Ein Lied des Dankes nach der Rettung
In Zweiter Mose 15 steht unser Predigttext.
Im Zweiten Buch Mose, Kapitel 15, Verse 1 und 2, wird berichtet, dass die Israeliten durchs Meer gezogen sind. Hinter ihnen brachen die Wasserwogen zusammen über der Armee Pharaos, und sie wurden alle ertränkt. Die Israeliten standen am anderen Ufer.
Damals sang Mose zusammen mit den Israeliten dieses Lied zum Herrn und sprach: „Ich will dem Herrn singen, denn er hat eine herrliche Tat getan. Ross und Reiter hat er ins Meer gestürzt. Der Herr ist meine Stärke und mein Lobgesang, er ist mein Heil. Das ist mein Gott, ich will ihn preisen. Er ist der Gott meines Vaters, ich will ihn erheben. Dem Herrn gebührt unser Lob und Dank.“
Amen.
Die Herausforderung des Singens in schwierigen Zeiten
Wenn wir Menschen auf der Straße treffen, die schimpfen, habe ich viel Verständnis dafür. Es gibt in dieser Zeit so vieles, worüber man sich grün und blau ärgern kann. Manchmal möchte ich aus Herzenslust mit einstimmen. Oder passt das nicht? Das passt für unsere Zeit, wenn man schimpft. Wenn.
Wie ist es, wenn wir Leute treffen, die besorgt oder vielleicht sogar verzweifelt in die Zukunft blicken? Dann muss ich sagen, ich verstehe das gut. Wohin geht eigentlich unsere Welt? Wer ist denn dort noch ohne Sorge? Das passt für unsere Zeit heute. Das verstehe ich gut.
Oder wenn wir Menschen begegnen, die nur sagen: „Ich sage überhaupt nichts mehr, ich will bloß noch still sein.“ Über das, was sie erleben – auch das verstehe ich gut. Und schweige. Da will man gar nichts mehr dazu sagen, jedes Wort ist unnütz. In dieser unserer Zeit, in der wir leben.
Aber dass es Leute gibt, die singen? Das ist wirklich etwas Unpassendes. Wie geht das überhaupt im 20. Jahrhundert? Und was soll das Singen? Viele schütteln den Kopf und sagen: „Das verstehe ich nicht, das ist mir zu komisch, zu merkwürdig. Warum singen die denn? Geht es nicht ohne Singen bei den Christen?“ Und das war damals bestimmt nicht anders, als sie in der Wüste standen.
In dieser Gluthitze des Sinai, am anderen Ufer des Schilfmeeres. Dort standen sie ohne Dach über dem Kopf, ohne Heimat, ohne Brot, ohne Wasser – und singen. „Sind die denn verrückt geworden?“ Man kann manchmal meinen, wenn Christen singen: Was ist denn das Singen? Nicht dieses pflichtmäßige Singen, das war es ja damals nicht, sondern dieses begeisterte Sichfreuen an dem Herrn.
Mich wundert es nicht, wenn manche mit dem Kopf schütteln. Darum müssen wir heute darüber sprechen. Das Singen gehört dazu – drei Fragen.
Die Bedeutung und Motivation des Singens
Zuerst: Warum singen die denn? Dass bei uns gesungen wird, so wie unser Chor vorhin gesungen hat, das ist sehr schön. Wir lieben das. Singen sie sicher auch vom Konzert, vom Radio, vom Fernsehen und von der Schallplatte.
Das konzertmäßige Singen – aber damit sie es nicht missverstehen – das war kein Konzerthaus, das damals in der Wüste der Versammlungsplatz der Israeliten war. Ich denke, dass sie auch schön gesungen haben. Ich habe mich auch vorher gefreut, wie schön sie gesungen haben. Das ist doch erfreulich und erhebend, aber es war kein Konzert. Und die Ästhetik ist beim Singen der Christen nicht der wichtigste Maßstab.
In einem unserer Lieder heißt es: „Ach, nimm das arme Lob auf Erden, mein Gott, in allen Gnaden hin.“ Unser Singen bleibt immer arm. Das wissen wir von vornherein, sonst könnte ich ja gar nicht mitsingen mit meiner kratzigen Stimme. Also: Die Ästhetik ist gar nicht das Wichtigste, und das konzertmäßige Singen ist es auch nicht. Denn das war damals nicht das Entscheidende.
Nun meinen manche vielleicht, das Singen hätte etwas zu tun mit der Aktivierung der menschlichen Kräfte. Das stimmt. Das wird heute bei uns oft so geübt. Also: Singen zum Ansporn. Ein Lied 2, 3 heißt beim Militär, dann laufen die besser und marschieren besser. Oder wenn die jungen Leute nicht mehr laufen, dann macht man „2 vor, zurück, und 1 und 2“ – und dann geht es wieder besser, dann läuft man leichter.
War das vielleicht so, dass Mose ein Lied anstimmen ließ, damit er die mitreißen kann und anspornen kann? Gleichsam zum Appetitmachen für das Laufen? Nein. Die standen einfach da und sagten: „Sie haben ja gar nichts unternommen und gar nichts hier gearbeitet.“
Ich höre immer wieder heute Kritik an unserem Gesangbuch. Da wird ganz scharfsinnig bemerkt, dass in unserem Gesangbuch Lieder fehlen, die zum Tun ermuntern. Und das stimmt. Da steht kein Lied drin: „Wir sollten Frieden machen auf der Erde.“ Da steht kein Lied drin: „Mensch, kümmere dich um deinen Nächsten, um deinen Nachbarn, mach die Tür zu deinem Nächsten auf, sieh den armen Lazarus vor deiner Tür.“ Das sind gar keine Appelllieder dabei.
Wer so spricht und kritisiert, hat das Singen noch nie verstanden. Für uns Christen ist nicht der Ansporn beim Singen das Wichtigste – der Ansporn zum Tun und zur Arbeit. Das lassen wir gerne den anderen.
Noch ein anderes Missverständnis: Manche meinen, das Singen der Christen wäre eine Gefühlsdroge. Ich mag auch heute hier und da so gebraucht werden. Vielleicht müssen auch die jungen Leute sich immer wieder fragen lassen mit ihren neuen Liedern, ob sie nicht manchmal in die Nähe des Gefühlsrausches mit dem Singen kommen.
Man kann durch Musik sich den Kummer weg singen. Aber sobald man aufgehört hat zu singen, ist der Kummer nach wie vor da. Das ist wirklich nur eine Droge. Man singt sich hinein in eine Stimmung. So wie es heute in unserer alltäglichen Musik der Vergnügungsindustrie passiert: Junge Leute leben durch die enorme Lautstärke der Musik und dann sind sie ganz dringend, ganz erhoben. Aber das hat sie nicht echt erhoben. Das ist ja nur ein kurzer Rausch, den sie da haben.
Der wahre Grund des Singens: Freude für Gott
Warum singen dann die Israeliten? Wir wollen wissen, warum sie singen, wenn die drei anderen Möglichkeiten alle ausscheiden.
Damals sangen Mose und die Israeliten dieses Lied dem Herrn. Unser Singen hat seinen Sinn: Wir singen dem Herrn, nicht um uns selbst zu gefallen oder damit wir besser arbeiten können. Es geht nicht darum, unsere Gefühle zu umschmeicheln, sondern wir singen, um dem Herrn Freude zu machen.
Gott möchte Freude von uns haben, und wir können ihm große Freude bereiten. Er legt großen Wert auf das Singen. Auch wenn unsere Stimme nicht die schönste, nicht die gebildetste und auch nicht die reinste ist, will Gott unser Singen hören. Das steht sehr oft in der Bibel und zeigt, dass Gott auf den Lobgesang der Menschen wartet.
Doch wir verweigern Gott so oft diesen Lobgesang. Dabei denken wir selten daran, dass wir dadurch schuldig vor Gott sind. Unser ganzes Leben soll ein Lobgesang zur Ehre Gottes sein.
Gott hat sich deshalb in der Ewigkeit einen Chor aus unzähligen Engeln aufgestellt, die ihm singen. Aber er möchte auch von der Erde das Lob erhalten. Sie hätten nicht gedacht, wie sehr sich Gott an dem Chorgesang und unserem Singen freut. Denken Sie einmal darüber nach!
Das ist das Erste und Wichtigste, wenn wir miteinander singen. Wenn Sie zu Hause sind, liebe Mütter, in der Küche, bei der Arbeit, auf dem Heimweg oder auf dem Weg zur Schule ein Lied pfeifen oder vor sich hin summen – dann ist Freude im Himmel. Sie sagen mit diesem Lied dem Herrn Lob und Ehre.
Das Innehalten und Danken nach Gottes Hilfe
Ist Gott wirklich so sehr darauf aus, dieses Lob zu erhalten? Nachdem das große Wunder geschehen war und sich die Fluten des Meeres geteilt hatten, wollte er nicht, dass sein Volk sofort weiterzieht. Er wollte, dass sie innehalten und danken. Eine herrliche Tat hatte er vollbracht. So sangen sie dort ein Lied über diese großartige Tat. Dieses Lied gefiel dem Herrn, dem großen Herrscher der Welt.
Sie sangen aus Staunen über das, was sie erlebt hatten. Hinter ihnen waren die Heere fahrerlos, sie wussten nicht mehr weiter. Sie schrien: „Wir kommen um, jetzt ist alles aus.“ Doch der Herr bahnte ihnen einen Weg und führte sie hindurch.
Darum singen wir Lieder, weil wir dies täglich erfahren. Wir waren oft am Ende unserer Möglichkeiten und hatten den Mut aufgegeben. Wir sagten: „Jetzt geht es nicht mehr weiter, es ist alles aus.“ Doch dann erlebten wir, wie Gott uns hindurchführte.
Es steht eine Offenbarung, dass in der Ewigkeit, also nach dem Tod, diejenigen, die zum Herrn kommen, das Lied Moses singen werden. Wenn man mehr über die Ewigkeit wissen möchte, darf ich heute informieren, dass dieses Lied dort gesungen wird. Dieses Lied beschreibt unser ganzes Leben.
Aus der Beklemmung, aus der Angst kommen wir heraus – aus der letzten Todesnot. Dann singen wir einfach: „Herr, du hast eine herrliche Tat getan.“ Unser ganzes Leben war ein Zeugnis deiner Güte und deiner Größe. Oft wussten wir nicht mehr, wie es weitergehen sollte. Doch du hast die mächtigen Feinde, vor denen wir Angst hatten, besiegt. Du hast die krankmachenden Mächte in Schach gehalten und den Tod überwältigt. Du bist herrlich und wunderbar, du bist groß.
Wenn ich darüber nachdenke, mit welcher Liebe und Güte du mich auf so vielen wunderbaren Wegen durch mein Leben geführt hast, kann ich nur staunen. Und dann muss man es sehen: Gott zu Ehren, bloß dass Gott Freude daran hat.
Darum sollen die Alten nicht sagen: „Jetzt ist meine Stimme wirklich nichts mehr wert.“ Gott freut sich daran, auch wenn andere das nicht mehr achten. Machen Sie Gott diese Freude! Darum singen wir – singen wir aus einem vollen Herzen.
Die Art des Singens: Persönlich und begeisternd
Und die andere Frage ist: Wie singen wir? Dass wir schön singen, dazu bemühen wir uns. Ich habe schon gesagt, für Gott ist die Ästhetik nicht das Letzte. Es gibt viel Unvollkommenes in dieser Welt.
Die Stilfragen werden bei uns heute sehr wichtig genommen. Auch die äußeren Formfragen sind oft sehr bedeutsam bei den Liedern. Ich verstehe, dass es auch Menschen gibt, die sehr künstlerisch gebildet sind, und ich finde es immer schön, wenn sie das auch einbringen. Aber manches ist auch sehr vorläufig.
In meiner Jugend habe ich oft den Vorwurf gehört, zu manchen Liedern, die in der Ökumene gesungen werden: „Das ist ein englisches Lied, englische Lieder singt man nicht in Deutschland.“ Bach hat das nicht getan. Dieser Vorwurf hält bis heute an. Können wir uns nicht an den Liedern freuen, die auch anderen geschenkt werden? Die Stilfragen dürfen nicht mehr beherrschen.
Viel wichtiger ist mir, dass die Israeliten damals sehr persönlich gesungen haben. Da steht doch: „Ich will singen“, und dann singen sie: „Mein Gott, meine Stärke.“ Das Singen ist eine ganz persönliche Sache. Wir singen doch nicht irgendetwas Fremdes. Wir müssen uns mit diesen Liedern identifizieren können. Das muss unsere Sache sein. Das muss unsere Sprache sein.
Das ist mir noch viel wichtiger als die Stilfragen der Musik. Ist der Text so, dass er mir aus dem Herzen kommt, dass es mein Lobgesang wird? Dass ich ein Lied von Paul Gerhardt heute als mein Lied singen kann – das ist das Wichtige.
Nikolaus Spul erzählt in seinen Lebenserinnerungen, wie in New York ein bekannter Dirigent die Hauptprobe leitete. Die Anwesenden waren ergriffen, wie wunderbar eine Sopranistin das Lied „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ aus dem Messias von Händel sang. Danach ging der Dirigent nur auf die Sängerin zu und sagte: „Sie haben eine wunderbare Stimme und eine vollendete Stimmtechnik. Aber offenbar haben Sie das in Ihrem Leben noch nie erfahren: ‚Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.‘ Das merkt man.“
Man kann diese Lieder nicht nur auswendig gelernt singen. Das Persönliche gehört eben dazu. Wir sagen es mit dem Herzen.
Ich möchte darauf hinweisen, dass dieses Singen auch ein Stück Begeisterung an sich hat. In Offenbarung 7 wird uns erzählt, wie die Schar der Engel vor dem Thron Gottes steht. Für das Singen wird dort ein ganz merkwürdiges Wort gebraucht. Im Griechischen heißt es „grad sein“, das bedeutet „schreien“. Die Engel schreien regelrecht. Das ist der Begeisterungsschrei, der auch im Singen mitklingen darf.
Hoffentlich habe ich jetzt nicht die Kunstempfindsamkeit zu sehr verletzt, aber das ist biblisch so. So wird es einmal in der Ewigkeit sein, dass beim Singen das ganze Herz mitsprechen darf, mit der ganzen Freude.
Manchmal denke ich, wenn unsere jungen Leute ihre Lieder singen und dem Herrn zur Ehre schreien, dass im Himmel mehr Freude ist als bei manchem mühsam einstudierten Lied. Weil dazu gehört das Begeisterte und das Fröhliche.
Und dann gehört dazu, dass man gemeinsam singt. Das Solistische ist auch ganz nett, aber das Miteinandersingen, das Mit hineingenommen werden – vielleicht muss das auch in unseren Gottesdiensten wieder ganz neu entdeckt werden. Wie Chor und Gemeinde ineinander sind und miteinander, und einer den anderen zum Lobe Gottes anspornt.
Damals hat Mose mit seiner Schwester Mirjam dieses Lied gesungen. Mirjam hat noch die Pauken hervorgeholt und tüchtig darauf gehauen. Dann haben sie das ganze Volk mitgerissen, einer hat den anderen angesteckt.
Glaube als Grundlage des Singens
Wenn Sie wissen möchten, was bei mir lange vor der Ästhetik und den Fragen des Stils rangiert: Es ist das große Glaubensvertrauen, das diese Lieder prägt. Wenn wir singen, ist es ein Vertrauen, das nicht getrennt ist von der Ruhe, die wir im Glauben gefunden haben.
Diese Israeliten sangen nicht, während ihr Herz gleichzeitig unruhig und voller Angst war. Im Gegenteil: In dem Moment legten sie alle ihre Sorgen einfach in Gottes Hände. Sie wussten, dass er ihre Sache zum Guten führen und ihre Lebensgeschichte zu Ende bringen würde.
Es war ja unheimlich, wenn sie an den morgigen Tag dachten. Wie würde es weitergehen in der Wüste? Wo sollten sie Brot für ihre Kinder hernehmen? Diese Fragen legten sie Gott anvertraut. Sie sagten es voller Vertrauen, ohne Zweifel und ohne Misstrauen gegenüber Gott.
Nur wer glaubt, kann richtig mitsingen – voll Glauben und Vertrauen.
Der Inhalt des Singens: Gottes Taten im Mittelpunkt
Ist auch die dritte Frage: Was soll man denn singen? Was ist der Inhalt?
Wir haben es am Anfang schon etwas berührt: Was haben die Kinder Israel gesungen? Sie haben ganz bestimmt nicht von den Taten Moses gesungen, auch nicht von den Taten Aarons. Sie haben auch nicht von Jannes und Jambres, anderen zwei Männern, die damals mitgezogen waren durch die Wüste, gesungen.
Unsere Lieder handeln nicht von uns. Die Lieder handeln nicht von den Christen. Das schönste Lied ist eines, in dem man Gott beschenkt. Das ist hier der Mittelpunkt: „Ich will dem Herrn singen.“ Und dann wird erzählt, warum man dem Herrn singt. Er hat eine große Tat getan, er ist groß, er ist meine Stärke, er ist mein Ruhm.
Die Lieder wollen die Taten Gottes besingen. Von uns kann man viel oder wenig reden. Vielleicht haben manche heute eine ganz andere Predigt erwartet und sagen: „Ist es nicht an der Zeit, in unseren Tagen, wo so viel Dunkles geschieht, wo so viel Grausames geschieht? Wo Attentate vollführt werden, noch zu singen?“ Das hat ja auch dazu geführt, dieses dumme Wort zu prägen, ob man nach Auschwitz noch Lieder singen darf. So etwas Dummes!
Ob man nach dem Karfreitag noch Lieder singen darf, wo der Sohn Gottes von Menschen umgebracht wird, wo Menschen Gott hassen – das geschieht ja in meinem Leben. Ob ich mit meinem unreinen Mund überhaupt noch singen darf, ist doch die Frage. Gerade da singen wir.
Dieses Wunder, dass sich Gott seiner Leute erbarmt, dass Gott mit unserer Welt doch noch einmal anfängt, dass Gott heute sein Heil aufrichten will, dass kein Mensch ausgeschlossen wird von dieser suchenden Liebe Gottes – das ist des Singens wert.
Darum verstehen Sie, warum in unserem Gesangbuch keine Lieder stehen, die uns zur Arbeit ermuntern. Das kommt ja erst aus dem Singen und aus der Anbetung, da, wo man staunt über die große Güte Gottes, über seine Liebe, die alle deine Sünden vergibt, die alle deine Gebrechen heilt.
Wie schwach waren diese Israeliten! Das kann man sich nicht vorstellen. Da standen sie in der Wüste und wussten nicht, wie alles weitergehen soll. Sie waren arme, ohnmächtige Leute. Aber sie freuten sich im Lied: „Der Herr ist meine Stärke.“ Nicht: Der Herr wird uns stark machen, sondern: Der Herr ist meine Stärke, er ist für uns da.
Vorher hatte Mose sie noch aufgefordert, als sie an diesem Schilfmeer standen: Sie sollten still sein und nichts tun. „Der Herr wird für euch streiten, und ihr werdet still sein.“ Und dann haben sie es erlebt – wirklich.
Daher: „Der Herr streitet für uns“ – das ist der Inhalt unserer Lieder, die wir singen. Und das wollen wir noch viel lauter in diese Welt hinein singen, auch wenn es ganz dunkel um uns wird, auch wenn wir nicht wissen, was morgen kommt: Lieder singen.
Das Singen als Zeichen des Glaubens und der Hoffnung
Man hat oft davon gesprochen, wie die ersten Christen in die römischen Arenen traten und dort, bevor sie den Löwen vorgeworfen wurden, ihre Lieder sangen. Wir wissen es von den Hugenotten: Manche wurden sogar so grausam behandelt, dass man ihnen die Zunge zerstückelte, bevor man sie hinrichtete – nur damit man dieses Singen nicht ständig hört. Dieses Singen war ihr Kennzeichen.
Ich denke oft daran, wenn wir zu den Gräbern auf dem Friedhof gehen. Doch heute wird dort kaum noch gesungen. Stattdessen spielt ein elektronisches Gerät eine Melodie ab. Umso mehr freue ich mich über jede christliche Beerdigung, bei der die Angehörigen sagen: „Wir singen, wir singen vor dem Sarg von der Größe unseres Gottes, der uns nicht dem Tod überlässt und der uns zu seinem Reich ruft.“
Nehmen wir das nicht nur am Grab mit, sondern auch in die Dunkelheit unseres Lebens hinein – in die Enge, in die Traurigkeiten hinein. „Der Herr ist meine Stärke und mein Lobgesang.“ Wir machen die Lieder gar nicht selbst; der Herr gibt uns diese Lieder in den Mund. Sie sind ein Geschenk.
Wie freut man sich, wenn man in seinem Gesangbuch blättert und ein Lied wiederentdeckt, das man so groß nie mit eigenen Worten hätte sagen können. Da darf man sich an die Worte anschließen, die andere gefunden haben: „Der Herr ist meine Stärke und mein Lobgesang und mein Heil. Er ist ein wunderbarer Herr, ein großer König. Er herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit.“
Ich will ihm noch viel mehr singen, nicht schimpfen. Nicht besorgt in die Zukunft schauen, sondern nur mehr singen. Armin.