Leben wollen wir, liebe Freunde, endlich leben. Nur essen, arbeiten, schlafen ist der Rhythmus einer Ameise. Nur sitzen, stehen, liegen ist der Dreitakt eines Roboters. Nur geboren werden, getrieben werden, getötet werden, ist der Lebenslauf einer Milchkuh. Leben wollen wir, wirklich leben, endlich leben, ganz leben. Deshalb registrieren wir mit großer Aufmerksamkeit das breite Angebot einer Geschäftsstraße. Zuerst bleiben wir vor der Schaufensterfront eines Möbelhauses stehen. Wohnzimmer mit rustikal-farbigem Wandschrank, Polster-Eckgarnitur und dazu passender Stehuhr, Schlafzimmer mit beleuchtbarem Sprossenbett, Frisierkommode und Fernseh-Weckuhr-Kombination, Küchen mit allen erdenkbaren Schikanen: Kauft, so werdet ihr leben! Daneben ist ein Speiserestaurant: italienisches Essen mit Spaghetti, Tomatensauce und Chianti, französisches Essen mit Muscheln, Weinsauce und Burgunder, chinesisches Essen mit aller Japstik-Akrobatik: Esst, so werdet ihr leben! Ein Reisebüro schließt sich an: Seereisen mit Luxusliner, Einzelkabinen und Air-condition, Flugreisen mit Jumbo, 5-Sterne-Hotels und Lebensversicherung, Busreisen quer durch Europa: Reist, so werdet ihr leben! Und ein Bankhaus gehört auch in diese Reihe, das Aktien, Wertpapiere und Pfandbriefe anbietet: Spart, so werdet ihr leben.
Aber stimmt das? Mit schönen Möbeln haben wir mehr Spaß, aber auch mehr Leben? Mit gutem Essen haben wir mehr Genuss, aber auch mehr Leben? Mit weiten Reisen haben wir mehr Freude, aber auch mehr Leben? Mit viel Geld haben wir mehr Zinsen, aber auch mehr Leben? Wir meinen das zwar, wir gehen davon aus. Wir rechnen damit. Aber schlussendlich bleibt die bittere Erkenntnis, dass kein Angebot unseren Lebenshunger und Lebensdurst stillt.
Ein Geschäft jedoch haben wir leider übersehen. So jedenfalls sieht es der Prophet. Es ist kein großartiges Kaufhaus. Es ist auch kein großräumiges Geschäftshaus. Es ist erst recht kein großangelegter Supermarkt. Dieses Geschäft erinnert eher an einen Stall, in dem Ochs und Esel steht. Dieses Geschäft gleicht eher einer Absteige, in der die Logie billig ist. Dieses Geschäft ist wie das Hinterhaus einer Karawanserei. Aber in Wirklichkeit ist es das Ladengeschäft unseres Gottes. Er war sich nicht zu schade, auf die Geschäftsebene zu treten. Er war sich nicht zu gut, in den Konkurrenzkampf einzusteigen. Er war sich nicht zu fein, Anbieter zu spielen. Mitten drin im Getriebe und Gedränge wirbt einer für diesen Laden: Her, wer Hunger hat, hier gibt es nicht nur Brot, sondern erlesene Speisen. Her, wer Durst hat, hier gibt es nicht nur Wasser, sondern Wein. Her, wer Lebenshunger und Lebensdurst hat, hier gibt es nicht nur etwas Leben, sondern ganzes Leben, volles Leben, ewiges Leben, Leben in seiner ganzen Fülle. Hört, so werdet ihr leben! Vor Gottes Ladengeschäft hängt das Schild: Sonderangebot Leben. Vielleicht hören Sie diese Stimme, die im Stimmengewirr unserer geschäftigen Welt aufklingt.
Vielleicht lesen Sie diese Zeile, die nicht wie eine Schlagzeile in die Augen springt. Vielleicht bleiben Sie einen Augenblick stehen, um nach all den enttäuschenden Erfahrungen mit vielerlei Lebensangeboten dieses Sonderangebot zu bedenken. Jesaja sagt: Kommen Sie näher! Treten Sie ein! Nehmen Sie Platz! Ich will mit Ihnen über dieses Leben reden. In diesem Kundengespräch erfahren wir ein Dreifaches.
1. Das Sonderangebot gibt es zu einem Sonderpreis
Unsere erste Frage lautet immer: Was kost's? Was muss ich ausgeben? Was muss ich dafür auf den Tisch legen? Alles hat doch seinen Preis. Um nichts bekommt man nichts. Qualität will bezahlt sein. Das ist bei den Kleidern so. Wenn ich eine einfache Jacke im Sommerlook bekommen will, ist mit einigen Mark schon etwas zu machen. Nur darf ich damit nicht in den Regen kommen. Wer einen strapazierfähigen Stoff bevorzugt, muss dafür einiges springen lassen. Qualität ist nicht billig. Das ist auch bei den Autos so. Ein einfaches Auto im Gebrauchtwagenmarkt ist schon für wenige Scheine zu erwerben. Nur darf ich damit nicht fahren wollen. Wer einen funktionstüchtigen Wagen braucht, muss einige Tausender beim Händler lassen. Qualität ist teuer, auch Lebensqualität. Ein einfaches Leben in den Slums von Recife oder in den Favelas von Rio ist schon mit wenigen Peseten zu bestreiten. Nur darf ich mich an Läusen und Flöhen und Kakerlaken nicht stören. Wer ein reiches Leben an der Côte d’Azur mit Traumvilla und Jachthafen verbringen will, muss gut geerbt oder gut geheiratet haben. Wenn aber ein reiches Leben schon fast unbezahlbar geworden ist, wieviel kostet dann dieses ewige Leben?
Der Mann sagt: nichts. Das Leben, das ich anbiete, ist umsonst. Das Leben, das ich empfehle, ist gratis. Das Leben, das ich weitergebe, ist ohne einen roten Pfennig zu bekommen. Ewiges Leben gibt es zum Null-Preis. Ist uns das Revolutionäre dieses Sonderangebots überhaupt noch klar? Baal will, dass Pflanzen verräuchert und Tiere verbrannt werden. Zeus will, dass Tempel besucht und Kerzen angezündet werden. Buddha will, dass Meditationen abgehalten und Versenkungen geübt werden. Allah will, dass Suren gelernt und Gebete verrichtet werden. Alle Götter wollen, nur Gott will, dass wir sein Leben umsonst wollen. Jesus hat dies immer wieder unterstrichen. Den Jüngern machte er es klar: Umsonst habt ihr es empfangen. Den Festpilgern machte er dies Angebot: Wer da dürstet, der komme und trinke. Den Lebensdurstigen aller Schattierungen machte er den Mund wässrig: Ich will den Durstigen geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst. Es gehört geradezu zum Wesen dieses Lebens aus Gott, dass es nicht mit unseren Mitteln erworben werden kann. Unsere Währungen, ob DM oder Dollars oder Franc oder Lire gelten im Himmel nichts. Selbst die Goldwährung ist bei ihm nur Spielgeld. Er gewährt es umsonst. Er verschenkt es freigebig. Ewiges Leben zum Nulltarif!
Warum greifen wir nicht zu? Warum zögern wir immer wieder? Warum sind wir an dieser Stelle so zurückhaltend? Vielleicht macht uns eine alte Erfahrung zu schaffen: Ramsch wird verschleudert. Schund wird verschenkt. Billigware wird ohne Geld unter die Leute geworfen. Wir brauchen aber nicht Viert- und Fünftrangiges, weil wir schon Zweit- und Drittklassiges genug haben. Unser Gesprächspartner jedoch kennt diesen Einwand. Deshalb argumentiert er in diesem Kundengespräch mit dem Zweiten:
2. Das Sonderangebot gibt es durch eine Sonderaktion
Von Ramsch kann nicht die Rede sein. Gott hat nicht den Himmel entrümpelt und seine Staubfänger auf den Flohmarkt gekarrt. Er ist kein windiger Marktschreier. Von Schund kann keine Rede sein. Gott hat nicht Vergilbtes ausgegraben und in der Fußgängerzone feilgeboten. Er ist kein undurchsichtiger Straßenverteiler. Und von Billigware kann gar keine Rede sein. Gott hat kein "U" eröffnet und einen Ausverkauf veranstaltet. Er ist kein billiger Jakob. Ganzes Leben, in dem ich mich ganz einbringen kann und das mich ganz befriedigt, ist teuer, sehr teuer sogar. Der Wert des vollen Lebens, das voll von Liebe, Sinnerfüllung und Angstfreiheit ist, ist außerordentlich hoch. Ohne Gegenleistung kann ewiges Leben, das keine Beschränkung durch den Tod kennt, nicht abgegeben werden. Einer muss bezahlen. Einer muss dafür geradestehen. Einer muss ganz tief in die Tasche greifen und die Sache begleichen. Und eben das hat Gott selber getan. Er machte seine Hände ganz weit auf. Von allem Anfang an kam er über das Geben überhaupt nicht hinaus. Gott gab ein Paradies, in dem Schöpfer und Geschöpf nebeneinander und miteinander in Frieden leben konnten. Aber weil der Mensch diesen Frieden aufkündigte, gab er mehr. Gott gab ein Land, in dem Milch und Honig fließt und freies Leben möglich war. Aber weil sein Volk unter den Feinden stöhnte, gab er mehr. Gott gab einen Bund, in dem er die beständigen Gnaden Davids, das heißt, seine Treue und seinen Schutz und sein Nahesein wahr machte. Aber weil seine Leute immer noch unter der Schuldverfallenheit und Todesverlassenheit schmachteten, gab er sein Letztes. Gott gab seinen Sohn. Ich vergesse nicht jene Frau, die ich vor vielen Jahren besuchte; zusammengefallen war sie, niedergedrückt und voll von Weh. Als ich sie nach dem Grund ihres Schmerzes fragte, zeigte sie mit müder Hand zum Buffet, auf dem das eingerahmte Bild eines jungen Mannes stand. Die Unterschrift war gut zu lesen: Gefallen in Stalingrad. Und dann sagte sie leise: Es war mein Einziger. Einzige Söhne hergeben müssen ist unendlich schwer. Und das hat Gott auf sich genommen. Jesus, der Davidssohn und Davidsherr, war sein einziger Sohn. In einer Sonderaktion für das Leben gab er sein Lehen zur Bezahlung für viele. Seit Golgatha ist die Rechnung bezahlt. Mit dem Längsstrich und Querstrich eines Kreuzes ist der Preis durchgestrichen. Wegen seinem Tod ist unser Leben gratis. Leben muss nicht mehr der Wettlauf zwischen Geldverdienen und Geldverschwenden sein, wie Paul Hörbiger meinte, Leben muss nicht mehr der Einkauf zwischen Warenregalen und Ladentischen sein, wie viele meinen. Leben kann zum Geschenk werden, das einem umsonst in die Hände kommt. Ein Denker hat einmal gesagt: "Fürchte dich nicht, dass das Leben einmal enden wird; fürchte dich aber davor, dass das Leben nie beginnen könnte." Heute kann es beginnen, wenn ich betend meine Hände öffne und sage: Herr, ich habe so viel gekauft, aber genug habe ich nicht bekommen. Herr, ich habe so viel gesehen, aber befriedigt hat mich das alles nicht. Herr, ich habe so viel erlebt, aber das Verlangen ist geblieben. Gib du mir das, was meinen Hunger und Durst für immer stillt. Und der weggebende und sich dahingebende Jesus sagt: Selig sind, glücklich sind, ja glückselig sind, die da hungert und dürstet, denn sie sollen satt werden. Sonderangebot Leben! Der Prophet fügt in seinem Kundengespräch ein Letztes an.
3. Das Sonderangebot gibt es für eine Sonderaufgabe
"Siehe, du wirst Heiden rufen, die du nicht kennst." Wer gut eingekauft hat, wird es nicht verschweigen. Wer freundlich bedient worden ist, der wird es nicht für sich behalten. Wer voll auf die Rechnung kam, der wird andere darauf hinweisen. Andere sollen das auch wissen. Andere sollen davon auch profitieren. Andere sollen damit auch glücklich werden. Das Weitersagen wird geradezu zur Sonderaufgabe der Beschenkten. Und das ist bei Gottes Ladengeschäft nicht anders. Wer dem guten Herrn begegnet ist, der wird es nicht verschweigen. Wer von diesem freundlichen Herrn bedient worden ist, der wird es nicht für sich behalten. Wer voll zum Leben kam, der wird andere darauf hinweisen. Andere sollen das auch wissen. Auch andere sollen davon profitieren. Andere sollen auch glücklich leben. Das Weitersagen ist die Sonderaufgabe der Christen. Sicher haben sie auch andere Aufgaben. Der heutige Tag der Diakonie erinnert daran, wie groß der Aufgabenkatalog seiner Gemeinde ist. Kranke wollen gepflegt sein, Alte wollen versorgt sein, Behinderte wollen unterstützt sein. Alkoholiker brauchen Heilstätten, Drogenabhängige brauchen Release, Wohnsitzlose brauchen Kolonien. Ratlose suchen Beratung, Angeschlagene suchen Behandlung, Waisen suchen Heimat, Aufgaben in Hülle und Fülle, aber die Sonderaufgabe bleibt das Weitersagen. Ein Amos hat das getan. Er stellte sich vor den Laden und rief: "Sucht hier, so werdet ihr leben!" Ein Hesekiel hat das getan. Er mischte sich unter die Leute und warb: "Kommt, ihr sollt das Leben haben." Ein Johannes hat das getan. Er streckte seinen Zeigefinger aus: "Wer Jesus hat, der hat das Leben." Viele haben das getan. Viele tun es. Und siehe, sagt der Prophet, auch du wirst es tun. Kein Wort von "du darfst, du sollst, du musst". Nur: "Du wirst es tun." Es gibt gar keine andere Möglichkeit. Dein Kind kann ohne diesen Herrn nicht glücklich leben. Dein Vater kann ohne diesen Herrn nicht selig sterben. Dein Nachbar kann ohne diesen Herrn nicht dankbar werden. Dein Kollege kann ohne diesen Herrn seine Belastungen nicht mehr tragen. Niemand kann ohne diesen Herrn zum Leben kommen. Deshalb wirst du andere rufen: Her, wer Hunger hat, hier gibt es nicht nur Brot, sondern erlesene Speise. Her, wer Durst hat, hier gibt es nicht nur Wasser, sondern Wein. Her, wer Lebenshunger und Lebensdurst hat, hier gibt es nicht nur etwas Leben, sondern ganzes Leben, volles Leben, ewiges Leben. Kommt her!
Amen