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Unsere Lebenswelt ein Kampffeld. Nicht nur Gefahren für Umwelt, Gesundheit oder Frieden bedrohen uns, sondern vor allem der altböse Feind. Aber niemand ist dem Teufel schutzlos ausgeliefert. Es gibt eine Rüstung, die rettet, nämlich die Waffenrüstung Gottes. - Predigt aus der Stiftskirche Stuttgart


Schlaraffenland wäre schön. Die Brüder Grimm erzählen von einem Paradies, in dem die Brattauben in den Mund fliegen, die Bratwürste auf den Zähnen wachsen und Faulheit die höchste Tugend ist. Aber das alles ist nur fröhlich fabuliert. Der Wunsch als Vater der Gedanken ist noch lange keine Wirklichkeit. Schlaraffenland ist Märchenland.

Oder Phantasie wäre schön. Michael Ende berichtet von einem Land, in dem ein Elfenturm steht, eine Prinzessin wohnt und viele Gnomen leben. Aber das alles ist nur munter erdichtet. “Wer dorthin die Augen blinzelnd richtet, sich über Wolken seinesgleichen dichtet”, könnte man mit Goethe sagen. Phantasia ist Phantasieprodukt.

Oder Utnapischtim wäre schön. Der Gilgamesch-Epos schreibt von einer jenseits des Totenmeeres gelegenen Insel, auf der die verjüngende Pflanze wächst, die Unsterblichkeit zu Hause ist und die Helden den Reigen seliger Geister tanzen. Aber das alles ist nur aus den Fingern gesogen. Die menschliche Sehnsucht hat keine schöpferische Kraft. Utnapischtim ist Utopie.

Es bleibt dabei, dass unsere Lebenswelt ein Kampffeld ist. Keinem wird es erspart. Niemand wird etwas geschenkt. Jeder hat an seinem Platz zu kämpfen. Der Lehrling gegen seine Kameraden, die ihn pausenlos sticheln und wegen seines frommen Aufklebers auf den Arm nehmen. Der Angestellte gegen seine Kollegen, die ihn mitleidig belächeln und immer wieder ins Leere laufen lassen. Der Chef gegen seine Konkurrenten, die ihn schadenfreudig überflügeln und ihm obendrein noch eines auswischen. Der Vater gegen seinen Sohn, der ihn total ausnimmt und dann noch für dumm verkauft. Der Alte gegen den Enkel, der ihn ins Heim verfrachtet und keinen Pfennig zahlen will. Wir alle haben unsere Blessuren weg. Die blutenden Wunden und inneren Verletzungen, die wir davongetragen haben, tun weh, entsetzlich weh. Heinrich Heine hatte schon recht: “Die Welt ist ein Lazarett.”

Aber, liebe Freunde, wissen wir denn noch, dass wir nicht nur gegen das Böse zu kämpfen haben, sondern gegen den Bösen? Wissen wir denn noch, dass wir nicht nur gegen Fleisch und Blut zu kämpfen haben, sondern gegen den Leibhaftigen? Wissen wir denn noch, dass wir nicht nur gegen die gemeinen Attacken von Zeitgenossen zu kämpfen haben, sondern gegen die listigen Anschläge des Durcheinanderbringers? Unser Hauptkampf ist der Machtkampf gegen den Teufel. Manche mögen diesen Namen nicht. Sie können solch mittelalterliches Gerede nicht hören. Unsere entzauberte Welt kenne keine Teufel mehr. Nun lässt der Apostel sicher mit sich streiten, ob denn Albrecht Dürer das Recht hatte, ihn so scheußlich und so buchstäblich darzustellen, aber nicht darüber, dass es in jedem Leben einen Kampf mit dieser Verderbensmacht gibt. Auch lässt der Apostel sicher mit sich streiten, ob denn Martin Luther in der Dämmerung seiner Zelle den Gottseibeiuns erblickt und das Tintenfass nach ihm geschleudert, aber nicht darüber, dass er mit dem Evangelium wirklich dem Widersacher Paroli geboten hat. Und der Apostel lässt sicher mit sich streiten, ob denn manche Schriftsteller nicht des Guten zu viel vom Bösen reden, aber nicht darüber, dass bei uns der Durcheinanderwirbler kräftig am Werke ist. Paulus malt den Teufel nicht an die Wand, wenn er sagt: Das Duell mit ihm bleibt keinem erspart. Der Kampf mit ihm muss jeder durchstehen. Der Böse ist auch unsere tödliche Bedrohung.

Es gibt gegenwärtig Gefahren für unseren Wald, wenn der saure Regen nicht zu stoppen ist. Es gibt gegenwärtig Gefahren für unsere Gesundheit, wenn die Reaktoren nicht sicher gemacht werden können. Es gibt gegenwärtig Gefahren für unseren Frieden, wenn die Machthaber sich nicht mehr verständigen können. Die Gefahr aller Gefahren jedoch ist der altböse Feind. Deshalb hat Martin Luther mit dicken Lettern unterstrichen: “Der Christ soll wissen, dass er mitten unter den Teufeln sitzt und dass er ihm näher ist als Rock und Hemd.”

Aber auch das andere soll der Christ wissen, und das ist in diesen Versen zu erfahren, dass keiner vor diesem Feind schwach zu werden braucht. Niemand ist dem Teufel schutzlos ausgeliefert. Es gibt eine Rüstung, die rettet, nämlich die Waffenrüstung Gottes. Nur drei Teile dieser Voll- oder Ganzrüstung, wie es wörtlich heißt, wollen wir uns näher ansehen, nämlich den stoßfesten Helm, die kugelsichere Weste und den marschbereiten Schuh.

1. Der stoßfeste Helm

C.S. Lewis, der messerscharfe Denker und mitreißende Schreiber aus England, hat jene “Anweisungen an einen Unterteufel” veröffentlicht, die das Ränkespiel des göttlichen Gegenspielers demaskieren wollen. Darin also wird ein Helfershelfer des Teufels beauftragt, für die richtige Kopfbedeckung der Christen zu sorgen. Ein Zylinder zum Beispiel gebe ihnen den notwendigen Ernst. Oder ein Barett mache aus ihnen einen ehrenwerten Kleriker. Auch ein dunkles Kopftuch putze Gemeinschaftsleute angemessen heraus. Auf jeden Fall müsse dies eine verhindert werden, dass diese Menschen nach einem Kopfschutz greifen, denn des Teufels Schläge zielen auf den Kopf.

So ist das bis heute. Da sind die Schicksalsschläge wie bei einem Hiob im Lande Uz. Auf einen Schlag hat er sieben Söhne und drei Töchter verloren. Es müssen gar nicht so viele sein. Da genügt schon der eine Sohn, der sich auf sein Motorrad geschwungen hat und nicht mehr nach Hause kam. Oder da genügt schon eine Tochter, die die Koffer packte und nichts mehr von sich hören ließ. Schicksalsschläge nehmen einem die Besinnung. Und da sind die Krankheitsschläge wie bei einem Gelähmten am Teich Bethesda. 38 Jahre lang lag er dort auf seinem Schragen. Andere sitzen jahrelang auf dem Rollstuhl und sind auf die Hilfe anderer angewiesen. Viele plagen sich mit Schmerzen, Leiden, Kraftlosigkeit. Krankheitsschläge lassen einen taumeln. Und da sind die Versuchungsschläge wie bei einer Eva im Garten Eden. Sollte Gott gesagt haben, ihr sollt nicht essen? Sollte Gott gesagt haben, ihr sollt nicht leben, lieben, nehmen, was ihr kriegt? Sollte Gott gesagt haben, ihr sollt nicht töten, morden, abtreiben, was nicht passt? Versuchungsschläge hauen einen um. Kein Kopf, nicht einmal der stärkste Dickschädel, hält diesen Teufelsschlägen stand. Wenn wir am Boden sind, hat der Satan leichtes Spiel.

Weil dem so ist, liebe Freunde, muss ein Helm her, kein Schutzhelm aus Plastik oder ein Stahlhelm aus Stahl, sondern ein stoßfester Rettungshelm aus Gottes Rüstkammer. Genau der aber ist vorhanden. Das Alte Testament bezeichnet ihn als Koba Jeshua, das heißt “Helm der Hilfe” oder “Helm der Rettung”. Der lebendige Gott hat ihn persönlich auf seine Tauglichkeit hin ausprobiert. In Jesaja 59 steht: “Gott setzt den Helm des Heils auf”, als er aufbricht, sein Recht in der Welt durchzusetzen. Gottes Rettungshelm heißt Jesus. In Jesus setzt Gott sein Recht durch. Auf Jesus gehen alle Vernichtungsschläge. Mit Jesus bin ich selbst im Trommelfeuer des letzten Gerichts geschützt und geborgen.

Sicher kann man seinen Namen nur auf den Lippen spazierentragen, so wie ein Motorradstar seinen Helm gerne am Ellbogen spazierenträgt, aber das bringt nichts. Sich in ihm bergen, in ihm verstecken, ganz in ihm verschwinden, das meint Paulus, wenn er mahnt “Ziehet an den stoßfesten Helm des Heils.”

2. Die kugelsichere Weste

In den “Anweisungen an einen Unterteufel” erfahren wir eine weitere Teufelei. Der diabolische Helfershelfer soll dem verängstigten und verunsicherten Menschen folgend Schutzpanzer aus dem schmutzigen Waffenhandel anbieten oder andrehen. Zuerst den Panzer der Lüge für die, die sich die Wahrheit nicht leisten können. Die Leute auf dem Finanzamt zum Beispiel müssen wahrlich nicht alles wissen. Sie nutzen das nur aus und drehen weiter an der Steuerschraube. Man darf sich nicht immer in die Karten gucken lassen. Dann ist der Panzer der Unbarmherzigkeit im Angebot für die, die endlich weiterkommen wollen. Wer sich alles zu Herzen nimmt, bricht unterwegs zusammen. Arbeitshände vertragen keine Samthandschuhe. Man muss sich rücksichtslos durchsetzen können. Übrigens hat dieser Panzer viel Luft an den Schultern, damit man gründlich die Achseln zucken kann: “Was schert’s mich? Was geht’s mich an? Jeder ist sich selbst der Nächste.” Dann ist der Panzer der Selbstgerechtigkeit auf dem Ladentisch für die, die die moralische Gefühlsduselei gründlich satt haben. Wer erfolgreich sein will, darf nicht zimperlich sein. Ein verunsichertes Gewissen macht lebensuntüchtig. Man darf sich nur keine Schuldgefühle einreden lassen. Schließlich existiert noch eine spezielle kirchliche Ausgabe, nämlich der Panzer der Religiosität, hinter dem man sagt: “Ich weiß gar nicht, was die wollen. Wir sind auch Christen. Wir haben nichts gegen Gott. Wir kennen die 10 Gebote!” Also Panzer en masse, die uns auf den Leib geschmiedet sind und keine Druckstellen verursachen. Aber es sind Kampfrüstungen, die der Feind uns gibt. Sie stammen aus den Beständen des schmutzigen Waffenhandels. Mit ihnen gehen wir im wahrsten Sinne zum Teufel.

Es gibt nur eines, sich wirklich zu entrüsten, sich die Lüge, die Unbarmherzigkeit, die Selbstgerechtigkeit und die Gottlosigkeit vom Leibe zu reißen und sich nach der Gerechtigkeit umzuschauen. Bei dem lebendigen Gott ist sie zu entdecken. “Er zieht Gerechtigkeit an wie einen Panzer”, sagt Jesaja. Dann kommt er in seinem Sohn auf diese Welt. Es werden ihm Fallen gestellt. Es werden Angriffe auf ihn gestartet. Von allen Seiten wird er beschossen. Am Kreuz geht es sogar durch den Kugelhagel des Todes. Aber diese Gerechtigkeit hält und erweist sich als kugelsicher. Seit Golgatha, wo die Sünde gerichtet und der Sünder gerettet wurde, gibt es den Panzer der Gerechtigkeit. Auch er heißt Jesus Christus und ist jedem angeboten.

Mit ihm bin ich gegen jeden Angriff gepanzert, denn “wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der da gerecht macht.” Und wenn sie sagen: “Du bist auch nicht besser als die andern”, dann weiß ich: Gott ist hier! Und wenn sie sagen: “Du bist doch in deiner Not genauso hilflos wie jeder Mensch.” Gott ist hier! Und wenn sie sagen: “Du bist doch der gleiche Todeskandidat wie wir alle.” Gott ist hier, der da gerecht macht.

Paulus will, dass wir diesen Panzer entdecken: Ziehet an die kugelsichere Weste der Gerechtigkeit.

3. Der marschbereite Schuh

Bei seiner letzten Anweisung hat es der diabolische Helfershelfer nicht schwer. Er soll die Christen darin bestätigen, dass Stress eine Erfindung des Zeitgeistes ist. Der Heilige Geist sagt: “Ruhet ein wenig.” Ruhe ist die erste Bürgerpflicht, auch im Gottesreich. Deshalb macht’s euch gemütlich. Zieht die Schuhe aus. Schlüpft in die Filzpantoffeln. Das Feuerchen des Evangeliums wird euch wärmen, wenn ihr kalte Füße bekommen habt. So haben sich viele in ihre vier Wände zurückgezogen, die bequemen Hausschuhe angezogen und die liebliche Spieluhr aufgezogen, die die schönste Friedensmelodie abspielt, nämlich: “Lass mich in Frieden!”

Aber Paulus will seine Leute nicht im Sessel, sondern auf der Straße. Sie sollen sich nicht zurückziehen, sondern losziehen. Fertig sollen sie sein, gestiefelt und gespornt, um das Evangelium des Friedens in die Welt zu tragen.

Christen sollen keine Friedenskämpfer sein. Der Friede ist schon von Jesus erkämpft. Friedensträger heißt der Auftrag, der diesen Friedensgruß des Auferstandenen weiterträgt: “Friede sei mit euch!” Hinein in die Familie, wo man seit Wochen wie Katz und Maus lebt: “Friede sei mit euch!” Hinüber zu den Nachbarn, die man seit Jahren nicht mehr grüßt: “Friede sei mit euch!” Hinaus in diese Welt, wo man keine Brücken mehr bauen kann: “Friede sei mit euch!” Nur so helfen wir doch zum Frieden, wenn wir wieder den Friedensfürsten Jesus bekannt machen, der zwischen uns und Gott Frieden gestiftet hat und deshalb zwischen den Menschen Frieden stiften kann. Ohne ihn ist Friede ein bloßes Wort, eine leere Hülse, eine taube Nuss.

Paulus hat sich die Wanderschuhe angezogen. Durch halb Europa war er unterwegs. Viele haben es ihm nachgemacht. Jetzt sind wir dran. Zieht den marschbereiten Schuh des Evangeliums an, und die kugelsichere Weste und den stoßfesten Helm des Heils.

Übrigens ist alles gratis. Jesus hat mit seinem Blut dafür bezahlt. Die Waffenrüstung Gottes gibt es zum Nulltarif. Wir müssen nur darum bitten, aber das müssen wir.

Amen


[Predigtmanuskript; nicht wortidentisch mit der Aufnahme]