Die Bedeutung der Fürbitte im Alltag und in der Politik
Eigentlich wundere ich mich, dass Sie heute Abend hier sind. Fürbitte ist doch keine Superform. Ich erinnere mich noch, als mein Vater heimkam – er war Parlamentarier im ersten nordwürttembergischen, nordbadischen Landtag – und uns von der Familie fast angeschrien hat: „Habt ihr denn nicht gebetet? Habt ihr nicht den Himmel gestürmt in der Fürbitte?“
Damals ging es in der Politik noch vergleichsweise ruhig zu, aber er sagte: „Ihr ahnt nicht, was für ein Heer von dämonischen Mächten darinsteckt.“
Fürbitte für Politiker – so schreibt es der Apostel Paulus – wir sollen Fürbitte tun für alle Könige. Heute haben wir zwar keine Könige mehr; in Monaco heißt der Herrscher nur Fürst.
Ich erinnere mich, wie eine Frau eines Industriellen aus Ulm zu mir kam, heulend, und sagte, sie habe im Gebet gebetet: „Gib denen, die Verantwortung tragen in Regierung und Wirtschaft, einen Sinn für Verantwortung.“ Sie erzählte, ihr Mann habe wochenlang schlaflose Nächte, wenn er ein paar Leute entlassen muss.
Warum beten wir nicht für die Menschen, die Verantwortung tragen müssen, weil sie sie tragen können? Tun wir wirklich Fürbitte? Für die Richter, die Überlasteten, für die Lehrer, die heute schwer mit den Schulklassen zu kämpfen haben, für die Erzieherinnen, für die Bürgermeister, für die Stadträte?
Fürbitte ist etwas ungeheuer Praktisches, nicht etwas für Superforms. Wenn Sie mal in einer schwierigen Lage sind, sind Sie froh über jeden, der zu Ihnen sagt: „Ich denke an dich.“ Und Sie hoffen, dass dieser Mensch nicht nur denkt, sondern dass es auch heißt: „Ich bete für dich, ich tue Fürbitte.“
Ich garantiere Ihnen: Es gibt keinen Bereich, in dem wir als Christen so schuldig werden, wie wenn wir Leuten versprechen: „Ich denke an dich, ich bete für dich“, und es dann total vergessen.
Wie oft habe ich für meine Patenkinder gebetet? Ich habe es am Taufstein versprochen, dass ich für sie bete. Ich habe Geschenke zu Weihnachten und zum Geburtstag geschickt, damit ich nicht als schlechter Onkel dastehe. Aber ich habe auch wirklich für sie gebetet, Fürbitte getan.
Die Kraft der Fürbitte im Gemeindeleben und persönlichen Beziehungen
Es wäre äußerst praktisch, auch beim Gemeindeaufbau zu überlegen, wie wir heute Menschen erreichen können.
Auf meinem Schreibtisch liegt eine sehr lange Gebetsliste, die immer länger wird. Ich schreibe dort die Namen von Menschen auf, die sagen: „Denkt doch an mich, betet für mich!“ Zum Beispiel der Vater, der bittet, für seinen Sohn zu beten, dass er eine Anstellung bekommt. Die Eltern, die für ihren Sohn beten, der in der Nervenklinik in Tübingen ist – sie bitten darum, dass er wieder zurechtkommt. Auch der Missionar, die Lehrkräfte der Freien Hochschule und viele Menschen mit zerrütteten Ehen stehen darauf.
Es ist gut, wenn man Namen aufschreibt und im Gebet sagt: „Herr Jesus, ich sage dir diese Namen.“
Das kann man allerdings nicht länger als drei oder vier Wochen ernsthaft machen, ohne dass man auch mal anruft und fragt: „Heinz Ullrich, wie geht es deinem Sohn jetzt?“ Dann muss man sich darauf gefasst machen, dass daraus ein Telefongespräch wird, an dem die Telekom ihre reine Freude hat – es dauert nämlich mindestens zwanzig Minuten. Denn aus den Menschen bricht heraus, dass endlich jemand Anteil nimmt.
Nach einiger Zeit können Sie nicht anders, als einen Brief zu schreiben. Sie merken: „Diese Menschen sollte ich besuchen – diese Eltern, diese zerstrittenen Eheleute.“ Dafür braucht man viel Zeit.
Heute ist die wichtigste missionarische Aufgabe, Anteil zu nehmen an Menschen. Vielleicht gar nicht viel zu reden oder ein wunderbares Gebet aus dem Herzen zu sprechen – selbst wenn wir das können. Stattdessen können wir mit ihnen das Vaterunser beten: „Dein Reich komme, dein Wille geschehe, erlöse uns vom Bösen.“
Wissen Sie, ein Gebet, das sie nachbeten können? Anteilnahme entsteht durch Fürbitte. Probieren Sie es einmal aus: Beten Sie für die Nachbarn, für Menschen, zum Beispiel für die Verkäuferin, die so krumm und überlastet wirkt. Beten Sie für sie und fragen Sie sich beim nächsten Mal: „Wie geht es Ihnen heute?“ Das ist gelebte Anteilnahme.
Mose als Vorbild des Fürbitters im Alten Testament
Und jetzt soll ich nach dem Formose erzählen, warum das eigentlich so ist. Das ist doch so weit weg. Ihr kennt noch viel mehr praktische Dinge. Nennen wir es jetzt gerade Formose.
In der Bibel wird Mose immer wieder als Fürbitter erwähnt. Zum Beispiel in Psalm 99 heißt es: „Mose und Samuel standen vor mir und beteten, und ich erhörte sie.“ Auch in Jeremia 15 wird gesagt, dass selbst wenn Mose und Samuel vor Gott stünden und für dieses Volk beteten, Gott sie nicht erhören würde. Das zeigt, wie herausragend die Beter Mose und Samuel waren.
Schlagen wir jetzt nicht auf, wir müssen noch viel mehr aufschlagen. Wenn Sie früher biblische Bilderbücher gesehen haben – in meiner Jugendzeit waren das Schnoff und Carolsfeld oder Scott – dann erinnern Sie sich sicher an die eindrückliche Geschichte aus 2. Mose 17. Dort wird erzählt, wie die Amalekiter kamen und das kleine Wüstenvölkchen Israel, diesen Flüchtlingstreck, erledigen wollten.
Die Israeliten sagten zu Mose: „Komm, geh auf den Berg hinauf und bete für uns.“ Mose schrie zum Herrn, die Hände ausgestreckt, so wie man heute noch in Israel betet. Probieren Sie es mal aus, wie lange man die Hände so halten kann. Wenn man in der Schulklasse ist und der Lehrer sagt: „Heb mal das Plakat hoch“, dann fangen nach drei Minuten schon die Hände an zu zittern.
Man kann sich vorstellen, dass Mose nach einer Weile dachte, er halte das nicht mehr aus. Und im gleichen Augenblick wurde Israel zurückgeschlagen. Da kamen schließlich Aaron und Hur und hielten ihm die Hände hoch, bis Israel den Sieg davontrug über diese Feinde, die es vernichten wollten. Mose als Fürbitter.
Mose als Vermittler zwischen Gott und Volk
Es gäbe viele Geschichten zu erzählen, selbst von der Zeit, als Gott die Plagen über den Pharao und sein Volk kommen ließ. Mose schrie zum Herrn, damit die Frösche verschwinden, und Gott hörte ihn.
Als Mirjam, die eigene Schwester Mose, sagte, dass Mose doch nichts Besonderes sei und dass sie selbst auch etwas seien, antwortete Gott, dass Mose derjenige ist, mit dem er von Angesicht zu Angesicht spricht – so, wie ein Mann mit seinem Freund redet. Diese Ehre könne man sich nicht einfach nehmen.
Plötzlich wurde Mirjam im Gesicht weiß vor Aussatz. Ihre Haut trocknete aus und verkorstete. Mose schrie zum Herrn: „Herr, erbarme dich!“ Er reagierte nicht mit Zorn, wie es mir manchmal passiert, sondern als Beter, der sich nicht mitreißen lässt. Er bat: „Herr, erbarme dich!“
Von Mose könnte ich noch viele Geschichten erzählen, aber jetzt sollten wir die Bibel aufschlagen. Haben Sie Ihre Bibeln mitgebracht? Schlagen Sie bitte 2. Mose 33 auf. Wenn Sie Ihre Bibel nicht dabei haben, bitte ich Sie, morgen zu Hause noch einmal nachzulesen.
Mose und das Volk Israel am Berg Sinai
Es beginnt damit, dass Israel in dem Moment, als Mose vor Gott auf dem Berg Sinai war, sagte: „Der alte Mann, komm, nimm mir!“ – dem ist etwas passiert. Aber sie dachten: Wir brauchen doch irgendeinen Gott, Religion hin oder her, ob Moslem, Hindu oder Jesus, ist ja ganz egal, irgendwas. So machten sie sich ein Goldenes Stierbild und beteten es an.
Als Mose vom Berg Gottes zurückkam, von der Begegnung mit Gott, nachdem Gott mit ihm geredet hatte, wie ein Mensch mit seinem Freund redet, sah er, was geschehen war. Gerade hatte Gott zu ihm gesagt: „Ich bin der Herr, dein Gott, Israel. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“ Und plötzlich war alles vorbei.
Da sagt Gott zu Mose: „Ich sehe, dass dieses Volk halsstarrig ist.“ (2. Mose 32,9) Gott fährt fort: „Lass mich, Mose, dass mein Zorn über sie entbrenne und ich sie vertilge. Dafür will ich dich zu einem großen Volk machen. Ich fange mit dir noch einmal an, wie einst mit Abraham. Den kannst du doch vergessen, aber mit dir fange ich an.“ Abraham hatte noch nicht einmal einen Sohn, doch Gott hatte gesagt: „Ich will dich segnen.“ Mit Mose wollte Gott noch einmal neu beginnen.
Mose antwortete nicht mit: „Ach, das ist aber schön, du hast völlig Recht, lieber Gott, mit mir kann man gut anfangen.“ Nein, Mose flehte vor dem Herrn, seinem Gott: „Ach Herr, warum soll dein Zorn über dein Volk entbrennen, das du mit großer Kraft und starker Hand aus Ägyptenland geführt hast? Warum sollen die Ägypter sagen: ‚Er hat sie zu ihrem Unglück herausgeführt‘? Kehre dich ab von deinem grimmigen Zorn!“ So kann man beten.
„Lieber Gott, lass das nicht zu! Lieber Gott, nein, du hast uns doch geliebt, du hast uns doch angenommen, du bist deinen Weg mit mir gegangen.“
Moses Fürbitte für das sündige Volk
Und jetzt müssen wir die Seite umschlagen. Bei mir sind die Schlussverse vom Kapitel 32.
Am nächsten Morgen, ab Vers 30, sprach Mose zum Volk: „Ihr habt eine große Sünde getan. Nun will ich hinaufsteigen zum Herrn, ob ich vielleicht Vergebung erwirken kann für eure Sünde.“
Als Mose dann wieder zum Herrn kam, sprach er: „Ach, Herr, das Volk hat eine große Sünde getan. Sie haben sich einen Gott aus Gold gemacht. Vergib ihnen doch diese Sünde! Wenn nicht, dann tilge mich aus deinem Buch, das du geschrieben hast, aus dem Lebensbuch.“
Das war nicht ohne Grund so. Zuvor hatte Gott gesagt: „Anstelle vom Volk nehme ich dich.“ Und jetzt sagt Mose: „Lieber mach mich kaputt als dieses Volk. Lieber lösche meinen Namen aus deinem Lebensbuch, aber nicht den ihren.“
Wissen Sie, was eine Bürgschaft ist? Da kann man sich gewaltig die Finger verbrennen, wenn man eine Bürgschaft übernimmt. Man muss mit seinem ganzen Eigentum haften, wenn man sich verbürgt hat. Und Mose verbürgt sich hier mit seinem Leben, mit seiner Familie. „Herr, tilge uns aus, aber dieses Volk soll leben.“
Das heißt in den Psalmen: Mose trat in die Bresche. Das ist ein alter Ausdruck. Er hat das Volk und Gott zusammengehalten. Lieber schmeiß mich weg!
Jetzt wird es interessant: Der Herr aber sprach zu Mose: „Ich will den aus meinem Buch tilgen, der an mir sündigt. So geh nun hin und führe das Volk, wohin ich dir gesagt habe. Siehe, mein Engel soll vor dir hergehen. Ich werde aber ihre Sünde heimsuchen.“
Ich möchte fast ergänzen: auf meine Weise, wenn meine Zeit kommt.
Jesus als der große Fürbitter
Jetzt kommt das, was Herr Griep vorher gesagt hat: Ich bin fest überzeugt von dem, was Sie auf dem Berg der Verklärung gesagt haben.
Hat Mose zu Jesus gesagt: „Ich wollte Bürger sein, stellvertretend fürs Volk, aber ich war der Herr bloß ein sündiger Mensch. Mir ist der Gaul durchgegangen, da am Haar der Wasser. Wie oft war ich zornig! Ich konnte kein heiliger Bürger sein. Aber Jesus, du, du bist der Gerechte. Du musst in die Bresche treten für die Menschen, du musst ihre Sünde tragen.“
Das ist der Hintergrund. Mose war ein Fürbitter, der nicht bloß gesagt hat: „Lieber Gott, hilf!“, sondern: „Lieber Gott, lieber lösch mich aus!“ Er stand mit seiner ganzen Existenz hinter seinem Gebet: „Lieber Gott, halt dich zu diesen Menschen, lieber gebe ich mein ganzes ewiges Heil auf.“
Jesus ist ein Fürbitter wie Mose – so steht es über dem heutigen Abend. Als Jesus sein Leben hingegeben hat, hat er am Abendmahl gesagt: „Für euch, für die vielen.“ Die Menschheit ist gemeint. In Israel rechnet man so, so wie die kleinen Kinder im Kindergarten sagen: „Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, viele, viele.“ Die „vielen“ sind die alle.
„Gebe ich mein Leben hin.“ Und was hat Jesus sterbend gemacht? Jesaja 53 heißt, er hat für die Übeltäter gebetet: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
Als neben ihm der mit ihm gekreuzigte Mörder gesagt hat: „Leg eine Gedenkminute ein, wenn du in dein Reich kommst“, hat Jesus deutlich gemacht: „Ich bin nicht zuständig für Gedenkminuten. Du wirst mit mir im Paradies, in der Welt Gottes sein.“
Das hat Jesus sterbend gemacht für uns: Jesus, der große Fürbitter.
Jesu Fürbitte für seine Jünger und alle Gläubigen
Jetzt müsste man viel erzählen. Als Petrus gesagt hat: „Herr Jesus, die anderen kannst du nicht verlassen, aber ich bin da“, meinte er ungefähr so: „Ich werde, wenn alle dich verlassen, trotzdem bei dir bleiben.“ Jesus antwortete: „Petrus, der Teufel, der Satan, begehrt dich. Er möchte dich sichten wie den Weizen.“
Seit den alten Ägyptern gibt es beim Dreschen zwei Vorgänge. Beim ersten Sieb fällt alles Schwere durch, und die Spreu bleibt oben. Aber es fallen auch Steine zusammen mit dem Weizen durch. Das zweite Sieb lässt nur den Weizen durch, während der Dreck ausgesiebt wird. Die Spreu hat der Teufel also schon vorher.
Petrus, du gehörst wirklich zu denen, die gewichtig sind. Aber der Teufel möchte dich heraussieben, er möchte dich wegreden. Wissen Sie, wie es weitergeht? Jesus sagt: „Aber ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre.“
Wir machen es immer so: Von meinem Konfirmantenjahrgang sind die meisten nicht mehr da. Aber ich bin treu dabei, war im Jugendkreis, in der Gemeinschaft. Der Herr hat mich gehalten, er hat für mich gebetet: „Lieber Gott, den darfst du nicht auch umkommen lassen.“ Sie ahnen nicht, wie viele Gebete im Leben schon vom Herrn Jesus hinter ihnen her sind. „Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre.“
Oder am allerschönsten: Johannes 17, das große Gebet Jesu für seine Leute. Dort sieht man, wie Jesus betet. Man nennt es das Gebet des Hohen Priesters, das hohenpriesterliche Gebet. Jesus sagt: „Vater, ich bitte dich für sie, nicht für die Welt, sondern für die, die du mir gegeben hast. Sie sind dein, erhalte sie in deinem Namen. Nun komme ich zu dir und rede dies in der Welt. Ich habe ihnen dein Wort gegeben, und sie haben dein Wort behalten. Heilige sie in der Wahrheit!“
Und dann kommt der schönste Vers: „Ich bitte nicht bloß für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden.“ Der Herr Jesus bittet schon für Sie, die durch ihre Jugendfreizeiten zum Glauben kommen werden, die er schon im Blick hat, die durch euer Posaunenspiel innerlich erfasst werden. Bittet der Herr Jesus, dass sie erweckt werden.
Ihr Eltern, ihr betet doch nicht allein für eure Kinder. Jesus bittet für die, die zum Glauben kommen sollen, die er schon im Blick hat. Das ist eine tolle Fürbitte!
Wenn wir vor unseren Konfirmandenjahrgängen oder Schulklassen stehen, wo uns als Pfarrer manchmal angst und bange ist, sagen wir: „Vater, ich bitte dich für die, die zum Glauben kommen sollen.“ Da stehen wir nicht allein. Jesus steht hinter uns, der große Fürbitter. Er hat wieder Mose sein Leben angeboten, ja, eigentlich noch mehr als Mose.
Jesus hat es verwirklicht: Er ist der Bürge, er ist in die Bresche getreten. „Lieber Gott, tilgst du mich aus, aber die Menschen nicht, mit denen habe ich noch etwas vor.“ Und dann haben wir es ja gehört, wie der verachtete Mose von Gott erhöht und bestätigt wurde. So ist erst recht Jesus bestätigt worden. Gott hat diesen Aller-verachtetsten und Unwertesten aus dem Grab herausgeholt. Er hat ihn herausgestellt. Er lebt.
Gott als der, der Zerbrochenes heilt
Was tut er? Ein Kind in Afrika hat seine Mutter gefragt: Was hat Gott eigentlich nach dem siebten Schöpfungstag gemacht? Da war doch alles schon geschaffen.
Der afrikanische Bischof Festo Kivengire hat uns diese Geschichte immer lächelnd erzählt. Das Kind wartete nicht einmal auf die Antwort der Mutter, sondern sagte: „Oh, I know! He is mending broken things.“
Ich weiß, er fügt Zerbrochenes zusammen, so wie ein guter Vater in meiner Ehe und in der Erziehung meiner Kinder. Auch in dem, was ich als Pfarrer in der Gemeinde schuldig geblieben bin, bedeutet „mending broken things“ viel für mich.
Ein Beispiel ist einer meiner schwierigsten Konfirmanden. Ich dachte oft, bei ihm sei Hopfen und Malz verloren. Er war sehr lebhaft und unruhig, und aus Liebe setzte ich ihn immer neben mich. Wenn ich meinen Arm um ihn legte, wurde er ruhiger. Dieser junge Mann, der berühmt-berüchtigt in Schandau war, hat sich verändert.
Vor zwei Jahren schrieb er mir: „Herr Chefbuch, der Herr hat mich gefunden.“ Heute hält er sogar altbietische Stunden im Hauskreis. Er sagte, vielleicht war der Konfirmandenunterricht bei Ihnen der Anfang. Vielleicht.
Unser lebendiger Gott ist der, der Zerbrochenes zusammenfügt, was wir nicht vermögen. Er ist „mending broken things“.
Jesus als Fürsprecher vor dem Vater
Was tut eigentlich der Herr Jesus, wenn er erhöht ist zum Vater? Er ist auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel und sitzt zur rechten Hand Gottes. Aber was tut er dort? Ruht er sich aus? Man bekommt immer nur verstreute Auskünfte quer durch die ganze Bibel, egal wo man aufschlägt.
Theologen sprechen von der johannäischen Tradition, der Apostelgeschichte, der lukanischen Theologie, der paulinischen Theologie – und all dem kann man sowieso nicht ganz trauen. Ich möchte einige Stellen nennen.
In 1. Johannes 1,8 heißt es: Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, betrügen wir uns selbst. Wenn wir behaupten, alles sei in Ordnung, wenn alles so wäre wie wir, dann wäre es gut – aber so ist es nicht. Dann betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.
Doch wenn wir unsere Sünde bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünde vergibt. Denn ob wir sündigen oder nicht, wir haben einen Fürsprecher beim Vater: Jesus, der gerecht ist, noch gerechter als Mose. Das Leben Mose hatte manche dunkle Punkte. Jesus aber ist gerecht und steht vor dem Vater.
Und was tut er dort? Er ist unser Fürsprecher! Er sagt zum Vater: "Schau doch nach dem Menschen, der gerade wieder die größte Dummheit macht. Du musst ihn halten, gib ihm Wort, schick ihn weg!" Jesus tritt als Fürsprecher beim Vater für uns ein.
Paulus schreibt im Römer 8,34: Christus ist derjenige, der gestorben ist – ja, viel mehr, der auferstanden ist und zur Rechten Gottes sitzt. Und wie geht es weiter? Er tritt für uns ein. Kein Rechtsanwalt kann so für uns eintreten und sich so um unsere Sache kümmern wie der Herr Jesus, der vor dem Vater steht.
Das ganze Heil, das Jesus uns zuteilwerden lässt, dass er für uns eingetreten ist, ist jetzt darin komprimiert, dass Jesus vor Gott ist und für seine Leute eintritt – denn sie brauchen es. Christus ist nicht vollkommen in dem Sinne, dass er alle Gefahren und Versuchungen hinter sich hat. Im Gegenteil, wie bei Petrus: Der Teufel sucht uns erst recht wegzukriegen.
Und Jesus tritt für uns ein.
Die Hauptsache des Glaubens: Jesus als Hoher Priester und Fürsprecher
Hebräerbrief. Vor etwa einem Jahr bin ich darüber gestolpert, und seitdem lässt es mich nicht mehr los.
Hebräer 8,1: Das ist nun die Hauptsache unseres Glaubens, von dem, was wir reden.
Was meinen Sie, was die Hauptsache ist? Ist es die Vergebung der Sünden? Oder das Üben von Nächstenliebe? Oder dass wir uns um die Dritte Welt kümmern müssen? Heute werden viele verschiedene Antworten darauf gegeben, was die Hauptsache des Christentums ist.
Die Antwort findet sich in Hebräer 8, Vers 1: Wir haben einen Hohen Priester, der sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones der Majestät im Himmel.
Und was er dort tut, steht in Hebräer 7, Vers 25: Dort tritt er für uns ein.
Jetzt, liebe Freunde, lasst uns doch zu denen gehören, von denen der Herr Jesus sagt, dass er für sie eintritt. Er sagt: „Der möchte zu mir gehören, für den trete ich ein, für den komme ich auf. Der gehört zu meiner Firma.“
Christen sind nicht Menschen, die alles perfekt machen. Christen sind nicht Menschen, die eine besondere Strahlkraft haben. Christen sind Menschen, die mit dem verbunden sind, der vor dem Vater ist und für uns Fürbitte tut.
Da möchte ich dazugehören.
Die persönliche Entscheidung für Jesus und das Mitschwingen im Glauben
Ich habe es mir angewöhnt, in der Seelsorge mit jungen Leuten, die oft innerlich zerrissen sind, folgende Frage zu stellen: Glauben sie wirklich, oder täuschen sie sich selbst? Ist das vielleicht ein Selbstbetrug?
Ich empfehle, einen Zettel zu schreiben – ich habe selbst einen in meinem Geldbeutel. Geld ist oft sehr präsent, und wenn es nah bei uns ist, kann es fast wie ein Gott sein. Auf diesem Zettel steht: „Jesus, ich möchte dir gehören.“
Schreiben Sie es schwarz auf weiß fest: „Jesus, ich möchte dir gehören.“
Dann haben Sie das besondere Vorrecht, nicht nur zu Jesus zu gehören, sondern zu dem, der für uns vor dem Vater Fürbitte hält.
Das Bild der Pendeluhr als Gleichnis für das Christsein
Und jetzt noch einmal zurück zu unserer Fürbitte. Vielleicht darf ich ein Bild verwenden. Wir haben zu Hause, geerbt vom Großvater, eine wunderbare Pendeluhr mit einem schönen Glockenschlag.
Im letzten Jahr hatten wir zwei Umzüge. Als wir den ersten von Ulm nach Korntal gemacht haben, wurde die Uhr richtig aufgehängt, allerdings blieb der Pendel immer wieder stehen. Ich verstehe nicht viel von Technik, aber wir haben eine Wasserwaage benutzt, damit die Uhr ganz bestimmt richtig hängt. Trotzdem hat es nicht funktioniert.
Dann kam unser Sohn Ulrich, schaute sich die Uhr an – ich kann wegen meiner eingeschlafenen Brillen nicht so richtig genau hinschauen – und sagte: „Ihr habt den Pendel gar nicht richtig aufgehängt.“ Es gibt einen ganz schmalen Splint, an dem der Pendel wie an einer Zarge eingehängt wird, damit er mitschwingen kann.
Das ist mir zum Bild geworden, was unser Christsein eigentlich ist. Wir hängen bei Jesus Christus ein. Ich brauche ihn, ich habe einen Fürsprecher beim Vater. Ich bin ein sündiger Mensch, ich brauche ihn, den Gerechten. Mein ganzes Leben besteht jetzt darin, dass ich mit Jesus mitschwingen darf – mit seinen Gedanken, mit seiner Weisheit und dass ich mit seiner Fürbitte beten kann.
Das braucht doch kein ausführliches Gebet zu sein. Beim Christkindle müssen Sie einen schönen Wunschzettel schreiben, bei Jesus aber nicht. Sie dürfen ein paar Namen nennen, sagen: „Oh Herr, ich selbst“ und Ihre Ängste, Ihre einzelnen Anliegen in die Fürbitte hineinnehmen.
Jesus, Sie dürfen mitschwingen mit dem, der vor dem Vater für uns eintritt. Jesus macht es uns so einfach, wie man mit ihm verbunden sein kann. Wir können ihm einfach mit ein paar Stichworten sagen, was uns bewegt – Dank für den schönen Tag, dafür, dass du mir Menschen geschickt hast, dass es bei unserer Tochter jetzt geklappt hat und die Krankheit weg ist.
Ich darf alles, was mein Herz bewegt, sagen und ihm Dank mitschwingen für den, der vor dem Vater ist, und bitten und Fürbitte halten. Jetzt fängt es doch auch wieder richtig an.
Abraham als Fürbitter für Sodom und Gomorra
Im Alten Testament steht eine bekannte Geschichte, die viele von Ihnen sicher kennen. Gott sagt zu Abraham: „Mit Sodom und Gomorra ist es aus, so wie es dort zugeht, kann ich es nicht länger dulden.“ Man könnte fast sagen, dort herrscht ein Zustand, der schlimmer ist als in der Bundesrepublik im Jahr 1997.
Doch so schlimm war es in Sodom und Gomorra auch wieder nicht. Aber Gott erklärt, dass er das nicht akzeptieren kann und dass die Stadt untergehen wird. Daraufhin bittet Abraham: „Lieber Gott, wenn es fünfzig Gerechte in der Stadt gibt, wirst du die Stadt dann nicht einfach mit Stumpf und Stiel vernichten?“ Gott antwortet: „Nein, wenn es fünfzig Gerechte gibt, werde ich die Stadt verschonen.“
Abraham denkt weiter nach und sagt: „Vielleicht sind es ja nur noch fünfundvierzig Gerechte, zum Beispiel meine Frau, die Töchter, Schwiegersöhne und Knechte.“ Gott sagt dann: „Auch wenn es nur fünfundvierzig Gerechte gibt, werde ich die Stadt nicht vernichten.“
Abraham bittet weiter und verringert die Zahl immer mehr, bis er schließlich sagt: „Wenn es nur zehn Gerechte gibt, wirst du die Stadt um der zehn Gerechten willen verschonen?“ Gott antwortet: „Ja, wenn es zehn Gerechte gibt, werde ich die Stadt nicht zerstören.“
Viele Ausleger und Prediger sagen heute, dass man im Gebet nicht so handeln dürfe. Sie meinen, Abraham hätte einen Fehler gemacht, weil er nicht weitergebetet hat. Er hätte sagen sollen: „Lieber Gott, wenn es in der ganzen Welt nur noch einen einzigen Gerechten gibt, wirst du dann trotzdem dein Gericht kommen lassen?“
Abraham hat also nicht weit genug gebetet. Die Botschaft des Neuen Testaments lautet: Um des einen Gerechten willen wird aller Fluch aufgehoben und es gibt Befreiung von Schuld. Jesus, der Gerechte, ist jetzt vor dem Vater, der großen Gerechte, und bittet für uns.
Die Einladung zur Gemeinschaft mit dem Fürbitter Jesus
Ich möchte Sie herzlich einladen, heute Abend mit mir zu sagen: Herr Jesus, ich möchte zu denen gehören, die das Vorrecht haben, für die Du beim Vater bittest.
Der katholische Pater Sartori, ein sehr kluger Mann, Doktor Doktor Thomas Sartori, hat einmal gesagt, dass das Schöne an der katholischen Kirche ist, dass es Fürbitter gibt – die Heiligen, die Vollendeten, die eine besondere Nähe zu Gott haben. Zum Beispiel Josef und Anton. Ich glaube, das hat er bei einem Vortrag an der Stuttgarter Technischen Hochschule gesagt, damals noch.
Oh, ich bin froh, dass er den Anton nicht braucht. Und die heilige Cäcilie oder so – auf die ist kein Verlass. Vielleicht kommt ja doch noch heraus, dass es in ihrem Leben auch dunkle Seiten gab. Aber wir haben einen Fürsprecher beim Vater. Für wen ist der da? Für die Vollkommenen? Für die Guten? Für die, die alles perfekt machen? Nein, für Leute wie Petrus, der vom Teufel versucht wird, für Leute, die sagen: Herr, in meinem Leben gibt es Schuld, und die bitten für uns: Vater, lass sie nicht umkommen, hilf ihnen heraus aus dem Dreck.
Und sie werden merken, welchen Wert diese Fürbitte hat. Früher hat man gesungen: „Mein Bürge für mich spricht.“ Das ist meine Zuversicht.
Man kann Angst haben, wenn man bis zur letzten Minute des Lebens nur auf die eigene Kraft baut. Man fragt sich: Werde ich im letzten Moment meinen Glauben aufgeben? Wenn die Schmerzen so schwer werden, wird vielleicht ein Fluch über meine Lippen kommen? Oder ist alles bloß ein Gedankengebilde, eine Selbsttäuschung?
Nein, mein Glaube ruht darauf, dass mein Bürge für mich spricht. Aber wenn aus meinem Mund nur Dummheiten kommen, wenn ich im Operationssaal betäubt bin und aus meinem Mund ein Wirrwarr von Unsinn kommt – das ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass mein Bürge für mich spricht. Das ist meine Zuversicht.
Schlussgebet um Fürbitte und Glaubenszuversicht
Wir wollen beten.
Herr Jesus, wir bitten dich darum. Du weißt, wem es heute Abend ernst ist, zu denen zu gehören, für die du sprichst, für die du beim Vater Fürbitte hältst und für die du eintrittst.
Wir dürfen mit all unserer Schwachheit, unserem Kleinglauben und unserer Angst zu dir kommen, weil du für solche Menschen da bist.
Herr, reiß uns heraus aus der Trägheit und Unentschlossenheit unseres Lebens. Hole uns hinein in die große Gewissheit mit dir, Herr, in der ewigen Welt.
Amen.