Ab Seite fünf findet ihr dann Gedanken zum Text. Das ist das, was ich euch vorhin schon angekündigt habe. Ihr habt den Text, den ich durchgehen werde. Ganz selten findet ihr mal eine eigene Übersetzung mittendrin.
Ich möchte keine Übersetzung schlechtmachen, das will ich einmal vorneweg sagen. Immer wenn ich so etwas sage wie „Das müsste aber eigentlich so heißen“ oder „Das würde man besser so übersetzen“, dann heißt das nicht, dass ich die Übersetzer einer bestimmten Bibel – sei es Elberfelder, Luther, Schlachter – für unfähig halte. Ich möchte nicht sagen, dass sie nicht wussten, was sie tun.
Aber es passiert halt trotzdem, wenn man sich im Detail mit einem Text beschäftigt, dass man ab und an mal sagt: Hier könnte man es doch an der einen oder anderen Stelle etwas günstiger ausdrücken. Und da erlaube ich mir dann auch mal, eine eigene Übersetzung dazuzumachen.
Das passiert aber so gut wie nie im Philippabrief. Was jetzt gleich am Anfang passieren wird, sage ich einmal vorneweg. Wir haben in Deutschland wirklich den Vorteil, mit vielen sehr guten Übersetzungen arbeiten zu können. Und da fallen diese kleinen Ergänzungen wirklich nicht ins Gewicht. Das ist meine Meinung.
Einführung in den Predigttext und Übersetzungsansatz
Paulus und Timotheus, Knechte Christi Jesu, senden Gruß an alle Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind, zusammen mit den Aufsehern und Dienern.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.
Bedeutung der Namen Paulus und Saulus
Paulus und Timotheus
Wir sprechen hier über den Namen Paulus. Paulus hatte tatsächlich einen Doppelnamen. Er hatte einen jüdischen Namen, der vom König Saul abgeleitet ist, nämlich Saulus. Die Redewendung „Vom Saulus zum Paulus“ soll ausdrücken, dass er vorher ein Verfolger der Christen war und dann wie ein Lamm wurde, das nun für die Christen arbeitet. Diese Redewendung ist zwar verbreitet, aber eigentlich nicht korrekt, denn Paulus hatte die ganze Zeit beide Namen.
In der Apostelgeschichte wird er zu Beginn immer Saulus genannt, weil er sich am Anfang in Jerusalem aufhält, also in einem jüdischen Umfeld. Dort benutzt er natürlich seinen jüdischen Namen Saulus. Dieser Jude Saulus hatte aber einen Zweitnamen, und zwar Paulus, was „der Kleine“ bedeutet. Vielleicht war er etwas kleiner, was den Namen erklärt, aber es ist wahrscheinlicher, dass er den zweiten Namen nur deshalb angenommen hat, weil es damals eine Sitte gab.
Diese Sitte besagte, dass Juden anstelle ihres hebräischen oder aramäischen Namens einen ähnlich klingenden Namen annahmen, wenn sie sich ins griechisch-römische Umfeld begaben. Ein gutes Beispiel dafür ist Silas. Wie heißt Silas noch? Silvanus. Silas hatte das Problem, dass sein Name schwer auszusprechen war. Ähnlich ist es bei mir, wenn ich in Amerika bin: Mein Name Jürgen wird dort oft falsch ausgesprochen, etwa als „Jurgen“ oder Ähnliches. Ich würde mir wahrscheinlich den Namen George zulegen, weil George dem Jürgen klanglich nahekommt und leichter auszusprechen ist.
Diese Regel oder Sitte, einen schwer auszusprechenden Namen durch einen ähnlich klingenden Namen zu ersetzen, der im anderen Umfeld besser funktioniert, galt auch im ersten Jahrhundert. So wird aus Saulus ein Paulus. Ihr merkt, das klingt ähnlich, man kann sich das gut merken. Auch Saulus selbst merkt, dass er gemeint ist. Ähnlich verhält es sich mit Silas und Silvanus. Deshalb heißt Saulus hier Paulus.
Die Bedeutung des Begriffs „Knecht“ im Brief
Paulus und Timotheus, Knechte Christi Jesu. Ich möchte etwas zu diesem Wort „Knecht“ sagen – oder besser noch zum Begriff „Sklave“, denn es ist dasselbe Wort.
Ein „Knecht des Herrn“ ist in der Bibel eine Bezeichnung für jemanden, der von Gott zu einem besonderen Dienst berufen wird. Wenn man im Alten Testament nachschaut, wer alles „Knecht des Herrn“ genannt wird, dann sind das wirklich die Topleute – zum Beispiel Mose oder Josua, auch David. Es sind Menschen, die Instrumente in der Hand Gottes zur Rettung sind und deshalb sehr oft als Knechte des Herrn bezeichnet werden.
Hier haben wir es jedoch mit Leuten zu tun, die diesen alttestamentlichen Hintergrund gar nicht haben. Wir hatten ja gesagt, Philippi hatte keine jüdische Synagoge. Die Menschen, die dort zum Glauben kamen, waren also nicht sattelfest im Alten Testament.
Deshalb dürfen wir hier, wenn wir das Wort „Knecht Christi Jesu“ oder „Knecht/Sklave“ hören, an zwei andere Dinge denken, die Paulus eher gemeint haben mag.
Zum einen: Wenn Paulus sich als Sklave bezeichnet, dann ist das ein starker Begriff dafür, dass er sein Leben komplett diesem Herrn unterwirft. Er lebt für einen anderen. Er hat das Besitzrecht an seinem Leben abgetreten, er hat sich erlösen lassen. Das Wort „Erlösung“ ist dasselbe Wort, das auch „Freikaufen“ bedeutet. Jemand anders hat für ihn bezahlt. Der Schuldschein, der gegen ihn ausgestellt war, ist am Kreuz eingelöst worden. Jesus hat mit seinem Blut für ihn bezahlt, und er gehört jetzt ihm.
Zum anderen schwingt mit dieser Idee noch eine weitere Bedeutung mit. In 1. Korinther 7 sagt Paulus: „Werdet nicht Sklaven von Menschen.“ Man könnte im ersten Moment meinen, das sei eine seltsame Aufforderung – wer sollte sich denn freiwillig an einen anderen verkaufen? Doch viele, die ein bisschen Verstand hatten, taten das in bestimmten Situationen.
In einer Stadt wie Rom gab es etwa ein Drittel Sklaven. Von ungefähr einer Million Einwohnern waren mehr als 300.000 Sklaven. In der sozialen Schichtung der Gesellschaft stand der Sklave nicht ganz unten. Das haben wir oft so im Kopf, weil wir Bilder von Sklaverei aus Nordamerika auf Baumwollplantagen vor Augen haben. Wer Serien wie „Roots“ gesehen oder Bücher wie „Onkel Toms Hütte“ gelesen hat, weiß, dass Sklaven dort ganz unten standen. Das ist aber nicht die Antike.
In der Antike war man immer Teil eines Beziehungsgeflechts. Die Menschen, die man kannte, bestimmten den eigenen Stand innerhalb der Gesellschaft. Wenn man in der Gesellschaft aufsteigen wollte, war es ein Vorteil, zum Beispiel Sklave am Kaiserhof zu sein. Ein Sklave am Hof des Kaisers galt innerhalb der Gesellschaft und des sozialen Umfelds höher als ein freier, einfacher Handwerker, der seinen Lebensunterhalt verdiente. Der Handwerker stand darunter.
So konnte es, wenn man aufsteigen wollte, vorteilhaft sein, sich als Sklave in einen Haushalt einzubringen und an der Ehre, dem Ansehen und dem Einfluss des Hausherrn teilzuhaben. Natürlich war das auch eine Frage der Sicherheit. Ein Handwerker, der immer Aufträge brauchte und nicht wusste, was passiert, wenn er krank wird, hatte es schwerer. Ein Sklave hatte weniger Probleme: Essen, Trinken, Kleidung und Unterkunft waren erst einmal gestellt.
Wenn man einen vernünftigen Herrn hatte, lief das gut. Natürlich gab es auch die andere Seite, wo es brutal und schlimm zuging. Es gab Sklaverei auf Galeeren und Ähnliches, das ist logisch. Aber in einer Stadt wie Rom oder hier in Philippi schwingt bei dem Wort „Sklave“ immer mit, dass die Stellung und der Wert eines Sklaven von dem Herrn abhängen, dem er gehört.
So haben wir zwei Dinge: Zum einen ist der Sklave Jesu Christi oder der Knecht Christi Jesu derjenige, der sein Leben ganz gibt. Zum anderen ist er der, der sagt: Ich gehöre zum König des Universums, ich diene dem Allerhöchsten. Wenn es um die Frage meines Wertes und meiner Stellung geht, spielt die Tatsache, dass ich Sklave bin, eine ganz untergeordnete Rolle. Denn ich gehöre zum Kaiserhof, zum obersten Königshof des Kosmos.
Gemeinschaft in Christus und der biblische Gruß
Ein Knecht Christi Jesu. Allen Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind, samt den Aufsehern und Dienern.
Dieses kleine Wörtchen „in“ wird euch in der Bibel oft begegnen, besonders in der Wendung „in Christus“. Es steckt ein dahinterliegendes Denken darin, das wir im Deutschen kaum transportieren können. Mit „in“ wird ein Bereich beschrieben.
In Christus sein bedeutet: Ich nehme Jesus wie diesen Saal. Wenn Jesus dieser Saal wäre und ich bin „in Christus“, dann trete ich in diesen Saal ein. Ich nehme teil an dem Bereich, den Jesus bildet.
Nun müssen wir diesen Gedanken, der im Wörtchen „in“ steckt – nämlich „ich gehöre zu einem Raum“ – auf eine Person übertragen. Ich gehöre, wenn ich in Christus bin, zu einer Person.
In Christus sein heißt, ich nehme teil an seinem Leben. Ich bin in einer Beziehung zu ihm. Christus und ich bilden eine lebendige Einheit, eine Zweierschaft. Das, was Jesus erreicht hat, gilt irgendwie auch mir. Und das, was Jesus einmal empfangen wird, daran werde ich mit beteiligt sein.
Dort, wo Jesus heute etwas tut und ist, da tue ich das auch und bin ich das auch.
Wenn Paulus hier schreibt: „allen Heiligen in Christus Jesus“, dann möchte er damit zum Ausdruck bringen, dass es überhaupt nur Heilige gibt, die in Christus sind. Die Anteil haben am Auferstehungsleben Jesu Christi, in Christus sind und Gemeinschaft mit Christus haben.
Wenn ihr euch das merkt, könnt ihr den Begriff „in Christus“ ein bisschen besser füllen, und er wird nicht mehr ganz so fremd sein.
Er schreibt: „allen Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind, samt den Aufsehern und Dienern“ – zwei Gruppen in der Gemeinde. Gemeinde ist das eine. Wir würden sagen: die Ältesten, die Aufseher, die Gemeindevorsteher. Das andere sind die Diener, vielleicht diejenigen, die eher den praktischen Teil übernehmen.
Dann folgt ein Wunsch: „Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.“ An dieser Stelle kommt in einem antiken Brief immer der Gruß.
Das, was Paulus hier schreibt, ist eine leicht modifizierte Form des Grußes, die man an dieser Stelle verwendet. Sie ist ein wenig christlich gestaltet worden.
Die Bedeutung von Gnade und Frieden im christlichen Leben
Was mich dabei interessiert hat, als ich das gelesen habe, ist: Was meint er eigentlich?
Ich schreibe unter meinen E-Mails gerne „Alles Liebe und Gottes Segen“. Ich finde das eine schöne Formel. Aber ich meine das auch so. Ich wünsche dir alles Liebe und ich wünsche dir Gottes Segen.
Aber was meint Paulus, wenn er hier sagt: „Gnade euch und Friede“? Vor allem, was meint er vor dem Hintergrund, dass sie doch Gnade und Frieden schon haben? Er schreibt ja an die Heiligen. Es ist ja nicht so, dass er sagt: „Ich wünsche dir Gnade, bekehr dich doch bitte.“ Sondern da sind Leute, die Begnadigte, die haben das Evangelium verstanden, geglaubt, den Herrn angerufen und sind gerettet worden. Und jetzt schreibt er: „Ich wünsche dir Gnade.“ Und du denkst dir: „Habe ich doch.“ Und ich wünsche dir Frieden. Und wir denken vielleicht sofort an Römer 5, Vers 1, da wir nun Frieden haben mit Gott. Denken wir: „Habe ich doch schon.“
Die Lösung ist die: Wir können diese Begriffe Gnade und Friede sehr statisch verstehen. Im Jahr 1987, irgendwann im Mai, habe ich Gnade von Gott empfangen und habe mich bekehrt. Bumm! Und ich habe Frieden bekommen, gleich noch dazu. Brumm. Das ist ein statisches Denken. Ich habe das jetzt so, wie einen Pickel, und dann werde ich das auch nicht mehr los.
Aber das ist nicht das Denken der Bibel. Wenn die Bibel sagt: „Ich wünsche dir Gnade und Frieden“, dann ist natürlich dieser Startpunkt immer im Blick. Ich wünsche dir, dass Gnade als Prinzip erst einmal in dein Leben einkehrt. Und ich wünsche, dass du ganz grundsätzlich aus diesem Status des Rebellen heraus in den Status des geliebten Kindes kommst.
Aber jetzt bitteschön: Wenn du mit Gott lebst, was hat denn heute noch Gnade und Friede in deinem Leben, also heute an diesem Tag, für eine Bedeutung? Dahinter steckt die Idee, dass Gnade übersetzt „unverdiente Gunst“ bedeutet. Näher ist das als Begnadigung, sondern Gnade ist eine Macht, die herrscht. Gnade ist ein Konzept, das mein Leben durchdringen will. Dass ich heute Morgen eigentlich aufwache und heute Abend ins Bett gehe und dazwischen, was ich so richtig mitkriege, ein Leben aus und in der Gnade führe.
Die Bibel kann über die Gnade so reden, dass sie sagt: Sie beherrscht mein Leben, ist eine Macht, die mein Leben beherrscht. Ich begreife, dass ich ein Begnadigter bin, ich begreife, dass ich Gnade gebraucht habe, und ich möchte als einer leben, der jetzt auf diese Gnade reagiert.
Weißt du, wenn Gott mich begnadigt hat für meine Sünden, dann ist die Folge davon erstens, dass ich den Blödsinn nicht mehr tun will, von dem ich begnadigt worden bin. Weil ich bin ja froh, dass er weg ist. Und zweitens, dass wenn Gott mich so begnadigt, ich auch mit anderen gnädig umgehe. Logisch, denn wenn Gott mich lieb hat, dann ist ja das Kleinste, dass ich auch an andere lieb zu haben habe.
Und dieses Konzept, das ist etwas ganz Dynamisches. Ich verstehe immer mehr, was es heißt, dass Gnade mir zuteil wurde. Und ich verstehe immer mehr, was es heißt, Gnade zu leben, mit anderen gnädig umzugehen.
Und jetzt merkt ihr eins: Das ist nicht statisch, das ist nicht der Pickel, sondern das ist dynamisch. Das ist Leben, das ist etwas, worüber man nachdenken muss, wo man reinwächst, wo man sagt: Ja, ich verstehe heute besser, tatsächlich besser, was es heißt, begnadigt zu sein.
Es gibt sogar im ersten Petrusbrief eine zukünftige Gnade, die uns gebracht wird, also eine Gnade, die wir noch kriegen, wenn der Herr Jesus wiederkommt. Wir sind nämlich immer noch Schweine, begnadigte Schweine, aber Schweine. Und deswegen, wenn wir am Ende ankommen, dann kommt der Herr Jesus und bringt erst einmal Gnade mit. Warum? Weil wir sie brauchen.
Und das muss ich verstehen. Das muss ich zutiefst verstehen, wer ich bin und wie ich abhängig bin von dieser Gnade. Damit ich klein von mir denke, damit ich nicht denke: „Ich bin doch einfach ein feiner Kerl, ich gehöre doch eigentlich schon fast dem Himmel.“ Sondern dass ich klein von mir denke und begreife, wer ich bin und mit anderen gnädig umgehen kann, weil ich täglich aus dieser Gnade lebe.
Das ist, wenn ich dir Gnade wünsche oder wenn Paulus Gnade wünscht, dann sagt er dieses Denken, dieses Verstehen, aus dem dann Dinge herauskommen. Im Titus 2 heißt es, dass die Gnade uns erzieht zu einem Lebensstil, der Sünde rausschmeißt.
Ja, warum denn? Je mehr ich begreife, was es heißt, dass Gott mich begnadigt, umso mehr möchte ich nie wieder etwas mit der Sünde zu tun haben. Die Gnade erzieht wirklich, sie motiviert mich aber auch zu einem anderen Lebensstil, sie hilft mir.
Erst Römer 7: Wir sind im Gesetz gestorben. Aber die Motivation in unserem Leben ist nicht das Gesetz, die Angst davor, bestraft zu werden, die Angst davor, dass Gott mit so einem richtigen Knüppel wie er im Himmel steht und sagt: „Baff, wieder eine drauf.“ Das ist doch nicht die Motivation in unserem Leben.
Die Motivation ist, dass ich einen Vater im Himmel habe, der mich liebt, und dass ich aus diesem völligen Überwältigtsein von der Gnade, die er mir geschenkt hat, heraus bereit bin, jetzt ein anderes Leben zu leben.
Das ist die Idee, die hinter dem Begriff steht. Und wenn wir das begreifen, dann wird sich in unserem Leben etwas ändern.
Und das Gleiche, dieses gleiche Dynamische gilt auch für Frieden. Ja, ich habe natürlich Frieden mit Gott. Ich stehe nicht mehr mit ihm im Krieg. Ich bin nicht mehr der Guerillakämpfer, der versucht, Gottes Leben schwer zu machen. Nein, ich bin ein Kind Gottes. Ich liebe meinen Vater. Ich sage: „Aber, Papi, das ist das.“
Aber dieser Friede, das ist doch auch so eine Durchlauferhitzer-Theologie. Also: Gnade kriege ich und gebe sie weiter, Frieden kriege ich wie so ein Durchlauferhitzer und gebe ihn weiter. Ich muss doch lernen, in diesem Frieden zu leben. Ich muss doch selber erst mal begreifen, was das heißt, einer zu sein, der Frieden spendet, was es überhaupt heißt, Frieden zu leben.
Vielleicht auch um des Friedens willen mal auf eigene Rechte zu verzichten, weil das Reich Gottes eben nun mal nicht Essen und Trinken ist, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist. Das muss doch gelebt werden, das muss doch gefüllt werden.
Und ihr merkt mit einem Mal: Wenn ich anfange, darüber nachzudenken, wo stehe ich da eigentlich bei diesen Konzepten? Dann lohnt es sich, einander Gnade und Friede zu wünschen. Denn das ist etwas, wo wir wachsen können.
Du kannst ein gnädigerer Mensch werden, ein friedvollerer Mensch werden. Du kannst mehr verstehen, was es bedeutet, begnadigt zu sein und was es bedeutet, Frieden mit Gott zu haben. Und das wünscht Paulus seinen Philippern: „Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.“
Dank und Fürbitte als Ausdruck der Gemeinschaft (Kapitel 1, Verse 3-11)
Und dann kommt dieser erste Punkt: das Dank- und freudige Fürbittegebet, Kapitel 1, Verse 3-11. Es beginnt in den ersten vier Versen mit einer Begeisterung aus vollem Herzen. Paulus sagt in Vers 3: „Ich danke meinem Gott bei jeder Erinnerung an euch.“
Hier habe ich die Übersetzung ein wenig angepasst. Warum genau, werde ich jetzt nicht erklären, nur so viel: Wenn euch das interessiert, fragt mich gerne, dann zeige ich euch genau, was im Text steht und warum ich diese Formulierung gewählt habe.
Paulus ist einer, der dankt. Und das ist nicht so selbstverständlich, wie man vielleicht auf den ersten Blick denken mag. Paulus betet viel. Er sagt, dass er allezeit in jedem seiner Gebete für die Philipper dankt. Er hat Gebetszeiten, und immer, wenn er betet, denkt er an die Philipper. Und wenn er an sie denkt, dann dankt er für sie. „Ich danke meinem Gott“, sagt er.
Wenn ich das so lese, stelle ich mir die Frage: Wie sieht das in meinem Leben aus? Ich möchte euch diese Frage einfach weitergeben. Paulus hat hier mit Leuten zu tun, und wenn wir schauen, wofür er dankt, dann sind es drei Dinge. Erstens, in Vers 3, dankt er für die Gaben.
Dann, in Vers 5, dankt er wegen ihrer Teilnahme am Evangelium vom ersten Tag an bis jetzt. Das Wort „Teilnahme“ bedeutet hier eine innige Gemeinschaft. Die Philipper sind wirklich voll dabei. Sie sind mehr als Mitläufer, wenn man sie so charakterisiert. Sie spenden Geld, sie leiden fürs Evangelium, sie beten für Paulus. Sie sind echte, treue Leute. Paulus sagt: „Ich danke für eure Gaben. Ich danke dafür, dass ihr Partner am Evangelium seid.“
Die Teilnahme am Evangelium meint die Beteiligung an der Verbreitung des Evangeliums. Sie setzen sich wirklich dafür ein.
Der dritte Punkt, für den Paulus dankbar ist, steht in Vers 6. Er sagt: „Ich bin dankbar, weil ich weiß, dass Gott sein Werk in euch zum Abschluss bringen wird.“
Diese Dinge im Leben eines Menschen zu sehen und zu sagen: „Hey, ich danke für euch“ – das ist eine ganz grundsätzliche Haltung. Man könnte ja auch auf die Probleme bei den Philippern schauen, aber das tut Paulus nicht.
Ich habe selbst festgestellt, dass es eine schöne Sache ist, sich anzugewöhnen, für Geschwister zu danken. Auch für die, bei denen man sofort denkt: „Da gibt es aber auch Schwierigkeiten.“ Ja, auch Paulus hätte bei den Philippern einiges gefunden, wie er ja auch schreibt. Trotzdem beginnt er mit „Ich danke für euch alle.“
Ich stehe an der Stelle zu euch und möchte wissen, wie wir selbst dazu stehen. Ob wir das auch tun – wenn wir für die Geschwister in der Gemeinde beten, ob wir wirklich für alle beten. Ich möchte euch ermutigen, auch für die zu beten, die ihr vielleicht nicht so gut kennt.
Ihr erinnert euch an das Bild mit der Phalanx: Wir stehen nebeneinander. Paulus sagt in Epheser 6, wo es um die geistliche Waffenrüstung geht, am Ende: Betet! Unser Gebet schützt den Bruder, hilft ihm wieder auf, wenn er gefallen ist, bewahrt ihn.
Jetzt ist die Frage: Wenn ich für Leute bete, fangen wir oft mit den Problemen an. Paulus aber fängt mit dem Dank an. Davon können wir viel lernen.
Ich glaube, Einheit hat viel damit zu tun, dass wir lernen, füreinander dankbar zu sein. Wenn ich eine halbe Stunde damit verbringe, für jemanden zu danken, fällt es mir viel schwerer, schlecht über ihn zu reden oder zu denken. So ist das einfach.
Wir haben gerade etwas Schwierigkeiten mit einer etwas wilden und entspannten Gruppe. Viele Junggläubige knirschen und krabbeln noch ein bisschen.
Hier könnte der Ansatz sein: Wir lernen, füreinander zu danken. „Ja, aber der hat das und das gemacht.“ „Ja, das stimmt.“ Aber fang doch erst mal an, danke zu sagen für das, was er Gutes getan hat. Das könnte eine Hilfe sein.
Für Paulus war es natürlich leicht, weil er konkrete Dinge hatte, die ihm sofort einfielen, wenn er an die Geschwister dachte. Aber weißt du was? Die meisten Leute in deiner Gemeinde – wenn du über sie nachdenkst – du findest sofort Dinge, für die du dankbar sein kannst.
„Ich danke für die Gaben. Ich danke, dass ihr euch einbringt. Ich bete für euch alle mit Freuden.“
Vielleicht hast du eine Gemeinde, in der es Haarrisse gibt, die Gefahr läuft auseinanderzubrechen. Paulus sagt: „In meinem Herzen seid ihr alle drin. Ich mag euch alle, und das sollt ihr wissen. Ich bete für euch alle mit Freuden.“
„Mit Freuden“ fällt ihm nicht schwer, auch wenn er im Gefängnis sitzt. Die Lebensumstände bestimmen nicht die Freude in seinem Leben.
In Vers 6 sagt Paulus in guter Zuversicht, was bedeutet: „Ich habe überhaupt keine Zweifel, dass der, welcher ein gutes Werk in euch angefangen hat, es vollenden wird bis zum Tag Christi Jesu.“
Ich weiß nicht, wann wir das mal jemandem so gesagt haben: „Ich bin guter Zuversicht, dass das, was in dir angefangen hat, zu Ende geführt wird.“
Wir dürfen uns das zusprechen. Wisst ihr warum? Geistliches Wachstum ist nicht nur eine Anhäufung von Wissen und Fertigkeiten. Geistliches Wachstum bedeutet nicht nur, zu einer Gemeinde-Bibelwoche zu kommen und sich den Philipperbrief anzuhören und das nicht zu vergessen.
Geistliches Wachstum geht über Lehre, Studium und das Aneignen praktischer Fertigkeiten hinaus. Es hat damit zu tun, dass Gott selbst durch seinen Geist an mir wirkt.
Wo Gott angefangen hat, da dürfen wir sicher sein, dass er zum Ende bringt. Er wird es vollenden, zu einem guten Ende oder Ziel, wie man auch übersetzen kann, bis zum Tag Christi Jesu.
Es gibt diesen Tag Christi Jesu – den Tag, an dem wir Jesus begegnen, wenn Jesus wiederkommt. Es ist der Tag der Vervollkommnung, an dem uns der letzte Rest von Halbheit und Unvollkommenheit genommen wird.
Wir können sicher sein, dass Gott keine halben Sachen macht. Wenn Gott in einem Leben anfängt, wenn Gott Wohnung in einem Menschen bezieht durch den Heiligen Geist, weil dieser Mensch wirklich glaubt und das ein echter, lebensspendender Glaube ist, der eine echte, intakte Beziehung zu Gott schafft – wenn ich in meinem Inneren weiß, ich habe ewiges Leben, ich bin ein Kind Gottes – dann darf ich mich auch mal entspannt zurücklehnen.
Ich darf auch mal sagen: Okay, es wird vielleicht nicht immer leicht, und ich werde nicht immer alles richtig machen. Aber wenn es um die Frage geht: Komme ich am Ziel an? Wer ist letztendlich der Garant dafür, dass ich auf dem Weg dazwischen nicht irgendwie weggeschossen werde?
Paulus sagt: Dieser Garant ist nicht der Mensch, nicht dein Anstrengen, nicht dein Tun. In letzter Konsequenz ist es Gott, der in uns etwas angefangen hat und es vollenden wird.
Natürlich stoßen wir gerade im Philipperbrief auf eine Spannung. Diese Spannung wird in einem kurzen Abschnitt zusammengefasst, wo es heißt: „Bewirkt euer Heil mit Furcht und Zittern, denn Gott ist es, der in euch wirkt.“ (Philipper 2,12-13)
Da fragt man sich: Muss ich jetzt etwas tun, oder macht es Gott?
Diese Spannung begleitet uns: Gott sagt, gib Gas, schaff was. Und wir geben Gas und schaffen etwas – aber eigentlich nur, weil Gott in uns ist.
Wir geben Gas, weil Gott in uns ist. Sonst könnten wir gar kein Gas geben. Gott ist in uns, er wirkt. Aber er möchte nicht einfach nur an uns vorbei wirken. Er will nicht wie ein Tyrann über unseren Kopf befehlen und sagen: „So, mach das mal so“, obwohl wir das gar nicht wollen.
Gott wirkt in uns, in dem Moment, in dem wir es zulassen.
Das ist wie bei einem Staudamm mit einem riesigen Reservoir an Wasser, das unter Druck steht und voller Energie ist. Jetzt sagen wir: „Okay, wir müssen den Schieber hochmachen, damit etwas passiert.“
Solange der Schieber unten bleibt, gibt es keinen Strom, die Turbinen laufen nicht. Gott sagt: Macht den Schieber hoch, damit ich durchströmen kann, durch dein Leben und in deinem Leben die Veränderungen bewirken kann, die nötig sind.
Ich möchte durch dich hindurch wirken.
Dann entsteht dieses Zusammenspiel, dieses Doppelspiel: „Bewirkt euer Heil mit Furcht und Zittern, denn Gott ist es, der in euch wirkt.“
Wir werden auf den Text noch genauer eingehen.
Hier schon mal die wichtigste Stelle, die vielleicht für Kinder Gottes entscheidend ist: Wir müssen lernen, uns aneinander zu freuen.
Denn in dem, den ich nicht ausstehen kann, der mir mit seiner komischen Art ständig auf die Füße tritt und bei dem ich denke: „Wenn der nicht in der Gemeinde wäre, wäre es viel einfacher“ – in dem wirkt Gott.
Gott wird ihn vollenden, und im Himmel wirst du ihn nicht mehr wiedererkennen. Mit dem wirst du eine Ewigkeit zusammenleben.
Deshalb fang hier auf der Erde an, für ihn zu danken und diese Einheit zu bilden, die Gott vorgesehen hat.
Die Sehnsucht des Apostels und die Gemeinschaft im Glauben (Kapitel 1, Verse 7-11)
Und Paulus sagt in Vers sieben: Jetzt kommen wir zu der Sehnsucht. Eben waren wir beim Thema Begeisterung, Kapitel eins, die Verse drei bis sechs. Nun zu den nächsten beiden Versen, der Sehnsucht des Apostels.
So ist es für mich recht, oder ja, wirklich, es ist für mich recht, dass ich dies im Blick auf euch alle denke. Wahrscheinlich hat er schon gemerkt: Man liest den Brief in der Gemeinde vor, und dann denkt er sich schon, naja, da gibt es jetzt wieder ein paar, die an jemand anders denken. Naja, im Blick auf den gilt das aber nicht. Und Paulus sagt doch, diese Einschätzung, diese Dankbarkeit, die ich für euch alle habe, die gilt auch für alle.
Warum? Vers 7: „Weil ihr mich im Herzen habt.“ Oder man könnte das auch übersetzen mit „weil ich euch im Herzen habe.“ Das Griechische ist leider in solchen kurzen Sätzen nicht immer ganz exakt. Es geht beides, es ist auch beides richtig zu übersetzen. Wenn wir es mal stehen lassen mit „weil ihr mich im Herzen habt“, dann möchte Paulus zum Ausdruck bringen, dass er an dieser Stelle um die innere Verbundenheit weiß, die zwischen allen Philippern und ihm besteht – und mehr noch.
Er sagt nicht nur „weil ihr mich im Herzen habt“, sondern auch noch „und“ – sowohl in meinen Fesseln als auch in der Verteidigung und Bekräftigung des Evangeliums seid ihr alle meine Mitteilhaber der Gnade.
Ich muss das erklären: Paulus sagt, wir sind Mitteilhaber der Gnade. Gnade – es geht hier um die Erfahrung. Die Erfahrung, ich darf den Weg Christi gehen. Es ist ein Weg in meinen Fesseln, ein Weg, der mit Leid verbunden ist. Ich darf Nähe Christi erleben, ich darf Nachfolge erleben.
Und Paulus weiß, dass die Philipper an dieser Stelle genau das Gleiche erleben wie er auch, weil ihr sowohl in meinen Fesseln als auch in der Verteidigung und Bekräftigung des Evangeliums alle meine Mitteilhaber der Gnade seid. Wir sind viel enger beieinander, möchte Paulus sagen, als ihr euch das vielleicht vorstellt.
Ich weiß, dass ihr auf diesem Weg der Nachfolge mit mir unterwegs seid. Und ihr habt euch da, wo ich in Fesseln, das heißt im Gefängnis war, nicht abbringen lassen, mit mir unterwegs zu sein. Ihr habt an mir festgehalten, bis dahin, dass ihr zum Schluss den Epaphroditus geschickt habt und dafür gesorgt habt, dass ich einfach Geld bekommen habe, damit ich leben kann. Ihr wartet mit mir daran.
Und mehr noch: Ihr wart in der Verteidigung des Evangeliums mit mir eins. Von diesem Wort „Verteidigung“, Apologia, haben wir das Fremdwort Apologetik. Apologetik ist die Lehre von der Verteidigung des christlichen Glaubens. Wenn jemand ein apologetisches Gespräch führt, dann ist das so ein Streitgespräch, in dem man seinen Glauben verteidigt oder erklärt und Argumente für den Glauben bringt.
Und die Philipper hier, das sind Leute, von denen Paulus sagen kann: Wenn es darum ging, den Glauben zu verteidigen, sich einzusetzen fürs Evangelium, irgendwo auf dem Marktplatz zu stehen und zu sagen: „So, jetzt predigen wir mal!“ und wenn dann die Heiden kommen und sagen: „Boah, das kann man doch nicht machen!“, dann standen die da und haben den Glauben erklärt. Da wart ihr mit dabei.
Und mehr noch: Nicht nur in der Verteidigung, auch in der Bekräftigung des Evangeliums. Das ist ein ganz merkwürdiger Begriff. Bekräftigung bedeutet so viel wie Bürgschaft und Bestätigung.
Bürgschaft und Bestätigung – was meint er an der Stelle? Woran können Leute sehen, dass das Evangelium wahr ist? Das eine ist die Apologetik. Ich setze mich mit jemandem hin, er stellt mir Fragen zu meinem Glauben, ich gebe ihm Antworten, er bringt Einwände, ich verteidige sie.
Zum Beispiel: „Ich kann nicht glauben, dass Gott existiert, weil in der Welt gibt es so viel Leid.“ Klassische Frage: „Wie kann es sein, dass du an Gott glaubst, während in Afrika die kleinen Kinder verhungern?“ Das ist eine berechtigte Frage.
Jetzt antwortet man darauf, erklärt, wie man das denkt und wie die Dinge zusammenhängen, und versucht verständlich zu machen, warum man das trotzdem glaubt. Das ist Apologetik.
Wisst ihr was? Apologetik überzeugt ganz selten Leute vom Evangelium. Ich weiß noch, wie – ach, ich weiß nicht, wann genau das war – aber wir haben Ende 96 einen evangelistischen Hauskreis gegründet. Und dann kam Anfang 97 ein junger Mann dazu, der sich dann auch bekehrt hat, ein halbes Jahr später, und dann von seinen ersten Eindrücken erzählt hat.
Was war so der erste Eindruck, den er hatte, als er reinkam? Ja, müsst ihr euch vorstellen: Du schlenderst nichts ahnend durch ein Einkaufszentrum, und da laufen so verbotenerweise zwei Blondinen herum und verteilen Traktate für den Ausgreif. Du nimmst halt so ein Ding und denkst dir: Einladung zum Bibelgesprächskreis, was ist denn das?
Du hast gerade Erfahrung größerer Art mit den Scientologen hinter dir, bist eigentlich eher dabei zu sagen: Also mit diesem ganzen religiösen Zeugs möchte ich eigentlich nicht mehr viel zu tun haben. Aber der eine Flyer – gibst dem noch mal eine Chance, einmal noch – und kommst dann an mit dem Auto zum Wohnblock, gehst also durch die Hochhäuser und suchst so an so einem Klingelschild: Wo sind hier Fischer? Klingelst.
Du weißt ja nicht, was auf dich zukommt, du kennst die Leute nicht, du weißt nicht, was Bibelkreise sind, du weißt nicht, was die mit dir machen. Kommst also hoch, gehst in die Wohnung. Was kriegst du als Erstes mit? Das sage ich dir: Du bekommst lange bevor du auch nur die Bibel das erste Mal aufschlägst, mit, wie das Ehepaar miteinander umgeht, wie sie mit ihren Kindern umgehen, und du spürst instinktiv etwas von einer Atmosphäre, die im Raum ist.
Und die Art und Weise, wie wir leben, unterstreicht entweder die Wahrheit des Evangeliums. Also sie unterstreicht die Tatsache, dass das Evangelium eine Kraft zum Heil jedem Glaubenden ist, dass das Evangelium Gottes Dynamit ist, um die Schuld zu bezahlen, aber mein ganzes Leben zu verändern und aus mir einen Menschen zu machen, der wirklich liebt.
Und das muss man spüren. Wenn man das nicht spürt in meinem Leben, dann ist – und ich möchte jetzt niemanden, der sich frisch bekehrt hat, unter Druck setzen – aber sagen wir mal nach dreißig Jahren, einfach um es leicht zu machen: Wenn man das nicht spürt, dann ist da einfach an der Stelle was faul.
Deswegen, wenn Paulus hier schreibt, sie sind an der Bekräftigung des Evangeliums Mitteilhaber geworden, dann meinte er damit, dass sie mit ihrem Leben die Wahrheit des Evangeliums unterstreichen.
Du hast die kennengelernt, diese Philipper, und natürlich konntest du dich gut mit denen auch schon mal streiten, keine Frage. Die wussten ihren Glauben zu verteidigen, auch darin sind sie uns ein Vorbild.
Ich möchte euch das gerne ans Herz legen: Wenn ihr sagt, das fällt mir manchmal so schwer, mich mit Leuten über meinen Glauben zu unterhalten, ich habe da so ein bisschen Angst – kümmert euch ein bisschen darum. Es ist nicht so kompliziert. Lest zwei, drei gute Bücher, vor allem die Bibel, denkt selber nach, macht euch den Kopf.
Leute stehen auf Leute, die was im Kopf haben, die einfach nachgedacht haben. Du darfst auch mal sagen: „Das weiß ich nicht“, weil du bist nicht allwissend. Ist so. Ich weiß vieles nicht, ich habe viele Fragen zum Leben noch offen.
Aber du musst natürlich die entscheidenden Fragen kennen, da wo es um den christlichen Glauben geht. Aber vielmehr noch wünsche ich dir, dass deine Art, mit Menschen umzugehen, eine Art des Evangeliums ist.
So wie wir es später im Philipperbrief lesen werden: „Wandelt nur würdig des Evangeliums.“ Denn das Evangelium ist nicht einfach eine Botschaft, es ist ein Lebensprinzip, das sich in uns verwirklichen möchte.
Es ist eine Dynamik, die uns dahintreibt, Jesus immer ähnlicher zu werden. So wie es im Römerbrief heißt: „Zieht den Herrn Jesus Christus an wie ein Kleid.“ Wenn du dieses Kleid angezogen hast, dann sieht man nur noch das Kleid.
Und so sollen wir Jesus Christus anziehen, dass, wenn man uns sieht, man ihn sieht. Das ist hier mit der Bekräftigung des Evangeliums gemeint.
Die Quelle der Liebe Christi als Grundlage der Gemeinschaft
Letzter Vers: „Denn Gott ist mein Zeuge, wie ich mich nach euch allen sehne, mit der herzlichen Liebe Christi Jesu.“ Paulus verwendet hier eine Schwurformel. Gott ist der einzige Zeuge, den Paulus anruft, um zu betonen, wie sehr er sich nach ihnen sehnt – und zwar mit der herzlichen Liebe Christi Jesu.
Das ist ein ganz interessanter Punkt. Wenn wir uns darauf einlassen, einander in Liebe zu begegnen, stellt sich die Frage: Woher kommt diese Liebe eigentlich? Ist es so, dass der eine einfach ein netterer Mensch ist und deshalb mehr Liebe zeigen kann? Und der andere eben nicht so? Vor kurzem, nach der Predigt beim Outdoor-Bibelcamp, habe ich gesagt, ich möchte mal ein weiser, alter, lieber Mann werden. Danach kam jemand zu mir und meinte: „Du wirst weise werden und alt werden, aber lieb wirst du nie.“ Es gibt also Charaktere wie mich, die das bestätigen können. Ich gebe zu, ich habe da schon ein paar Schwierigkeiten.
Aber das ist nicht der Punkt. Paulus sagt hier: „Ich sehne mich nach euch mit der herzlichen Liebe Christi Jesu.“ Die Quelle dieser Liebe in ihm ist nicht seine eigene Fähigkeit, mit Menschen umzugehen, oder sein persönliches Gefühl, sich zu anderen hingezogen zu fühlen. Die Quelle der Liebe, mit der er sich nach anderen sehnt, ist die Liebe Christi Jesu.
Diese Liebe ist die Liebe, die durch den Heiligen Geist in unsere Herzen ausgegossen wird. Gott sagt: „Ich gebe dir meinen Geist, damit in dir die Frucht des Geistes wirksam wird.“ Und was ist die Frucht des Geistes? Ganz am Anfang steht die Liebe. Wenn du Galater 5 liest, findest du die Frucht des Geistes: Liebe – und dann folgen weitere Eigenschaften, die alle irgendwie damit zusammenhängen.
Mindestens gilt: Gott möchte in uns Liebe hervorbringen. Das werden wir morgen Abend noch viel deutlicher sehen, wenn wir die nächsten drei Verse anschauen. Paulus bittet dort für die Philipper, dass Liebe überströmt.
Bevor wir uns Gedanken machen, wohin diese Liebe strömt und welche Lebensbereiche sie durchdringt, müssen wir begreifen: Es ist nicht eine Liebe, die wir aus uns herauspressen können. So nach dem Motto: „Irgendwo in mir muss doch ein bisschen Liebe sein, also drücke ich so lange, bis ein bisschen Liebe herauskommt.“ Nein, Gott lässt seine Liebe in uns hineinfließen.
Diese Grundlage – „Ich bin geliebt, Gott schenkt mir seine Liebe“ – ist das Fundament, auf dem ich andere lieben kann. Ich kann sagen: Sicherlich habe ich persönlich als Kind nicht immer ein Übermaß an Liebe erfahren. Aber das ist keine Ausrede dafür, wie ein „Liebesstoffel“ durch die Gegend zu laufen und zu sagen: „Menschen sind mir egal.“ Ich bin geliebt, und auf dieser Grundlage darf ich andere Menschen lieben.
Das ist es, was Paulus hier tut und worin er uns ein Vorbild ist. Bis dahin!