich das Nicht-Sprechen nicht verbieten lässt. Einem Kind können wir manchmal den Mund verbieten, unserem Gott aber nicht.
Psalm 50 sagt: Unser Gott kommt und schweigt nicht.
Die Notwendigkeit von Nachfolge und Vorbereitung auf den Dienst
Zu wem spricht er?
Bei uns kommt es immer wieder vor, dass, wenn ein Vater in Christus stirbt, kein Nachfolger bereitsteht. Unser Bruder Scheumann war drüben auf der Schule in Unterweissach. Dort gab es einen großen Gründer und Lehrer, den Pfarrer Fischer. Wir kennen ihn noch – er war ein vollmächtiger Zeuge. Doch als es mit ihm zu Ende ging, stand kein Nachfolger bereit. Darüber hatte man nicht nachgedacht. Das war sehr schwierig.
Ich war in Krelingen, Troben, in diesem gesegneten Werk. Pastor Kimmer war 90 Jahre alt, Leiter des Werkes, und auch er hatte keinen Nachfolger. Wie sollte es weitergehen? In vielen Familien hatte der Vater alles in den Händen, mit 75 oder 78 Jahren kümmerte sich niemand darum, die Dinge zu regeln. Wie geht es denn weiter, wenn er nicht mehr da ist?
Das ist keine Ehrfurcht vor dem Alter, wenn wir es so machen. Nein, wie geht es denn weiter? Zu wem spricht dann Gott? Darüber hat man nicht nachgedacht und nicht nachdenken wollen. Viele schöne Werke sind auch deshalb zerbrochen, weil wir mit unseren Dickköpfen nicht nachdenklich wurden über die Wege, die wir einschlagen müssen. Sie gerieten in die Krise, weil man nicht schaute und sich nicht rechtzeitig umschaute.
Mose war so nicht. Mose war nicht unverantwortlich, er war nicht kurzsichtig. Erstens hatte er den richtigen Handlanger. Ganz im Verborgenen hat Gott die Augen Mose auf den jungen Mann gelenkt, den er in seine Nähe zog und zum Diener machte. Es steht hier: „Mein Knecht Mose.“ Wir können diesen Begriff heute kaum noch hören, denn heute muss man freier sein – seit Schiller heißt es, der Mensch ist frei, selbst wenn er in Ketten geboren wäre. Doch „Knecht“ ist ein Ehrentitel. Paulus bezeichnet sich im Römerbrief als Knecht Christi. Knecht ist ein Ehrentitel im Reich Gottes.
Mitten in seinen großen Aufgaben hatte Mose einen Blick für junge Leute. Nach 4. Mose 13, Vers 16 hieß er nicht Joshua, sondern Hosea, was auf Deutsch „Hilfe“ bedeutet. Hosea war sein richtiger Name – Hilfe für Mose. Erstens war er Adjutant, würden wir heute sagen. Zweitens, in 2. Mose 17, als die Feinde am Horizont erschienen – wieder einmal die bösen Amalekiter – was geschah dann? Mose rief Hosea, er ging mit ihm auf den Berg, andere gingen mit und beteten. Mose breitete seine Arme aus, und weil er müde wurde, stützten Aaron und Hur seine Arme.
Gott sprach zu Mose: „Schreib es in ein Buch und präge es ein.“ Hosea bedeutet nicht der Kriegsarm, sondern der Gebetsarm entscheidet die Schlacht. Nicht die geballte Faust, sondern die gefaltete Hand, nicht Gewalt, sondern Gebet. Wo nicht gebetet wird, wird nichts erreicht – auch in unserem Leben. Die Schlachten werden von unseren stillen Gebeten geschlagen, die wir in unseren Familien toben, nicht von unseren Fäusten und unserem Durchsetzungsvermögen.
Das war der Adjutant, der seinem Herrn Mose beigestanden hat. Das war er einmal. Dann war er der Sekretär, so würden wir heute sagen. In 2. Mose 24 soll Mose auf den Gipfel steigen und dort die Tafeln empfangen. Mose machte sich auf mit seinem Diener Hosea. Die Tafeln waren schwer, Steintafeln. Er war der Steinträger. Ich war einmal beim Oberkirchenrat, und man fragte mich: „Was hast du eigentlich für eine Aufgabe gehabt da im Vorzimmer vom Bischof? Was musstest du da machen?“ Da sagte ich: „Ach, das war eine tragende Rolle.“ Es war eine aktentragende Rolle. Man musste dem Bischof die Akten tragen. Einmal kam der katholische Bischof aus Rottenburg zum Besuch, und ich stand in der Ecke. Da gab er mir seinen großen Bischofshut, und ich durfte eine Stunde lang diesen roten Bischofshut tragen. Das ist eine Hut tragende Rolle – eine entscheidend tragende Rolle. Verstehen Sie?
Dieser hier hatte keine aktentragende Rolle, auch keine Hut tragende Rolle, sondern eine steintragende Rolle – aber eine entscheidende. Er war einfach der Sekretär. Gleichzeitig war er noch etwas Drittes: Er war Spion. In 4. Mose 13 wird von einem Spähtrupp berichtet, der aus der Wüste Pharaos das Land Kanaan erkunden sollte. Hosea war dabei. Sie konnten kein Beweisfoto schießen, wie man es heute tut, sondern sie brachten ein Beweisstück mit. Wie herrlich das Land ist! Sie brachten Weintrauben, und jeder sah, was für ein herrliches Land das ist, auf das sie zugehen.
Er war auch Viertens Stellvertreter. In 4. Mose 27 wird er auf dem Abarim zum Dienst durch Handauflegung ordiniert. So werden die Personalakten im Reich Gottes, die Personalfragen im Reich Gottes gelöst. Im Betrieb braucht es Vitamin B, Vetternwirtschaft, um an einen Posten zu kommen. In der Welt braucht es Geld. Hier aber ist die Voraussetzung, dass man Knecht ist, Diener, Handlanger.
Man braucht Mut – nein, nicht den Mut, den wir meinen, sondern Dienemut. Das ist die Voraussetzung für dieses Amt. Als Augustinus gefragt wurde, was die wichtigste Eigenschaft eines Christen und Mitarbeiters sei, sagte er: Drei Dinge sind wichtig – einmal Demut, zweitens Demut und drittens Demut.
Der Dienemut ist die Voraussetzung für jedes Amt im Reich Gottes. Dieses Amt reicht hinunter oder hinauf bis zur Großmutter, die für ihre Enkel da ist, für die Mutter, für ihre Familie, für den Mann, für seinen Beruf. Was sie brauchen, ist nicht Durchsetzungsvermögen, nicht zuerst Intelligenz, nicht irgendwelchen Bravour. Was sie brauchen, ist Demut. Ja, lass mich demütig sein.
Das ist die Voraussetzung, um einen Dienst im Reich Gottes zu übernehmen. Wer führen will, muss Knecht sein – auch in unseren Familien, auch als Väter und Mütter. Wer führen will, muss Knecht sein. Im Reich Gottes hat der Handlanger des Herrn die größten Chancen. Der Handlanger hat die größten Chancen – nicht in Geld und Ansehen, aber ganz gewiss in einem Leben mit ihm.
Das ist Mitarbeiterzurüstung im besten Sinne: Mitarbeiterzurüstung.
Der Wandel des Namens: Von Hosea zu Josua
Aber nun zum Zweiten, was hier steht, nämlich der richtige Name, der richtige Handlanger und jetzt der richtige Name. In 4. Mose 13,16 heißt es: Mose nannte Hosea, den Sohn Nuns, Josua.
Jetzt kommt es: Mose nannte ihn Josua. Namen haben ja eine Bedeutung. Hosea bedeutet „Hilfe“, und Josua heißt „Der Herr ist meine Hilfe“. Also zuerst hieß er „Hilfe“ und später „Der Herr ist meine Hilfe“.
Hier deutet sich wahrscheinlich eine Wende an, eine Umkehr. Josua war Hilfe für Mose. Er spürte seine Kraft, sein Können und auch sein Aussehen. Er war jemand, der wahrscheinlich auch mit seinen Muskeln spielen konnte.
Doch dann kam jener Augenblick, jener Engpass, und er geriet in eine Krise. Vielleicht vor den Amalekittern, als die eigene Kraft versagte. Solche Tiefpunkte kommen auch bei uns vor und zeigen uns: Wir packen es eben nicht. Wir schaffen es nicht. Unsere Kräfte reichen nicht aus.
Dann merken wir auch: Unsere Frömmigkeit ist fadenscheinig, unsere guten Werke machen uns nicht gerecht. „Ich elender Mensch, mit meiner Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren.“
In solchen Momenten fühlt man sich ohnmächtig und wendet sich an den Herrn: „Herr, hilf du mir!“ So wie der singende Petrus: „Herr, hilf du mir!“ Er schaut weg von sich selbst, er schaut hin zu ihm. Das ist Umkehr.
Es gibt heute ein viel geschmähtes Wort, nämlich die Bekehrung. Und Bekehrung meint im echten Sinne keinen Heiligenschein, den ich mir aufsetze, nein, keine süßliche Maske, die ich mir vorhänge, keinen selbstgestrickten Pullover aus lauter frommen Maschen.
Bekehrung heißt Abkehren von mir und Hinwenden zu Jesus. Abkehren von meiner Kraftlosigkeit und Hinwenden zu seiner Kraft. Abkehren von meiner Hoffnungslosigkeit und Hinwenden zu seiner Hoffnung. Das ist Bekehrung: eine Wendung, eine Blickwendung und eine Wendung des ganzen Körpers.
Josua, aus einem Hörer Hosea, musste ein Josua werden, damit er der richtige Mann wurde. Der richtige Mann, nicht der zweite Mose, verstehen Sie? Er wurde nicht der zweite Mose, er war und blieb zweite Garnitur.
Manchmal meinen wir beim Ablösen: Wenn die Großmutter stirbt, müsste ich nun so sein wie sie. Oder wenn der Vater stirbt, müsste ich seine Stelle übernehmen. Dabei können wir das gar nicht.
Josua bleibt im Vergleich zu Mose die zweite Garnitur, seine Gaben sind kleiner und bescheidener. Aber das Volk Gottes lebt nicht von großen Männern, sondern von denen, die Gott in ihre Mitte stellt.
Sehen Sie, man muss damit fertigwerden und dann ein neues Ja zu sich selbst verstehen.
Persönliche Reflexion über das Amt und die eigene Berufung
Als ich auf die Stiftskirche in Stuttgart berufen wurde – das ist die Hauptkirche von Württemberg – wusste ich, dass auf dieser Kanzel große Männer gesprochen haben.
Auf dieser Kanzel stand ein Freund Martin Luthers, Johannes Prenz, der die württembergische Reformation leitete. Er sagte bei seinem Sterben, er wolle am Fuß der Stiftskirche begraben sein, um dann wieder herauszukommen, falls dort oben das Evangelium nicht rein nach lutherischem Sinn verkündigt werde.
Als die Stiftskirche in den letzten vier Jahren umgebaut wurde, hat man tatsächlich nachgegraben. Man fand diesen eingelöteten Sarg wieder und öffnete ihn sogar. Die Knochen stimmten mit dem überein, was man von Johannes Prenz weiß.
Wenn ich diese Kanzel bestieg, schaute ich manchmal so über die Kante hinunter und dachte: Mann, Mann, Johannes bleibt unten, bei meiner Predigt bleibt er unten. Ich spürte überdeutlich: Ich bin nicht nur die zweite, ich bin die zehnte oder fünfzehnte Garnitur. Wir gehen all diesen Männern nach, bis hin zu einem Prälat Hartenstein, der nach dem Krieg die Stuttgarter aufrichtete und ausrichtete.
Dann steht man da und vergleicht sich – und fühlt sich wie ein Nichts. Aber dann erinnert man sich: Gott hat mich hierher gestellt. Und sehen Sie, im Vergleich zu vielen, die Sie kennen, sind Sie vielleicht zehnte oder zwölfte Garnitur. Aber er will Sie so, wie Sie sind, und er will Sie einsetzen als die Person mit dem richtigen Namen an dieser Stelle.
Leider ist die Sache der Bekehrung, von der wir eben sprachen, in Verruf geraten. Das liegt daran, dass sich sogenannte Bekehrte als Haustrachen und Giftschlangen aufführten, die nur Unfrieden verbreiteten. Es schmerzt mich, dass viele, die in frommen Häusern aufgewachsen sind, sich abgewandt haben. Warum? Weil sie sagten: Nein, so nicht.
Ob Sie das sagen dürfen, ist eine andere Frage. Aber Sie sind zu dem gekommen, was Sie als Christentum zu Hause erlebt haben: so nicht. Das ist eine Last für uns Elternhäuser.
Doch er will, dass unsere Bekehrung nicht nur auf den Lippen ist, sondern in unseren Füßen und Händen, in unseren Worten und Taten sichtbar wird.
Mose hat gemerkt, dass Josua seine Hilfe auf Gott setzte. Josua selbst hat das nicht so oft gesagt. Er sprach nach diesem Buch sehr wenig von seiner Bekehrung. Man sollte von seiner Bekehrung, von seiner Umkehr nicht so oft und nicht so laut reden. Man sollte seine Bekehrung spüren lassen.
Das gilt den Kindern und Enkeln gegenüber und den Nachbarn: man sollte seine Bekehrung spüren lassen.
Josua hat jetzt den richtigen Namen, nicht mehr Hosea, was „Hilfe, wenn ich komme, ist Hilfe da“ bedeutet, sondern „Der Herr ist meine Hilfe“, Joshua. So möchte ich auch heißen.
Ich bin froh, dass ich einen Enkel habe, der jetzt Joshua heißt. Es wäre schön, wenn er den Doppelnamen hätte: Konrad Joshua Eisler – „Der Herr ist meine Hilfe“.
Der Auftrag: Überquere den Jordan und nimm das Land ein
Aber jetzt kommt der richtige Auftrag. Das ist noch das Dritte in diesem Text: der richtige Auftrag, mache dich auf und ziehe über den Jordan in das Land.
Wir bezeichnen das fälschlicherweise als Landnahme, so wie bei einer Völkerwanderung. Die Kelten kamen, die Hunnen kamen, die Goten kamen, und sie haben das Land eingenommen. So wie bei Auswanderern oder Kriegen, bei denen andere das Land weggenommen und eingenommen haben.
Liebe Freunde, beim Einzug dieser Leute ins Land Kanaan wird nicht einfach weggenommen, sondern eingenommen. Merken wir uns das in der Israelfrage bis heute: Hier wird nicht einfach ein Land irgendjemandem weggenommen, sondern hier wird das Land eingenommen, das Gott schon längst ihnen gegeben hat.
Gewiss, es ist kein Niemandsland. Andere Leute sitzen darin und sehen es als ihr Eigentum an. Ihnen muss klargemacht werden, dass der richtige Besitzer kommt. Das bedeutet Kampf und Krieg.
Gott schenkte das Land – das ist eine Gabe. Aber diese Gabe wird zur Aufgabe. Gott schenkt das Leben, doch auch diese Gabe wird zur Aufgabe. Gott schenkt den Beruf, aber auch diese Gabe wird zur Aufgabe. Gott schenkt die Ehe – auch diese Gabe wird zur Aufgabe.
Man kann wohl sagen, wie Matthias Claudius, als er zum silbernen Jubiläum seiner Frau schrieb: „Ich war wohl klug, dass ich dich fand.“ Doch er fand sie nicht einfach, Gott hat sie ihm gegeben. So segnet keine andere Hand. Die andere ist nicht nur Partner, wie man heute sagt, sondern eine andere Gabe Gottes, die mir geschenkt wurde.
Aber diese Gabe ist Aufgabe, sie muss jeden Tag neu eingenommen werden. Ich weiß nicht, ob es eine glückliche Ehe gibt – der eine hat eine glückliche Ehe, der andere eine unglückliche, der eine eine vollkommene, der andere eine schwierige Ehe. Ich glaube das nicht.
Glückliche Ehen sind solche, in denen beide miteinander jeden Tag neu die Aufgabe wählen. Das geschieht, indem sie zusammen beten und den neuen Tag in Gottes Hand legen.
Eine glückliche Ehe kann man nicht machen, sondern sie ist ein Geschenk. Sie ist eine Gabe, die uns zur Aufgabe wird, die in Gottes Händen bleibt und in der er uns immer wieder hilft, diese Aufgabe zu bewältigen.
Die Israeliten schlafen nicht als Nomaden in der Wüste ein und wachen als reiche Gutsbesitzer in Jerusalem auf. Wir hätten das gerne, wir denken so, aber der Glaube ist keine Träumerei, und Märchen stehen nicht in der Bibel.
Wie heißt es im Lied: „Wir sind im Kampfe Tag und Nacht, das Gebiet einzunehmen, das Gott in Aussicht gestellt hat.“ Jesus meint dasselbe mit den Gaben, die uns zum Wuchern und nicht zum Vergraben überlassen sind.
Der eine nahm die Gaben und wickelte sie in sein Taschentuch, um sie zu vergraben. Ach, diese Taschentuch- oder Schnupftuchchristen, die die Gaben nur vergraben! Es geht darum, dass wir mit ihnen wuchern und handeln – so wie dieses Volk, das jetzt handeln musste, um das Land einzunehmen.
Josuas Haltung und Gottes Zusagen als Grundlage für den Auftrag
Joshua macht das nicht einfach so nebenbei. Wir sagen gerne: Ja, der oder die – aber Mosche, Joshua ist nicht Mosche. Er ist der Mann der zweiten Garnitur. Er konnte und durfte nicht sagen: „Wenn ich mich mit Mosche vergleiche, dann versinke ich im Erdboden, so schaffe ich das nie.“ Nein, stattdessen schaut er zum Herrn auf und erkennt, dass er selbst nichts hat, keine Truppen. Die einzige Waffenrüstung sind die Zusagen Gottes: „Sei getrost und fürchte dich nicht.“
Das ist unsere Waffenrüstung, das ist unsere Stärke von diesem Herrn. „Ich bin der Herr, fürchte dich nicht.“ Die Waffenrüstung des Christen ist das Wort Gottes. Joshua schaut auf Gott und dessen Auftrag für ihn. Dann hört er: „Sei getrost und unverzagt.“ Doppelt genäht hält besser, und dreimal genäht ist bombenfest, wörtlich fest und stark.
Im letzten Vers wird es ein letztes Mal genannt: „Sei getrost und stark.“ Dieser Aufruf wird mehrfach wiederholt: sei getrost und stark, sei getrost und stark, sei getrost und stark. Kein Appell an den Mann: „Reiß dich am Hosenträger zusammen, sei ein Mann und keine Memme, wer wird schon flennen?“ Nein, fest und stark zu sein, sieht aus wie Bäume, die ganz tiefe Wurzeln haben. Das sind Türme mit tiefen Fundamenten, das sind Häuser, die auf tiefen Steinen ruhen.
Deshalb ist angefügt, dieses dreifache „Sei getrost und stark“ mit Gottes Wort zu betrachten. Das ist das Eine, was wir tun sollen, um diese Wurzeln zu bekommen: Gottes Wort betrachten.
Die Bedeutung des Betrachtens und Besprechens des Wortes Gottes
Sie kennen das sicher auch: Wenn man nichts mehr weiß, verschenkt man oft ein Buch. Das ist ja immer eine gute Idee, auch wenn der andere nicht liest. Aber was soll man heute den Leuten überhaupt noch schenken? Das ist ja ganz schlimm, jeder hat ja alles. Am besten Blumen, aber die sind nach drei Tagen verwelkt. Ein Buch ist da doch besser.
Wenn man dann fragt, ob der Beschenkte das Buch gelesen hat, heißt es oft: „Ich habe hineingeguckt“, „Ich habe die Nase hineingesteckt“ oder „Ich habe ein paar Seiten überflogen“. So nennt man das Diagonallesen. Der Beschenkte hat das Buch also nicht wirklich zur Kenntnis genommen.
So geht es uns auch mit den Büchern. Betrachten, liebe Freunde, bedeutet mehr als nur hineinzuschauen. Betrachten heißt nicht nur, die Augen kurz auf etwas zu richten. Nein, es bedeutet, die Augen nicht wegzubewegen. So wie, wenn Sie am Louvre in Paris waren: Sie wollen doch auch die Mona Lisa sehen. Die finden Sie ganz einfach, weil dort immer die meisten Leute stehen.
Dann wissen Sie, dieses kleine Bild – da kommen die Leute, bleiben aber nur kurz stehen, sind etwas enttäuscht und gehen weiter. Einer sagte mir: Sie müssen mindestens zehn Minuten dort stehen bleiben. Erst dann erschließt sich Ihnen langsam die Schönheit dieses Bildes. Es reicht nicht, nur vorbeizugehen.
Wenn Sie dieses Bild lange anschauen, entdecken Sie plötzlich eine tiefere Schönheit. Ähnlich ist es mit dem Kruzifix von Torbalzen in Kopenhagen, einem berühmten Kruzifix. Als ich es das erste Mal sah, war ich auch tief enttäuscht. Aber der Küster sagte mir: „Sie müssen niederknien und von unten nach oben schauen.“
Also kniete ich nieder und schaute von unten nach oben. Plötzlich spürte ich die Kraft dieses Kreuzes von Torbalzen – genau das ist es. Betrachten heißt also, Gottes Wort betrachten, niederknien und sich Zeit nehmen. Als Rentner haben wir doch Zeit, das müssen wir zugeben. Nutzen wir diese Zeit, um das Wort Gottes zu betrachten. Kniend, von unten nach oben, als Diener.
Das andere ist: Gottes Wort besprechen. Betrachten und Besprechen – der persönliche Umgang mit dem Wort reicht nicht aus. Ich beobachte eine Bibelmüdigkeit: „Bringt mir nichts, ich habe es aufgegeben.“ Liebe Freunde, Gottes Wort zielt auf Gemeinschaft. Es will mit anderen besprochen werden.
Wie ist das mit dem Sonntagskuchen? Natürlich kann ich ihn alleine essen, mit einer Tasse Kaffee dazu. Aber so richtig schmeckt der Kuchen doch erst, wenn ich ihn mit jemand anderem zusammen genieße, nicht wahr? Der Sonntagskuchen schmeckt erst dann, wenn wir ihn gemeinsam essen.
Der Austausch über die Schrift, das Kaffeekränzchen über der Bibel – darum geht es eigentlich. Ich freue mich, dass Sie hierher gekommen sind, um es miteinander anzuschauen. Aber führen Sie es zu Hause weiter, bilden Sie einen Kreis, besprechen Sie es miteinander.
Gottes Wort befolgen: Vom Hören zum Handeln
Und das Dritte: Gottes Wort befolgen, betrachten, besprechen und in allen Dingen danach handeln, so wie es darin geschrieben steht. Wer diese meine Rede hört und danach handelt, hat auf den Felsen gebaut. Jesus hat gesagt, dass es kein Sandkasten-Christentum, sondern ein Christentum auf Felsen ist, auf dem gebaut wird.
Der Umgang mit dem Wort hat Konsequenzen. Aus der rechten Wendung nach innen wächst die richtige Haltung nach außen. Man soll nicht nur Hörer, sondern auch Täter des Wortes sein. Sein Wille muss geschehen im Himmel und auf Erden.
Gottes Wort will nicht nur geglaubt werden, sondern es will gelebt werden. Dann erfahren wir auch die Kraft dieses Wortes.
Erleben der Kraft des Wortes Gottes in schwierigen Zeiten
Eine Erinnerung, gerade weil ich hier in der Stiftskirche zwei langjährige Gemeindeglieder habe, die sich an die unruhigen Jahre erinnern. Damals war Martin Schleyer entführt, Pater Meinhof saß im Gefängnis in Stammheim. Es herrschte eine große Unruhe in Stuttgart. Niemand wusste so recht, wohin das alles führen sollte.
Dann war Sonntagmorgen, und die Gemeinde kam zum Gottesdienst. Als ich nach dem Predigtlied auf die Kanzel ging und der letzte Orgelklang verklungen war, standen plötzlich links und rechts neben mir zwei Personen auf der Kanzel. Ich schaute auf ihre Turnschuhe und verfransten Jeanshosen. Ich blickte hoch und bemerkte lange Haare und verschmierte Gesichter.
Sie fragten: „Was wollen Sie?“ und sagten, sie wollten ein Manuskript, ein Manifest verlesen für Baader-Meinhof. Sie waren Sympathisanten, vielleicht sogar selbst Terroristen. Ich zögerte einen Augenblick und bemerkte, wie es in der Gemeinde unruhig wurde.
In diesem Moment sagte ich – und ich hatte es früher schon einmal mit dem Organisten besprochen: „Wir stehen auf und singen nun 'Danket alle Gott'.“ Die Gemeinde stand auf wie ein Mann. Frau Schuster an der Orgel setzte mit Tutti ein, ohne Vorspiel. Und dann erklang aus dem Munde von sechzehnhundert Kirchenbesuchern plötzlich dieser Gesang, der wie eine Macht wirkte.
Und dann waren sie auf einmal nicht mehr da. Ich weiß nicht, wohin sie gegangen sind, sie waren einfach verschwunden. Als das Lied verklungen war, blieb eine Geisterfurcht, eine Kraft der Liebe und der Zucht zurück.
Dann setzte ich mich, und es herrschte Stille. Der Gottesdienst konnte fortgesetzt werden. Gottes Wort ist nicht nur Gesäusel, Gottes Wort ist Kraft, die den Mammon, der wirklich die Teufel in Zaum hält, in Schach hält. Dieses Wort gilt es zu betrachten, zu befolgen und mit diesem Wort zu leben.
Darum geht es auch heute.
Schlussgebet
Lassen wir uns beten. Vater, wir danken dir, dass du uns dieses Wort gibst. Du hast es Joshua anvertraut und ihn eingesetzt.
Herr, wir sind oft nur die fünfzigste oder hundertste Garnitur an unserem Platz, und dennoch möchtest du uns gebrauchen. Wir bitten dich, mach uns dafür geschickt und leite uns auf deinem Weg weiterzugehen.
Wir danken dir für diesen schönen Tag und bitten dich, dass du ihn jetzt mit deiner Gegenwart erfüllst.
