Begegnungen und Wendepunkte im Leben
In einem Haus gab es eine kleine Wohnung im Keller, die man Sutterer Wohnung nennt. In diesem Haus wohnte eine christliche Familie im obersten Stock, in der Dachwohnung. Wir besuchten ihren Gebetskreis.
Das führte schließlich dazu, dass wir nach zwei Jahren nach Gießen zogen, um dort an der Freien Theologischen Akademie Theologie zu studieren. Hätten wir diese Wohnung nicht bekommen, hätten wir diese Familie nicht kennengelernt. Wir wären nicht in diesem Gebetskreis gewesen, und ich hätte nicht in Gießen studiert. Dafür bin ich heute noch sehr dankbar, dass es möglich war.
Mein Leben hätte sich ganz anders entwickelt. Wenn in unserem Leben etwas Besonderes geschieht, spielen immer verschiedene Faktoren zusammen. Es sind Faktoren, die wir nicht selbst beeinflussen können – alles, was wir nicht planen können. Im Rückblick erkennen wir, wie Gott unsere Geschicke lenkte.
Die göttliche Vorbereitung für die Menschwerdung
Als Gott Mensch wurde, mussten verschiedene Faktoren zusammenkommen. Der richtige Ort und die richtige Zeit waren dabei sehr wichtig. Gott hatte bereits über siebenhundert Jahre vor der Geburt von Jesus festgelegt, wo sein Sohn geboren werden würde.
So ließ sich Gott durch Maria an seinen Geburtsort bringen. Das geschah folgendermaßen: In jener Zeit erließ Kaiser Augustus den Befehl, dass sich alle Bewohner seines Weltreichs in Steuerlisten eintragen lassen mussten. Es war das erste Mal, dass eine solche Erhebung durchgeführt wurde. Damals war Quirinius Gouverneur von Syrien.
Jeder ging in die Stadt, aus der er stammte, um sich dort eintragen zu lassen. Auch Joseph machte sich auf den Weg. Er gehörte zum Hause und zur Nachkommenschaft Davids und begab sich deshalb von seinem Wohnort Nazaret in Galiläa hinauf nach Bethlehem in Judäa, der Stadt Davids. Dort wollte er sich zusammen mit Maria, seiner Verlobten, eintragen lassen.
Maria war schwanger. Während sie nun in Bethlehem war, kam für Maria die Zeit der Entbindung. Sie brachte ihr erstes Kind, einen Sohn, zur Welt, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Futterkrippe, weil sie keinen Platz in der Unterkunft bekommen hatten.
Zur Zeit Kaiser Augustus war endlich alles bereit für die Geburt von Jesus. Gott konnte nun Mensch werden.
Die kulturellen und sprachlichen Voraussetzungen
Ein wichtiger Schritt in dieser Vorbereitungszeit ereignete sich im dritten Jahrhundert vor der Geburt Christi. Damals eroberte Alexander der Große die Weltreiche in rasendem Tempo. Das ist bis heute eigentlich ein Phänomen. Von Griechenland aus überrannte er mit seiner Armee die ganze Welt. In kurzer Zeit breitete sich der Machtbereich Alexanders des Großen aus. Er hat die ganze Welt wirklich überrumpelt.
So begann mit Alexander dem Großen die Hellenisierung der damaligen Welt, also der griechische Einfluss im Orient. Die griechische Kultur durchdrang den Orient, und im Gegenzug verschmolz die orientalische Kultur mit der griechischen. Man spricht dabei vom Hellenismus. So entstand eine völkerverbindende Kultur, die sich weit über den politischen Zusammenbruch des Alexanderreichs hinaus erhalten hatte.
Eine große Errungenschaft dieser Hellenisierung war die Ausbreitung der griechischen Sprache. Das ist vergleichbar mit der englischen Sprache heute. Die griechische Sprache wurde zur Weltsprache. Wer Griechisch konnte – und das konnten damals sehr viele – konnte sich im ganzen Reich bewegen und verständigen.
In dieser Zeit wurde auch das Alte Testament ins Griechische übersetzt. Diese Übersetzung bezeichnet man als Septuaginta, das griechische Alte Testament. Die Geschichte Israels ist etwas bekannt: Israel wurde deportiert und über Jahrhunderte im Assyrischen Reich verteilt. Die Menschen dort konnten kein Hebräisch mehr sprechen. Das war das Problem.
Ich hatte im Militär einen Kollegen, der Jude war und hier in der Schweiz aufgewachsen ist. Er konnte auch kein Hebräisch mehr. So war das damals auch. Es musste etwas getan werden, damit das jüdische Volk Zugang zur Offenbarung Gottes bekam. Deshalb wurde das Alte Testament ins Griechische übersetzt.
Man spricht von der Septuaginta oder ganz einfach von der LXX. Wenn man in einem Kommentar das große L und zwei große X sieht, ist das der Bezug zur Septuaginta. Die Septuaginta ist die Bibel der Apostel und der ersten Gemeinden.
Wenn wir im Neuen Testament alttestamentliche Zitate finden, können wir fast zu 90 Prozent davon ausgehen, dass sie aus dieser griechischen Übersetzung stammen. Das habe ich exemplarisch in einem Buch nachgeprüft. Das ist die Septuaginta.
Das ist wirklich ganz entscheidend für die Verbreitung des Evangeliums. Die Offenbarung Gottes war damit für das gesamte nachfolgende, römische Reich lesbar. Deshalb konnten alle Menschen darin lesen. Wäre sie auf Hebräisch gewesen, wäre diese Offenbarung Gottes für die damalige Welt verborgen geblieben.
Die politische Ordnung zur Zeit Jesu
Nach dem Alexanderreich folgte das Römische Reich. Zur Zeit der Geburt von Jesus war Griechisch weiterhin die völkerübergreifende Sprache. Erst später setzte sich Lateinisch durch. Deshalb wurde das Neue Testament in griechischer Sprache verfasst, da dies die allgemein verständliche Sprache war.
Gott offenbarte sich stets in der Sprache der Menschen, die zu seiner Zeit lebten und die seine Botschaft verstehen konnten. So sprach er auch im Neuen Testament in Griechisch, weil diese Sprache damals verstanden wurde.
Das Römische Reich festigte seine Macht unter Kaiser Augustus. Er schuf die Pax Romana, das römische Friedensreich. Zwar gab es Krieg an den Grenzgebieten des Reiches, doch innerhalb dieses großen Reiches herrschte Frieden. Die Verkehrsverbindungen waren für die damalige Zeit hervorragend ausgebaut.
Noch heute kann man auf Reisen an manchen Orten Römerstraßen entdecken, die einst durch das Reich führten. Dieses ausgedehnte Straßennetz ermöglichte es den Menschen, sich relativ frei zu bewegen. Das Friedensreich war eine Art Schengen-Raum der damaligen Welt, in dem man einfach frei reisen konnte.
So waren zwei wichtige Voraussetzungen geschaffen, die für die schnelle Ausbreitung des Evangeliums entscheidend waren – und das schon bevor Jesus oder Gott in diese Welt kam.
Erstens war es die griechische Sprache. Dadurch konnte das Evangelium in Griechisch verbreitet und ungehindert verkündet werden. Die Existenz der Septuaginta, der griechischen Übersetzung der hebräischen Bibel, war dabei von großer Bedeutung. In der Apostelgeschichte lesen wir, dass die Menschen in Berea die Botschaft anhand der Schrift prüften, weil sie die Texte lesen konnten (Apostelgeschichte 17,10-12).
Zweitens war es der römische Frieden und die guten Verkehrswege, die ein hindernisfreies Reisen ermöglichten. Deshalb konnten Paulus und die Apostel später überall im Römischen Reich problemlos reisen.
So war alles für das größte Ereignis der Weltgeschichte vorbereitet: Gott konnte Mensch werden und die Menschen besuchen.
Die Rolle des Kaisers Augustus und die Volkszählung
Maria musste mit ihrem Kind an den vorgesehenen Geburtsort kommen. Damit dies geschehen konnte, setzte Gott das römische Reich in Bewegung. In jener Zeit ließ Kaiser Augustus den Befehl erlassen, dass sich alle Bewohner seines Weltreiches in Steuerlisten eintragen lassen sollten.
Kaiser Augustus wurde 63 vor Christus geboren und starb im Alter von sechzig Jahren, also 14 nach Christus. Er war der bedeutendste Kaiser des römischen Reiches. Mit einunddreißig Jahren, im Jahr 31 vor Christus, kam Augustus an die Macht. Vier Jahre später verlieh ihm der Senat den Ehrentitel „Augustus“. Dieser Titel bedeutet „Erhabener“, „Verehrungswürdiger“ oder „göttlich Geweihter“.
Während seiner 45 Regierungsjahre erhielt Augustus weitere Ehrentitel. Er wurde wie ein Gott verehrt, und die Menschen opferten vor seinen Statuen, die im ganzen Reich aufgestellt wurden. Dieser mächtige Kaiser erließ seinen bedeutungsvollsten und wichtigsten Befehl: Alle Bewohner seines Weltreichs sollten sich in Steuerlisten eintragen lassen.
Ich glaube, das ist der einzige Befehl von Kaiser Augustus, den wir in der Bibel kennen. Es gibt zwar noch andere antike Schriften, aber in der Bibel ist dies der einzige erwähnte Befehl. Augustus wollte wissen, wie reich und mächtig er ist. Er wollte herausfinden, wie viele Steuern er einziehen konnte, denn Rom benötigte sehr viel Geld.
Augustus soll während seines Lebens drei Volkszählungen veranlasst haben. Eine antike Schrift zeigt dies. Vermutlich handelt es sich bei der Volkszählung, von der Lukas berichtet, um die zweite Volkszählung und zugleich um die erste, seit Quirinius Statthalter in Syrien war. Das ist die Betonung: Es gab drei Volkszählungen, und man muss vermuten, dass dies die zweite war, aber die erste unter der Verwaltung Quirinius’.
Quirinius vertrat das römische Reich von Syrien aus und verwaltete auch Israel. Deshalb wird dies hier besonders erwähnt. Alle Bewohner des römischen Reiches mussten diesem Befehl folgen und in die Stadt ihrer Herkunft reisen. Das kennt man auch in der Schweiz: Man muss an seinen Bürgerort reisen. Ich müsste also nach Gottshaus im Thurgau reisen, ich weiß nicht, wo eure Bürgerorte sind.
Jeder musste dorthin reisen, wo sein Geschlecht ursprünglich herkam. Wer dem Gehorsam gegenüber dem Kaiser widersprach, riskierte sein Leben. Schließlich war Augustus der mächtigste Herrscher der damaligen Welt. Wer sich seinen Befehlen widersetzte, beging eine Majestätsbeleidigung. Diese wurde damals mit dem Tod bestraft. So ging jeder in die Stadt, aus der er stammte, um sich dort eintragen zu lassen.
Es ist erstaunlich, wie mächtig Augustus war. Er konnte Befehle erteilen, und die Menschen im ganzen Reich mussten gehorchen. Wie soll man sich das vorstellen? Ein Mensch sagt: „So, und jetzt will ich, dass ihr alle an euren Heimatort geht“, und alle müssen gehen. Das muss eine unglaubliche Macht gewesen sein.
Doch egal, wie mächtig ein Herrscher auch sein mag – im Vergleich zu Gott ist jeder Herrscher machtlos. Menschen können ihre Macht nur innerhalb der Grenzen ausüben, die Gott ihnen setzt. Gott kann mächtige Menschen dazu bringen, das zu tun, was er will, ohne dass sie sich dessen bewusst sind.
Augustus veranlasste zwar diese Volkszählung, doch im Grunde handelte er im Auftrag des Höchsten, im Auftrag Gottes, ohne es zu wissen. Gott ließ diese Volkszählung durch Augustus ausführen, damit er seinen Sohn nach Bethlehem bringen konnte. Dort, so hatte es der Prophet Micha vorausgesagt, sollte der Sohn Gottes geboren werden.
Der Prophet Micha sagte: „Du Bethlehem Ephrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.“ Also sollte dieser Messias in Bethlehem geboren werden – nicht symbolisch, sondern wirklich physisch.
Maria musste also von Nazaret nach Bethlehem kommen. Selbstverständlich hätte Gott auch andere Möglichkeiten wählen können, um Maria und Joseph nach Bethlehem zu bringen. Zum Beispiel hätte der Engel Gabriel, als er ihr sagte, dass sie den Sohn Gottes empfangen werde, auch sagen können: „Wenn du ihn empfangen hast, dann reise mit Joseph nach Bethlehem.“ So wie er auch gesagt hatte, dass ihre Verwandte Elisabeth schwanger sei.
Er hätte auch sagen können: „Wenn du schwanger bist, dann reise nach Bethlehem, damit du dort deinen Sohn gebären kannst.“ Das wäre für Gott kein Problem gewesen. Doch Gott wählte einen anderen Weg. Und das finde ich großartig: Wer das mit ein wenig gutem Willen betrachtet, muss erkennen, dass das ein Werk Gottes ist.
Wäre Maria ohne diesen Befehl des Kaisers Augustus nach Bethlehem gereist, könnte man ihr vorwerfen, sie hätte sich selbst zur Mutter des Retters legitimieren wollen. Sie wäre einfach schwanger gewesen und dann nach Bethlehem gereist, um dort zu sagen: „Jetzt bin ich in Bethlehem, und hier ist der Messias.“ Das wäre gar nicht möglich gewesen.
Durch den Befehl des Kaisers Augustus setzte Gott ein Weltreich in Bewegung, damit der Retter der Welt genau dort zur Welt kommt, wo Gott es vorausgesagt hatte. Maria musste nach Bethlehem reisen – es blieb ihr keine andere Wahl.
Es ist sehr erstaunlich, dass während der 45 Regierungsjahre des Kaisers Augustus diese Volkszählung genau zu dem Zeitpunkt stattfand, als der Messias geboren werden sollte. Wäre sie nur wenige Monate früher oder später erfolgt, wäre Jesus in Nazaret geboren worden.
Man muss sich das vorstellen: Ein Zeitfenster von 45 Jahren, in denen Augustus regierte, und genau zu dem Zeitpunkt, als der Messias geboren werden sollte, fand diese Volkszählung statt. Jesus wurde genau an dem Ort geboren, den der Prophet schon vor über 700 Jahren angekündigt hatte.
Das ist Gottes souveränes Handeln in der Weltgeschichte, das ist seine Perfektion. Im Rückblick sehen wir, wie Gott seine Macht demonstrierte. Die Geburt von Jesus in Bethlehem ist ein Beweis dafür, dass Gott die Weltgeschichte im Griff hat und sie ihm nicht entgleitet. Er ist und bleibt Herr über allem Geschehen.
Gottes souveräne Herrschaft trotz weltweiter Unruhe
Es ist und bleibt so, wie Daniel anbetend sagt: Gott ändert Zeit und Stunde, er setzt Könige ab und setzt Könige ein, er gibt den Weisen ihre Weisheit und den Verständigen ihren Verstand.
Unsere Welt droht aus den Fugen zu geraten. Man bekommt den Eindruck, dass sich in vielen Gebieten dieser Erde die Konflikte und Katastrophen zuspitzen. Niemand hat eine durchschlagende Idee, wie die Konflikte gelöst werden könnten. Selbst die UNO, die eigentlich Frieden stiften sollte, muss meistens hilflos und machtlos zusehen, wie die Kriege wüten.
Trotz dieser beängstigenden Entwicklungen in unserer Welt bleiben wir Christen geborgen, denn der Friede mit Gott lässt uns zur Ruhe kommen. Wir wissen: Gott hat alles im Griff, und was er versprochen hat, wird er einhalten. Das wird er tun.
Wir verlieren den Überblick. Wir haben keine Ahnung, wie die Welt läuft. Obwohl es oft so ist, dass wir Christen den Eindruck erwecken, wir könnten immer sagen, wie alles funktioniert und wie sich die Welt entwickeln wird, und wir hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen. Nein, wir haben im Grunde genommen gar keine Übersicht. Wir können vieles überhaupt nicht einordnen, wir können nur das eine oder andere vielleicht erahnen.
Aber Gott verliert den Überblick nie. Und das ist es, was in uns Frieden und Geborgenheit auslöst – nicht, dass wir meinen, wir könnten anhand der Bibel alles, was jetzt kommen wird, analysieren und erklären, genau wie es kommt. Ich weiß, das ist faszinierend und schön und nett, aber ich würde behaupten, es kommt immer anders.
Das hat man auch untersucht. Man hat die ganzen Prophezeiungen, wie sich die Welt entwickeln wird, wissenschaftlich geprüft und festgestellt, dass das alles nicht eingetroffen ist. Nur das ist eingetroffen, was man so allgemein sagen kann. Irgendwie findet man dann noch so: Ja, das könnte jetzt das sein, aber keine präzisen Aussagen. Oft ist es sogar ganz anders gekommen.
Die Geborgenheit als Christen schöpfen wir nicht daraus, dass wir erklären können, wie sich die Welt entwickeln wird, sondern weil wir wissen, dass Gott den Überblick nicht verliert. Das gibt uns die Geborgenheit.
Und wenn die ganze Wirtschaft zusammenbricht und unsere ganzen Vermögen zusammenschmelzen – wir wären nicht die Ersten, denen das in der Menschheitsgeschichte passiert – so verliert Gott den Überblick nicht. Die Geborgenheit bekommen wir von ihm im Wissen, dass er seine Versprechen erfüllen wird.
Im Rückblick werden wir einmal staunen in der Herrlichkeit, wie Gott die Geschicke dieser Welt gelenkt hat, auch wenn wir sie jetzt gar nicht verstehen.
Das Weihnachtsgeschehen sagt uns: Gott wird alle Versprechen voll und ganz erfüllen. Wir können uns darauf verlassen, dass er durch die Wirren der Zeit zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein wird. Und er wird auch dafür sorgen, dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein werden.
Die Reise nach Bethlehem und die Umstände der Geburt
Die Voraussetzungen waren also geschaffen, jetzt konnte Jesus kommen. Joseph machte sich auf den Weg. Er gehörte zum Hause und zur Nachkommenschaft Davids, also des Königs David, und begab sich deshalb von seinem Wohnort Nazareth in Galiläa hinauf nach Bethlehem in Judäa, der Stadt Davids. Dort wollte er sich zusammen mit Maria, seiner Verlobten, eintragen lassen.
Maria war schwanger, fast ein bisschen beiläufig und noch kaum bemerkt. Die Strecke von Nazareth nach Bethlehem betrug ungefähr 170 Kilometer – so weit wie von Zürich nach Bellinzona oder Freiburg. Mindestens fünf Tage Reisezeit, und das mit einer hochschwangeren Frau. Aber was hätten sie sonst tun sollen? Sie mussten dem Befehl von Augustus folgen.
Endlich in Bethlehem angekommen, hatten sie Schwierigkeiten, eine Unterkunft zu finden. Sie bekamen keinen Platz in der Herberge. Damit wird deutlich, wie sich das Leben von Jesus entwickeln würde. Schon bei seiner Geburt fand er keinen angemessenen Platz. Seine Geburt ist wie ein Programm: Er kam zu seinem Volk, aber sein Volk wollte nichts von ihm wissen. Ich denke jedoch, dass es kein böser Wille der Menschen in Bethlehem war. Hätten sie Platz gehabt, hätten sie Maria und Josef aufgenommen. Es war einfach kein Platz mehr, weil so viele Leute wegen der Volkszählung nach Bethlehem reisen mussten – das Boot war voll.
Immerhin fanden sie in einem Stall einen Ort, an dem sie sich niederlegen konnten. Lukas macht deswegen niemandem einen Vorwurf. Er beschreibt einfach, wie es war: Bethlehem war aufgrund der Volkszählung übervoll, es gab keinen Platz.
In Bethlehem angekommen, gebar Maria ihr erstes Kind. Sie brachte einen Sohn zur Welt, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Futterkrippe. Jetzt war der Sohn Gottes geboren, jetzt war Gott Mensch geworden. Dadurch machte sich Gott – und ich glaube, das übersehen wir gern – unglaublich verletzlich. Das realisieren wir, wenn wir einmal ein kleines Baby in den Händen halten und sehen, wie verletzlich und hilflos ein Kind ist.
So wie der Prophet Jesaja es angekündigt hat: Ein Spross wächst aus dem Baumstumpf, ein neuer Trieb schießt hervor aus seiner Wurzel. Verletzlich wie ein Trieb, der aus einem Baum schießt. Den kann man einfach wegtreten, darauf herumtreten. So beginnt dieses Erlösungswerk von Jesus.
Paulus sagt es eindrücklich: Jesus Christus, der reich war, wurde arm, damit durch seine Armut wir reich werden (2. Korinther 8,9).
Die Bedeutung von Bethlehem und die Einladung zum Glauben
Betlehem heißt übrigens Brothausen, also Haus des Brotes. „Bet“ bedeutet im Hebräischen Haus, und „Lechem“ heißt Brot. Jesus kommt also aus Brothausen. Das gefällt mir immer wieder, wenn ich daran denke: Betlehem – Brothausen. Und was sagt Jesus über sich? Er sagt: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungrig sein, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.“ Das Brot des Lebens wird im Brothausen geboren.
Wenn du diesem Jesus, der das Brot des Lebens ist, vertraust, wirst du ewiges Leben erhalten. Jesus sagt: „Wer glaubt, hat das ewige Leben.“ Glaubst du an Jesus? Hat er in deinem Herzen Platz gefunden?
Gott wird Mensch – und wenn Gott Mensch wird, setzt er ein Weltreich in Bewegung. Gott musste von Maria an seinen Geburtsort gebracht werden, denn Jesus ist Gott. Deshalb musste dieses Kind nach Betlehem gebracht werden, damit es dort geboren werden kann. Jesus musste unbedingt in Betlehem geboren werden, sonst hätte Gott sein Versprechen nicht erfüllt.
Die Vorbereitungen dauerten Jahrhunderte. Im römischen Reich, als Kaiser Augustus regierte, war die Zeit reif. Nun konnte Gott Mensch werden. Alles war vorbereitet, damit nach Jesu Werk auf der Erde das Evangelium über die ganze Welt verbreitet werden konnte.
Deshalb schreibt Paulus später: „Als die Zeit dafür gekommen war, sandte Gott seinen Sohn. Er wurde als Mensch von einer Frau geboren und war dem Gesetz unterstellt.“ (Galater 4,4)
Die Vorbereitung betraf nicht nur die Geburt, sondern auch die Voraussetzungen, damit das Evangelium sich später so schnell über die ganze Welt verbreiten konnte. Alles war bereit für den Herrn aller Herren und den König aller Könige.
Die Einladung zur persönlichen Entscheidung
Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist, ob Jesus in unserem Herzen wirklich Platz gefunden hat. Das ist das großartige Ereignis von Weihnachten: Gott besucht uns Menschen, Gott wurde Mensch.
Johannes schreibt zu Beginn seines Evangeliums: Er, der das Wort ist, wurde ein Mensch aus Fleisch und Blut und lebte unter uns. Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit voller Gnade und Wahrheit, wie nur er als der einzige Sohn sie besitzt. Er, der vom Vater kommt, der Sohn Gottes.
Wer Jesus in seinem Herzen Platz macht, der wird aus dem unerschöpflichen Reichtum Gottes leben können. Wie Johannes weiterschreibt: Wir alle haben aus der Fülle seines Reichtums Gnade – und immer neue Gnade – empfangen. Wir leben immer, immer, immer aus der Kraft und aus der Gnade Gottes.
Ich bete mit uns: Ich möchte dir danken, Vater, von ganzem Herzen, dass wir in dir geborgen sein dürfen, weil wir wissen, dass du die Übersicht nie verlierst und dass du zur richtigen Zeit auch in unser Weltgeschehen eingreifst. Du wirst alles, was du versprochen hast und was noch aussteht, erfüllen, denn dir entgleitet nichts.
Wir können dir voll und ganz vertrauen, auch wenn wir nicht alles verstehen und einordnen können. Aber eins wissen wir: Du bist der Herr über alle Herren und König über alle Könige, und du wirst das tun, was du versprochen hast.
Ich danke dir, Herr Jesus, dass du bereit warst, als verletzlicher Mensch in diese Welt zu kommen, uns zu besuchen, damit wir gerettet werden können. Amen.
B.