Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
es dröhnen und donnern die schweren Schlitten. Witternd ziehen sie durch den grünen Wald.
Ganz unscheinbar, auf der Fahrbahnmitte, liegt flachgewalzt der Osterhase.
Zweifel an der eigenen Standhaftigkeit
Liebe Freunde, das habt ihr wirklich schön gesungen, das klingt gut: „Ich stehe jetzt auf Jesus, mich wirft nichts mehr um.“ Das klingt wirklich gut. Die Frage ist nur, ob es auch wirklich wahr ist. Habt ihr wirklich alle so einen festen Standpunkt?
Ich sage, niemand kann das für sich garantieren. Du sagst zum Beispiel: „Ich werde niemals einen Menschen töten.“ Das sagst du jetzt. Deine Väter haben das auch gesagt, in den friedlichen Zeiten vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Aber irgendjemand muss ja die vielen Millionen Menschen getötet haben, die dann umgekommen sind. Das können ja nicht nur eine Handvoll Kriegsverbrecher gewesen sein. Es waren Millionen von Bürgern in Uniform, die das getan haben. Die Frauen haben zu Hause die Granaten gedreht, die Männer haben sie draußen an der Front verschossen.
Und alle, die vor den Kriegen im Sonntagsstaat in der Kirche gesessen haben, haben gesagt: „Ich werde niemals einen Menschen töten.“ Und damals war das sogar ihre ehrliche Überzeugung.
Ich habe einmal ein Schauspiel von Bertolt Brecht gesehen, „Mann ist Mann“. Dort wird gezeigt, was mit einem Mann passiert, wenn man ihn in eine Uniform steckt. Er kennt seine Frau nicht mehr, er kennt sich selbst nicht mehr, man erkennt ihn einfach nicht wieder. Als sie damals die Uniform anhatten, den Schießbefehl hatten und Angst um ihr eigenes Leben hatten, haben sie das Leben anderer vernichtet.
Du bist ein junger Mann und sagst jetzt: „Ich werde nie einen Menschen umbringen.“ Du bist ein junges Mädchen und sagst heute: „Ich werde nie ein Kind abtreiben.“ Du bist ein überzeugter Christ und sagst: „Ich werde nie aus der Kirche austreten.“ Schön, ich wünsche dir, dass du dabei bleibst. Ich wünsche dir, dass du bei der Lehre von Jesus bleibst, egal was kommt.
Aber ich sage dir: Es kann auch ganz anders kommen. Du kannst in Situationen geraten, in denen dir die Angst den Hals zuschnürt – die Angst um deinen guten Ruf, um deinen Beruf, die Angst um dein Leben. Und dann machst du genau das, was du vorher nie für möglich gehalten hättest. Du gibst alles zu oder du leugnest alles ab – je nachdem, wie es gerade gewünscht wird.
Du kannst nicht für dich selbst garantieren, und schon gar nicht für den anderen. Den anderen kennst du ja gar nicht. Und dich selbst kennst du auch nicht. Solange du nicht auf dem Prüfstand gestanden hast, weißt du überhaupt nicht, was alles in dir steckt.
Petrus als Beispiel menschlicher Schwäche
Einer, der meinte, er könne für sich garantieren, war Petrus. Er gehörte zu den engsten Freunden von Jesus und hat drei Jahre mit ihm zusammengelebt – von früh bis abends, Tag und Nacht. Drei Jahre lang hat er mit Jesus gesprochen, von ihm gelernt und ihn gesehen. Für Petrus wurde Jesus zum Lebensinhalt.
Eines Tages sagte Jesus zu seinen Freunden: „Morgen muss ich sterben, sie werden mich kreuzigen, und ihr werdet heute Nacht alle an mir irre werden.“ Daraufhin widersprach Petrus ihm: „Selbst wenn alle anderen an dir irre werden, ich bestimmt nicht.“ Jesus antwortete: „Täusche dich nicht. Bevor der Hahn heute Nacht kräht, wirst du dreimal behaupten, dass du mich nicht kennst.“ Petrus entgegnete: „Das werde ich niemals tun, und wenn ich mit dir zusammen sterben müsste.“
Eine halbe Stunde später stellte sich heraus, dass Petrus nicht einmal in der Lage war, mit Jesus zu beten. Die Sonne ging unter, und Jesus ging mit seinen Jüngern hinaus auf den Ölberg, in den Garten Gethsemane. Dort war es dunkel und still. Dort wollte Jesus sich auf den Tod vorbereiten, denn er wusste, dass er sterben musste.
Niemand möchte gerne sterben – besonders nicht mit 33 Jahren und erst recht nicht diesen Tod am Kreuz. Jesus wollte nicht sterben und auch nicht diesen Tod.
Der Kampf Jesu in Gethsemane
In Gethsemane kämpft Jesus den härtesten Kampf seines Lebens. Er ringt darum, seinen eigenen Willen dem Willen Gottes unterzuordnen. So ist es der Wille Gottes: Er soll die Sündenlast der ganzen Menschheit auf sich nehmen und ans Kreuz tragen.
Dafür hatte er Angst – Todesangst. Es heißt hier, dass er am ganzen Leib zu zittern begann. Sein Schweiß tropfte sogar wie Blut; er hat vor Angst geblutet. Noch nie haben die Jünger ihn so gesehen. Bisher kannten sie ihn als den großen Wundertäter, der die Kranken gesund gemacht hat, der zu den Massen gepredigt hat, der dem Sturm geboten hat und vor dem die Teufel gezittert haben. Und jetzt zittert er selbst.
Jetzt braucht er einen Tröster, jetzt braucht er seine Freunde. Sie können ihm zwar nicht helfen, sie können ja noch nicht einmal begreifen, was eigentlich vorgeht. Aber eines können sie: Sie können wenigstens bei ihm bleiben. Jesus sagt zu ihnen: „Bleibt ihr hier bei mir, wacht mit mir!“ Dann geht er noch ein paar Schritte weiter, legt sich auf die Erde, kniet sich hin und betet zu Gott.
Er sagt: „Mein Vater, wenn es möglich ist, lass diesen Leidenskelch an mir vorübergehen. Aber es soll geschehen, was du willst, nicht was ich will.“ Als er nach diesem Gebet zu den Jüngern zurückkommt, da schlafen sie. Jesus kämpft mit Gott um sein Leben, und seine Jünger kämpfen um den Schlaf.
Auch Petrus, der noch vor einer halben Stunde große Reden geführt hat, dass er mit Jesus sterben will, kommt nicht gegen die Müdigkeit an. Auch er schläft. Da sagt Jesus zu Petrus: „Könnt ihr denn nicht einmal eine einzige Stunde mit mir wach bleiben? Bleibt wach und betet, damit ihr in der kommenden Prüfung nicht versagt. Bleibt wach und betet.“
Es ist eine einfache Bitte, das ist wirklich nicht zu viel verlangt. Für Petrus war es zu viel, ihm fielen die Augen zu. Und als Jesus dann noch zweimal zu Gott das gleiche Gebet spricht – „Mein Gott, lass diesen Leidenskelch an mir vorübergehen, aber nicht mein, sondern dein Wille geschehe“ – kommt er jedes Mal zu den Jüngern zurück und findet sie schlafend.
Es gibt eben Situationen, in denen man absolut einsam und allein ist. So eine Situation muss Jesus jetzt hier erleben. Wir alle werden so eine Situation erleben, mindestens spätestens dann, wenn wir sterben. In den Todeskampf marschiert jeder für sich allein. Da verlässt dich nicht nur deine Kraft und deine Gesundheit. Da verlässt sich dein Arzt, deine Frau, deine Krankenschwester. Da bist nur du noch übrig – du allein.
Aber auch vor deiner Sterbestunde wirst du Stunden in deinem Leben haben, in denen du ganz allein dastehst. In denen dir keiner raten kann, in denen dir keiner helfen kann. In denen du eine Entscheidung ganz allein fällen musst, in denen du einen Schritt ganz allein tun musst – zum Beispiel den Schritt zu Gott.
Das ist so eine Situation. Ich kann dich bestenfalls bis zu dem Punkt führen, an dem du dich für oder gegen Gott entscheiden kannst, aber weiter nicht. Dann muss ich dich allein lassen. Den Schritt zu Gott musst du allein tun. Den kann nicht deine gläubige Mutter für dich tun oder dein Pfarrer. Den musst du allein tun.
Den Schritt in das neue Leben kannst du nur ganz allein vollziehen. Wenn es ums Sterben und wenn es ums Leben geht, dann bist du immer allein. Beides, das Sterben und das Leben, geht nur gut, wenn du in jedem Falle sagen kannst: „Vater, es soll nicht nach meinem Willen, sondern nach deinem Willen gehen.“
Verrat und Verlassenheit Jesu
Nachdem Jesus zum dritten Mal gebetet hat, findet er seine Jünger schlafend vor. Er weckt sie auf und sagt: „Es ist so weit, steht auf, der Verräter ist da.“ Noch während er das sagt, kommen schon vorne am Gartentor eine ganze Truppe mit Waffen und Fackeln an, wie bei der Großfahndung nach einem Verbrecher.
An ihrer Spitze geht Judas, der ebenfalls ein Jünger von Jesus ist. Er hat drei Jahre mit Jesus zusammengelebt, ihn aus nächster Nähe erlebt und zu ihm gestanden. Doch dieser Judas hat Jesus für dreißig Silberstücke an seine Mörder ausgeliefert und verraten. So ist das bis zum heutigen Tag geblieben: Der Verräter, der Judas, kommt immer aus den eigenen Reihen. Der Spitzel stammt immer aus dem allerengsten Freundeskreis. Derjenige, den man liebt wie den eigenen Sohn und dem man vertraut, vor dem man kein Geheimnis hat und mit dem man alles teilt – genau dieser ist es, der einen ans Messer liefert.
Der körperliche Schmerz bei der Geißelung und Kreuzigung für Jesus war bestimmt grausam genug. Doch ich denke, dass der seelische Schmerz noch viel größer gewesen sein muss. Jesus musste mit ansehen, wie seine eigenen Freunde ihn verrieten, verkauften, im Stich ließen und verleugneten.
Dieses Leiden ist leider kein abgeschlossenes Kapitel aus der Leidensgeschichte. Jesus leidet noch heute, wenn er sieht, wie wir ihn verleugnen, so tun, als ob wir ihn nicht kennen oder nichts mit ihm zu tun hätten. Er leidet, wenn wir vor ihm davonlaufen oder bei seinen Gegnern mitlaufen.
Der größte Verrat an Christus besteht darin, dass die Kirchen es in fast zweitausend Jahren nicht geschafft haben, seine Botschaft allen Menschen mitzuteilen. Stattdessen haben sie alles Mögliche getan – nur nicht das, wozu sie hier auf dieser Welt sind, nämlich Mission zu betreiben.
Heute leben fast drei Milliarden Menschen auf der Erde, die den Namen von Jesus überhaupt noch nie gehört haben, weil die Kirche ihn verschwiegen hat. Die vergessene Mission ist der Verrat der Kirche an Jesus.
Die Festnahme im Garten und das Verhalten der Jünger
Judas hatte dem Überfallkommando ein Zeichen gegeben und gesagt: Der, dem ich einen Kuss gebe, der ist es, den müsst ihr verhaften. So nähert er sich nun Jesus und begrüßt ihn mit den heuchlerischen Worten: „Gegrüßt seist du, Rabbi!“ und küsst ihn.
Diese Judasküsse zwischen den Verrätern und ihren Opfern sind etwas Widerliches. Jesus müsste diesen Menschen am liebsten ins Gesicht spucken. Doch Jesus bleibt freundlich, und das ist das Bewundernswerte daran. Er sagt zu ihm: „Mein Freund.“ Aber da ist auch schon alles gelaufen. Jesus wird gepackt, gefesselt und verhaftet.
In dieser Szene, in der Jesus in diesem Garten gekidnappt wird, geben die Jünger alle eine ganz schlechte Figur ab. Judas entpuppt sich als gemeiner Verräter, und die übrigen Jünger als Feiglinge. Keiner sagt ein Wort. Der einzig Großartige ist Petrus, der noch einmal ganz groß herauskommt.
Bis jetzt hat er nichts weiter gemacht als Sprüche geklopft und geschlafen. Aber jetzt, wo eine Keilerei droht, wird er munter. Eine Stunde beten hat er nicht drauf gehabt, aber Bullen eins auf die Mütze geben, da ist er dabei. Während er sich noch mit der linken Hand den Schlaf aus dem Auge wischt, hat er mit der rechten schon sein Schwert gezogen.
Doch weil das eine Ohr noch zugeklemmt ist und er nichts richtig sieht, haut er statt auf die Rübe dem Soldaten ein Ohr ab. Das Ohr fliegt wie eine fliegende Untertasse durch die Gegend, macht eine weiche Landung im Gras und liegt dort wie ein vergammelter Steinpilz. Irgendwie ist das Ganze ein bisschen peinlich. Aber immerhin spritzt Blut, es passiert wenigstens etwas.
Petrus ist der große Held. Stolz schaut er zu Jesus und sagt: „Herr, schau mich an, was ich für dich getan habe, ich stehe zu dir.“ Da sackt er zusammen wie ein Luftballon, dem man die Luft abgestochen hat. Er steht da wie ein Schuljunge, der ihm überall von der Scheibe eingeschmissen hat.
Denn anstatt ihn für seine ohrenbetäubende Heldentat zu loben, pfeift Jesus ihn zurück: „Steckt das Schwert ein“, sagt er zu ihm, „und wer zum Schwert greift, soll durch das Schwert umkommen.“ Dann wendet sich Jesus an die Männer, die ihn verhaften wollen.
In diesem Moment nutzen die Jünger die Gelegenheit, um abzuhauen. Sie fliehen einfach. Alle seine Jünger verlassen ihn und fliehen. Nicht ein einziger bleibt zurück. Das muss der niederschmetterndste Moment in der ganzen Leidensgeschichte von Jesus gewesen sein. Es heißt hier: Sie verließen ihn alle.
Von diesen Jüngern ist Jesus verraten und verkauft. Mit solchen kann er keinen Staat machen, aber eine Kirche macht er mit solchen Leuten.
Das Verhör und die Verleugnung des Petrus
Jesus wird abgeführt und sofort verhört. Falsche Zeugen treten auf, doch nach kurzer Zeit gelangt man zum Hauptthema. Man fragt ihn: „Bist du der Sohn Gottes?“ Jesus antwortet: „Ja, und ich sage euch, von jetzt an werdet ihr sehen, wie der Menschensohn an der rechten Seite des Allmächtigen sitzt und wie er auf den Wolken des Himmels wiederkommt.“
Als der oberste Priester das hört, zerreißt er sein Gewand und ruft: „Das ist eine Gotteslästerung! Wir brauchen keine Zeugen mehr, ihr habt es ja selber gehört. Wie lautet euer Urteil?“ Die Menge schreit: „Er hat den Tod verdient!“ Dann spucken sie ihm ins Gesicht und ohrfeigen ihn.
All das hört und sieht auch Petrus. Er ist Jesus heimlich gefolgt. Während in der offenen Halle des hohen priesterlichen Palastes die Verhandlung und das Verhör stattfinden, hält sich Petrus nebenan im Hof auf. Dort verbringen die Wachmannschaften mit ihren Frauen ihren Feierabend. Sie haben ein Feuer angezündet, sitzen im Kreis zusammen und erzählen sich Geschichten. Petrus sitzt mitten unter ihnen.
Das ist natürlich eine brenzlige Situation. Als einer der Soldaten mit dem Bajonett in der Glut herumstochert und die Flamme aufflammt, wird Petrus Gesicht heller beleuchtet. Da schaut ihn ein Mädchen an und sagt: „Du warst doch auch mit Jesus zusammen, bist doch einer von seinen Leuten.“
Petrus leugnet fließend: „Ich kenne ihn nicht, ich war noch nie mit ihm zusammen, ich weiß gar nicht, wovon du redest.“ Es wird ihm aber langsam unbehaglich an diesem Lagerfeuer, und er geht in den Vorhof hinaus.
Das Mädchen erwischt ihn wieder, fängt erneut an und sagt diesmal vor allen: „Der da, der hat auch zu Jesus dazugehört.“ Petrus leugnet erneut und schwört: „Ich kenne diesen Menschen überhaupt nicht.“
Eine Weile hat er Ruhe, doch dann fängt wieder jemand an und sagt: „Es hat gar keinen Zweck, dass du das leugnest. Man erkennt dich an deiner Aussprache, du bist aus Galiläa, du gehörst auch zu Jesus, der drei Jahre bei ihm war.“
Da fällt Petrus in den rauen Ton eines Fischers zurück. Er beginnt zu fluchen und zu schwören: „Gott verdamme mich, ich kenne den Mann nicht, von dem ihr hier redet.“
In diesem Moment kräht der Hahn. Petrus erinnert sich daran, dass Jesus vorher gesagt hatte: „Bevor der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“
Gleichzeitig dreht sich Jesus herum, wirft einen Blick hinaus in den Hof und sieht Petrus an. Ihre Blicke begegnen sich. Da bricht Petrus zusammen. Er geht hinaus und weint bitterlich.
Reue und Schuldbewusstsein
Es sind nicht die schlechtesten Männer, die in der Erkenntnis ihrer Sünde zusammenbrechen und weinen. Solange Petrus alleine ist und nur darauf achtet, wie er mit dem Rücken an die Wand steht, erkennt er seine Schuld nicht. Erst in dem Moment, in dem sein Blick dem von Jesus begegnet – dem Blick des Reinen, des Sündlosen, des Sohnes Gottes – wird ihm klar, was er getan hat. Da erkennt er seine Kleinheit, seine Schmählichkeit, seine Verräterei.
Der Blick von Jesus wird ihm zur Rettung. Petrus bereut, kehrt um und tut Buße. Er erkennt seine Schuld.
Auch Judas, der Verräter, erkennt seine Schuld. Als er sieht, dass sein Verrat zum Tod von Jesus führt, schlägt ihm das Gewissen. Doch um von seiner Schuld frei zu werden, wendet er sich an die ganz falsche Adresse. Er geht zum Hohen Rat, also zu den Leuten, die ihn zum Spitzel gegen Jesus gemacht haben. Er will das Geld zurückgeben und sagt: „Hier habt ihr das Geld. Ich habe einen Unschuldigen verraten und will nichts mehr damit zu tun haben. Was ich getan habe, war falsch.“
Aber die Verführer interessieren sich nicht für die Gewissensqualen des Verführten. Es ist ihnen egal, was aus dem wird, den sie zum Verrat an Jesus verführt und zum Spitzel gemacht haben. Ob der daran zugrunde geht – was geht uns das an? Wir haben ein reelles Geschäft gemacht: Du hast uns Informationen gebracht, wir haben dir dafür Geld gegeben. Dein Gewissen interessiert uns nicht, das ist dein Problem.
Sie sagen zu ihm: „Was geht uns das an? Sieh du selber zu.“ Judas begeht den Fehler, diesem zynischen Rat zu folgen. Er versucht, mit sich selbst ins Reine zu kommen und mit seinem Gewissenskonflikt fertig zu werden. Er wirft das Geld, das er gekauft hat, einfach in den Tempel.
Aber so leicht kann man sich nicht von seiner Schuld befreien. Die meisten Menschen sündigen, weil sie denken, wenn sie das Verbotene, das von Gott Verbotene, besitzen, dann sind sie glücklich. Doch das Gegenteil ist der Fall. Judas hasst das Geld, für das er Jesus verkauft hat. Eines Tages ekelt dich das an – was du durch deine Sünde erreicht hast. Du möchtest es loswerden, aber es geht nicht. Deine Schuld klebt an dir, an deinem Leben.
Es gibt nur einen, der dir deine Schuld nimmt, und das ist Jesus. Und es gibt nur ein Mittel, das dir deine Schuld abwäscht: sein Blut. Das Blut von Jesus Christus macht uns rein von aller Sünde. Für alle Versager, die einmal gestolpert sind, die einmal gefallen sind und wieder rein werden möchten, ist das der große Trost.
Das Trostlose an der Geschichte von Judas ist, dass es zwischen ihm und Jesus keinen Kontakt mehr gibt. Ihre Blicke begegnen sich nicht wieder. Judas bleibt mit seiner Schuld allein. Er stellt sich Jesus nicht mehr, er weicht aus – am Ende weicht er aus in den Tod und begeht Selbstmord.
Das ist das logische Ende von denen, die Jesus verraten haben, die ihre Schuld vielleicht vor sich selbst oder vor Menschen eingestehen, aber nicht vor Gott. Schuld, die nicht vor Gott bekannt und von Gott vergeben wird, macht dich kaputt.
Gerade deshalb, damit niemand mehr kaputtgehen muss, ist Christus ans Kreuz gegangen. Wenn du vor Gott schuldig geworden bist und versagt hast, dann bekenne deine Schuld. Du kannst dich an einen der Seelsorgehelfer wenden, die mit diesem Abzeichen hier herumlaufen. Such dir einen Menschen, einen Christen deines Vertrauens, mit dem du über dein Leben reden kannst. Einen, der dich im Namen von Jesus von deiner Schuld freispricht.
Du musst nicht kaputtgehen wie Judas. Du kannst neu anfangen wie Petrus. Petrus ist der Beweis dafür, dass Jesus die Versager, die bereuen, nicht kaputtmacht, sondern aus ihnen neue Menschen macht.
Ursachen für das Versagen des Petrus
Die Frage ist jetzt nur noch: Wie kann es überhaupt dazu kommen, dass ein Mensch so ein Versager wird? Wie konnte Petrus so ein Versager werden? Ich möchte euch zum Schluss drei Gründe dafür nennen.
Erstens: Petrus hat sich überschätzt. Er hielt sich für stärker, als er war. Er war so überzeugt von sich, dass er es für ausgeschlossen hielt, selbst einmal auszurutschen. Er dachte: „Ihr wisst doch gar nicht, wer ich bin. Ich bin Petrus, die rechte Hand vom Chef, der persönliche Referent von Jesus. Ich mache keine Fehler. Das traue ich jedem anderen vom Fußvolk zu, aber mir doch nicht.“ Solche selbstsicheren Christen gibt es heute genug, zum Beispiel hier in diesem Gottesdienst. Sie denken so, und man merkt es ihnen an. Sie meinen: „Ich bin bekehrt.“ Aber ob ihre Bekehrung echt ist, das ist sehr fraglich. Sie sagen: „Ich bin frei von Gebundenheiten, aber ihr hängt noch an der Zigarette. Ihr seid doch gar keine richtigen Christen.“ Oder: „Ich habe die Geistestaufe – ätsch, und ihr nicht.“ Das Beste, was solchen „Deluxe-Christen“ passieren kann, ist, dass sie mal so richtig auf die Nase fallen. Damit sie begreifen, dass sie Sünder sind und abhängig von Gottes Gnade und Vergebung.
Petrus hat sich überschätzt. Zweitens hat er den Gegner unterschätzt. Der Feind, der Teufel, ist immer da. Das hatte Petrus vergessen. Deshalb hielt er es auch nicht für nötig, sich auf einen Angriff vorzubereiten. Jesus hatte ihn extra gewarnt und gesagt: „Bleibt wach und betet, damit ihr in der kommenden Prüfung nicht versagt.“ Petrus hatte keine Lust zum Beten, er schlief lieber, weil er dachte: „Das schaffe ich auch so.“ So wie viele von euch lieber schlafen, statt früh mit Jesus zu reden und zu beten. Ihr denkt: „Das schaffe ich auch so.“ Dann stolpert ihr durch euren Tag, ohne vorher mit eurem Gott gesprochen zu haben. Und wundert euch über eure Pleiten, weil ihr die falschen Entscheidungen trefft, die falschen Antworten gebt und die falschen Dinge tut – alles nur, weil ihr nicht vorbereitet seid und euch nicht vor dem Start von Jesus Anweisungen geholt habt.
Damit sind wir schon beim dritten Grund für das Versagen von Petrus. Ohne eine Anweisung von Jesus begibt er sich auf einen ganz falschen Boden. Er betritt den Hof der Wachmannschaften – dort, wo die sitzen, die am nächsten Tag Dienst auf der Hinrichtungsstätte haben. Petrus mischt sich unter die Mörder seines Herrn. Das Ganze wirkt wie eine Filmszene aus Hollywood: „New Talent Peter“ im Hauptquartier der Gangster, um seinen Boss zu befreien. Das wirkt natürlich mächtig mutig. Es ist aber nichts anderes als Überheblichkeit und Vermessenheit. Sich unter heidnischen Soldaten und Folterknechten aufzuhalten und sich als Jünger von Jesus zu bekennen, kann man nur, wenn Gott einem den Auftrag dazu gegeben hat. Sonst bleibt man lieber zu Hause.
Das Feuer im Palasthof war kein Platz für Petrus. Er hatte behauptet, er könne für sich die Hand ins Feuer legen. Er hat mit dem Feuer gespielt und sich die Finger verbrannt. Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um. So wurde Petrus zu einem Versager und zu einem Verleugner.
Jesu Liebe trotz menschlicher Schwäche
Und das alles hat Jesus vorher gewusst. Er wusste, dass ihn die Jünger im Augenblick der größten Not im Stich lassen würden. Er wusste, dass sie, um ihr Leben zu retten, fliehen würden. Er wusste, wie sehr seine Jünger versagen würden.
Trotzdem hat er sie nicht verurteilt. Er hat sie nicht verachtet, sondern er hat sie geliebt. Er hat sie unbeirrbar geliebt. Darin besteht die Größe von Jesus.
Er kennt die Menschen von ihrer schlechtesten Seite und liebt sie trotzdem. Er kennt uns von unserer schlechtesten Seite und liebt uns trotzdem. Er kennt dich von deiner schlechtesten Seite, kennt deine Schwächen und Fehler. Er weiß, dass du wieder sündigen wirst – und er liebt dich trotzdem. Vergiss das nie: Er liebt dich trotzdem.