Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode 102: Wenn du wüsstest
Begegnung an der Quelle: Ein ungewöhnliches Gespräch
Machen wir dort weiter, wo wir gestern aufgehört haben: Johannes Kapitel 4, die Verse 7 und 8.
Da kommt eine Frau aus Samaria, um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht sie an: "Gib mir zu trinken." Seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um Speise zu kaufen.
Für uns klingt das Ganze vielleicht gar nicht so merkwürdig. Die Jünger sind in der Stadt, um etwas zu essen zu kaufen. Jesus sitzt an der Quelle, ist erschöpft und wartet. Eine Frau kommt, und er spricht sie an: "Gib mir zu trinken."
Doch hier geschieht etwas, das eigentlich nicht sein sollte – und zwar in mehrfacher Hinsicht. Männer sprachen nicht einfach Frauen an, und Juden baten schon gar nicht eine samaritische Frau um einen Gefallen. Samariter und Juden – das war, wie wir gestern gesehen haben, so eine Sache. Sie hatten einen ähnlichen Glauben, aber nichts füreinander übrig.
Die Spannungen zwischen Juden und Samaritern
Ein zentraler Streitpunkt war die Frage, wo man anbeten soll. Für die Juden war klar, dass dies in Jerusalem geschehen muss. Für die Samariter hingegen war der Berg Garizim der richtige Ort. Dieser Berg wird im Buch Deuteronomium erwähnt und gilt als der Ort, von dem aus das Volk Israel nach der Einnahme Kanaans gesegnet werden sollte.
In 5. Mose 27,11-12 heißt es: Mose befahl dem Volk an jenem Tag und sagte, dass, wenn sie über den Jordan gezogen seien, bestimmte Stämme auf dem Berg Garizim stehen sollten, um das Volk zu segnen. Diese Stämme waren Simeon, Levi, Juda, Issachar, Joseph und Benjamin.
Der Berg Garizim wird somit als der Berg des Segens bezeichnet. Aus diesem Grund errichteten die Samariter dort ihr eigenes Heiligtum. Dieses Heiligtum wurde jedoch bereits im zweiten Jahrhundert vor Christus, also deutlich vor der Zeit Jesu, von den Juden zerstört.
Juden und Samariter werfen sich gegenseitig vor, vom wahren jüdischen Weg abgekommen zu sein. Sie können nicht miteinander auskommen, obwohl sie denselben Gott anbeten. Beide Gruppen erwarten zudem einen Messias.
Unterschiedliche Erwartungen an den Messias
Dabei muss man jedoch sagen, dass die Juden mehr den König aus dem Geschlecht Davids im Blick haben. Die Samariter hingegen erwarten den Propheten aus 5. Mose 18, einen Wiederhersteller, aramäisch „Taheb“, der sie alles lehren und die religiösen Zustände des alten Israel wiederherstellen würde.
Jetzt kommt Jesus, Jude und Mann, und spricht in Samaria eine samaritische Frau an. Diese ist natürlich überrascht. In Johannes 4,9 sagt die samaritische Frau zu ihm: „Wie bittest du, der du ein Jude bist, von mir zu trinken, die ich eine samaritische Frau bin?“ Denn die Juden verkehren nicht mit den Samaritern. Sehr sachlich formuliert von Johannes.
Jesus überschreitet gesellschaftliche Grenzen
Was tust du? Das ist die Frage, die die Frau stellt. Was tust du?
In den Augen der Frau ist Jesus jemand, der völlig aus dem Rahmen fällt. Er ist ein jüdischer Mann, der a) überhaupt mit einer Frau spricht, b) noch dazu mit einer Samariterin und c) vielleicht bereit ist, etwas zu trinken, das vorher von ihr beziehungsweise ihrem Schöpfgefäß berührt wurde. Für einen normalen jüdischen Mann wäre so etwas nie in Frage gekommen. Für Jesus aber eben schon.
Für ihn gelten die normalen Grenzen, mit wem man reden darf und mit wem nicht, nicht. Diese Grenzen galten für ihn nicht.
Aber: Sind Samariter nicht halbe Heiden? Ist es nicht so, dass sie erwarten, dass ihr Taheb, ihr Messias, aus dem Stamm Josef kommt? Ja, das stimmt. Ihre Theologie ist nicht ganz sauber.
Aber ist es nicht großartig, dass Jesus ein Herz für Leute hat, die nicht alles ganz richtig verstehen? Wenn ich überlege, was ich verstanden habe, als ich mich bekehrte – ganz ehrlich – da wusste ich weniger als die Samariter. Ich hatte bei meiner Bekehrung ganz viel noch nicht verstanden. Und das war für Gott kein Problem.
Jesus nutzt seinen Durst als Brücke zum Gespräch
Jesus hat Durst und bittet diese Frau um Hilfe.
Dort, wo Menschen andere ablehnen, ihnen aus dem Weg gehen oder sie – wie im Fall der samaritischen Frau – sogar für unrein halten, nutzt Jesus seinen Durst und den Moment für ein Gespräch.
Die Tatsache, dass er sie um einen Gefallen bittet, ist nicht nur überraschend, sondern auch vertrauensbildend. Wer möchte, dass jemand ihn mag, kann ihn um einen Gefallen bitten. Das ist Psychologie.
Was Jesus hier tut, ist unglaublich klug. Er verwendet sein Bedürfnis, seinen Durst, um eine Beziehung aufzubauen. Und was bei der samaritischen Frau funktioniert, könnte vielleicht auch bei unseren Nachbarn gelingen.
Ein Vorbild für evangelistisches Gespräch
Ich habe manchmal den Eindruck, dass Christen meinen, sie müssten immer die Überflieger sein – diejenigen, die alle Antworten haben und niemanden brauchen, weil sie ja Gott haben. Man kann das so schön fromm formulieren.
Jesus ist für mich hier ein Vorbild, wenn es darum geht, wie man ein evangelistisches Gespräch beginnen kann. Ich habe ein Problem und vielleicht kann mir mein Nachbar helfen. Also frage ich ihn mal.
Einwand: Jürgen, ich traue mich vielleicht noch, meine Nachbarin zu fragen, ob sie eine Idee hat, wie ich meine Kornmühle eingestellt bekomme oder den Kulifleck aus dem Pulli. Aber dann, da weiß ich einfach nicht mehr weiter.
Das Angebot des lebendigen Wassers
Okay, ist dir mal aufgefallen, was Jesus jetzt tut? Vers 10 ist in seiner Einfachheit für mich immer wieder beeindruckend. Ich wünsche mir, wir könnten öfter genau so auftreten.
Hier Johannes 4,10: Jesus antwortete und sprach zu ihr: „Wenn du die Gabe Gottes kennst und wüsstest, wer es ist, der mit dir spricht, gib mir zu trinken, so hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben.“
Hier spricht Jesus als Messias. Zugegebenermaßen können wir nicht ganz so auftreten. Aber die Idee hinter dem Satz ist doch folgende: Wenn du wüsstest, was Gott für dich hat und wie Gott dein Leben verändern kann, dann würdest du mich bitten, dass ich dir alles erzähle.
Die Sehnsucht des Messias nach Segen für alle Menschen
Merkst du, wie in dem Satz ganz einfach nur der Wunsch mitschwingt, dass ein anderer Mensch von Gott gesegnet wird? Genau das ist die Sehnsucht des Messias.
Weit davon entfernt, einen Menschen abzulehnen – egal ob Mann, Frau, Jude, Samariterin oder sonst wen – trägt Gott in sich den Wunsch, Menschen zu segnen. Wenn du die Gabe Gottes kennst, wenn du wüsstest, was Gott für dich hat, das wäre so wunderbar!
Vielleicht müssen wir uns öfter trauen, genau so aufzutreten. Natürlich setzt das voraus, dass wir selbst von diesem lebendigen Wasser getrunken haben, dass unser Durst nach Leben, Sinn und Hoffnung wirklich gestillt wurde. Nur dann erleben wir uns als die außergewöhnlich Beschenkten, die ihr Glück ein ganzes Stück weit nicht fassen können.
Zeugnis aus echter Herzensbeziehung
Aber dort, wo unser Leben mit Gott nicht nur ein Ausdruck von Religiosität ist, sondern eine echte Herzensbeziehung darstellt, dürfen wir auch so auftreten, wie Jesus es tut.
Wir können anderen Menschen genau dadurch zum Zeugnis werden, dass wir ihnen ganz einfach sagen: „Wenn du wüsstest, was Gott für dich hat.“
Einladung zur Selbstreflexion und Abschluss
Was könntest du jetzt tun? Du könntest dir überlegen, ob du dich als von Gott überreich beschenkt oder als einen Gesegneten wahrnimmst.
Das war's für heute.
Ein Tipp: In der App findest du den Jüngerschaftskurs Vollgas.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.