Adventliche Stimmung und tröstliche Lichter im Leben
Verehrte, liebe Geschwister,
unsere Herzen sind schon beim Betreten dieses schönen Raumes adventlich gestimmt, wenn wir die schönen Gestecke sehen. Advent, Advent, ein Lichtlein brennt. Wir lieben dieses tröstliche, flackernde Kerzenlicht.
Es gibt die Lichter, von denen auch die Bibel spricht, die unsere Hand entzündet hat. Diese Lichter sollen möglichst nicht verdeckt, sondern auf einen Leuchter gestellt werden, damit sie – wie Jesus sagt – allen im Haus leuchten. Tröstliche Lichter, die es gibt.
Ich denke an eine Fahrt, die wir auf dem Dnjepr machen konnten und dann von Odessa auf die Krim. Man denkt immer, im Schwarzen Meer könne es keine Stürme geben, aber es ist ein richtiges Meer. Kaum waren wir aus dem Hafen von Kherson draußen, wurde unser für die Flussschifffahrt gebautes Schiff in die Höhe geschleudert und in die Tiefe geworfen. Es war schrecklich!
Es war die Gnade Gottes, dass nur wenige von unseren 150 Passagieren überhaupt aufwachten. Es herrschte ein furchtbarer Lärm: Deckstühle fielen herunter, Kühlschränke in der Küche kippten um. Ich ging nach vorne zur Brücke und fragte den Kapitän, ob wir nicht umdrehen könnten. Es war etwas schwierig, sich zu verständigen, denn ich kann kein Ukrainisch und er sprach wenig Englisch.
Er machte mir jedoch deutlich, dass wir nicht umdrehen konnten. Flussschiffe sind gebaut wie eine Zigarrenkiste – falls Sie noch wissen, was eine Zigarrenkiste ist – ohne Kiel. Wir hätten uns dem Sturm ausgesetzt, und dann wäre es ganz aus gewesen. Wir mussten durchhalten, bis wir das Licht auf einer Insel vor Sevastopol erreichten. Dort wären wir im Schutz.
Sie können sich nicht vorstellen, wie ich in dieser Nacht zwei bis zweieinhalb Stunden Ausschau gehalten habe, ob das Licht nicht endlich näherkommt, damit wir in Sicherheit sind. Tröstliches Licht – das gibt es in unserem Leben. Das gibt es auch in der Bibel und im Gesangbuch: „Er lässt den Seinen manch tröstlich Lichtlein scheinen.“
Wenn wir jetzt anfangen wollten, zu erzählen, wie uns unser treuer Herr Jesus auch in dunkler Nacht und in Stürmen tröstliche Lichter gesandt hat, dann würden wir bis heute Abend nicht fertig werden. Aber wir würden damit die Heiligkeit und Ehre Gottes verletzen.
Die Ambivalenz des göttlichen Feuers: Trost und Schrecken
Wenn wir bei den biblischen Lichtgeschichten übersehen würden, dass das Licht Gottes auch schrecklich sein kann, würden wir einen wichtigen Aspekt vernachlässigen. In der Bibel wird oft vom Feuer Gottes gesprochen, das um sich greift, bis hin zur Offenbarung, in der die Augen Gottes wie Feuerflammen beschrieben werden.
Gleich zu Beginn der Offenbarung sind um den Thron Feuerflammen zu sehen – ein schreckliches Licht. Vielleicht gilt dann auch das, was im Psalm 90 steht, und was uns in dieser Woche vom Ewigkeitssonntag her besonders wichtig gemacht wurde: unsere unerkannte Sünde.
Wenn du deine Sünde ins Licht vor Gottes Angesicht stellst, ist das nicht mehr das tröstliche Lichtlein, sondern ein erschreckendes Licht. Früher habe ich nicht gewusst, wie das im Alter sein kann: Unsere unerkannte Sünde wird ins Licht gestellt. Vor Gottes Angesicht kommt alles ans Licht – jedes ungute Wort, das ich meinen Eltern gesagt habe, jedes Versäumnis, meinen Klassenkameraden wirklich ein Zeuge Jesu zu sein.
Ich habe das Abzeichen der evangelischen Jugend getragen, aber wie habe ich mich benommen? War das eine Einladung für Jesus? All das fällt einem dann ein – die Versäumnisse. Was ich meiner Frau schuldig geblieben bin, meinen Kindern, meinen Enkeln. Jetzt ist es zu spät, sie sind erwachsen.
Das verzehrende Licht geht vom Herrn aus. Ist Ihnen das schon einmal aufgefallen, sogar in der Weihnachtsgeschichte? Wenn wir Weihnachten und das Christfest so sehr mit unseren tröstlichen Lichtlein schmücken, dann heißt es dort doch: „Und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie, und sie fürchteten sich sehr.“
Die Hirten, die einiges gewohnt waren, waren erschrocken, als die Herrlichkeit, das Licht Gottes, aufleuchtete.
Gottes verzehrendes Feuer in der Bibel und seine Bedeutung
In der Vorbereitung für diese Dienste – und ich danke sehr, dass ich eingeladen wurde – ist mir eine Stelle aus dem 5. Buch Mose, Kapitel 5, neu und bewusst geworden. Wenn Sie Ihre Bibeln vor sich haben, möchte ich Sie ein wenig durch die Bibel führen, denn wir haben ja eine Bibelarbeit. Das 5. Buch Mose, Kapitel 5, lässt sich leicht merken. Dort heißt es im Vers 24: „Denn der Herr, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer und ein eifernder Gott.“
Wissen Sie, wo diese Vorstellung vom verzehrenden Feuer im Neuen Testament noch einmal aufgegriffen wird? Damit wir nicht sagen: Im jüdischen Alten Testament ist Gott ein strenger Gott, aber im Neuen Testament ist Gott nur Liebe, er tröstet uns und ist uns nahe mit seiner Wärme. Nein, im Hebräerbrief wird erneut betont, dass unser Gott ein verzehrendes Feuer ist. Das zeigt, dass wir nicht zu harmlos von Gott sprechen sollten.
Wir leben ja in einer Welt, die religiöser ist, als wir normalerweise wahrhaben wollen. Der Bertelsmann Verlag führt gerade eine Umfrage durch und stellt fest, dass fast 96,7 Prozent der Deutschen an ein religiöses, göttliches Wesen glauben. Doch dann verhalten sie sich so, als wären sie selbst die Chefs. Sie fragen: „Wie kann Gott das zulassen? Wo ist denn der allmächtige Gott?“
Wenn drei Jahre später ein ICE trotz gebrochener Achse in Köln nicht entgleist, sagen sie nicht: „Da war Gott da.“ Stattdessen klagen sie Gott an. Sie sehen sich als die Ankläger und sagen: „Wir sind die Chefs.“ Aber wer bist du, dass du mit Gott rechtest?
Der junge Jesaja, ein frommer junger Mann, berichtet in Jesaja 6, wie er hört: „Alle Lande sind seiner Ehre voll.“ Als er nur einen kleinen Teil der Gegenwart Gottes sieht, bricht er zusammen und ruft: „Weh mir, ich vergehe!“ Der heilige Gott lässt sich nicht verhandeln und nicht vor unser Gericht ziehen.
Doch dann fragen wir: „Lieber Gott, wie kannst du das zulassen?“ Es gibt tatsächlich Anfechtungen. Ich denke gerade an eine Mutter, die ihren Sohn in furchtbarer Krankheit sterben sieht. Wenn sie sagt: „Wo ist denn der allmächtige Gott?“ – das ist verständlich.
In so einem Fall wäre es merkwürdig, wenn wir Christen sagen würden: „Mein Lieber, so kannst du nicht mit Gott reden.“ Aber im Normalfall behandeln wir Gott wie unseren Stammtischbruder, den wir in die Schranken weisen könnten. Oder bestenfalls wie einen Trainer, zum Beispiel Armin Veh, der uns enttäuscht hat. Den schicken wir in die Wüste, dann brauchen wir ihn nicht mehr. (Anmerkung: Armin Veh war Trainer des VfB Stuttgart.) Also, Klammer zu!
Gottes Majestät und die Erfahrung am Sinai
Und wenn wir schon beim fünften Buch Mose sind, dann darf ich bitten, dass Sie noch einmal umschlagen zu 5. Mose 5,23. Vorher war es 5. Mose 4; ich habe Ihnen eine falsche Stelle genannt, nämlich 5. Mose 4,24. Jetzt geht es um 5. Mose 5,23.
Dort sagt Mose: Erinnert euch nur daran, Volk Israel, als ihr die Stimme Gottes aus der Finsternis hörtet und den Berg Sinai, den Horeb, im Feuer brennen sahet. Da tretet ihr zu mir, all eure Stammeshäupter und Ältesten, und sprecht: „Siehe, der Herr, unser Gott, hat uns seine Herrlichkeit und seine Majestät sehen lassen. Und wir haben seine Stimme aus dem Feuer gehört. Heute haben wir zwar gesehen, dass Gott mit Menschen redet und sie am Leben bleiben, aber warum sollen wir sterben? Dieses große Feuer wird uns noch verzehren, wenn wir weiterhin die Stimme des Herrn, unseres Gottes, hören. So müssen wir sterben, denn welcher Mensch kann die Stimme des lebendigen Gottes aus dem Feuer reden hören wie wir und doch am Leben bleiben?“
Das war eine der Urerfahrungen des Volkes Gottes: Unser Gott ist ein verzehrendes Feuer.
Jetzt möchte ich in einem ersten Teil diese Erfahrung noch einmal in Erinnerung rufen, weil wir das so oft vergessen. Es möge Ihnen einfallen, wenn Sie in der Christfestgeschichte hören: „Die Klarheit des Herrn umleuchtete sie, und sie fürchteten sich sehr“, dass unser Gott ein verzehrendes Feuer ist.
So hat Mose es schon bei seiner Berufung erlebt. Er war als Hirte an den mageren Weidegründen am Horeb, als er plötzlich ein Feuer entdeckte. Was ist das? Vielleicht hat jemand sein Feuer brennen lassen oder es handelt sich um einen Steppenbrand, so wie wir es jetzt in der Gegend von Los Angeles erleben, wenn jemand sein Feuer nicht richtig gelöscht hat und plötzlich eine Feuerwalze über das Land zieht.
Als Mose näher trat, hörte er plötzlich eine Stimme: „Zieh deine Schuhe aus, wirf deine Schlappen weg, denn der Boden, auf dem du stehst, ist heiliges Land.“ Ein Feuer, das brannte und doch nicht den Dornbusch verzehrte – das war das erste Erlebnis, das Mose mit Gott hatte: Unser Gott ist ein Feuer.
So hat Mose es auf dem Weg mit seinem Volk Israel, das ihm anvertraut war, immer wieder erlebt. Das heißt: Als die zehn Plagen über Ägypten kamen, ließ der Herr donnern und hageln, und Feuer schoss auf die Erde nieder.
Diese biblische Formulierung ist mir ganz neu aufgegangen: Feuer, das auf die Erde niederschießt! Wenn wir heute noch ein wenig hören von der Feuersäule, die vor dem Volk Israel herging, um den Weg zu weisen, haben wir uns das früher so vorgestellt, als wäre es ein Johannisfeuer oder ein Lagerfeuer, das aufbrannte und dann zusammenfiel und ein bisschen qualmte.
Nein, Feuer schoss vom Himmel!
Sie haben sicher schon die Bilder gesehen im Film oder Fernsehen, wenn eine amerikanische Weltraumrakete von Cape Kennedy startet – was das für ein Feuerstrahl, für eine Feuersäule ist! So ähnlich stelle ich mir vor, dass das nicht bloß ein kleines Feuerchen war, sondern ein Feuerschoss.
Verzehrendes Feuer – bei den Propheten, zum Beispiel Daniel, heißt es, Feuer ging aus von Gott wie ein feuriger Strahl, eine richtige Feuerwalze.
Wenn es in der Bibel heißt, eine Feuersäule, dann müsste es sich richtig um eine Prachtssäule handeln.
Im Nazideutschland gab es die Erfindung – ich habe das als junger Mann erlebt bei der Eröffnung der Stuttgarter Reichskartenschau –, dass rings um Stuttgarts Scheinwerferbatterien aufgebaut waren, damals von der Luftwaffe. Diese vereinten sich zu einem sogenannten Feuerdom, einem Lichtdom.
Ich erwähne all diese Dinge, die aus unserer Welt kommen – wie Cape Kennedy oder diesen Feuerstrahl-Dom –, damit wir uns kein zu harmloses Bild machen von der Feuersäule, die vor dem Volk Israel herging: schreckendes Feuer und doch zugleich tröstlich für das Volk Gottes.
Die Herrlichkeit Gottes als sichtbare Gegenwart und ihre Wirkung
Wenn die Herrlichkeit Gottes erscheint und die Klarheit des Herrn um sie leuchtet, dann ist das die Außenseite, die sichtbare Seite der unsichtbaren Gegenwart Gottes. Im Hebräischen, so sagen wir als Theologen oft, spricht man von der Kabodjave, der Herrlichkeit des Herrn, dem Strahlenglanz Gottes. Das ist die Außenseite der unsichtbaren Gegenwart Gottes.
Letzten Sonntag bin ich auf das Wort eines indonesischen Kirchenführers gestoßen. Es hat mir zunächst sehr gefallen. Es hieß dort: Wir dürfen als Christen die Herrlichkeit Gottes in das Gewebe des Alltags hineinweben. Ich dachte, es ist ein schönes Bild: Wir Christen dürfen die Herrlichkeit Gottes in den Alltag hineinweben.
Gleichzeitig saß ich aber auch in der Vorbereitung für den heutigen Tag und fragte mich: Wer sind wir, dass wir die Herrlichkeit Gottes hineinweben wollen oder können? Lass deine Finger davon weg! Sei froh, wenn die Herrlichkeit Gottes dich nicht zerschmettert und die unerkannte Sünde aufdeckt, sodass du sagst: Wehe mir, ich vergehe, wie es Jesaja gesagt hat.
Gottes Herrlichkeit erfüllt zwar das ganze Universum: „Heilig, heilig ist Gott der Herr, alle Lande sind seiner Ehre voll, alle Lande!“ Doch nur ganz selten nehmen wir wahr, dass die Herrlichkeit Gottes da ist, dass unsere Welt von der Majestät Gottes durchdrungen ist. Wir sollten hellhörig werden dafür, wie nahe der heilige und herrliche Gott uns sein kann!
In Württemberg gab es als geistlichen Vater den Klosterpräzeptor Johann Albrecht Bengel. Er war dreißig Jahre seines Lebens dazu verdammt, elf- und zwölfjährigen Burschen Latein beizubringen und ein bisschen Bibelkunde. Dabei war er einer der gelehrtesten Männer, die Württemberg je hatte. Als sich einmal über Denkendorf, wo Bengel wirkte, ein Gewitter zusammenbraute und die ersten Donnerschläge kamen, die Blitze herabfuhren, kamen die jungen Burschen zu ihrem Lehrer und baten: „Herr Präzeptor Bengel, beten Sie mit uns!“
Bengel soll darauf gesagt haben: „Nicht beten, hört zu!“ So hört die Majestät Gottes. Sie möchte nicht weggebetet werden, wenn plötzlich durch Blitze und Donner etwas von der Majestät Gottes sichtbar wird. Nur selten wird uns bewusst, dass die Majestät Gottes da ist.
Damals am Sinai sagte das Volk Israel zu Mose: „Komm, sorg dafür, dass das aufhört! Wir können es nicht ertragen. Wer kann da leben bleiben?“ Deshalb ist es verständlich, dass es das Gebet gibt: „Bleib du uns gnädig zugewandt!“ Oder wie wir im aronitischen Segen hören: „Lass dein Angesicht über uns leuchten!“
Wir sollen nicht nur das verzehrende Feuer sehen, nicht nur die Sünde, die unerkannte Sünde, die uns im Licht vor seinem Angesicht bewusst wird. Vielmehr soll sein Angesicht strahlend, belebend, tröstlich und wärmend über uns leuchten.
Davon wollen wir heute etwas hören, nach dieser langen Einleitung – etwas von der Feuersäule. Aber wir müssen den Hintergrund sehen, denn auch später werden wir hören, dass bei der Feuersäule das Doppelte da ist: das Schreckliche, das für die Ägypter schrecklich blieb, und das Wegweisende und Tröstliche für Israel.
Bleib du uns gnädig zugewandt! Lass dein Angesicht über uns leuchten!
Gottes gnädige Führung durch die Feuersäule
Deshalb jetzt als zweiter Teil:
Der erste Teil war „Unser Gott ist ein verzehrendes Feuer“.
Zweiter Teil: Gott hat sich gnädig in der Feuersäule zugewandt.
In der Nachkriegszeit gab es ein Buch – oder mehrere Bücher, die damals rar waren – mit dem Titel „Die Feuersäule“. Darin hat eine Christin die furchtbare Not beschrieben, wie die russischen Panzer die Flüchtlingstrecks eingeholt und überrollt haben, mit all den Schrecken, die folgten: Hunger, Krankheit, Kindersterben.
In dem Buch wird beschrieben, was mitten in dieser Not des Kriegsendes wahr wurde. Es erinnert an Jeremia 2: „Du musst innewerden und erfahren, welchen Kummer und welches Herzeleid es bringt, den Herrn, deinen Gott, zu verlassen und ihm nicht zu dienen.“ Kummer und Herzeleid – die Schrecken Gottes.
Und mitten in diesen kaum zu beschreibenden und erst recht kaum lesbaren Schrecken hat die Schriftstellerin bezeugt, wie sie die tröstliche Führung Gottes erlebte – mitten im Schrecken. Das war das, was Israel mit der Feuersäule erlebt hat: das Schrecken des Feuergottes.
„Von unserem Gott schoss Feuer nieder, verzehrendes Feuer, für Israel tröstlich.“
Jetzt darf ich Sie bitten, aufzuschlagen bei 2. Mose 13, ich hoffe, das ist das Richtige: 2. Mose 13, Absatz 17.
Als der Pharao das Volk ziehen ließ, führte Gott sie. Schon der Begriff „er führte“ ist wichtig: Gott hat nicht nur dafür gesorgt, dass Israel gehen konnte, als der Pharao sie hatte ziehen lassen und sagte: „Jetzt könnt ihr euren Weg selbst finden.“ Nein, Gott führte den Weg.
Er führte sie nicht durch das Land der Philister, das am nächsten lag. Es war eine ganz kleine Landbrücke, zwei, drei Tagereisen von Pithom und Raamses hinüber ins Land, das den Vätern versprochen war. Gott führte sie nicht diesen Weg, denn er dachte, es könnte das Volk bereuen, wenn sie Kämpfe vor sich sähen. Sie könnten wieder nach Ägypten umkehren.
Ach, was ist das für ein Gott, den wir anrufen dürfen, der unseren Wankelmut kennt? Wenn wir mit dem Köfferchen vor dem Krankenhaus stehen und aufs Taxi warten und denken: „Ach, lieber Gott, dass du mich noch mal aus diesem Krankenhaus entlassen hast. Ich will dir dienen, ich möchte dir danken.“ Und dann kommen wir heim, auf dem Schreibtisch liegen die unerledigten Rechnungen. Was die Frau aufgeschrieben hat: „Du solltest dem anrufen“, und der hat noch gefragt: „Wie geht es dir? Du solltest auch dem Bescheid geben.“ Und dann kommt der Zorn hoch: „Was soll ich dem alles schaffen?“ Und plötzlich ist von Dank und Lob nichts mehr zu spüren.
Unser Wankelmut – Sie kennen ihn vielleicht aus anderen Situationen.
Gott dachte, es könnte das Volk bereuen und umkehren. Darum ließ er das Volk einen Umweg machen und führte es durch die Wüste zum Schilfmeer. Genau entgegengesetzt, wenn Sie sich mal die Karte ansehen. Deshalb haben wir in unseren Bibeln Karten von Pithom, Raamses bis zum Schilfmeer, dort, wo heute die Bitterseen sind, am Suezkanal.
Israel zog wohlgeordnet aus Ägypten aus. Ach, das war eine Pracht, wenn Mose entlang schaute: die Kolonnen, alles prima, die Alten sorgen für die Jungen, und die Heranwachsenden schieben das Wegliche für die Betagten. Wohlgeordnet war alles perfekt.
Mose nahm mit sich die Gebeine Josefs, denn dieser hatte den Söhnen Israels einen Eid abgenommen und gesprochen: „Gott wird sich gewiss euer annehmen, dann führt meine Gebeine von hier mit euch fort.“
So zogen sie aus Zuckert und lagerten sich in Etham am Rand der Wüste.
Und der Herr zog vor ihnen her am Tag in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten. Niemals wich die Wolkensäule vom Volk bei Tag noch die Feuersäule bei Nacht.
Wenn ich bei Neckarwestheim diese Wolke aufsteigen sehe über dem Atomkraftwerk, mitten an einem Tag, wo sonst wolkenloser Himmel ist – fast so schön wie heute – dann denkt man: „Ach, ob das nicht mal explodiert, das Atomkraftwerk.“ Man hat Angst.
Aber mich erinnert es immer wieder: So eine Wolkensäule ging vor dem Volk Israel her, um ihnen den Weg zu weisen. Und bei Nacht, damit sie sich nicht hinlegen konnten.
Sahen Sie jetzt die wohlgeordneten Israeliten? Ihr müsst auch nachts präsent sein. Ich will euch eventuell bei Nacht den Weg weisen.
Gottes Eingreifen am Schilfmeer und die doppelte Wirkung der Feuersäule
Und jetzt blättern wir um zu 2. Mose 14, ab Vers 13.
Da war schon geschehen, dass das Heer des Pharao den Israeliten nachgeeilt ist, um sie wieder zurückzuholen. Nicht nur Israel war wankelmütig, auch der Pharao war unentschlossen.
Da sprach Mose zum Volk: „Fürchtet euch nicht! Steht fest und seht zu, was für ein Heil der Herr heute an euch tun wird. Denn wie ihr die Ägypter heute seht, werdet ihr sie niemals wiedersehen. Der Herr wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein.“
Und der Herr sprach zu Mose: „Was schreist du zu mir? Sage den Israeliten, dass sie weiterziehen sollen.“
Da muss man sich vorstellen: Manchmal berichtet die Bibel so kurz und präzise, dass wir uns das erst klar machen müssen. Wenn Sie Kinderkirchhelfer wären, müssten Sie sich das so vorstellen: Mose hat zwar gesagt, der Herr wird für euch streiten, aber die Menschen denken vielleicht: „Lieber Gott, jetzt stehen wir am Rand dieses Schilfmeers. Was sollen wir tun? Wo sind die Schiffe, die Fähren, die uns hinüberbringen? Wo ist das Pioniergerät, das uns durchkommen lässt? Da hinten kommen schon die Ägypter. Lieber Gott, hilf doch!“
Und Gott sagt in Vers 15: „Was schreist du zu mir? Los, auf, geh ins Wasser hinein!“
Gott erwartet von seinen Leuten manchmal, dass sie vorangehen, auch wenn sie denken, es gehe auf Verderben zu. Wir werden erst die Wunder Gottes erleben, wenn wir mitten im Vertrauen auf Gott hineingehen – auch in das, was uns ohne Hilfe unmöglich erscheint.
In Vers 16 heißt es: „Du aber hebe deinen Stab auf und drücke deine Hand über das Meer und teile es mittendurch, so dass die Israeliten auf dem Trockenen mitten durch das Meer gehen.“
„Siehe, ich will das Herz der Ägypter verstocken, da sie hinter euch herziehen, und will meine Herrlichkeit erweisen.“
Hier wieder das Stichwort „Herrlichkeit“ – dieser Glanz, dieser Strahlen Gottes. „Ich will meine Herrlichkeit erweisen.“ Wir kennen das aus der Weihnachtsgeschichte, die Herrlichkeit des Herrn leuchtet um sie, um den Pharao und all seine Macht, an seinen Wagen und Männern. Die Ägypter sollen erkennen, dass ich der Herr bin, wenn ich meine Herrlichkeit erweise an Pharao, seinen Wagen und seinen Männern.
Da erhob sich der Engel Gottes, der vor dem Heer Israels herzog, und stellte sich hinter sie. Die Wolkensäule, die vor ihnen war, erhob sich und trat hinter sie, hinter das Volk Israel, und kam zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels. Dort war die Wolke finster, hier erleuchtete sie die Nacht. So kamen die Heere die ganze Nacht nicht näher.
Nochmals in Vers 24: „Als nun die Zeit der Morgenwache ankam, schaute der Herr auf das Heer der Ägypter aus der Feuersäule und der Wolke und brachte einen Schrecken über das Heer.“
Was auf der einen Seite für die Ägypter schrecklich blieb, war grauenvoll. Die Krieger Ägyptens sagten: „Was ist los? Da können wir nicht weitermachen.“ Sonst wäre es für sie ein Leichtes gewesen, mit ihren schnellen Wagen und ihrer Panzertruppe das lahme Volk Israel einzuholen. Doch sie wurden erschreckt.
Für Israel war das die Wolke, die Feuerzäule, die leuchtete, damit sie durch das geöffnete Meer ziehen konnten. Gott hatte schon einen Plan der Rettung bereit, als Israel noch nicht wusste, wie es gehen sollte. Die tröstliche Feuersäule wies den Weg, auch wenn es ein Umweg schien.
Persönliche Erfahrungen mit Gottes Führung und Schutz
Ach, jetzt müsste ich anfangen zu erzählen von dem vielen, was ich erlebt habe und was Menschen wie ein Umweg vorkam. Mein lieber Cousin Johannes ist mit sechzehnhalb Jahren in russische Gefangenschaft gekommen. Er kam viereinhalb Jahre später abgezehrt, aber mit strahlendem Gesicht heim.
Ich habe den Umweg gebraucht, damit Jesus mich finden konnte. Wenn ich als Gemeindepfarrer Menschen besuchte und sie sagten: „Kirche und Bibel, das bringt alles nichts“, konnte ich fragen: „Haben Sie nie Gott erlebt?“
Ha, doch, damals bei den Fliegerangriffen auf Stuttgart. Ein anderer sagte: „Doch, in der Kriegsgefangenschaft, als wir beinahe kaputt waren.“ Erstaunlich, wie der heilige Gott tröstlich und einladend wirkt dort, wo wir meinen, es seien Umwege, es seien nur Schrecken.
So wie er in Israel gehandelt hat, so bleibt unser Gott. Wie du warst vor aller Zeit, so bleibst du in Ewigkeit. Vielleicht das Bewegendste ist Helmut James Graf von Moltke, einer der Mitverschwörer vom 20. Juli 1944, und sein Abschiedsbrief vor der Hinrichtung an seine Frau Freya:
„Mein Liebes, was hat unser Gott getan?“ Bis hin zur Verhandlung vor dem Präsidenten Freisler, als er mich anschrie: „Wem gehorchen Sie? Von wem empfangen Sie Befehle? Von Ihrem Jesus oder von Adolf Hitler?“ Dass ich noch im Volksgerichtshof Zeugnis für Jesus ablegen konnte und nicht sterbe als Gutsbesitzer oder als Verschwörer, sondern als einer, der den Befehlen des Herrn Jesus folgt.
Ach, die tröstliche Feuersäule, dass so einem, der vor dem Tod stand, plötzlich bewusst wird: Mein Gott hat einen Weg für mich. Die Umwege – und plötzlich ist die gnädige Gegenwart Gottes spürbar.
Als in Uganda durch Idi Amin die ganze Riege der Bischöfe umgebracht wurde, an der Spitze der Erzbischof Luwum, und der spätere Bischof Festo Kivengere auf der Flucht war, trat eine einfache ugandische Frau zu ihm und sagte: „Diese ganze Not hat uns weitergebracht als hundert Jahre europäische Mission, als all das, was die Missionare getan haben.“ Gnädige Zeichen Gottes!
Ein Studienfreund von mir, der Rudolf Vögel, schon lange in der Ewigkeit, schwer krank, nach der ersten und zweiten Nierenoperation, schrieb mir: „Als ich in den OP hineingeschoben wurde, mit all dem Gestänge und den Lichtern, ist plötzlich so ein Gestänge in Kreuzesform aufgeleuchtet. Tröstliches Zeichen meines Herrn: Du gehörst mir, nicht den Ärzten, nicht der Operation, nicht deiner Schwäche.“
Tröstliche Zeichen unseres Gottes! So war es die Feuerzeichen, die sonst Schrecken auslösen müssten. Wenn es sich bei so allein vorkommenden Operationen zahlt und man plötzlich nur umgeben ist von diesen grün gekleideten Gestalten, kann Gott so seine Zeichen seiner Nähe schicken.
So war es bei Israel und so ist es wieder bei den Seinen. Halten wir unseren treuen Gott!
Gottes Gegenwart in der Stiftshütte und das Kreuz als Zeichen der Rettung
Das, was Rudolf Bögel erlebt hat, ist eng mit dem Zeichen unseres Herrn Jesus, dem Kreuz, verbunden. Dieses Zeichen ist vielleicht der wichtigste Hinweis. Ich lese Ihnen jetzt eine Stelle aus dem Zweiten Mose, Kapitel 40: Da bedeckte die Wolke die Stiftshütte, und die Herrlichkeit des Herrn erfüllte die Wohnung. Nicht einmal Mose konnte in die Stiftshütte hineingehen, weil die Wolke darauf ruhte und die Herrlichkeit des Herrn die Wolke erfüllte.
Gott wollte nicht nur vor seinem Volk herziehen, sondern bei seinem Volk präsent sein – mit seiner Herrlichkeit, mit dem Zeichen seiner Nähe. Wenn wir in unseren Kirchen und Gottesdiensträumen immer wieder das Zeichen des Kreuzes sehen, ist das keine inflationäre Verwendung eines Symbols. Es ist vielmehr die Erinnerung daran, dass die Heiligkeit Gottes dort auf dem Hügel Golgatha im Feuer gebrannt hat.
Der Prophet Jesaja musste ankündigen: „Ich will den Unrat meines Volkes wegnehmen im Feuer“ (Jesaja 4,4). Was Johannes der Täufer verkündete, war: „Der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.“ Damit war nicht ein tröstliches Feuerchen gemeint, sondern das Gerichtsfeuer, in das sich unser Herr Jesus hineinstellen ließ. Dort wurde alle Gemeinheit, aller Dreck, alle Lüge, alle Unvollkommenheit, aller Hass, alle Gottesverachtung und all unsere christliche Halbherzigkeit auf ihn gelegt.
„Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Die Schrecken Gottes umgaben ihn. Der heilige Gott hat all unsere Sünde getragen, so sah es schon Jesaja im Kapitel 53. Wenn wir das Kreuzeszeichen vor uns haben, sollten wir daran denken: Gott ist ein verzehrendes Feuer. Er sagt nicht einfach: „Na ja, ist alles okay, ich habe dich ja lieb.“ Nein, das Feuer hat gebrannt.
Der große Evangelist Samuel Keller, der zuerst in Südrussland auf der Krim wirkte, benutzte oft in seinen Evangelisationen das Bild eines plötzlich aufbrechenden Steppenbrands in der Ferne. Wie konnte man ihm entfliehen? Das Feuer fraß sich immer näher heran. Da nahm der Kutscher schnell sein Feuerzeug – damals gab es meist nur ein Feuerzeug – und zündete ein Feuer an. Er legte noch sein Jackett dazu und zog dann die Kutsche samt Pferden auf das Gelände, das schon vom Feuer verbrannt war.
Als die Feuerwalze kam, konnte sie nicht weiterfressen auf dem Gebiet, wo das Feuer bereits gewütet hatte. Dort war sicherer Boden. Samuel Keller benutzte dieses Bild immer und sagte: So dürfen wir uns zu Jesus, dem Gekreuzigten, flüchten. Denn dort hat das Feuer des heiligen Gottes schon gebrannt über aller Unvollkommenheit.
Jesaja 4 kündigt an, dass der Unrat seines Volkes durch Feuer weggebrennt wird. Wenn wir uns zu Jesus stellen, jedes Mal, wenn wir den Namen Jesus anrufen, sollte das nicht mehr ein bloßes „Hilf mir, Jesus! Denk an mich, Jesus! Tröste mich, Jesus!“ sein. Sondern: „Jesus, ich stelle mich zu dir mit all meiner Unvollkommenheit, mit meiner Sünde, mit den vielen Fehlern meines Lebens und bin froh, dass ich auf sicherem Grund stehe.“
Wenn Gott das verzehrende Feuer ist, dann wird es mich nicht mehr verzehren, sondern ich bin gerettet. Der Gott der Liebe wird im Kreuzesgeschehen erkennbar. Unser Herr geht mit uns.
Das wollte ich Ihnen heute einfach weitergeben, was mir durch diesen Impuls biblischer Lichtgeschichten groß geworden ist. Israel hat das mit der Feuersäule erfahren, und wir können es erfahren, wenn wir den Namen des Herrn anrufen – so wie es der Apostel Paulus immer wieder bezeugt hat in seinen Predigten. Er sagte: Unser Gott ist nicht zu spaßen, aber er hat uns eine Rettung geschaffen. Er hat Jesus, den Gekreuzigten, in seinem Blut hingestellt, damit ihr an ihn glaubt und in ihm Rettung erfahrt.
Schlussgebet und Lied
Jetzt darf ich mit Ihnen beten, lieber Heiland Jesus Christus. Danke, dass in dir wahr geworden ist, dass der heilige Gott seine Schrecken auf dich geladen hat. Diese Schrecken sind die, die wir eigentlich verdient haben – ach, was heißt eigentlich –, die wir in Wirklichkeit verdient haben. Und du willst uns den Trost erfahren lassen.
Du bist der, der uns erlöst. Du bist gekommen, nicht damit wir dir dienen, sondern damit du uns dienst. Du hast dein Leben für uns gegeben zur Erlösung, zur Befreiung, zum Heil. Danke dafür. Amen.
Jetzt würde ich gern mit Ihnen singen aus dem kleinen blauen Gesangbuch. Eine Strophe, Nummer 370, die passt jetzt an dieser Stelle, von Adolf Heller, die letzte Strophe:
Mögen auch die Welten fallen in das tiefste Zorngericht.
Einmal schenkt der Vater allen seinen Wesen Heil und Licht.
Doch wer seine Sohnes Sendung glaubend fasst und ihm sich weiht,
trägt als Erstling der Vollendung jetzt schon Gottes Herrlichkeit.