Einführung in das Thema und persönliche Haltung zur Bibelauslegung
Der Genozid an den Kanaanitern – fünf Perspektiven aus der Theologie, die dich im Glauben wachsen lassen, Nachfolge praktisch: dein geistlicher Impuls für diesen Teil.
Mein Name ist Jürgen Fischer, und heute geht es um Eigenwilligkeit und Heiligung. Hinter uns liegen vier Episoden, die in einer Zeit, in der Gottes Liebe oft inflationär betont wird, vielleicht nicht ganz so leicht zu verdauen waren.
Deshalb möchte ich meine Zuhörer an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es mir natürlich nicht darum geht, dass jemand dem glaubt, was ich sage, nur weil ich es sage. Es gibt schon genug Christen, die sich theologisch hinter großen Namen verstecken, anstatt sich Vers für Vers, Thema für Thema eigene Überzeugungen zu erarbeiten.
Genau das ist aber wichtig: dass wir eigene Überzeugungen besitzen. Und zwar auf eine Weise, dass diese sich noch ändern können, wenn wir merken, dass ... ja, was denn? Was muss passieren, damit ich eine geistliche Überzeugung über Bord werfe, dass ich sie verändere?
Es darf nicht der Zeitgeist sein, nicht der letzte religiöse Hype oder ein neuer Prediger, der mich in seinen Bann zieht. Aber meine geistlichen Überzeugungen müssen sich ändern, wenn ich auf Bibelstellen stoße, die ihnen widersprechen.
Wir müssen uns als Christen tatsächlich auf eine Reise machen – auf eine Reise durch die Bibel. Ein Leben lang sollen wir die Bibel lesen, über sie nachdenken und dadurch ein immer feineres, biblischeres Denken entwickeln. Und...
Geistliche Reife als lebenslanger Prozess
In diesem Zusammenhang möchte ich als praktischer Theologe darauf hinweisen, dass der Prozess des geistlich-intellektuellen Reifens nicht nur ein Leben lang andauern sollte. Er muss sich vor allem auf die Bereiche Weisheit, Gotteserkenntnis und Christusebenbildlichkeit erstrecken. Denn genau diese Bereiche sind es, auf die es im Leben wirklich ankommt.
Gönnt euch deshalb Zeit zum Nachdenken! Dabei geht es nicht nur darum, eine eigene Meinung zu haben – darin ist der moderne Christ oft sehr stark. Vielmehr solltet ihr euch biblisch fundierte Überzeugungen aneignen.
Bitte plappert nicht einfach die Standardantworten nach, sondern denkt selbst nach. Ich bin überzeugt, dass dieses eigenständige Denken in den kommenden Jahrzehnten noch wichtiger wird.
Erste Schlussgedanken: Nicht jeder Kriegshandlung entspricht Gottes Willen
Aber zurück zum Thema des Genozids an den Kanaanitern. Heute drei kurze, abschließende Gedanken.
Erstens: Nicht jeder kriegerische Akt in der Bibel, der von vermeintlichen Gotteskriegern ausgeführt wird, geschieht im Willen Gottes.
Wenn König Saul die Einwohner von Gibeon tötet, ist das ein gutes Beispiel für Eigenmächtigkeit, aber nicht für die Erfüllung von Gottes Willen. Dabei handelt es sich bei den Gibeonitern ganz klar um Kanaaniter.
Wer mehr wissen möchte, kann über die List der Gibeoniter in Josua 9 und in 2. Samuel 21, Verse 1-14 lesen. Dort wird von einer dreijährigen Hungersnot berichtet, mit der Gott Israel bestraft, weil Saul die Gibeoniter umgebracht hat.
Also: Erster Punkt – nicht jeder kriegerische Akt in der Bibel, der von einem vermeintlichen Gotteskrieger ausgeführt wird, geschieht im Willen Gottes.
Zweite Schlussgedanken: Gottes Nutzung von Völkern zur Züchtigung und die Grenzen menschlicher Hochmut
Zweitens: Wenn Gott ein Volk benutzt, um Rache zu üben, dann ist das alles andere als ein Freibrief zum Drauflos-Sündigen.
Ein Beispiel sind die Assyrer. Die Assyrer sind Gottes Mittel, um das Nordreich Israels zu züchtigen. Doch bei Jesaja lesen wir, dass sie dies aus einer hochmütigen Haltung heraus tun. In Jesaja 10, Verse 5-8 heißt es: „Wehe Assur, Rute meines Zorns und der Stock meines Zorns, in ihrer Hand ist er. Gegen eine gottlose Nation sende ich ihn, und gegen das Volk meines Grimes entbiete ich ihn, Raub zu rauben und Beute zu erbeuten und es zertreten zu lassen wie Straßenkot. Er aber meint es nicht so, und sein Herz denkt nicht so, sondern zu verheeren hat er im Sinn und nicht wenige Nationen auszurotten. Denn er sagt: Sind meine Obersten nicht allesamt Könige?“
Es ist genau dieser Hochmut, dieses Denken – „Ich werde viele Nationen ausrotten, sind bei mir nicht alle Obersten Könige? Ich will rauben und Beute erbeuten.“ Dieser Hochmut bleibt Gott nicht verborgen.
Dann heißt es in Jesaja 10, Vers 12: „Aber es wird geschehen, wenn der Herr sein ganzes Werk am Berg Zion und an Jerusalem vollendet hat, wird er die Frucht des überheblichen Herzens des Königs von Assur heimsuchen und den hochmütigen Stolz seiner Augen.“
Merke: Erst benutzt Gott die Assyrer, und dann erleben sie selbst Gottes Heimsuchung. Hundertfünfundachtzigtausend Soldaten sterben durch die Hand eines Engels in einer Nacht. Damit ist diese hochmütige eigene Idee vom Beutemachen, Rauben und vom Ausrotten nicht weniger Nationen erst einmal dahin.
Was man an den Assyrern zeigen kann, lässt sich auch auf die Babylonier – auch Chaldäer genannt – übertragen. Sie führen das Südreich in die babylonische Gefangenschaft, doch es fehlt ihnen an Mitleid. So heißt es in Jesaja 47,6: „Ich war erzürnt über mein Volk, ich entweihte mein Erbteil, und ich gab sie in deine Hand.“ Hier sind die Babylonier gemeint. „Du hast ihnen kein Erbarmen erwiesen, auf den Greis legtest du schwer dein Joch.“
Das ist der Vorwurf an die Babylonier. Dieser Mangel an Barmherzigkeit, zusammen mit einigen anderen Sünden, sorgt dafür, dass Gott auch ihnen den Untergang verheißt.
Ein zweiter Punkt ist also: Wenn Gott ein Volk benutzt, um Rache zu üben, dann ist das alles andere als ein Freibrief zum Drauflos-Sündigen.
Dritte Schlussgedanken: Die Radikalität von Gottes Heiligkeit als Vorbild im geistlichen Kampf
Und ein letzter, dritter Punkt für heute – damit auch der Abschluss für diese Woche: Gottes Umgang mit den Kanaanitern offenbart nicht nur seine Heiligkeit, sondern sein radikales Nein zu ihrer Sünde soll für uns im geistlichen Kampf ein Vorbild und eine Warnung sein.
Wenn das Alte Testament eine Illustration für uns ist – und das behaupten viele, ich ja auch – dann zeigt Gottes Umgang mit den Kanaanitern die Radikalität, mit der „ich jede Form von Götzendienst meiden muss“. Mein Leben darf sich einfach nicht um falsche Götzen drehen.
Natürlich reden wir heute nicht mehr vom Moloch oder der Astarte, sondern von modernen Götzen wie Selbstoptimierung, Wohlstand, Genuss, Bildung, Spiritualität oder Gesundheit. Es ist ganz leicht, diese Dinge zum Zentrum meines Lebens zu machen und ihnen mein Leben zu widmen.
Aber – und jetzt kommt die Ausrottung von Götzendienst im Alten Testament als Bild – sie macht deutlich, wie ernst es Gott ist, wenn er uns durch Paulus auffordert: „Darum, meine Geliebten, flieht den Götzendienst“ (1. Korinther 10,14).
Wenn wir uns fragen, worauf sich das „darum“ bezieht, finden wir im Abschnitt davor einen Vergleich. Das Israel des Alten Testaments wird mit dem Israel des Neuen Bundes, der Gemeinde, verglichen. Und wir können von ihnen lernen.
„Alles dies aber widerfuhr jenen als Vorbild und ist geschrieben worden zur Ermahnung für uns, über die das Ende der Zeitalter gekommen ist“ (1. Korinther 10,11).
Was sollen wir lernen? Worin ist Israel für uns ein Vorbild? Die eine Lektion, die ich mir aus dem Genozid an den Kanaanitern mitnehme, ist die: Ich will radikal sein, wenn es darum geht, jede Form von falscher Anbetung aus meinem Leben hinauszuwerfen.
Praktische Anregung und Abschlussworte
Was könntest du jetzt tun?
Lies dir die Skripte zu den Episoden durch. Schreibe dir drei wichtige Einsichten auf einen kleinen Zettel und klebe diesen an deinen Zahnputzbecher.
Das war's für heute. Wenn du noch nicht in den Podcast von Benjamin Lange hineingehört hast, gönne dir doch am Wochenende eine Lektion davon.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.