Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn Jesus Christus! Amen!
Von der Wahrnehmung zur Erkenntnis
Vielleicht ist es Ihnen schon ähnlich ergangen. Ich erinnere mich genau: Ich stand in Bonn. Wir waren auf Klassenfahrt und sollten das berühmte Beethovenhaus besuchen. Die Straße, in der wir uns befanden, war eigentlich richtig. Aber ich wusste nicht, wo genau das Beethovenhaus war.
Also fragte ich die nächstbesten Passanten: „Sagen Sie mal, wo ist denn das Beethovenhaus hier?“ Und was antwortete er mir? Sie können es sich denken: „Sie stehen genau davor.“ So bekam ich eine klare Sicht auf die Realität und wusste, wo ich war.
Wäre er etwas unhöflicher gewesen, hätte er wahrscheinlich gesagt: „Mensch, machen Sie doch die Augen auf!“ Manchmal reicht es schon, einfach die Augen zu öffnen, um zu sehen, was man braucht. Aber manchmal ist es auch schwieriger. Da reicht nicht einfach ein „Augen auf“, wie bei dem Millionär und Kunstsammler Randall First.
Eines Tages las er in der Zeitung von einem ganz außergewöhnlichen Kunstobjekt, das er unbedingt für seine Sammlung besitzen wollte. Er schickte einen seiner Agenten rund um die Welt mit dem Auftrag: „Gehen Sie in alle Galerien und suchen Sie dieses Bild bitte für mich.“ Der Agent suchte lange und gewissenhaft. Nach vielen Monaten teilte er schließlich mit, dass das Bild beim besten Willen in keiner Galerie zu finden sei. Es befände sich nämlich bereits im Besitz von Mr. Hearst und werde dort seit etlichen Jahren in einem seiner Lager aufbewahrt.
Der gute Mann brauchte das Gemälde gar nicht mehr zu kaufen. Er musste nur darüber informiert werden, dass er es bereits besaß.
Darum geht es Paulus in unserem Predigttext heute Morgen, in der Fortsetzung unserer Predigtreihe. Er möchte, dass wir etwas entdecken, dass uns die Augen öffnet – und zwar für etwas, das wir eigentlich schon haben. Wir sollen erkennen, was wir bereits besitzen, ohne es bisher realisiert oder uns klar gemacht zu haben.
Bei der Realität, um die es Paulus geht und die wir entdecken müssen, reicht nicht einfach ein „Mach doch mal die Augen auf“. Da hilft nur eins: Gebet.
Darum betet Paulus dafür. Für diese Realitäten brauchen wir als Augenöffner das Gebet.
Das Gebet als Schlüssel zur Erkenntnis
Und diejenigen, die letzten Sonntag da waren, wissen, dass unser Vers 18, mit dem es heute weitergeht, Teil eines größeren Gebets ist, das bereits in Vers 15 beginnt. Epheser 1 ab Vers 15 ist eigentlich ein indirektes Gebet. Paulus berichtet den Ephesern darin, wie und wofür er betet.
Wir hatten letzten Sonntag das unter der Überschrift "Gezieltes Gebet" verhandelt und gesehen, dass Paulus für zwei Dinge ganz gezielt betet. Der größte Grund des Dankes war für ihn, dass die Epheser zum Glauben gekommen waren, dass sie zum lebendigen Glauben an den Herrn Jesus Christus gelangt waren. Das war der wichtigste Grund zum Danken.
Zweitens hatten wir gesehen, dass das zentrale Ziel seiner Fürbitte war, dass sie in der Erkenntnis Gottes selbst wachsen mögen. Dass sie Gott, ihren Herrn, immer besser persönlich kennenlernen. Das war das zentrale Ziel seiner Fürbitte.
Lesen wir noch einmal diese Verse ab Vers 15 und dann geht es hinüber in unseren Text Vers 18, der heute fortgesetzt wird:
Darum auch ich, nachdem ich gehört habe von eurem Glauben an den Herrn Jesus Christus und von eurer Liebe zu allen Heiligen, höre ich nicht auf, für euch zu danken und gedenke euer in meinem Gebet, dass der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch gebe den Geist der Weisheit und der Offenbarung, ihn selbst zu erkennen.
Und dann geht es großgedruckt weiter auf Ihrem Zettel, weil das der neue Text ist:
„Und er gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt“ – oder man könnte auch übersetzen: „damit ihr wisst, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid, wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist und wie überschwänglich groß seine Kraft an uns, die wir glauben, weil die Macht seiner Stärke bei uns wirksam wurde.“
Herr Jesus Christus, nun bitten wir dich, dass wir wirklich dein Wort verstehen und dass wir erkennen, was du selbst uns damit sagen willst durch deinen Boten Paulus. Amen!
Gezieltes Gebet und seine Bedeutung
Gezieltes Gebet, Teil zwei, wenn Sie so wollen.
Wir hatten also gesehen: Das Erste ist der Dank – der Dank dafür, dass sie zum Glauben kam und dass Liebe unter den Christen herrschte. Sie gehörten zueinander und kümmerten sich umeinander.
Dann folgt das zentrale Ziel der Fürbitte: dass sie Gott selbst besser erkennen. Das war interessant. Wir hatten gesehen, Paulus hat nicht zuerst um Kraft oder Ausrüstung gebetet oder darum, dass sie sich jetzt ordentlich einsetzen. Stattdessen hat er zunächst gebetet, dass sie den lebendigen Gott selbst besser kennenlernen und in ihrer persönlichen Vertrauensbeziehung zu ihrem Herrn wachsen.
Paulus weiß: Aus dem besseren Kennenlernen Gottes wächst Freude. Und aus der Freude an Gott wächst Lob. Nur so können wir im Glauben gesund leben. So hat es auch einer der Westminster-Katechismen ganz am Anfang gesagt: Das Menschenhauptziel besteht darin, Gott zu verherrlichen und sich für immer an ihm zu freuen.
Das ist die Essenz von Epheser 1,17: Das Menschenhauptziel besteht darin, Gott zu verherrlichen und sich für immer an ihm zu freuen. Und dass das bei den Ephesern geschieht, darum bittet Paulus zuallererst.
Aber dann geht sein Gebet weiter. Nach der ersten Fürbitte bittet er jetzt noch um Weiteres. Wir fragen: Worum bittet Paulus jetzt als Nächstes?
Da heißt es: Und er, also Gott, gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt oder damit ihr wisst. Dann folgen drei Dinge, die die Leser unbedingt wissen, sehen und erkennen müssen. Für diese drei Realitäten brauchen sie unbedingt geöffnete Augen.
Paulus weiß, dass sie diese Schätze, die in ihrem Leben vorhanden sind, wirklich finden müssen. Dafür bedarf es ...
Die Bedeutung der Erleuchtung des Herzens
Bevor wir nun betrachten, was diese drei Realitäten sind, müssen wir an dieser Stelle einen Moment innehalten. Es ist erstaunlich, worum Paulus hier in Vers 18 bittet. Diese Bitte können wir nicht einfach übergehen, denn sie ist eine zentrale Aussage des ersten Kapitels im Epheserbrief.
Paulus bittet erneut um Erkenntnis. Verstehen Sie: Er hat doch schon in Vers 17 gebetet, dass sie Gott besser erkennen mögen. Dort heißt es, dass Gott ihnen den Geist der Offenbarung und der Weisheit geben möge – also die richtige Haltung gegenüber der Offenbarung Gottes und die Weisheit, die Bereitschaft, Gott zu fürchten und sich von ihm die entscheidenden Dinge sagen zu lassen.
Er hat also schon um Erkenntnis gebetet. Und jetzt bittet er im nächsten Vers noch einmal um Erkenntnis. Es geht dabei nicht um Mut, Kraft, gute Gemeinschaft oder offene Türen für die Mission – all diese anderen wichtigen Dinge sind hier noch nicht Thema. Paulus bittet erneut um Erkenntnis, und zwar genauer: Er bittet um die Erleuchtung der Augen eures Herzens. Er möge euch erleuchtete Augen eures Herzens schenken.
Was ist damit gemeint? Mit den Augen des Herzens und ihrer Erleuchtung meint Paulus nicht etwas, das ähnlich wäre wie die Erleuchtung, die etwa der Dalai Lama propagiert. Es geht nicht um eine mystische Eingebung. Es geht auch nicht darum, dass den Menschen warm ums Herz wird. Das mag später noch folgen, aber das ist nicht das, was Paulus meint, wenn er um die Erleuchtung der Augen eures Herzens bittet.
Paulus definiert das selbst: Er sagt, er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr wisst, versteht und kapiert. Darum muss Gott eure Augen erleuchten. Wir wissen inzwischen aus der Bibel, dass das Herz die gesamte Person meint – also alles, was wir sind, mit Herz und Verstand. Das Herz ist das Zentrum der Persönlichkeit. Was wir wollen, denken, meinen und fühlen – all das kommt im Herzen zusammen.
Wenn Paulus sagt, Gott gebe euch die Erleuchtung der Augen eures Herzens, damit ihr wisst, dann heißt das, euer ganzes Denken soll das kapieren. Ihr sollt das mit Herz und Verstand aufnehmen und richtig fassen. Es geht nicht darum, nur trockene Daten zur Kenntnis zu nehmen. Ebenso wenig sollt ihr nur ein angenehmes Gefühl haben.
Gott gebe euch erleuchtete Augen eures Herzens, damit ihr wirklich wisst. Dieses Wissen, dieses Verstehen, soll eure ganze Person erfassen. Es soll durch den Kopf gehen, euren Willen prägen und eure gesamte Einstellung zu Gott und zu euren Mitmenschen verändern. Es soll euer gesamtes Lebensgefühl bestimmen und dominieren. So soll euch das erfassen.
Was Paulus hier bittet, nenne ich gerne „heiße Information“. Es geht um heiße Information. Heiße Information ist das Gegenstück sowohl zu kalter Information als auch zu heißer Luft.
Heiße Luft bedeutet nur eine Gefühlsauffällung. Menschen gehen aus dem Gottesdienst heraus und sagen: „Es war schön, ich bin so angerührt.“ Wenn man dann fragt: „Warum?“, wissen sie eigentlich keine Antwort. Das ist heiße Luft.
Kalte Information dagegen bedeutet, dass man einen Vortrag gehört hat und ein paar sachliche Zusammenhänge mehr kennt. Aber es hat einen nicht bewegt, nicht berührt, nicht erreicht. Vielleicht, weil man sich nicht geöffnet hat oder weil es nur kalt daherkam.
Bei Paulus, wenn er um Erkenntnis ringt, geht es um heiße Information. Martin Lloyd-Jones hat immer gesagt: Predigen ist „Theologie on fire“. Theologie, aber auf Feuerstufe – also Theologie, wahrgenommen in ihrer ganzen Lebendigkeit. Gottes Wahrheit wird wirklich gesehen in seinem Wort und von ganzem Herzen gefasst.
Wir müssen sehen: Um diese heiße Information geht es Paulus hier. Und um diese heiße Information geht es auch in unserer Predigtreihe. Nicht, damit wir uns hier nur ein paar Zusammenhänge klar machen, weil eben mal wieder Sonntag ist, sondern weil der lebendige Gott dadurch unser Herz bewegen will, unser Denken verändern will und unsere gesamte Einstellung zum Leben neu prägen möchte.
Die Notwendigkeit der Erleuchtung auch für Christen
Und wohlgemerkt, Paulus betet hier für Christen – für Christen, von denen er kurz vorher geschrieben hat. Nämlich in Vers 13: „Ihr habt den Heiligen Geist, ihr seid versiegelt worden mit dem Heiligen Geist“, schreibt er dort. Und trotzdem bittet er für diese Christen. Das muss man sich mal vorstellen.
Diese Christen haben doch schon allen Nichtchristen gegenüber einen ganz entscheidenden Erkenntnisvorteil. Sie haben von Gott einen besonderen Zugang erhalten. Sie dürfen prinzipiell Gottes Wort verstehen. Sie durften Jesus als den Sohn Gottes erkennen. Sie lesen die Bibel, versiegelt mit dem Heiligen Geist. Das heißt, sie haben gewissermaßen den Lehrer in sich, der ihnen hilft, die Bibel zu verstehen.
Wenn wir uns das Gegenstück anschauen: Ein Nichtchrist, ein Mensch, der als Nichtchrist die Bibel liest, kann sie ebenfalls lesen und darin viele interessante Erkenntnisse und historische Informationen finden. Er kann die Bibel sogar ganz gut finden. Sie wissen, dass Bertolt Brecht auf die Frage, was sein liebstes Buch sei, gesagt hat: „Sie werden lachen, die Bibel.“ Wer das gelesen hat, hat die Bibel sicherlich in ihrer literarischen Schönheit sehr genau zur Kenntnis genommen.
Und trotzdem ist Bertolt Brecht Kommunist geblieben, trotzdem ist er Heide geblieben. Das hat sein Denken und sein Leben nicht verändert. Das heißt, er hat die Bibel gelesen, aber er hat sie letztlich – so hochachtungsvoll er von der Bibel sprach – nicht verstanden. Denn der Heilige Geist hat ihm das nicht erläutert. Es hat sein Denken nicht verändert, und es hat sein Herz nicht bestimmt.
Die Bibel betrifft das Herz. Man kann die Situation des Nichtchristen vergleichen mit einem Menschen, der an der Krankheit des grauen Stars erkrankt ist. Sie wissen, das ist eine Art von Blindheit. Dabei legt sich eine Stumpfheit über die Augenlinse, so habe ich mir das erklären lassen. Diese Stumpfheit wirkt wie ein dunkler Film, man nennt das den grauen Star oder Katarakt.
Die Linse ist noch da, aber das Auge ist erblindet. Es ist verdunkelt, als ob ein Schleier davorliegt. Wenn es gelingt, diesen Schleier zu entfernen, gibt es die Chance, das Auge zu erleuchten. Der Blinde braucht kein neues Auge, er braucht keine neue Linse, sondern die Befreiung vom grauen Star.
Und so ist es gewissermaßen mit dem Nichtchristen. Er leidet geistlich gesehen am grauen Star. Er hat ein gewisses Verständnis der Dinge. Er kann noch denken, er kann die Buchstaben der Bibel lesen, er kann manche Zusammenhänge sogar einigermaßen verstehen und begreifen. Dennoch ist er geistlich blind, weil er getrennt lebt von dem, der ihn geschaffen hat.
Darum kann der, der den geistlichen grauen Star hat, geistliche Zusammenhänge nicht wirklich erfassen. Er begreift nicht, wie er selbst vor Gott dasteht. Er begreift nicht, wer Gott in seiner ganzen Heiligkeit ist. Er begreift nicht, dass er sich auf dem Weg in den Abgrund und das ewige Verderben befindet, wenn er nicht rechtzeitig umkehrt.
Das liegt daran, dass er diesen grauen Star vor den Augen hat. Er ist nicht durchgebrochen zum lebendigen Gott als seinem Vater. Gottes Offenbarung liegt vor seinen Augen. Er kann dieselbe Bibel lesen wie ich hier vorne, und doch kann er sie nicht erkennen.
Erst muss Gott eingreifen. Erst muss der Heilige Geist eine Operation vornehmen, seine inneren Augen öffnen, diesen trüben Film beseitigen. Und bei jedem, der Christ geworden ist, ist genau das geschehen. Wir sind befreit worden vom grauen Star.
Nun betet Paulus hier für Christen. Und was betet er für sie? Er betet also für Leute, die vom grauen Star schon befreit sind. Er betet für Leute, die die Bibel als Gottes Wort ansehen. Er betet für Leute, die Jesus als ihren Herrn anerkennen und den Reichtum der Sündenvergebung erfahren haben.
Für solche Leute betet er dennoch: Gott gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt. Wenn wir bei unserem Bild vom grauen Star bleiben, dann könnten wir sagen: Diese Leute wurden zum Teil vor Jahren befreit – die Epheser und die, die diesen Brief lasen, und wir, die wir ihn heute lesen. Manche von uns wurden vor Jahrzehnten von diesem grauen Star befreit. Wir haben das Augenlicht wiederbekommen.
Und doch bittet Paulus für uns, dass wir nun noch schärfer sehen, dass wir klarere Konturen erkennen. Man kann sagen: Nachdem der Heilige Geist den ersten dunklen Schleier der Sünde vor unserem Auge weggenommen hat, sollen wir jetzt die optimal passende Brille bekommen.
Es sollen die Brillengläser unserer Augen des Herzens optimal eingestellt werden, damit wir immer präziser erfassen, was der lebendige Gott will, wer er ist und was er uns mitzuteilen hat. Darum betet Paulus für die Christen.
Die wiederholte Bitte um Erkenntnis
Überlegen Sie einmal: In diesen wenigen Versen spricht Paulus schon zum dritten Mal das Thema Erkenntnis, Einsicht und Verstehen an.
Das beginnt in Vers 8. Erinnern Sie sich noch daran? Vor ein paar Predigten, das ist schon eine Weile her, redete Paulus von den Reichtümern, die Gott seinen Leuten schenkt. Er sagt dort auch, dass Gott uns in Vers 8 alle Weisheit und Klugheit geschenkt hat. Denn Gott hat uns das Geheimnis seines Willens nach seinem Ratschluss wissen lassen. Weisheit und Klugheit hat er uns geschenkt.
Das zweite Mal spricht Paulus in Vers 17 davon, dass der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Herrlichkeit der Wahl, euch den Geist der Weisheit und der Offenbarung gebe, damit ihr ihn selbst erkennen könnt.
Und das dritte Mal dann hier in Vers 18: Er gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt und wisst.
Paulus schreibt das nicht nur im Epheserbrief so. Ich gebe Ihnen noch zwei weitere Beispiele.
Eine steht im Römerbrief, Kapitel 12. Diese berühmte Stelle über das Wachstum des Menschen im Glauben unterschreibt Paulus in Römer 12, Vers 2: „Stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch oder lasst euch ändern durch die Erneuerung eures Sinnes.“ Im Griechischen heißt das „nous“, was durch die Erneuerung eures Denkens bedeutet.
Warum? Damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene. Gott erneuere euren „nous“, damit ihr prüfen und verstehen könnt, was Sache ist und was im Glauben wichtig ist.
Oder als weiteres Beispiel aus Philipper 1, Vers 9: Paulus sagt dort, ich bete darum – es ist wieder ein Gebet, ganz ähnlich wie im Epheserbrief – und ich bete darum, dass eure Liebe immer reicher werde an Erkenntnis und aller Erfahrung. Damit ihr prüfen könnt, was das Beste ist, und damit ihr lauter und unanstößig seid für den Tag Christi.
Ich bete für euch, dass eure Liebe immer mehr reift in aller Erkenntnis – erleuchtete Augen, darum geht es.
Drei zentrale Erkenntnisse für das Gemeindeleben
Damit haben wir ein erstes wichtiges Ergebnis, das wir heute Morgen festhalten müssen.
Ich möchte dieses Ergebnis in drei Merksätze zusammenfassen, weil es für unsere gesamte Gemeindearbeit von großer Bedeutung ist. Diese Erkenntnis ist zentral und wird uns von Gott durch sein Wort geschenkt. Wir wollen sie in allen Bereichen unseres Gemeindebaus wirklich gehorsam berücksichtigen.
Hier nun die drei Merksätze:
Merksatz A
Merksatz A: Abhängigkeit von Gottes Erleuchtung
Auch als Christen bleiben wir darauf angewiesen, dass Gott unsere Erkenntnis beständig erleuchtet. Wir bleiben in dieser Abhängigkeit. Stillstand bedeutet Rückschritt.
Manche Menschen denken: „Jetzt bin ich bekehrt und habe die Grundlagen begriffen. Das reicht. Jetzt muss ich die Dinge einigermaßen konservieren, ab und zu meine Bibel noch einmal lesen und dann einigermaßen umsetzen.“ So nach dem Motto: Unseren kleinen Grundkurs, den haben wir ja drauf – die vier oder fünf geistlichen Gesetze oder wie viele es auch immer sind. Damit kommen wir durch, damit können wir unsere Gespräche führen, da haben wir es jetzt drauf.
Ich denke, in dieser Meinung liegt eine Ursache dafür, dass viele Christen ihre Bibel kaum studieren oder ungern Bibelstunden besuchen. Auch lesen sie keine guten christlichen und biblisch-theologischen Bücher. Das stört sie nicht, weil sie sagen: „Ich habe so meine Grundration, und das reicht jetzt, damit komme ich durch.“
Paulus sagt: „Für euch Christen bete ich, dass Gott euch gebe erleuchtete Augen eures Herzens.“ Damit macht er deutlich, dass wir hier in einer beständigen Abhängigkeit von Gott bleiben – auch als Christen. Er soll uns erleuchten, unsere Erkenntnis prägen und formen, an uns arbeiten.
Als Christen sind wir immer Schüler. Der Jünger ist wirklich ein Schüler Jesu Christi. Das ist das Erste, was wir hier sehen: Auch als Christen bleiben wir darauf angewiesen, dass Gott unser Verständnis beständig erleuchtet.
Und dann folgt ein zweiter Merksatz, gewissermaßen Merksatz B.
Merksatz B: Geistliches Wachstum als Ziel
Der geistliche Erkenntnisstand des Christen ist auf Wachstum ausgerichtet. Paulus betet hier für Menschen, die schon lange Christen sind – solche, die das kleine Einmaleins des Glaubens größtenteils, wie man sagt, schon „an den Schuhsohlen abgelaufen“ haben. Er betet immer wieder, sei es in Römer 12, in Philipper 1 oder in Epheser 1, gleich dreimal, dass diese teilweise langjährigen, erprobten Christen in ihrer Erkenntnis wachsen mögen. Damit macht er ein biblisches Grundprinzip deutlich: Der geistliche Erkenntnisstand des Christen ist auf Wachstum angelegt.
Wir sollen zunehmend Einsicht in den Willen Gottes gewinnen und stabiler werden in unserer Urteilsfähigkeit gegenüber den Dingen, die uns in dieser Welt begegnen. Außerdem sollen wir geübter werden im Verstehen biblischer Texte und Zusammenhänge. Wir sollen wissen, wie die Lehren über Gott, Jesus, den Heiligen Geist, die Erlösung und die Gnade zusammenhängen. Darin sollen wir wachsen und fest werden, weil wir dadurch Gott immer besser kennenlernen.
Sowohl Paulus als auch Petrus und Johannes vergleichen den frischen Christen, den jungen Christen, in seinem Verständnis des Wortes Gottes mit einem Baby. Petrus beschreibt das in seinem ersten Brief sehr schön: Die Gemeinde soll für die Neubekehrten wie eine geistliche Säuglingsstation sein. Für junge Christen, egal ob sie 80 oder 13 Jahre alt sind, ist die Gemeinde eine Säuglingsstation.
Die Apostel verwenden dabei das Bild von der Milch. Die Säuglinge sollen Milch bekommen. Wenn man ihnen stattdessen Speck und Rinderbraten geben würde, würden sie sich wahrscheinlich verschlucken – das kann Familie Otto mit dem kleinen Benjamin mal ausprobieren. Sie brauchen Milch, und sie sollen darin wachsen und zunehmen.
Es ist auch normal, dass ein Baby schrittweise heranwächst: Es lernt langsam sprechen, später hoffentlich lesen und schreiben, und laufen. Das geschieht alles schrittweise.
Aber was war die Sorge, die Paulus zum Beispiel mit der Gemeinde in Korinth hatte? Das sagt er in 1. Korinther 3,2: „Ich habe euch Milch zu trinken gegeben, nicht feste Speise, denn ihr konntet sie noch nicht vertragen.“ Das wäre am Anfang nicht schlimm gewesen. Doch was fügt Paulus hinzu? „Ihr könnt es aber auch jetzt noch nicht.“ Das war das Problem der Christen in Korinth.
Sie waren eigentlich schon längst über das Säuglingsalter hinausgewachsen, aber Paulus musste sie immer noch mit christlicher Milch füttern. Das war das Problem. Entsprechend sah es auch in der Gemeinde in Korinth aus. Die geistlichen Probleme zeigten sich darin, dass sie an einem gewissen geistlichen Infantilismus litten. Sie waren stehen geblieben, unreif im Glauben geblieben und großenteils nicht gewachsen in ihrer Erkenntnis. Das wirkte sich massiv aus.
Es wirkte sich aus auf ihr Gemeindeleben, auf ihr Familienleben, auf ihren Umgang mit der Sexualität und mit den Götzen, die in den Götzentempeln der Heiden standen. Deshalb sagt Paulus: Das ist meine Sorge, dass ihr immer noch keine feste Speise zu euch nehmen könnt. Es sind geistliche Wachstumsprobleme.
Was sagt Paulus nicht? Er sagt nicht: „Leute, das ist eine Kleinigkeit. Der eine ist eben ein bisschen praktischer veranlagt, der andere ein bisschen theoretischer, und ihr habt es eben nicht so mit der biblischen Lehre. Ist aber nicht so schlimm, seid einfach fröhlich und singt umso lauter eure Lieder.“ Das sagt er nicht.
Stattdessen sagt er: „Leute, hier liegt ein geistliches Problem vor, wohlgemerkt kein intellektuelles Problem, sondern ein geistliches.“ Es ist keine Frage eures IQ, eures Intelligenzquotienten, sondern eine Frage eures Verhältnisses zu Gott, wenn ihr nicht wachst in der Erkenntnis des lebendigen Gottes und seines Willens.
Daher halten wir fest: Der geistliche Erkenntnisstand des Christen ist auf Wachstum angelegt. Und wissen Sie, das hat viel mit unserer Liebe und Treue gegenüber Gott zu tun. Es hängt sehr mit unserer Liebe zu Gott zusammen, dass wir uns darum bemühen, auch die komplexen Zusammenhänge zu verstehen, die er uns in seinem Wort zeigt.
Gott hat es für offenbarungswürdig befunden, uns alles zu sagen, was er uns in seinem Wort mitteilt. Er hätte uns auch ein Kompendium von zwanzig Seiten geben können, und das wäre es gewesen. Dann hätte man kaum Stoff zum Predigen gehabt.
Aber Gott hat uns die ganze Bibel gegeben, mit all ihren zum Teil hochkomplexen Zusammenhängen. Er hat sie uns gegeben, damit wir sie lesen, lernen, studieren und leben. Darum hat er sie uns gegeben.
Es ist ein Akt der Ignoranz und Missachtung Gottes, wenn wir diese profunde Wahrheit, die er uns in seinem Wort gegeben hat, nur im Vorbeigehen, gewissermaßen in Mini-Portionen, zur Kenntnis nehmen. Wenn wir sagen: „Ach, das ist für mich nicht so wichtig. Du hast da vielleicht so eine theologische Macke, das ist schön, wenn dich das interessiert, aber ich brauche das nicht.“
Hier geht es um unsere Treue und unsere Liebe zu dem Gott, der uns so weit entgegengekommen ist, dass er sich so weit für uns offenbart hat. Deshalb hat Jesus auch gesagt: „Wer mich liebt, wird mein Wort halten.“ Aber ein Wort halten kann ich nur, wenn ich es verstehe.
Oder Jesus sagte: „Wenn ihr an meinem Wort bleibt, dann seid ihr in Wahrheit meine Jünger.“
Lassen Sie mich das noch einmal ganz deutlich sagen: Die Beschäftigung mit der Wahrheit Gottes ist keine Sache für Spezialisten. Paulus schreibt an Gemeinden, in denen Sklaven und Herren Seite an Seite saßen. Er hat nicht gesagt: „Jetzt gibt es die Sonderbibelstunde für die Gemeindeintellektuellen.“ Nein, es saßen alle zusammen – die „einfachen“ Arbeiter, die Leute im Staatsdienst, die Purpurhändlerin Lydia und andere, die das Geld in die Gemeinde brachten.
Paulus sagt: Der lebendige Gott hat uns alle als würdig erachtet, seine Wahrheit in seinem Wort zu finden. Es gehört zu unserer Treue und Liebe zu unserem Herrn, dass wir uns darum bemühen.
Und das hat nichts mit Bildungsvoraussetzungen zu tun. Das beobachte ich immer wieder seit vielen Jahren, in denen ich im Dienst Gottes stehe: Menschen, die sich bekehren, werden im besten Sinne des Wortes auch klüger – egal, ob sie vorher Professor waren oder einen ganz anderen Beruf ausübten.
Sie werden klüger, weil sie von Gott durch den Heiligen Geist gelehrt werden. Sie beginnen, in die Geheimnisse der Welt und des Lebens einzudringen.
Deshalb ist die Frage, ob ich mich mit dem Wort Gottes und mit der Bibel befasse, keine Frage meiner intellektuellen oder bildungsmäßigen Voraussetzungen. Es ist in erster Linie eine Frage meiner Liebe und Treue gegenüber meinem Herrn.
Und weil Gott uns die ganze Bibel offenbart hat, ist es so wichtig, dass wir die ganze Bibel lesen.
Darum bin ich so dankbar, dass wir hier im Gottesdienst diese Predigtreihe durchführen können. Dadurch haben wir die Chance, wirklich Schritt für Schritt durch bestimmte Textpassagen zu gehen und zu fragen: Wie hängt alles zusammen? Wie baut sich das eine auf das andere auf?
Das ist ein großes Vorrecht, das tun zu können.
Und lassen Sie mich das in Klammern sagen: Wir merken auch, dass ein gewisser Hunger nach biblischer Lehre an manchen Stellen in unserem Land vorhanden ist.
Deshalb bin ich dankbar, dass Bruder Wienekamp und Bruder Norzig über unsere Homepage ermöglichen, dass regelmäßig auch unsere Predigten dort angeboten werden. Man kann sie „downloaden“. Schon am Montag ist die frischeste Predigt im Internet verfügbar.
Wir bekommen immer wieder Rückmeldungen von Menschen, die wir vorher nie kennengelernt haben. Sie sagen: „Bitte machen Sie weiter!“ Wir danken Gott, dass wir auf diesem Weg die Möglichkeit haben, sein Wort besser kennenzulernen.
Das ermutigt uns sehr.
Das zeigt uns natürlich auch, wie wichtig es ist, dass wir uns alle gemeinsam immer wieder um das Wort Gottes bemühen und uns ihm unterstellen.
Merksatz C: Das Gebet als Grundlage für Wachstum
Der geistliche Erkenntnisstand des Christen ist auf Wachstum angelegt. Das ist auch ein Grund dafür, warum neugeborene Christen langsam in neue Verantwortung hineinwachsen sollen. Paulus sagt an anderer Stelle, dass jemand, der frisch bekehrt ist, nicht sofort in die Gemeindeleitung eintreten sollte. Das ist auch logisch, denn diese Person hatte noch keine Zeit, lange im Wort Gottes zu wachsen.
Jemand, der noch mit Babynahrung versorgt werden muss, kann anderen keine feste Speise geben. Deshalb sagt Paulus unabhängig vom Alter, dass ein frisch bekehrter Christ noch keine Leitungsaufgabe übernehmen soll, weil er noch nicht ausreichend ernährt und vorbereitet ist.
Andersherum gilt: Es kommt hier nicht in erster Linie auf das Alter an. Betrachten wir Timotheus. Er war, für damalige Leitungsverhältnisse in Gemeinden, noch ein ziemlich junger Mann. Man nimmt an, er war etwa zwanzig bis knapp dreißig Jahre alt. Dennoch hat Paulus ihn mit großer Leitungsverantwortung beauftragt.
Das Geheimnis benennt Paulus selbst in 2. Timotheus 3,15. Dort sagt er über Timotheus: „Du kennst von Kind auf die Heiligen Schriften.“ Das bedeutet, als Timotheus etwa dreißig war, hatte er schon ungefähr zwanzig Jahre mit dem Wort Gottes gelebt und war gründlich ernährt worden. Paulus sagt weiter: „Verachte dich niemand wegen deiner Jugend.“ Timotheus war auf diesen Dienst vorbereitet, weil er durch die Heilige Schrift gründlich genährt worden war.
Das ist der zweite Grundsatz, den wir uns merken wollen: Der geistliche Erkenntnisstand des Christen ist auf Wachstum angelegt. Gott will dieses Wachstum für alle seine Kinder, nicht nur für eine bestimmte intellektuelle Clique.
Deshalb ist es eine gute Testfrage für jeden: Wie steht es um mein geistliches Verstehen und mein geistliches Wissen? Wie ist es mit meinem Nachdenken über Gottes Gedanken? Bin ich noch auf dem Stand von damals, als ich Christ wurde? Vergleiche ich, was ich heute erkennen darf, mit dem, was ich vor drei Jahren wusste – hat sich da etwas verändert?
John MacArthur erzählt begeistert von einem älteren Herrn aus seiner Gemeinde, der schon über achtzig Jahre alt ist. Eines Tages bat dieser Mann Pastor MacArthur: „Bitte können Sie Ihr Redetempo etwas verlangsamen? Es ist sonst so schwer für mich mitzuschreiben.“ MacArthur war berührt und begeistert, dass dieser Mann so lange im Glauben lebte, über achtzig Jahre alt ist und trotzdem im Gottesdienst sitzt und mitschreibt, weil er alle Teile der göttlichen Wahrheit, die dort gemeinsam studiert werden, erfassen und mitnehmen will.
So sollte auch unsere Haltung sein.
Merksatz D: Regelmäßiges Gebet für geistliche Erkenntnis
Und dann ein letzter Grundsatz, der hier deutlich wird: Erstens sind wir auch als Christen darauf angewiesen, dass Gott unser Verständnis beständig erleuchtet.
Zweitens ist der geistliche Erkenntnisstand des Christen auf Wachstum angelegt. Und drittens sollten wir für dieses Wachstum regelmäßig beten.
Paulus betet dafür, er betet für andere, und er hat sicherlich auch für sich selbst gebetet. Es ist eines meiner Gebete, die ich oft auch für mich selbst spreche: Herr, bitte gib mir geistlichen Durchblick. Bitte hilf mir, alles, was um mich herum passiert, richtig zu bewerten – mit den Kriterien deines Wortes.
Es geht darum, dass wir Freude daran bekommen, immer wieder Gottes Wort besser zu verstehen. Es geht darum, dass der Herr uns immer wieder hilft, unsere manchmal vorhandene Trägheit zu überwinden.
Seien wir doch ehrlich: Uns allen geht es manchmal so, dass wir einfach keine Lust zum Bibellesen haben. Man greift dann lieber zu einer Zeitung, zur Zeit oder zu einem anderen Medium. So einen Artikel oder ein Essay liest man mal, da hat man Muse dafür. Aber manchmal möchte man sich einfach nicht die Mühe machen, in der Schrift zu lesen. Manchmal ist das eine innere Hürde, die man überschreiten muss.
Ich denke schon, dass der Teufel ein gewisses Interesse daran hat, uns vom Bibellesen abzuhalten, weil uns das geistlich wirklich stärkt. Deshalb lasst uns Gott einfach darum bitten, dass er uns immer wieder hilft. Dass wir nicht verzagen und aufgeben, wenn wir mal merken: „Ach, heute ist es zäh.“ Dass wir immer wieder an das Wort Gottes herankommen.
Paulus betet dafür. Er sagt, es reicht nicht, wenn ihr gute Selbstdisziplin habt, sondern wir müssen dafür beten. So sollten wir es tun – für unsere Gemeinde, für unsere Familienangehörigen und für uns selbst –, damit Gott unser Herz immer weiter erleuchtet.
Bedenken Sie: Als die Epheser Christen wurden, hatte Jesus ihnen ihren grauen Star wegoperiert. Seitdem konnten sie sehen. Um es mit einem anderen Bild zu sagen: Sie konnten die erste Babynahrung zu sich nehmen.
Aber wenn ein Kind zu lange nur Babynahrung bekommt, wird es ungesund. Dann fällt es immer schwieriger, auf festere Speise umzusteigen. Und genauso ist es mit den Christen.
Darum kommt es jetzt für die Epheser darauf an, dass ihre geistliche Sehschärfe weiter zunimmt. Dass sie differenzierter wahrnehmen können und dass sie die besten Sehhilfen bekommen – durch das Gebet.
Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr wisst.
Ausblick auf die drei zu erkennenden Realitäten
Und dann nennt Paulus drei ganz besondere Realitäten, die sie ebenfalls erkennen müssen. In Vers 17 hatte er schon gesagt, dass es vor allem darauf ankommt, dass ihr Gott selbst besser kennenlernt. Anschließend nennt er drei spezielle Wirklichkeiten, um deren Erkenntnis Paulus hier bittet.
Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, denn in 14 Tagen werden wir ausführlich über diese drei Realitäten sprechen. Es wäre zu schade, wenn wir das jetzt nur noch im Eiltempo abhandeln würden. Dennoch möchte ich sie Ihnen wenigstens schon nennen.
Es sind drei Dinge – und das Spannende daran ist, dass sie bereits im Leben eines Christen vorhanden sind. Sie gehören uns schon; wir müssen uns nicht mehr danach ausstrecken. Wir müssen nur erkennen, dass sie da sind, und bewusst mit ihnen leben. Dann wird das enorme Auswirkungen haben.
Das ist wie bei dem Gemälde, das Randall First so sehnlich suchte. Er besaß das Bild bereits, wusste es nur nicht. Der Schatz gehörte ihm schon, aber er konnte sich nicht daran erfreuen, ihn nicht genießen, bis ihm durch seinen Agenten die Augen für diese Realität geöffnet wurden.
Im Leben mancher Christen ist es ähnlich: Sie suchen nach etwas Bestimmtem, weil sie mit ihrem Leben nicht mehr ganz zufrieden sind. Sie haben den Eindruck, ihr Glaube schleppe sich nur noch lahm dahin. Das Leben mit Christus erscheint ihnen dürr, trocken, freudlos und ohne Tiefe. Sie werden immer müder.
Viele sehnen sich nach etwas, das sie nicht in Worte fassen können, nach etwas, von dem sie nicht wissen, was es ist. Viele denken, ein erfülltes Leben im Glauben sei schwierig, kompliziert und nur wenigen vorbehalten. Dabei ahnen sie nicht, dass Gott ihnen längst alles gegeben hat, was sie brauchen.
Es liegt schon längst vor ihren Füßen, und er hat es ihnen im Glauben schon längst geschenkt – verborgene Schätze, wie im Lagerhaus von Randall First.
Was sind das für Schätze, die wir uns in 14 Tagen genauer ansehen werden? Es sind drei Dinge: Sicherheit, Reichtum und Macht.
Paulus schreibt: Damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid, wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist und wie überschwänglich groß seine Kraft an uns, die wir glauben, weil die Macht seiner Stärke bei uns wirksam wurde.
Sicherheit, Reichtum und Macht.
Wenn man fünfzig zufällig zusammengesuchte Leute fragen würde, was sie sich dringend wünschen, kämen diese drei Dinge garantiert immer wieder vor: Sicherheit, Reichtum und Macht.
Und nun schreibt Paulus an die Leute: Seht hin, genau das habt ihr! Wenn auch in einem anderen, viel umfassenderen Sinne, als man das landläufig annehmen könnte, aber genau das habt ihr.
Für uns sind das manchmal fast schmutzige Begriffe. Viele denken, Unsicherheit, Armut und Ohnmacht passen besser zu Christen als Sicherheit, Reichtum und Macht. Daran sieht man, wie nötig dieses Gebet um erleuchtete Augen des Herzens ist.
Gott hat seinen Kindern Sicherheit, Reichtum und Macht geschenkt. Die Frage ist: Leben wir damit? Erkennen wir das? Haben wir eine Sicht für diese Realitäten? Verstehen wir, was Gott damit meint?
In zwei Wochen werden wir uns diese Sicherheit, diesen Reichtum und diese Macht genauer ansehen.
Heute aber wollen wir festhalten, dass der lebendige Gott sich uns so weit entgegenbewegt hat in seiner Offenbarung, in seinem Wort. Er hat uns sein Herz erschlossen in der Bibel und uns den Heiligen Geist geschenkt, damit wir die Vielfalt seiner Gedanken verstehen.
Lassen wir uns dem lebendigen Gott dafür danken – für das Privileg, dass er uns, wenn wir zu Jesus Christus gehören, vom grauen Stach befreit hat. Dass er uns den Schleier vor den Augen weggenommen hat, dass wir Kinder Gottes sein dürfen und diesen grundsätzlichen Zugang zu seinem Wort in der Heiligen Schrift haben.
Lassen wir uns für dieses große Vorrecht danken!
Beispiel aus der Kirchengeschichte: William Wilberforce
William Wilberforce ist den meisten von Ihnen ein Begriff. Er war der große Pionier bei der Abschaffung der Sklaverei im achtzehnten Jahrhundert in England. Was manche nicht wissen: William Wilberforce war ein überzeugter missionarischer Christ.
Er hatte sich mit 26 Jahren bekehrt, wurde später Mitglied des englischen Parlaments und war seit seinen Universitätszeiten mit William Pitt dem Jüngeren befreundet. William Pitt wurde 1783 englischer Premierminister. Pitt war formelles Kirchenmitglied und ging ab und zu zur Kirche.
Die größte Sorge von William Wilberforce war jedoch, dass er befürchtete, sein Freund William Pitt sei kein echter Christ. Deshalb begann Wilberforce regelmäßig für Pitt zu beten. Er wollte ihn immer wieder dazu bewegen, sich den Londoner Prediger Richard Cecil anzuhören. Wilberforce besuchte regelmäßig dessen Gottesdienste. Dieser Prediger konnte das Wort Gottes gut auslegen und sprach die Menschen an. Wilberforces große Hoffnung war, dass er Pitt einmal dazu bringen könnte, Cecil zuzuhören.
Eines Tages gelang es ihm schließlich. Pitt kam mit in den Gottesdienst, nachdem er sich in den Wochen zuvor viele Ausreden ausgedacht hatte, um nicht zu gehen. Wilberforce saß gespannt neben seinem Freund, während sie Richard Cecil zuhörten. Wilberforce fand die Predigt großartig, sein Herz ging auf, und er war tief bewegt. Nach dem Gottesdienst wartete er gespannt auf die Reaktion seines Freundes.
Als sie hinausgingen, konnte Wilberforce es kaum erwarten zu fragen: „Na, wie war es?“ Pitt antwortete: „Weißt du, William, ich habe wirklich mein Bestes getan. Ich habe mich mit aller Kraft darauf konzentriert, zu verstehen, was Richard Cecil gesagt hat. Aber ich habe nicht die leiseste Ahnung, was er eigentlich wollte.“
Verstehen Sie, das ist der Punkt: Ob ich das Wort Gottes höre und lese mit dem grauen Star vor den Augen meines Herzens oder ohne diesen grauen Star. Wenn es Ihnen vom lebendigen Gott geschenkt ist, dass Sie sein Wort verstehen dürfen, dass Sie darin Christus als Ihren Herrn finden, dass es Ihr Herz bewegt und Sie begreifen, wer Gott ist und was er in Ihrem Leben verändern möchte, dann danken Sie dem lebendigen Gott dafür.
Danken Sie dafür, dass Sie die Bibel so lesen dürfen und die Predigten so hören können wie William Wilberforce – und nicht wie William Pitt, den Jüngeren. Lassen Sie uns unseren Herrn immer wieder um Vergebung bitten für die Trägheit, die uns von Zeit zu Zeit ergreift.
Trägheit, bei der wir am liebsten ein Christentum light praktizieren wollen: mit ein paar oberflächlichen Gedanken, ein paar Happenings und etwas guter Laune – und das war es dann. Lassen Sie uns Gott um Vergebung bitten für unsere Trägheit und für unseren Mangel an Fleiß und Mühe im Hinblick auf sein Wort.
Und lassen Sie uns immer wieder bitten – für uns selbst, für unsere Kinder, für alle, die uns anvertraut sind und auch für unsere Gemeinde – um geöffnete Augen unseres Herzens. Nur der lebendige Gott kann uns diese Augen schenken, und er will es auch tun. Das hat er versprochen. Amen.