Vom Gedanken zur Bestimmung: Die Kraft der inneren Haltung
Das Thema ist ein dankbarer Geist. Es gibt einen Spruch, der lautet: Du siehst einen Gedanken und erntest eine Tat. Du siehst eine Tat und erntest eine Gewohnheit. Du siehst eine Gewohnheit und erntest einen Lebensstil. Du siehst einen Lebensstil und erntest eine Bestimmung.
Es beginnt also immer mit dem Gedanken und endet mit der Bestimmung unseres Lebens.
Leider gibt es in unserem Leben nicht nur schöne Dinge, sondern auch viele, die hässlich sind, böse und Schmerzen verursachen. Besonders bei einigen Freunden, die so alt sind wie ich oder so alt waren, die sich ihr eigenes Leben genommen haben, stellt man sich oft die Frage: Warum tun sie das? Was war los?
Die Tatsache ist jedoch, dass viele Menschen, die sich das Leben nehmen, nicht in einem einzigen Moment der Verzweiflung handeln. Vielmehr wurde Verzweiflung zu ihrem Lebensstil. Verzweiflung war oft die zugrundeliegende Motivation ihres Tages.
Nach außen können solche Personen durchaus lustig und spaßig wirken. Doch die Motivation im Inneren ist häufig Verzweiflung. Dann braucht es manchmal nur eine kleine Sache, und es kippt.
So ist es auch zum Beispiel mit Freude. Freude kann die zugrundeliegende Motivation unseres Lebens sein. Nicht, dass wir ständig mit grinsendem Gesicht herumlaufen, aber es ist ein Stück Freude, das uns antreibt.
Genauso verhält es sich mit Dankbarkeit. Dankbarkeit kann die zugrundeliegende Motivation unseres Lebens werden, und...
Eine Begegnung mit Dankbarkeit: Die Geschichte von John Tauler
Ich möchte nur eine Geschichte lesen, bevor wir dann Kaffee trinken. Sie hat mir sehr gut gefallen. Ob sie stimmt oder nicht, ist jetzt gar nicht so relevant.
Angeblich war John Tauler ein Theologe im vierzehnten Jahrhundert. Er hat acht Jahre lang gebetet, dass Gott ihm den Weg zur Perfektion zeigen würde. Eines Tages war Tauler in einem Kirchengebäude, als eine Stimme zu ihm sprach: „Geh nach draußen, dort findest du deinen Lehrer.“
Tauler war sofort gehorsam. Er ging nach draußen und sah dort einen Bettler, barfuß, verletzt und mit Blut überströmt. Tauler grüßte den Bettler herzlich und sagte: „Guten Morgen, mein Bruder, möge Gott dir einen guten Tag und ein glückliches Leben schenken.“
Der Bettler antwortete: „Mein lieber Herr, ich kann mich nicht daran erinnern, jemals einen schlechten Tag gehabt zu haben.“ Erstaunt fragte Tauler, wie so etwas möglich sei, wo Trauer und Schmerz doch Teil eines jeden Menschenlebens sind.
Darauf sagte der Bettler: „Sie haben mir einen guten Tag gewünscht, und ich antwortete, dass ich noch nie einen schlechten Tag hatte. Wissen Sie, ich danke Gott jeden Tag, egal ob mein Bauch voll oder leer ist. Wenn ich abgestoßen und verachtet werde, preise ich dennoch meinen Herrn. Ich vertraue Gott einfach, dass er es absolut gut mit mir meint, und darum gibt es für mich keinen schlechten Tag.
Sie haben mir auch ein glückliches Leben gewünscht. Nun, ich bestehe darauf, dass ich immer glücklich bin. Etwas anderes zu sagen, wäre die Unwahrheit, denn meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass alles, was Gott in meinem Leben tut, gut ist. Alles, was ich im Leben empfange, empfange ich aus seiner liebenden Hand, sei es Reichtum oder Armut, sei es Bitteres oder Süßes, ich empfange beides aus seiner gebenden Hand.
Ich habe erkannt, dass der Wille Gottes für mein Leben die Liebe Gottes ist. Und weil ich seine Gnade täglich empfange, will ich das, was er für mich will. Darum bin ich immer glücklich.“
Die Entscheidung zur Dankbarkeit: Ein persönlicher Weg
In unserer Küche hängt ein großes Bild, auf dem ich einen Spruch gedruckt habe. Er lautet: „Nicht immer ist der Glückliche dankbar, aber der Dankbare ist immer glücklich.“
Dieser Spruch basiert auf mehreren Faktoren. Ein ausschlaggebender Faktor war ein Bibelvers aus dem ersten Thessalonicherbrief 5,18. Dort schreibt der Apostel Paulus: „Sagt in allem Dank, denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch.“
Ich habe damals die Entscheidung getroffen, ab sofort für alles Danke zu sagen. Das ist mir nicht immer gleich gut gelungen, aber die Entscheidung stand fest. Sie wurde zu einem Schlüssel für mein Leben als Christ. Manchmal nenne ich diese Zeit die Phase, in der ich mit dem Heiligen Geist erfüllt wurde – dem Geist der Dankbarkeit.
Ich kann mich erinnern, dass das auch damit zusammenhing, dass ich 1989, also vor 22 Jahren, in England war. Dort habe ich den Mayor Ian Thomas getroffen, den Gründer der Fackelträger, der inzwischen verstorben ist. Bei der Verabschiedung sagte er zu mir: „Gott segne dich und vergiss nicht, Danke zu sagen.“
Damals dachte ich nur: „Ja, okay“, und es berührte mich nicht besonders. Doch auf der Heimfahrt kam ich zu dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin und in dem ich geboren wurde – unsere Frühstückspension. Dieses Haus hatte ich geerbt. Bei uns erbt immer der älteste Sohn den Besitz der Eltern. Mein älterer Bruder wollte es nicht, ich war der Zweite, also bekam ich es.
Plötzlich gehörte alles mir. Über Nacht wurde ich zum Besitzer des ganzen Hauses. Bisher hatte ich zwar dort gewohnt, aber es gehörte immer den Eltern. Nun war ich der Eigentümer.
An diesem Tag mähte ich mit meinem Rasenmäher den Rasen. Es war jetzt mein Rasenmäher und nicht mehr der meines Vaters. Das fühlte sich irgendwie anders an. Nach etwa zehn Minuten, als ich mit dem roten Rasenmäher arbeitete, explodierte das Gerät.
Wäre das eine Woche früher passiert, hätte mein Vater dafür bezahlen müssen. Jetzt gehörte das kaputte Gerät mir, und ich musste die Kosten übernehmen.
Ich erinnere mich noch genau: Ich stand da, wollte dem Rasenmäher einen Tritt geben und ein paar unfreundliche Worte sagen. Doch dann hörte ich keine Stimme von außen, sondern eine innere Stimme, die sagte: „Warum sagst du nicht Danke dafür?“
Ich dachte: „Das ist doch Blödsinn. Das Ding ist kaputt, wofür soll ich da Danke sagen?“ Ich wollte erneut zuschlagen, aber die Stimme kam wieder: „Sag einfach Danke dafür.“
Also schaute ich mich um, ob niemand in der Nähe war, und sagte dann: „Danke, Herr, für den Rasenmäher, der jetzt explodiert ist. Und danke, dass ich morgen einen neuen kaufen muss, obwohl ich kein Geld dafür habe.“
Ich tat es, obwohl sich nichts daran änderte. Ich kaufte einen grünen Rasenmäher, und mein Konto war im Minus.
Das war 1989. Heute bin ich Leiter eines Bibelschulzentrums. Mein Vorgänger, der das Zentrum gegründet hat, ist bei einem Paragleit-Unfall tödlich verunglückt. Paragleiten mache ich auch recht gerne. Dabei fliegt man vom Berg herunter, was sehr schön ist. Doch er hatte einen schweren Unfall, der tödlich endete.
Herausforderungen und Gottes Führung im Alltag
So suchten sie jemanden, der das Sportliche weiterführt, weil wir sehr viel Sport machen. Ich weiß noch lange Geschichte, aber ich habe mich entschieden. Früher hatte ich eine Bergsteigerschule und Skischule, dort war ich der Chefskilehrer. Das habe ich aufgegeben und dann am Dauernhof begonnen zu arbeiten.
Ich habe damals gesagt, ich komme zu euch, aber ich werde nicht predigen. Denn sie hatten mir gesagt, wenn du zum Dauernhof kommst, kannst du nicht nur klettern und Skifahren, du musst auch predigen. Da habe ich gesagt, dann komme ich nicht. Sie sagten trotzdem, ich solle kommen, das sei egal.
Zu der Zeit war eine Gruppe vom Dauernhof oben auf einer Berghütte. Ich war noch nicht am Dauernhof, es war gerade die Übergangszeit. Es war August, aber es hatte – was eine Ausnahme war – wahnsinnig geschneit. Über Nacht fiel fast ein Meter Schnee, mitten im Sommer oben am Berg.
Die Gruppe war etwas hilflos und rief mich an: "Herr Hans-Peter, Bergführer, bitte hilf uns, wir brauchen einen Bergführer, weil wir hier nicht mehr gut weiterkommen können." Da dachte ich: "Gott, du hast wieder mal ein Problem. Ich werde dir helfen, verlange nicht mal Geld dafür, nur für dich."
So machte ich mich am frühen Morgen auf den Weg zu der Gruppe. Die Hütte kannte ich auswendig, das war immer mein Job und mein Hobby, in den Bergen zu sein. Aber an diesem Tag lag fast ein halber bis ein ganzer Meter Neuschnee, und es war noch wahnsinnig nebelig. Es war nur weiß, ich sah nichts, und ich fand diese blöde Hütte nicht. Dabei war ich schon dutzende Male dort gewesen.
Ich lief im Gebirge herum wie ein wildes Huhn, aber ich fand die Hütte nicht. Da hat Gott an diesem Tag irgendwie mit mir geredet. Er sagte: "So, du großer Bergführer, du willst mir helfen und die Gruppe weiterleiten, aber ich sehe, du hast ein Problem, du findest die Gruppe nicht."
Schließlich fand ich die Hütte viel später als geplant. Wir gingen sogar auf den Berg rauf, es war ein wilder Tag. Den ganzen Tag gab Gott mir Gedanken. Am Ende des Tages, als ich wieder ins Tal ging, dachte ich: "Ich muss jetzt die Gedanken aufschreiben, die ich den ganzen Tag gehabt habe."
Ich setzte mich hin und schrieb. Es wurden vier oder fünf Dinar, vier Seiten. Ich habe sie heute noch zu Hause. Als ich es durchlas, klang es wie eine Predigt. Ich war ja schon vorher mal in der Kirche gewesen.
Dann rief ich Karl an, der mich gefragt hatte, zum Dauernhof zu kommen. Ich sagte ihm, ich glaube, ich habe eine Predigt hier. Er antwortete: "Ja, dann komm und predige." Das war meine erste Predigt.
Heute unterrichte ich dreißig Wochen im Jahr. Aber das ist gar nicht so wichtig. Ich kann ehrlich sagen, dass ich mich freue, Christ zu sein.
Die Kraft der Entscheidung: Dankbarkeit als Lebensstil
Oft werde ich gefragt: Herr Hans-Peter, was hat dir Freude daran gegeben, mit Jesus zu leben? Meine Antwort ist, dass ich eine Entscheidung getroffen habe – nämlich Gott für alles zu danken.
Seht ihr, es ist ein Kampf in unserem Denken. Darüber haben wir auch gestern gesprochen. Fast jeden Tag bin ich nun dankbar, auch wenn ich vieles nicht verstehe oder nicht mag. Manchmal beschwere ich mich, klage oder murre, und falle selbst in Leid und Bitterkeit.
Es ist wichtig zu verstehen: Du und ich – das ist meine Überzeugung – wir haben die Freiheit, unseren Weg zu wählen. Aber wir haben keine Freiheit, unser Ziel zu bestimmen. Das heißt, ich habe die Freiheit, mich zu entscheiden, ob ich dankbar oder undankbar sein will. Wenn ich mich aber entscheide, undankbar zu leben, ist das Ziel meines Lebens vorherbestimmt. Dann werde ich ein bitterer Mensch, erfüllt von Zorn und Angst. Früher oder später werde ich mich von Menschen und auch von Gott zurückziehen, denn ich kann weder Gott noch den Menschen vertrauen.
Du entscheidest also, welchen Weg du gehst, aber das Ziel kannst du nicht mehr wählen – das ist automatisch.
Interessant ist das Beispiel im Garten Eden: Gott sagte, von allen Bäumen dürft ihr essen – Tausende, wahrscheinlich Millionen –, nur von einem einzigen nicht. Wenn du von diesem Baum isst, wirst du sterben. Die Wahl, zu essen oder nicht, war da, aber die Wahl, ob ich lebe oder sterbe, war nicht mehr da. Sie war vorgegeben.
Übrigens, in Seelsorgegesprächen, wenn ich das Gefühl habe, bei jemandem steckt Bitterkeit, Enttäuschung oder Zorn dahinter, dann sage ich oft: Das Kind darf ruhig ein bisschen schreien, das ist überhaupt nicht tragisch. Wenn du enttäuscht und zornig bist, dann sag es Gott. Geh zu ihm und bring ihm deinen Zorn.
Man hört manchmal unter Christen, dass Christen nicht hassen dürfen. Das ist völliger Unsinn. Du hasst sowieso. Vielleicht nimmst du ein netteres Wort, damit es nicht unchristlich klingt, aber der Hass ist da. Die Frage ist nur: Was tust du damit?
Es ist entscheidend, dass ich mit meinem Hass, meiner Wut und meiner Enttäuschung auch Gott gegenüber ehrlich bin. Ich sage zu Gott: „Gott, ich glaube, du bist ein furchterregender Gott, ich kann dir nicht mehr vertrauen, ich bin so enttäuscht und zornig.“ David hat einmal gesagt: „Herr, hau ihn ins Grab, vernichte ihn, bring ihn um.“ Das ist so wichtig.
Wisst ihr warum? Wenn ich nicht ehrlich bin mit meinen Gefühlen vor Gott, dann vergrabe ich sie nur. Aber sie verschwinden nicht.
In evangelikalen Kreisen ist das oft ein Problem. Man kommt rein, lacht, weil man als Christ ja fröhlich sein soll. Doch hinter diesem Lachen werden die gemeinsten Dinge gesagt. Wisst ihr, warum das passiert? Weil diese Christen nie gelernt haben, ihren Zorn und Frust bei Gott auszulassen. Und dann kommt es hinten herum heraus, und sie verletzen andere. Es muss irgendwo raus.
Das heißt, wir müssen ehrlich sein vor Gott, auch wenn wir zum Beispiel einen Verlust erleiden – den Verlust eines Menschen oder der Gesundheit. Man braucht Zeit der Trauer, in der man seinen Zorn und seine Enttäuschung Gott gegenüber ausdrücken kann.
Und wisst ihr was? Gott kann das vertragen. Er weiß, wie man damit umgeht. Wir Menschen nicht.
Und das ist jetzt der Punkt: Ich frage oft Menschen, bei denen ich Bitterkeit spüre: Willst du ein bitterer, zorniger und hässlicher Mensch werden? Ist das dein Ziel? Bis jetzt hat jeder gesagt: Eigentlich nicht.
Dann sage ich: Beginne heute, Gott zu danken. Sonst wirst du hässlich, zornig und bitter. Den Weg kannst du wählen, das Ziel nicht.
Es gibt einen Spruch: Zuerst treffen wir unsere Entscheidungen – und dann machen die Entscheidungen uns.
Denken und Danken: Eine biblische Verbindung
Im Römer Kapitel 1 gibt es einen ganz interessanten Vers, Römer 1,21. Dort lernen wir, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen Denken und Danken gibt – nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich. Im Englischen heißt es „thinking and thanking“, also Denken und Danken.
Der Apostel Paulus schreibt in Römer 1,21: „Weil sie Gott kannten, ihn aber weder als Gott verherrlichten noch ihm dankten, wurden sie in ihren Überlegungen töricht, und ihr unverständliches Herz wurde verfinstert.“ Das heißt, hier sagt er, dass durch das Ausbleiben des Dankens das Denken verfinstert wird. Danken und Denken hängen also direkt zusammen.
Nun ist es so, dass wir unser Denken nicht immer so lenken können, wie wir es gerne möchten. Zum Beispiel steht in Philipper 4,8: Dort sagt der Apostel Paulus – ich lese es gerade vor – Philipper 4,8: „Brüder und Schwestern, alles, was wahr, alles, was ehrbar, alles, was gerecht, alles, was rein, was liebenswert und was wohltuend ist, und wenn es irgendein anderes Lob gibt, daran denkt.“
Wir müssen ehrlich sein: Alles andere ist sinnlos. Ist alles, was du bis heute gedacht hast, wahr? Ist alles, was du bis jetzt gedacht hast, ehrbar, rein, liebenswert und wohltuend? Ich weiß nicht, ich hätte da ein bisschen Probleme mit.
Würde es dir etwas ausmachen, wenn all die Gedanken, die du heute hattest – wir sind ungefähr drei, vier oder fünf Stunden wach, je nachdem – wenn jeder deine Gedanken jetzt auf eine Folie projiziert und für alle sichtbar wäre? Wäre das völlig okay für dich? Vielleicht nicht.
Jetzt ist aber das Problem: Du sagst dir vielleicht, „Okay, Gott, ab morgen früh denke ich nur noch rein, liebenswert, wohltuend, gut, gerecht.“ Aber es wird dir nicht gelingen. Denn du kannst deine Gedanken nicht einfach so leiten.
Die Frage ist also: Wie können wir dann lernen, richtig zu denken – wahrhaftig, liebenswert und wohltuend? Nun, es gibt eigentlich nur eine Möglichkeit: Wir müssen lernen zu danken. Denn indem wir danken, lernen wir, richtig zu denken.
Bonhoeffer hat so schön gesagt: „Dankbarkeit öffnet den Weg zu Gott.“ Das heißt auch, Undankbarkeit verschließt den Weg. Vater Bodelschwing hat gesagt: „In Christus zu reifen bedeutet, Christus zu danken.“
Dankbarkeit ist ganz einfach der Ausdruck meines Vertrauens Gott gegenüber, dass er es letztlich gut mit mir meint. Und Freunde, das ist so wesentlich. Wenn du nicht glaubst, dass Gott es letztlich gut mit dir meint, dann kannst du Gott nicht danken. Denn dann musst du ihm misstrauen.
Dann bitte ich dich: Such weiter nach dem richtigen Vaterbild Gottes, wie wir es in Christus Jesus finden. Seht ihr, wenn ich undankbar bin und bleibe, dann sage ich eins von zwei Dingen: Entweder sage ich, „Gott, du liebst mich nicht wirklich, denn wenn du mich lieben würdest, wäre das nicht passiert.“ Oder ich sage, „Gott, du hast gerade einen Fehler gemacht, und darum kann ich dir nicht danken.“
Ich nehme ein ganz einfaches Beispiel – ich nehme immer dasselbe, aber es funktioniert für mich zumindest: Angenommen, ich bin hier fertig, in einigen Minuten, gehe die Treppe runter, und eine Stufe ist ein bisschen schmal, aber das macht nichts. Ich falle hin und breche mir beide Hände. Was sage ich dann? Wahrscheinlich erst mal „Autsch.“
Dann werde ich Gott sagen, was ich davon halte, dass ich das überhaupt nicht gut finde. Ich werde ihm ehrlich sagen, wie es mir geht. Aber ich glaube, ich hoffe, dass ich am Ende sage: „Herr, danke. Ich habe keine Ahnung warum, ich freue mich überhaupt nicht darüber, ich finde das eine sehr schlechte Idee, aber Herr, danke.“
Seht ihr, die Sache ist: Unser rationelles Denken schreit auf und sagt: „Das ist ja verrückt! Wie kannst du auch nur irgendwie danken für so etwas?“
Wie kann ich Gott danken für meinen Ehemann, der Alkoholiker ist? Wie kann ich Gott danken für mein Kind, das ich verloren habe? Wie kann ich Gott danken für den Missionar, der umgebracht wurde?
Oder um ein bisschen auf alltäglichere Dinge zu kommen: Wie kann ich Gott danken, dass mein Kind wieder eine Fünf nach Hause bringt von der Schularbeit? Wie kann ich Gott danken, dass ich eine Verletzung habe?
Die Wege Gottes verstehen lernen: Eine Legende und biblische Parallelen
Nun möchte ich euch noch eine Geschichte vorlesen. Es ist eine tiefsinnige Legende. Sie steht zwar nicht in der Bibel, ist aber dennoch biblisch. Ich werde euch zeigen, wie das gemeint ist.
Ein Einsiedler namens Johannes, der schon viel über die Rätsel im Leben der Menschen nachgedacht hatte, hatte einen Traum. Eine Stimme rief ihn: „Steh auf, Johannes, nimm deinen Stab, ich will dir die Wege Gottes zeigen.“
Ein unbekannter Mann trat zu ihm und sagte: „Ich komme mit dir mit, denn alleine kommst du nicht zurecht.“ Am Abend kamen die beiden in ein Haus. Der Hauswirt versorgte sie aufs Beste, denn er hatte einen Freudentag. Sein Feind hatte sich mit ihm versöhnt und ihm einen goldenen Becher geschenkt.
Am Morgen, beim Abschied, sah der Einsiedler Johannes, wie sein Begleiter den goldenen Becher heimlich in sein Bündel schob. Der Einsiedler wurde böse, doch er erhielt die Antwort: „Schweig, so sind die Wege Gottes.“
Am nächsten Tag waren sie Gäste bei einem Mann, der schrecklich fluchte und ein Geizhals war. Ehe sie am Morgen wieder gingen, schenkte der Begleiter diesem Geizhals den goldenen Becher. „Wieso das?“, entfuhr es dem Einsiedler. Der andere legte den Finger auf den Mund und sagte: „Schweig, so sind die Wege Gottes.“
Am nächsten Tag übernachteten sie bei einer Familie, die sie herzlich aufnahm. „Gott segne euch!“, rief der Begleiter. Doch beim Weggehen ergriff er ein Licht und zündete heimlich die Hütte an. Der Einsiedler wollte ihm in die Arme fallen, doch die Antwort lautete wieder: „Schweig, so sind die Wege Gottes.“
Am nächsten Tag logierten sie bei einem Mann, der nur einen einzigen sehr freundlichen Sohn hatte. „Ich kann euch nicht begleiten“, sagte der Vater zu seinen Gästen beim Abschied, „aber mein Sohn wird euch den Weg, vor allem den Steg über die Schlucht, zeigen.“
Der Junge ging voraus. Als sie bis zur Mitte des Steges gekommen waren, packte der Unbekannte den Jungen und schleuderte ihn in die Tiefe. Der Einsiedler war geschockt. „Das sollen die Wege Gottes sein? Du bist ein Lügner!“, rief er entsetzt.
Da verwandelte sich der Begleiter in einen Engel und sagte: „Höre, Johannes! Der goldene Becher war vergiftet. Der Geizhals wird sich daraus den Tod trinken. Der arme Mann wird unter der Asche seines Hauses einen Schatz finden, mit dem ihm aus aller Not geholfen ist. Das Kind, das ich in den Strom schleuderte, wäre ein Mörder geworden. Du konntest die Weisheit der Wege Gottes nicht finden. Nun hast du ein Stück davon gesehen. Sei in Zukunft vorsichtig mit deinen Urteilen.“
Jetzt könnt ihr sagen, Johannes, das ist eine Legende. Aber ich möchte euch etwas zeigen.
Im ersten Buch Mose, Kapitel 45, finden wir die Geschichte von Josef, der nach Ägypten verkauft wurde. Er war einer der zwölf Söhne Jakobs. Ihr kennt die Geschichte wahrscheinlich: Er wurde nach Ägypten verkauft, kam ins Gefängnis und so weiter. Die zwölf Brüder hatten ihn bösartig und völlig ungerecht verkauft.
Dann kam eine Hungersnot. Jahre später gingen die Brüder nach Ägypten. Inzwischen war ihr Bruder Josef der zweithöchste Mann im Land, gleich neben dem Pharao. Sie hatten noch zu essen und kauften Nahrung in Ägypten, ohne zu wissen, dass es ihr Bruder war. Schließlich offenbarte er sich ihnen.
Es ist faszinierend, was Josef zu seinen Brüdern sagt. 1. Mose 45,4-8: Da sagte Josef zu seinen Brüdern: „Tretet doch zu mir heran!“ Sie traten heran, und er sagte: „Ich bin Josef, euer Bruder, den ihr nach Ägypten verkauft habt. Nun seid nicht bekümmert und werdet nicht zornig auf euch selbst, dass ihr mich hierher verkauft habt. Denn zur Erhaltung des Lebens hat Gott mich vor euch hergesandt.
Schon zwei Jahre ist die Hungersnot im Land, und es dauert noch fünf Jahre, in denen es kein Pflügen und kein Ernten geben wird. Doch Gott hat mich vor euch hergesandt, um euch einen Überrest auf Erden zu bewahren und euch am Leben zu erhalten für eine große Errettung. Nun, ihr habt mich hierher gesandt, aber nicht ihr, sondern Gott.“
Er hat mich zum Vater des Pharao gemacht.
Was mich hier fasziniert, ist, dass Josef sagt: „Ihr habt mich hierher gebracht, Brüder, ihr habt mich bösartig verkauft.“ Aber wisst ihr, was die Wahrheit ist? Nicht ihr habt mich hierher gesandt, sondern Gott.
Jahre zuvor, als sie ihn bösartig verkauften, hatten sie keine Gebetsgemeinschaft, die Brüder. Sie fragten nicht: „Gott, sollen wir unseren Bruder nach Ägypten verkaufen? Ist das dein Wille?“ Ihre Motivation war ausschließlich böse.
Aber wisst ihr, was Josef gesehen hat? Gott war in alledem. Er hat mich hergesandt.
Seht ihr, das ist das Geheimnis: Sogar Dinge, die böse geschehen, die von Menschen mit schlechten Absichten getan werden, kann Gott gebrauchen, um letztlich zum Segen daraus zu machen.
Dankbarkeit als Lebenshaltung trotz Leid und Schmerz
Wisst ihr, warum Dankbarkeit so wichtig ist? Weil Undankbarkeit eine der destruktivsten Haltungen im Menschen ist. Du zerstörst dich selbst.
Eine persönliche Geschichte noch, dann bin ich bald fertig. Als meine Frau und ich vor 24 Jahren heirateten, lernte sie Krankenschwester. Doch sie konnte die Ausbildung nicht abschließen, weil sie eine ziemlich schlimme Allergie bekam – und zwar gegen die Desinfektionsmittel. Zuerst trat die Allergie nur an den Händen auf, später am ganzen Körper. Bis vor drei Jahren litt sie zwanzig Jahre lang darunter.
Zu der Zeit war ich Skilehrer und Bergführer. Ich brauchte nie Sonnencreme, meine Haut war stabil, ich wurde ganz normal braun. Doch plötzlich, als ich mehrere Wochen auf einem Kurs am Gletscher in einer Hütte war, wurde ich allergisch gegen die Sonne. Warum, ist heute egal.
Wir waren bei vielen Ärzten in Deutschland und Österreich und haben viel Geld ausgegeben, aber niemand konnte uns wirklich helfen. Ich erinnere mich, wir waren frisch verheiratet, und es juckte extrem. Oft saßen wir um zwei Uhr nachts noch zusammen. Meine Frau kratzte sich bis zur Blutung, ich auch im Gesicht. Sie weinte oft und fragte: „Was sollen wir tun?“
Ich erinnere mich, dass ich sagte: „Was sollen wir tun, lass uns Gott danken.“ Nicht, weil wir uns danach fühlten – im Gegenteil –, aber ich glaubte etwas. Ich glaubte, wenn Gott wollte, könnte er uns beide jetzt heilen. Das wäre für Gott kein Problem. Aber aus irgendeinem Grund heilte er uns noch nicht. Warum sollten wir ihm dann nicht danken?
Rückblickend bin ich so dankbar, dass wir damals dankbar waren. Die zwei, drei Jahre waren relativ extrem. Einen Winter lang konnte ich gar nicht ohne Gesichtsmaske aus dem Haus gehen. Es war sehr schmerzhaft. Es war keine leichte Zeit, aber genau diese Zeit bereitete Gott uns vor für das, was wir heute tun.
Nach zwei Jahren rief ich dann die Ältesten, und wir beteten. Mein Gesicht wurde über Nacht geheilt. Gott tut auch heute noch Wunder, wenn er will.
Warum erzähle ich euch das? Nicht, um einen Eindruck zu machen, sondern um zu unterstreichen: Dankbarkeit ist kein bloßes christliches Konzept, das wir in Bibelstunden besprechen. Dankbarkeit ist etwas, das wir im Alltag praktizieren müssen. Nicht, weil wir uns danach fühlen. Sehr oft fühlen wir uns nicht danach, dankbar zu sein. Und das können wir Gott alles sagen – und am Ende doch sagen: „Herr, ich danke dir dennoch.“
Die Haltung der Dankbarkeit bis zum Lebensende
Eine Geschichte noch: Eine alte Frau im Krankenhaus wurde von einem jungen Mädchen besucht, weil sie auf das Mädchen einen großen Eindruck machte.
Die Frau konnte nur noch ihren Kopf und ihre rechte Hand bewegen, sonst nichts mehr. Sie war völlig bettlägerig. Die Frau sagte zu dem jungen Mädchen, das sie besuchte: „Ich bin Gott so dankbar, dass ich noch meine Hand und meinen Kopf bewegen kann.“
Einen Monat später konnte sie nur noch den Kopf bewegen, die Hand nicht mehr. Die Frau sagte zu dem Mädchen: „Ich bin Gott so dankbar, dass ich meinen Kopf noch bewegen kann.“
Eine Woche später konnte sie auch den Kopf nicht mehr bewegen. Das Mädchen kam wieder, und die Frau sagte: „Ich bin Gott so dankbar, dass du mich besuchen kommst.“
Seht ihr, das ist die Haltung der Dankbarkeit. Diese Frau blieb bis zur letzten Sekunde eine schöne Frau. Denn genau das bewirkt Dankbarkeit.
Charles Spurgeon hat einmal über sich selbst gesagt: „Ich fürchte, dass all die Gnade, die ich in meinen sorgenfreien und angenehmen Stunden empfangen habe, nur einen Groschen wert ist. Aber das Gute, das ich durch Leiden, Schmerz und Trauer empfangen habe, ist unbezahlbar.“
Er fügte hinzu: „Was schulde ich nicht dem Hammer und dem Schmiedstock, dem Feuer und den Pfeilen in meinem Leben?“
Dann sagte er: „Anfechtung und Leid sind die wertvollsten Einrichtungsgegenstände in meinem Haus.“
Praktische Schritte zu einem dankbaren Leben
Und zum Abschluss möchte ich uns einfach ermutigen, eine ganz praktische Übung auszuprobieren.
Beginne den Tag mit einem Dank. Setze dich heute einmal hin und schreibe auf die erste Seite deiner Bibel – oder in ein anderes Buch, das du liest – fünf Gründe auf, für die du Gott danken kannst. Zum Beispiel: „Gott, danke für meine Gesundheit“, „Danke für meine Familie“, „Danke, dass ich in diesem Land leben darf“ – was immer es ist.
Dann geh noch einen Schritt weiter: Schreibe eine Sache auf, für die es dir extrem schwerfällt, zu danken. Nur eine. Fünf Gründe, die dir leichtfallen, und eine Sache, die dir schwerfällt.
Das kann ein Verlust sein, für den du kaum danken kannst, oder eine Person, die du nicht leiden kannst.
Und wisst ihr, in der Dankbarkeit liegt eine solche Kraft. Du wirst zum Beispiel merken, wenn du beginnst, für eine Person zu danken, die du nicht leiden kannst oder die dir Schwierigkeiten bereitet, wird es zunehmend schwerer, schlecht über diese Person zu denken. Gerade wenn du für sie betest, verändert sich dein Denken.
Was geschieht jetzt? Unser Denken wird verwandelt. Wir danken und denken neu – und so werden wir zu besseren, schöneren Menschen.
Der Wille Gottes: Dankbarkeit als Lebensauftrag
Zurück zu unserem Anfangsvers, und damit möchte ich schließen.
Eine der häufigsten Fragen, die ich bekomme, wenn ich viel unterwegs bin, ist: „Hans-Peter, kannst du mir helfen? Was ist der Wille Gottes für mein Leben?“ Manchmal antworte ich: „Weißt du was, genau dafür bin ich hierher gekommen, denn ich weiß genau, was Gottes Wille für dein Leben ist.“ Dann denken die Menschen oft, ich sei ein Prophet.
Ich zitiere dann 1. Thessalonicher 5,18 und sage: „Sage in allem Dank, denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für dich.“ Ich weiß genau, was Gottes Wille für dich ist: für alles Dank zu sagen.
Übrigens, der nächste Vers, Vers 19, lautet: „Den Geist löscht nicht aus.“ Weißt du, wie du den Heiligen Geist in dir auslöschen kannst? Das geht ganz leicht: Sage einfach nicht Danke. Dann erkennt niemand Christus in dir, und der Geist ist ausgelöscht. Das sagt uns das Wort.
Schlussgebet
Ich will noch beten, zusammen:
Lieber Vater, ich danke dir dafür, dass wir dir danken können. Danke, Herr, dass Dank eine so machtvolle Waffe ist, um schöne Menschen zu sein, zu werden und zu bleiben. Wir drücken dir unseren Dank einfach aus – unter Tränen, unter Trauer.
Herr, letztlich wollen wir dir vertrauen, weil wir glauben, dass du es gut mit uns meinst. Danke, Herr, dass Dankbarkeit nicht nur eine Sache des Gefühls ist, sondern eine Sache des Vertrauens.
Danke auch, Herr, dass ich bei dir immer ehrlich sein kann. Dass ich dir meine Wut, meinen Hass und meine Enttäuschungen ganz ehrlich sagen darf und letztlich doch zum Dank zurückfinde. Nicht weil die Umstände so super wären und nicht, weil ich mich so fühle, sondern weil ich weiß, du bist ein guter Gott.
Und Herr, so bete ich, dass wir das lernen und immer wieder neu einüben: diesen Dank für schwierige Menschen, in und außerhalb der Gemeinde, für Tragödien in unserem Leben und im Leben anderer.
Vater, wir wollen lernen, Danke zu sagen. Amen.