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Wie meine Seele zur Ruhe kommt

21.08.2013Psalm 131,1-3

Die weltweite Bedeutung des Liedes der Geborgenheit

Das Lied, das wir gesungen haben, stammt, wie Sie gesehen haben, von unserer Liederdichterin Fanny Crosby. Sie hat so viele Lieder gedichtet und selbst diese Geborgenheit gefunden, diesen tiefen Frieden in Gott.

In Amerika sagt man, dieses Lied sei das Lied der Mütter, die ein Kind verloren haben und bei ihrem Heiland Geborgenheit finden. Deshalb ist dieses Lied sicher in den Armen Jesu ein weit verbreitetes Lied.

Das bedeutet: Wenn Sie einmal nach Peking kommen, auf dem Platz des Himmlischen Friedens – und Sie wissen ja, dort darf man nichts Christliches sagen – dann pfeifen Sie einfach die Melodie. Dann werden sich ganz viele Chinesen umdrehen und sagen: „Ach, Sie gehören auch zu diesen Christen!“ Das ist so wunderbar, es hat so ein Erkennungszeichen.

Das können Sie aber auch in Stuttgart auf dem Schlossplatz ausprobieren. Dann werden Sie auf einmal merken, wie viele Jesusleute es doch in dieser Welt gibt.

Das Lied ist etwas Wunderbares, weit verbreitet durch alle Länder der Welt – von den Zigeunern bis zu den Indianern. Überall wird es gesungen, in allen Hütten der Elenden und Armen, die in Jesus geborgen sind.

Wir haben heute einen Abschnitt gelesen. Es war auch so schön, dass Peter Grust vorhin das Lied von Speffert gespielt hat: „Wenn Friede mit Gott, wenn Friede mit Gott eine Seele durchdringt.“ Das ist ganz wunderbar.

Horatius Späffert hat dieses Lied gedichtet, nachdem vier Kinder im Atlantik ertrunken waren. Seine Frau wurde bei einem Schiffsuntergang allein gerettet. Er war ein berühmter Rechtsanwalt in Chicago und ist im 19. Jahrhundert nach Jerusalem gegangen. Dort hat er ein Heim für arabische Kinder am Damaskustor gegründet.

Wenn Sie in Jerusalem sind, sollten Sie einmal nach Horatius Späffert fragen. Auf dem Zionsfriedhof ist sein großes Grabmal in die Mauer eingelassen. Das Haus, das er in Jerusalem gegründet hat, ist heute ein ganz nobles Hotel, die American Colony. Das ist Horatius Späffert, der das Lied „Wenn Friede mit Gott meine Seele durchdringt“ geschrieben hat.

Er hat gefunden, wo die Seele Ruhe findet. Mir ist es so wichtig, dass wir diese Zusammenhänge ein wenig kennenlernen und dadurch lieben lernen.

Die kindliche Ergebung und der Weg zum Frieden

Nun lesen wir diesen herrlichen Psalm, in dem von diesem Frieden die Rede ist. In meiner Bibel ist er überschrieben mit „Kindliche Ergebung“. Es ist ein Psalm von David.

Was führt uns David dahin, in den Frieden Gottes einzutreten? Es ist ein Wallfahrtslied:

„Herr, mein Herz ist nicht hoffärtig, und meine Augen sind nicht stolz.
Ich gehe nicht um mit großen Dingen, die mir zu wunderbar sind, fürwahr.
Meine Seele ist still und ruhig geworden wie ein kleines Kind bei seiner Mutter.“

Hier steht eigentlich das Wort „wie ein entwöhntes Kind bei seiner Mutter“, also ein abgestilltes Kind bei der Mutter. So ist meine Seele in mir – wie ein kleines Kind.

Israel, hoffe auf den Herrn von nun an bis in Ewigkeit!

Schade, dass viele den Psalm nicht auswendig können, denn er ist so wunderbar und so wichtig.

Wir sind ja in diesen Tagen, in denen viele Urlauber unterwegs sind. Sie haben große Träume. Erinnern Sie sich noch, wie Ihre Lieben aufgebrochen sind und gesagt haben: „Wir gehen ganz, ganz weit irgendwo hin!“ Was suchen sie alle? Sie suchen Stille, sie suchen Ruhe.

Und jetzt ist es interessant: Man kann am einsamsten Strand sein, nur noch Palmen und das Meeresrauschen hören – und doch keinen Frieden finden.

Unsere Urlaubswerbung arbeitet hauptsächlich mit diesen Bildern totaler Einsamkeit. Denn wir sagen: Wir haben so viel Stress, wir sind so angespannt, wir sind so aufgerieben. Natürlich haben wir den Urlaub verdient, das ist ja etwas Tolles.

Wenn eine Regierung von ihren Untertanen verlangen würde, jeder müsse jetzt für vier Wochen seine gute Matratze verlassen, seine schöne Heimat, in die Fremde ziehen und dann noch viel Geld zahlen – dann würden die Leute alle aufbegehren: „Das mache ich doch nicht!“

Aber das machen alle nur, weil sie eine Hoffnung haben: Wir wollen die große Ruhe und den Frieden finden.

Und wenn sie zurückkommen, sagen sie: „Ach, das war so teuer, und das Wetter war so schlecht, und die politischen Unruhen waren so groß. Außerdem waren die Autos da, die Flugzeuge sind gerade auf dem Flugplatz gelandet, die Baumaschinen liefen, die Kindergeschrei und Hunde haben gebellt – wir haben die Ruhe nicht gefunden.“

Man sucht alles, man sucht die Ruhe und den Frieden. Doch wo findet man ihn? Warum findet man ihn nicht?

Es ist die Sehnsucht nach Stille und Geborgenheit.

Die Sehnsucht nach Stille und Geborgenheit

Sie haben das richtige Los erwählt, sie sind zur Lahrhöhe gegangen. Dort sprechen wir davon, wo man wirklich zum Frieden und zur Stille kommt. Denn das Problem ist unser unruhiges Herz.

Das Schlachtfeld, das in unserem Herzen abläuft, zeigt sich, wenn Sie erzählen würden, was Sie heute Nacht, als Sie wachgelegen sind, alles an schweren Gedanken mit Ihrem Herzen ausfechten mussten. Das sind die Sorgen, das sind die Ängste. Dort liegen die Probleme der Zukunft vor uns.

Was haben Sie alles für schwierige Erwartungen, ärztlicherseits, medizinischerseits, wenn die Ergebnisse kommen und man sich überlegt, wie es jetzt weitergeht? Das Schlimmste in unserem Herzen ist ja, dass so viel Bitterkeit darin ist.

Ich kenne Leute, man glaubt es kaum, die sind schon alt und reden immer noch von dem Unrecht, das ihre Eltern ihnen zugefügt haben, als sie Kinder waren. „Meine Eltern haben mich nicht studieren lassen, nur weil ich eine Frau bin, meine Brüder durften studieren.“ Sie sind bitter und haben ihr ganzes Leben mit Bitterkeit gefüllt.

Natürlich war es ein Unrecht von den Eltern. Eltern machen viel Unrecht. Aber die Bitterkeit macht sie kaputt und raubt ihnen den Frieden.

Es war so schön, wir waren in einer Freikirche, in die wir gerne gehen, bei uns in der Zuckerfabrik in Stuttgart: die „Evangelium für alle“. Dort hat Bruder Michael Hable so schön von der Vergebung erzählt.

Wir müssen eigentlich im Leben viel mehr vergeben, aber wir sind alle solche Leute, die an lauter Verletzungen festhalten, die uns Menschen zugefügt haben: Vorgesetzte, Geschwister, andere Leute, die wir getroffen haben. Wir sagen: „Wir können noch die Ordnung runterholen, das E-Mail, das er geschrieben hat, und was er mir damals benachrichtigt hat, Protokoll.“

Wir vergiften unser ganzes Leben damit, weil wir nicht loslassen können in der Vergebung. Das Herz wird so schwer und hat den Unfrieden in sich, verbittert.

Dann denken wir oft noch daran, was uns alles versäumt wurde. Und erst recht bei denen, deren Ehe zerbrochen ist, bei denen man im Streit auseinandergegangen ist.

Manchmal frage ich mich, ob es überhaupt noch ein evangelikales Haus gibt, in dem nicht ums Erbe gestritten wurde und die Familie auseinanderbrach. Sind Sie froh, wenn Sie der Einzige sind, bei dem es noch stimmt?

Doch weil so viel Bitterkeit da ist, was man sich oft an den Kopf geworfen hat, und wie viel Feindschaft herrscht, möchte ich einfach von David lernen: Wie kommt das Herz zur Ruhe und zur Stille?

Davids Weg zum inneren Frieden trotz schwerer Lebensumstände

David hatte es wirklich nicht leicht. Wer Geschwister hat, weiß, dass das auch nicht immer einfach ist. Diejenigen, die als Einzelkind aufgewachsen sind, haben es ebenfalls nicht leicht. David aber hatte Brüder – und zwar eine ganze Reihe.

Als der Vater zu ihm sagte: „Geh zu deinen Brüdern“, war gerade Krieg mit den Philistern. Die Philister sind bis heute als Palästinenser bekannt, der Name hat sich erhalten. David sollte seinen Brüdern Käse und Brot ins Feld bringen. Was hat sein ältester Bruder Eliab zu ihm gesagt? Erinnern Sie sich an das erste Buch Samuel, bevor David den Kampf mit Goliath aufnahm? Eliab höhnte ihn und sagte: „Ich kenne deine Vermessenheit.“

Lassen Sie mich selbst lesen, denn es ist dort so schön beschrieben: „Bring diese zehn frischen Käse, bringe sie dem Hauptmann“, sprach Eliab, „warum bist du hergekommen? Wem hast du die wenigen Schafe dort in der Wüste überlassen? Ich kenne deine Vermessenheit wohl und die Bosheit deines Herzens.“ Das muss man erst einmal verdauen, wenn einem das ein Bruder in den Kopf wirft.

Man hat sich ja auch schon manches im Leben gefallen lassen müssen. Eliab warf David vor, er sei nur gekommen, um dem Kampf zuzusehen. Doch David wurde der Retter, der Goliath besiegte. Kaum hatte er das getan, wissen Sie, was König Saul zu ihm sagte? „Wer bist denn du, Junge?“ Der König, der gegen die Philister nichts erreicht hatte, setzte David wieder herab. Das Leben besteht oft aus Herabsetzungen.

Unsere Gemeinde hier ist eine Versammlung von Menschen, die im Leben oft zu kurz gekommen sind. Wenn man ehrlich ist, ist jeder von uns schon einmal benachteiligt worden. Keiner hat immer die Anerkennung oder den Platz bekommen, den er verdient hätte. Andere haben sich vorgedrängt, mit Ellbogen abgeschoben. David hat das alles auf schreckliche Weise mitgemacht.

Das Schlimmste war, dass er eine Ehefrau hatte – ich hoffe, Ihnen passiert das nicht! Michal war sie, und sie war wie Martin Luther in gewisser Weise. Wissen Sie, wie es war, als David die Bundeslade nach Jerusalem brachte? David war so begeistert: „Gott wohnt hier an dieser Stätte!“ Doch als er nach Hause kam, wurde er nicht mit offenen Armen empfangen. Michal verspottete ihn mit ihren Worten. Das ist noch schlimmer als ein körperlicher Angriff, denn Worte können tief verletzen.

Sie sagte: „Wie herrlich war heute der König, als er sich vor den Mägden und Männern entblößte!“ David hatte nur sein Hemd ausgezogen, weil es heiß war. Sie verspottete ihn, als wäre er ein unzüchtiger Mann. Sie sagte: „Ha, du König!“

David antwortete auf diese Lästerung nur: „Ich freue mich vor dem Herrn, der mich erwählt und zum Fürsten bestellt hat. Ich will noch viel geringer werden als jetzt und will niedrig sein in meinen Augen.“

Sehen Sie, wo David Frieden gefunden hat vor dem lebendigen Gott? Er trug all die Verwundungen und Verletzungen seines Lebens vor den Herrn und legte sie dort ab. Er sagte einfach: „Herr, da ist der tiefe Frieden. Vor dir stehe ich, und vor dir bin ich da. Ich finde Frieden nur durch dich.“

Das trotzig-verzagte Herz und die Haltung Davids

Bei Jeremia steht so schön geschrieben: Das Herz ist ein trotziges und verzagtes Ding.

Das ist eine schöne Formulierung – ein trotziges und verzagtes Ding. Wer kann es ergründen? Es ist gut, dass wir heute Morgen einmal sagen: Das größte Problem, wenn es darum geht, Frieden zu finden oder Stille zu erleben, ist unser eigenes Herz. Wie bekommen wir das in den Griff?

Das können wir von David lernen. Er sagt: „Ich bin nicht hoffärtig und nicht stolz, meine Augen sind nicht stolz, es geht mir nie um mich.“ Das ist nämlich das Gefährlichste: Wenn ich nur um mich selbst kreise, dann bin ich verletzt, wenn ich entehrt oder gekränkt werde. Nein, Herr, ich stehe vor dir, ich bin dein Kind und von dir erwählt.

Können Sie heute Morgen von sich sagen: Herr, du kennst mich durch und durch, mit allem, was in mir ist? Ich lebe doch nur vor dir und für dich. Hoffärtigkeit ist immer ein Wesen, das in dieser Welt üblich ist – es ist eine Art Hochmut. Man muss vor der Welt etwas darstellen, man muss angeben. Man muss in der Welt immer eine Schau machen.

Das ist heute ganz schlimm geworden. Auch die Christengemeinden haben das kopiert, besonders bei den Gottesdiensten. Wir müssen überall eine Schau machen, ganz toll und wunderbar. Dabei sollten wir nur sagen: Wir sind ein armes und geringes Volk, aber der Herr hat uns lieb. Was wollen wir denn mehr von uns sagen?

Wir sind Staub und Asche, aber erwählt als Gotteskinder. Jesus sucht uns, und unser größter Adel, unsere größte Würde ist, dass wir zu Jesus gehören. Er hat uns erkauft mit seinem Blut, und wir sind sein Eigentum.

Das ist der Stolz unseres Lebens. Die anderen dürfen uns verspotten und verlachen – was soll’s? Es darf uns gar nicht mehr verletzen. Und da ist es wichtig, ...

Ein Entschluss zur Demut und Schlichtheit

Ein Entschluss

Ich möchte nicht mehr diesen alten Dingen nachhängen. Ich möchte nicht nach hohen Dingen trachten, sondern ganz schlicht meinem Herrn dienen.

Es ist überraschend, dass König David nie dieser Sucht erlegen ist, ein großer Repräsentant zu sein. Heute ist es ein großes Wort, König zu sein und zu repräsentieren. David war der Hirtenjunge, den der Herr erwählt hat – ein Mann nach dem Herzen Gottes. Das war das Entscheidende.

Ach Herr, ich will nur dich haben. Das soll das Größte für mich sein. Und selbst wenn Michal spotten und lästern sollte, kann mir das nicht schaden. Ich habe diesen großen Frieden bei meinem Herrn.

Ich gehe nicht um mit großen Dingen, die mir zu wunderbar sind. Was sind denn das für große Dinge? Er hätte ja träumen können, auch als König, was er alles noch machen will. Sind es Dinge der persönlichen Machtentfaltung? Was ich alles noch tun will? Sind es die Geheimnisse des Lebens, die ich lösen wollte?

Ach, wisst ihr, man darf ja ganz schlicht einfach sagen: Ich will mich einfach freuen an meinem Herrn, dem ich gehöre. Ich gehe nicht um mit großen Dingen, die mir zu wunderbar sind. Ich lasse mir genügen an dem, was der Herr gegeben hat.

Jeder Tag ist ein Tag unter seiner Fürsorge, und ich werde von ihm wunderbar versorgt. Was soll denn noch sein? Ich freue mich an ihm, wie er mich versorgt.

Und da ist das schöne Bild – fürwahr: Meine Seele ist still und ruhig geworden wie ein entwöhntes Kind bei seiner Mutter.

Nun ist das ja ein ganz wunderbares Bild – die Mutter, die ihr Kind trägt. Wir Väter können das gar nicht so gut wie die Mütter. Das war etwas ganz Besonderes. Und das kommt schon daher, dass die Mutter das Kind stillt.

Aber das ist das Schönste, wie wir es jetzt bei den Enkelkindern wieder erleben, wenn sie heiraten und wieder Kinder haben. Es ist wunderbar, dass durch die Jahrhunderte hindurch dieses herrliche Bild in der Bibel nochmals entfaltet wird – als ein Bild, wie ich in den Armen Gottes ruhen darf.

Die Ruhe und Geborgenheit bei Gott

Haben Sie diese Ruhe bei Gott gefunden, diese herrliche Ruhe und diesen Gottesfrieden, sodass Sie sagen können: Er ist bei mir? Paul Gerhardt hat uns die schönen Verse im Neujahrslied „Nun lasst uns gehen und treten“ geschenkt:

„Denn wie von treuen Müttern in schweren Ungewittern
die Kindlein hier auf Erden mit Fleiß bewahrt werden,
also auch und nicht minder
lässt Gott sich seine Kinder,
wenn Not und Trübsal blitzen,
in seinem Schosse sitzen.“

Allein dieses Bild genügt, um Frieden zu schenken. Herr, ich darf doch bei dir ruhen und bei dir geborgen sein, was auch kommen mag. Und ich darf das erleben.

Was ist vor so einem Kind noch an Schwerem, an Dunklem? Ach, da denkt doch ein Kind: Ich bin bei der Mutter geborgen, in ihrem Arm drin. Ich habe mein Herz ruhig und still gemacht – so heißt es eigentlich hier. Es ist nicht bloß geworden, ich habe das gemacht. Ich will mich jetzt nicht weiter mit diesen anderen Dingen beschäftigen.

Das ist ja schlimm: Je mehr wir uns mit schweren Gedanken beschäftigen, desto tiefer graben wir uns hinein, und umso unheimlicher fallen sie über uns her. Wir können das ja nicht bewältigen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat. Genug ist es, dass ich in dem Herrn geborgen bin, so wie das entwöhnte Kind im Arm der Mutter ganz ruhig und in großem Frieden geborgen.

Und jetzt wissen Sie, warum wir das gesungen haben: sicher in Jesu Armen, sicher an seiner Brust. Das hat uns Jesus gegeben, der gute Hirte, und das hat uns seit Kindertagen begleitet. Er ist der Hirte, der das verlorene Schaf aus den Dornen holt, die Wunden verbindet und dieses Schäflein auf seinen Armen trägt.

Es ist ein Bild, das auch in Jesaja 40 vorkommt: dass er die kleinen Schafe auf seinen Armen trägt. Ein großes Bild der wunderbaren Bewahrung Gottes.

Die Reife des Glaubens und das Vertrauen auf Gottes Führung

Sören Kierkegaard, der große Philosoph, hat viel über den Glauben Abrahams geschrieben. Das ist interessant, denn Gott hat Abraham auf eine sehr schwere Weise geführt. Wenn man daran denkt, wie Abraham durchs Land gezogen ist und nie die Erfüllung der Verheißung seines Nachkommens gesehen hat, bis er schließlich Isaac bekommt, wird das deutlich.

Kaum ist Isaac geboren, verlangt Gott von Abraham, ihn auf dem Berg als Opfer zu schlachten. Das ist unheimlich! Warum macht Gott solche grausamen Dinge? Warum verlangt er von seinen Leuten, den Glauben Abrahams zu testen, indem er fordert, dass sie das Liebste für den Herrn hergeben?

Jetzt sind wir genau an diesem Punkt. Traust du Gott so etwas zu? Es ist ja auch ganz schwer. Im Laufe des Lebens erlebt man vieles: Man wird älter, ist plötzlich auf Hilfe angewiesen, braucht vielleicht einen Rollstuhl und kann nicht mehr alles selbst machen. Man muss ins Heim ziehen, gibt seine Wohnung auf, wird in der Firma nicht mehr gebraucht. Dann sagen manche, es sei besser so, wenn der Alte nicht mehr da ist. Man zieht sich zurück und merkt, wie Freunde sterben.

In solchen Zeiten ist es eine Hilfe, an Abraham zu denken, der das Liebste hergeben sollte. Kierkegaard hat dafür ein tolles Bild gefunden. Er sagt: Im Orient werden Kinder bis zum Alter von zweieinhalb Jahren gestillt, also relativ lange. Aber irgendwann müssen die Mütter ihre Kinder abstillen, und das ist ein Kampf. Ein Kind in diesem Alter hat schon einen starken Trotz. Es schreit, wirft sich auf den Boden und strampelt.

Die arabische Mutter schmiert sich ihre Brust schwarz an, sodass das Kind erschrickt und die Brust fremd für es wird. Dann will es nicht mehr trinken. Kierkegaard sagt: So kann Gott sich manchmal in deinem Leben verstillen. Dabei ist er dir gar nicht fremd, er ist dein Freund und Retter. Aber er verstillt sich manchmal, weil er dich entwöhnen will von der Muttermilch – hinein in die Reife des Glaubens.

Das ist ein schönes Bild, das man nicht mehr vergisst: Die Reife des Glaubens, in der ich sage: Herr, du kannst tun und machen, was du willst, ich vertraue dir. Gerade haben wir auf dem Michelsberg bei den Eidlern am Sonntag einen Vortrag gehalten. Dort waren wir im Duett mit meiner Frau und sprachen über William Busch und seine Frau Catherine und wie sie gestorben sind.

William Busch sagte: „Herr, ich verstehe dich nicht, aber ich vertraue dir.“ Ein wunderbares Wort! Ich muss dich nicht verstehen. Deine wunderbaren Wege und Gedanken sind höher als meine Gedanken. Das hilft uns heute Morgen ganz entscheidend.

Ich will wie ein entwöhntes Kind bei dir sein, immer so wie ein kleines Kind. Es war herrlich, wie du mich mit deinen Wohltaten gefüttert hast. Aber auch wenn ich durch dunkle Zeiten gehe, in denen ich nicht mehr an der Mutterbrust liegen darf und Gott mich allein lässt, darf ich fest wissen, dass ich in seiner Hand ganz fest geborgen bin. Mich kann niemand aus seiner Hand reißen.

Das Vertrauen auf Gottes Verheißungen trotz Zweifel

Und jetzt ist es schön, wenn wir die herrlichen Liedverse singen, wie zum Beispiel „Befiehl du deine Wege“ und „Was dein Herz erkränkt“. Diese Verse sprechen von der aller treuesten Pflege dessen, der den Himmel hängt.

Wie unser Glaube reift, wenn wir ihn lassen tun und walten! Er ist ein weiser Fürst und wird sich so verhalten, dass du dich wundern wirst. Mir geht es jetzt im Alter oft so, dass es eigentlich schade ist, dass wir damals nie aufgeschrieben haben, wie wir fast an Gott verzweifelten.

Es gab Stunden, in denen wir sagten, das kann Gott gar nicht mehr lösen, die Sache ist so verfahren. Und wie wunderbar hat Gott es gelöst – das hätten wir nie gedacht! Wir staunen rückblickend nur noch. Oft habe ich in meinem Leben gedacht, ich sei in einer Sackgasse. Doch das war nicht so, denn immer hat Gott den Ausgang geschaffen.

Und so wird es auch weitergehen. Ich darf mich ihm anvertrauen. Die herrlichen Verse, gerade wie ich es an ihn lasse tun und walten: Er ist ein weiser Fürst und wird sich so verhalten, dass du dich wundern wirst, wenn er, wie es ihm gebührt, mit wunderbarem Rat das Werk vollendet, das dich bekümmert hat.

Lass ihn machen, wie ein entwöhntes Kind bei seiner Mutter. Ich bin still geworden. Nein, ich möchte das einfach lernen: dieses Stillwerden und das Wissen, dass er da ist. Ich gehe nicht mit großen Dingen um, ich verstehe sie auch nicht. Das wollen wir von David lernen, dass ich diesen Frieden mache, mein Herz still und ruhig mache wie ein entwöhntes Kind bei seiner Mutter.

Ich darf ihm glauben. Ach Herr, mach mir das immer größer, dass ich dich vor Augen habe! Woher kann ich das Glauben nehmen? Aus seinen herrlichen Zusagen. Er bricht kein einziges Wort, keine Verheißung wird hinfallen. Es geschah, damit erfüllt würde, was geschrieben steht.

Du wirst einmal in der Ewigkeit sagen: Herr, alle deine Verheißungen hast du erfüllt, du hast mich nicht einmal angelogen. Es war immer das verlässlichste Wort. Und manchmal war ich so dumm, dass ich es nicht glauben wollte, obwohl du dein Wort für mich gegeben hast.

Dann werden wir begierig in der Bibel die wunderbaren Verheißungen suchen. „Ich will dich nicht verlassen noch versäumen.“ Herrlich, du hast es gesagt! Daran hat er sich gebunden und festgemacht. Darauf baut mein Glaube – nicht auf meine Erfahrungen.

Das ist das entwöhnende Kind: Ich baue nicht auf meine Erfahrungen und vor allem nicht mehr auf das, was ich sehe. Die Augen sind der größte Feind des Glaubens. Durch die Augen werden wir fortwährend irritiert, durch die Augen sehen wir alle Dinge falsch.

Wir leben in einem Meer von Täuschungen und sehen doch das Recht. Nur im Glauben erkennen wir es so. Und wir dürfen es aufs Wort hin fassen und das Wort haben. Der Herr hat es gesagt.

Heute Morgen war die schöne Losung: „Wie der Herr uns den Frieden gibt, wird er gebieten.“ Er kann diesen Frieden so in unser unruhiges Herz hineinsprechen.

Jetzt muss ich immer wieder sagen – ich sage es mir selbst – ich habe auch schon ein unruhiges Herz, und dann kommen die Sorgen. Und wir sind ja wach. Es kann einfach sein, dass Leute resignieren. Sie kennen auch resignierte Menschen, die einfach den Kopf fallen lassen und sagen: „Es hat alles keinen Wert, es ist alles umsonst, es ist verrückt und geht gar nicht mehr weiter.“

Nein, nein! Wir wollen kämpfen und ringen. Aber wir wollen den Frieden Gottes schmecken, fühlen und sagen: Danke, Herr, dass ich mich mit all meinen Dingen dir herrlich anvertrauen darf.

Diesen Frieden möchte ich spüren, wie das Kind bei seiner Mutter. Wie ein kleines Kind so ist meine Seele in mir. Und diese Seele, die ein so großes Verlangen hat, findet dort Frieden und Ruhe.

Zweifel, Unglauben und die Kraft der Gemeinschaft

Jetzt können wir dieses Wort noch einmal auf einer viel tieferen Ebene betrachten. In unserem Herzen gibt es auch Zweifel, böse Zweifel, Misstrauen gegenüber Gott, ja sogar Unglauben.

Gerade im Alter macht uns das zunehmend zu schaffen. Obwohl wir doch dem Herrn gehören wollen, tragen wir immer noch einen tiefen Rest von Unglauben in uns. Es gehört schon viel dazu, sich wirklich fallen zu lassen und zu sagen: Jetzt ist der Herr wirklich am Zug, und wir sind ganz in seiner Hand. Wie er es auch führt, wir brauchen es nicht selbst zu machen. Aber wie sieht die Wirklichkeit aus?

Da zeigt sich: In unserem Herzen ist viel Böses. Dann sehen wir Gott wie ein Baby die schwarze Brust seiner Mutter – es erschrickt. Aber wir wissen es doch ganz genau: Er, der seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern ihn für uns alle dahingibt, der himmlische Vater, der Jesus am Kreuz für mich sterben lässt – wie sollte er uns in ihm nicht alles schenken?

Ich weiß es doch. Und deshalb sollt ihr diesen Dienst aneinander tun und in den schweren Stunden des Zweifels und der Sorge niemanden allein lassen. Stärkt einander und sagt: Gerade dort, wo wir in der Tiefe unserer Schuld leiden und sagen „Das ist mein böses Herz“, da erfahre ich, wie der Herr mich tröstet und erquickt.

Und wenn deine Sünde gleich blutrot wäre, soll sie doch schneeweiß werden. Das muss ich immer wieder erfahren, gerade weil mein Herz voller Sünde ist. Da gibt es auch viel menschliches Begehren, und oft kann ich nicht sagen: „Herr, jetzt machst du, wie du willst.“

Es gibt ein Lied, das ich mag: „Ich habe meinen Sachgott heimgestellt.“ Es sind wirklich tolle Lieder. „Ich habe meinen Sachgott heimgestellt, wie du willst.“ Das kann ich oft gar nicht sagen: „Wie du willst.“ Ich habe einen Eigenwillen, der selber etwas will.

Aber ich darf mein trotziges Herz auch vor dem Herrn bekennen und sagen: Herr, vergib mir mein trotziges und auflehnendes Herz. Mir genügt es, dass ich dich fassen und dir vertrauen darf – in der großen Liebe und in der Freude.

Ich darf Ja sagen zu deinen Wegen, auch wenn ich sie nicht verstehe. Es sind herrliche Segenswege, und sie werden wunderbar sein. Keiner von uns wird sich in der Ewigkeit einmal beschweren: Herr, du hast etwas falsch gemacht.

Gebet für Frieden, Erneuerung und Segen

Darf ich noch einmal sagen, wie sehr mich am Sonntag der plötzliche Unfalltod von Hans-Peter Reuer erschüttert hat? Da sagt man: „Der fällt einfach so.“ Wir brauchen das zu verstehen, diese wundersamen Dinge. Doch Herr, jetzt beten wir Dich an! Sei über diesem Werk, dieser wichtigen Bibelschule in Schladming, und auch über Deine Christenheit. Wir brauchen solche Zeugen. Erwecke sie und berufe sie, unser Herr! Du hast doch Gedanken des Friedens und nicht des Leides.

Dann werden wir still bei unserem Herrn. Wir wollen noch etwas für den Herrn erleben, und darum ist es so groß, dass ich das hier habe. Meine Seele habe ich still gemacht. Ich will diese Stille vor dem Herrn finden, diese Ruhe und diesen Frieden.

Es ist ja wunderbar, wie wir uns immer wieder Sorgen um unsere Enkelkinder oder Patenkinder machen. Aber ich habe mein Herz still gemacht, wie ein entwöhntes Kind bei seiner Mutter. Herr, ich habe es in Deine Hand gelegt, und dort liegt es jetzt. Du sorgst dafür.

Es war so schön: Wir hatten neulich auch Sorgen um einen lieben Menschen. Da hat meine Frau so schön gesagt: „Du, du brauchst nicht mehr anfangen. Wir haben es doch dem Herrn gesagt, und dort liegt es.“ Das ist herrlich! Ich habe meine Seele stillgemacht, und er weiß es. Er sorgt für mich.

Jetzt möchte ich zum Schluss noch über die große Freude sprechen. Es ist nicht bloß die Stille meines Herzens und die Ruhe meines Herzens. Ich sage nochmals das, was viele Urlauber nicht finden: Wenn man im Stau steht, ist das ärgerlich. Drei Stunden im Stau, ein großer Unfall, es ist heiß, man hat kein Wasser dabei – furchtbar, die Unruhe unseres Lebens.

Aber wir sagen immer wieder: Wir brauchen diese Stille, die ihr hier unter dem Wort Gottes gesucht habt. Mein Wunsch war und ist mein Gebet, dass ihr heute auch in ganz konkreten Bedrängnissen eures Lebens diesen Frieden neu entdeckt habt. Aber auch die Freude, die ich habe, schließt dieser Psalm ein: „Israel, hoffe auf den Herrn.“

Bei uns in der Welt gilt das Wort „hoffen“ oft als eine unsichere Sache. Man darf die Hoffnung nie verlieren, und die Hoffnung stirbt zuletzt. So hofft man, dass doch noch alles besser wird, hofft, dass irgendwie alles gut ist.

Das ist für uns Christen etwas ganz anderes. Wir haben eine ganz bestimmte Hoffnung – ich nenne es lieber feste Zuversicht. Darauf verlasse ich mich. Ich gründe auf den Herrn und stelle es ihm anheim. Bist du nicht Regent, der alles führen soll? Gott sitzt im Regiment und führt alles.

Jetzt lass doch ihn machen, leg es ihm hin, und ich traue es ihm zu. Im Psalm 30 sagt David: „Ich sprach, als es mir gut ging: Ich werde nimmermehr wanken. Du, Herr, hast mich durch Dein Wohlgefallen auf einen hohen Felsen gestellt. Aber als Du Dein Angesicht verbargst, erschrak ich.“

Es gibt solche Momente, in denen wir erst merken, wie sehr wir vom Erleben und Sehen abhängig sind. Ich möchte das Sehen, wie Gott mich führt. Und dann erschrecke ich, wenn ich plötzlich mal halte. Ich bin da im Morast, in der sumpfigen Grube, in die wir gestern gesprochen haben. Ich bin hineingefallen, und es ist der gleiche Herr.

Hoffe, harre des Herrn, rechne mit ihm, setze deine ganze Zuversicht auf den Herrn! Und das ist so schön, dass es dann im Hebräerbrief heißt: „Der Glaube ist eine gewisse Zuversicht, dass man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht, an Überwältigtwerden von der wunderbaren Barmherzigkeit Gottes.“

Und dass wir immer wieder wissen: Wer sind wir denn? Wir können doch nur immer wieder staunen und unsere Loblieder singen von diesem Herrn, der uns den Tisch bereitet und der uns führt und leitet von nun an bis zur Ewigkeit. Ganz wohl von nun an bis in Ewigkeit.

Nochmal: Wie hat David am Anfang gesagt? „Ich will nicht stolz sein, ich will nicht hoffärtig sein, ich will keine großen Worte machen, aber ich will ganz fröhlich an der Hand meines Gottes meine Straße weiterziehen.“

Das ist auch so schön im 23. Psalm: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Und obschon ich durchs finstere Tal marschiere – was macht das denn? Obschon, ist doch gar nicht schlimm. Fürchte ich keinen, du bist doch da, Herr. In Deiner Hand bin ich geborgen.

Deshalb singen wir auch nachher noch einmal ein Lied von dieser kindlichen Geborgenheit, die uns die Liederdichter immer so schön zugesungen haben. Dieses Lied, das wir nachher singen, stammt von Friedrich Traub, der Korntaler Gemeindeglied war und dann nach China ging. Er hat uns auch das schöne Lied „Jesus lebt, Jesus siegt, Halleluja, Amen“ gegeben.

Er hat den Boxeraufstand durch das Wunder Gottes überlebt. Es sind ja viele Tausend ums Leben gekommen, 1906 gestorben, aber er hat uns dieses Lied von der großen Geborgenheit des Kindes bei der Mutter geschenkt.

Das wollen wir aufnehmen und von dieser Freizeit mitnehmen als die Stille und den Frieden.

Schlussgebet um Frieden und Segen

Wir wollen noch beten:

Lieber Herr, vielen Dank, dass du uns diesen Frieden schenken möchtest. Verzeih uns, wenn wir immer wieder versuchen, alles aus eigener Kraft zu schaffen, obwohl wir es doch nicht können.

Du schenkst uns diesen Frieden, diese Stille, diese Freude und Geborgenheit. Deshalb legen wir dir alles an dein Herz, was uns bedrückt und Sorgen bereitet – auch die lieben Menschen, um die wir uns sorgen.

Herr, erbarme dich unserer! Wir leiden mit unter unseren Gemeinden, in denen oft so viel Tod und so viel Abgestorbenes ist. Gib uns neues Leben. Wir wollen darauf vertrauen, dass du auch in der jungen Generation deine Leute suchst und deine Gemeinde sammelst.

Ganz herzlichen Dank, lieber Herr! Auch für diesen Tag, diesen wunderbaren, sonnigen Sommertag, den wir aus deiner Hand nehmen. Wir bitten dich, dass du uns weiterhin Segen, Frieden, Stille und Geborgenheit in dir schenkst.

Amen!