Einführung: Einheit und Zugehörigkeit im Glauben
So, jetzt sind alle versorgt. Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.
Liebe Gemeinde, John Wesley ist bekanntlich der Begründer oder Mitbegründer der Methodistenkirche, einer evangelischen Konfession, die im achtzehnten Jahrhundert in England und Amerika entstanden ist.
Wesley hat selbst einmal folgendes Erlebnis berichtet: Eines Nachts träumte er, er wäre gestorben und auf dem Weg in die Ewigkeit. Da kam er zu einem mächtigen Portal und fragte: „Ist hier der Himmel?“ Die Antwort lautete: „Nein, die Hölle.“ Das war ja schon mal ein Schrecken. Er fragte weiter: „Gibt es hier Leute aus der anglikanischen Kirche, aus der englischen Hochkirche?“ – „Ja, hier gibt es sehr viele.“ „Gibt es hier auch Baptisten?“ – „Ja, sehr viele.“ „Lutheraner?“ – „Ja, natürlich.“
Da dachte Wesley an seine eigene Kirche und fragte: „Gibt es hier auch Methodisten in der Hölle?“ – „Ja, sehr viele.“ Entsetzt eilte er zur Himmelspforte. Dort stellte er die gleichen Fragen: „Gibt es hier auch Methodisten?“ „Gibt es hier Lutheraner?“ – „Nein, nein, Lutheraner gibt es hier auch nicht.“ „Gibt es hier Reformierte oder Baptisten?“ – „Nein, nein, überhaupt nicht.“
„Was für Leute sind denn im Himmel?“, fragte Wesley. Und da bekam er zur Antwort: „Hier gibt es nur arme Sünder, die durch das Blut Jesu Christi gerecht geworden sind.“ Das war die Antwort.
Als Wesley das erzählte, wollte er damit nicht sagen, dass die Konfessionen überflüssig oder unwichtig sind oder dass es sich nur um nebensächliche Fragen handelt. Vielmehr wollte er sagen, dass uns nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfession in den Himmel bringt, sondern allein die Zugehörigkeit zu Jesus Christus.
Es kommt also nicht darauf an, dass wir zu einer Kirche gehören, sondern dass wir zu ihm gehören. Und dann wird es uns von dort aus auch wichtig werden, zu einer Kirche, zu einer Gemeinde zu gehören. Aber es geht um ihn. Er ist es, der die Einheit der Kirche Jesu Christi in der ganzen Welt ausmacht.
Die Herausforderung der Einheit in der Gemeinde
Diese Einheit der Gemeinde ist ja das große Thema, das Paulus, wie wir gesehen haben, am Anfang von Epheser 4 behandelt. Dort sind wir inzwischen mit unserer Predigtreihe angekommen.
Wenn man das liest, was Paulus über die Einheit schreibt, fragt man sich natürlich: Wie soll das bitte schön in der Praxis funktionieren? In einer Gemeinde treffen so viele unterschiedliche Typen aufeinander, so viele verschiedene Lebensgeschichten, Milieus und Traditionen. Wie soll man das alles unter einen Hut bekommen? Wie kann daraus jemals eine echte Einheit werden? Nicht nur eine oberflächliche Einheit, wie in einem Kegelclub.
Paulus sagt: Das geht. Das geht, erstaunlicherweise, es geht. Gott selbst hat uns nämlich etwas vorgegeben. Gott selbst hat etwas gestiftet, das die Gemeindefamilie zusammenhält. Er hat uns auf ein gemeinsames Fundament gestellt. Dieses gemeinsame Fundament, auf das er uns stellt, ist nicht irgendeine Organisationsstruktur. Es ist auch nicht eine Gemeindeordnung, so wichtig sie sein mag.
Das Fundament, das er uns gegeben hat, ist – und ich sage das ganz bewusst so – die objektive Wahrheit, die er uns in der Bibel offenbart. Auf dieser Wahrheit, die wir gemeinsam glauben, beruht unsere Einheit. Auch wenn wir in unseren menschlichen Begrenzungen manches noch nicht so einheitlich erkennen, so ruht die Einheit doch auf der objektiven Wahrheit der Bibel.
Vor 14 Tagen haben wir gesehen, mit welchen Worten Paulus diese Wahrheit zusammengefasst hat. Ich denke, Sie erinnern sich noch an diese Verse: Ein Leib, ein Geist, berufen zu einer Hoffnung eurer Berufung, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen. Das waren die drei Verse unmittelbar vor unserem heutigen Predigttext (Epheser 4,4-6).
Dort hat Paulus gesagt: Der Heilige Geist ist der Schöpfer der Einheit, Jesus Christus ist das Haupt der Einheit, und Gott der Vater ist der Bewahrer der Einheit. Ihr macht die Einheit nicht selbst, sondern Gott.
Die Verantwortung der Gemeinde für die Einheit
Paulus hat das auch gesagt, und zwar in den Versen davor. In den Versen 1 bis 3 betont er, dass eure Verantwortung darin besteht, diese Einheit zu bewahren, sie zu bewähren und in ihr zu leben.
Dazu hat Paulus uns gezeigt, wie wichtig es ist, vier Grundhaltungen in unserem Zusammenleben zu kultivieren und auszubilden, die diese Einheit fördern. Wir haben genau untersucht, welche Grundhaltungen das sind.
Die erste ist Demut, das heißt, ich achte den anderen höher als mich selbst – das Gegenteil von Stolz. Die zweite Grundhaltung ist Sanftmut. Das bedeutet, dass ich auch in kritischen Situationen Selbstkontrolle bewahre und versuche, behutsam mit dem anderen umzugehen.
Die dritte Haltung ist Geduld oder Langmut. Das heißt, ich habe einen langen Atem, auch mit dem, der mir Mühe macht. Die vierte Grundhaltung ist Duldungsbereitschaft aus Liebe. Das bedeutet, dass ich auch Böses ertragen kann und trotzdem versuche, dem anderen in Liebe wieder zurechtzuhelfen. Ich lasse kein Böses zu, wenn es andere betrifft, aber ich kann persönlich Böses ertragen und trotzdem dem anderen dienen und ihm helfen.
Paulus sagt, wenn diese Grundhaltungen unter euch wachsen, dann kann eure Einheit auch Spannungen, Schwierigkeiten und Streit überstehen – die es immer geben wird, weil wir Menschen sind. Dann werdet ihr diese Herausforderungen meistern, daraus lernen und geistlich wachsen.
So weit waren wir bisher gekommen: Einheit ist ein hohes, kostbares Gut und ein gemeinsamer Schatz.
Einheit als Vielfalt statt Einförmigkeit
Aber Einheit bedeutet nicht Eintönigkeit oder Einförmigkeit. Im biblischen Sinne heißt Einheit nicht, dass unsere Individualität aufgehoben wird. Einheit nach Gottes Verständnis bedeutet nicht Konformismus, bei dem alles über einen Kamm geschoren wird. Nein, innerhalb dieser Einheit gibt es eine spannende Vielfalt.
Deshalb beginnt Vers 7 mit einem „Aber“. Es ist, als wollte Paulus sagen: „Leute, so wichtig diese Einheit ist – und das finden Sie auch auf Ihrem Gottesdienstzettel –, so wichtig diese Einheit ist, jedem von uns ist die Gnade gegeben nach dem Maß der Gabe Christi.“
Vorher, in Vers 6, hatte Paulus noch betont: „Wir alle, wir alle, wir haben als Christen den einen Vater, Gott selbst.“ Er hatte gesagt: „Es ist ein Gott und Vater aller, der da ist über allen, der über seine Kinder wacht, der da ist durch alle, der durch alle seine Kinder wirkt, als seine Boten, als seine Werkzeuge und der da ist in allen.“ Das heißt, Gott lebt in persönlicher Gemeinschaft mit allen seinen Kindern. „Alle, alle, alle“, hat Paulus gesagt, „ein Vater über alle.“
Dann fügt er in Vers 7 als Gegenüberstellung an: „Aber jedem einzelnen von uns ist die Gnade gegeben nach dem Maß der Gabe Christi.“ Das bedeutet, in dieser Einheit gibt es Vielfalt. Und heute werden wir ein Stück weit sehen, worin diese Vielfalt besteht – alles unter dem Dach der Einheit.
Einheit heißt nicht, dass wir alle gleich aussehen oder nur noch als Kopien eines christlichen Prototyps herumlaufen. Einheit bedeutet keine langweilige Gleichmacherei, keine Uniformität. Jeder von uns ist Gottes Handarbeit.
Darum lautet das Thema und der Titel dieser Predigt heute auch „Handarbeit statt Massenware“. Wenn Sie mitschreiben, schreiben Sie ganz oben „Handarbeit statt Massenware“.
Die Bedeutung der individuellen Begabung
Das ist das Thema dieses Bibeltextes: Eintönigkeit ist nicht Gottes Sache. Eintönigkeit ist vielmehr ein Kennzeichen mancher Sekten, in denen alle dieselben Klamotten tragen, gleich lange Haare haben und fast mit denselben Worten sprechen. Von außen sind sie kaum noch zu unterscheiden. Das ist eher ein Merkmal von Sekten und Ideologien.
Dass alle in einer Uniform geradeaus marschieren, sodass man sie nicht mehr unterscheiden kann, ist nicht Gottes Art. Gott kennt in der Einheit Vielfalt. Deshalb betont Paulus hier in Vers 7 so ausdrücklich den Einzelnen.
Wir fragen nun: Worin besteht diese Individualität, diese Vielfalt? Das Erste, was Paulus uns von Gott ausrichtet, ist, dass er sagt: Du bist speziell begabt. Das ist Punkt eins. Paulus zeigt hier zwei Punkte auf. Der erste heißt: Du bist speziell begabt.
Einem jeden aber, so heißt es in Vers 7, ist die Gnade gegeben nach dem Maß der Gabe Christi. Man könnte es freier übersetzen mit: Jedem hat Christus die Gnade in ganz spezieller Ausfertigung zugeteilt.
Unterstützen wir das erst einmal und fragen: Ist denn die Gnade nicht für alle Gläubigen gleich? Was ist Gnade? Gnade ist ein unverdientes Geschenk von Gott. Klar, das wichtigste Geschenk, das wir von Gott bekommen haben, ist die Rettungsgnade.
Das bedeutet, dass er uns, als wir zu Jesus Christus als unserem Herrn und Erlöser kamen, unsere Schuld vergeben hat. Er hat uns mit seiner Versöhnung beschenkt, uns gerecht gesprochen und uns zu Gottes Kindern gemacht. Diese Rettungsgnade ist für jeden Christen gleich, das stimmt.
Aber wenn Gottes Gnade einmal an einem Menschen zu wirken begonnen hat, hört das nicht mit dem Christwerden auf. Die Gnade stellt, nachdem wir zur Bekehrung geführt worden sind, ihren Dienst an uns nicht ein. Sie wirkt weiter an uns.
Das sagt die Bibel ganz ausdrücklich: Die Gnade wirkt nicht nur Rettung, sondern auch Befähigung und Begabung. Gnade rettet und Gnade befähigt.
Man kann also ganz deutlich sagen: Die Rettungsgnade ist für jeden gleich. Aber die Befähigungsgnade – und um die geht es Paulus hier – die Ausrüstungsgnade, die Dienstgnade, wenn Sie so wollen, wird unterschiedlich und individuell bemessen.
Die Gemeinde als bunte Frühlingswiese
Es gibt ein Lied in christlichen Kreisen, in dem es heißt: Jesus schafft Persönlichkeiten, die das Salz der Erde sind. Genau darum geht es – Handarbeit statt Massenware. Jesus schafft keine Armee von christlichen Klonen, sondern individuelle Persönlichkeiten.
Wenn man das mit einem Vergleich ausdrücken wollte, könnte man sagen: Die Gemeinde ist nicht einfach eine Ansammlung von Flaschen. Ich denke dabei an eine Flaschenfabrik, in der alle Flaschen denselben Kronkorken, dasselbe Etikett, dieselbe Form und Farbe haben und dann auf einem Fließband aneinander vorbeirattern. So ist die Gemeinde nicht.
Man könnte eher sagen, die Gemeinde ist wie eine bunte Frühlingswiese mit ganz vielen unterschiedlichen Farben. Jesus schafft Persönlichkeiten, die das Salz der Erde sind. Die Gnade macht Typen aus uns – unverwechselbare Kinder Gottes. Jeder von uns ist eine spezielle Anfertigung des göttlichen Ideenreichtums. Das ist die Gnade, von der Paulus hier in Vers 7 spricht.
Ich erinnere mich noch an einen älteren Pastor, als ich noch Amtsanfänger war. Wenn er von besonderen Typen sprach, nannte er sie immer eine „Handarbeit Gottes“. Er sagte: „Das ist auch so eine Handarbeit Gottes.“ Paulus sagt jetzt hier in Vers 7, dass das für jeden Christen gilt – für jeden von uns, der zu Jesus Christus gehört. In gewisser Hinsicht gilt es sogar für jeden Nichtchristen.
Man könnte sagen: Jeder Mensch, den Gott auf die Erde kommen lässt, ist ein Original als Geschöpf. Das sehen wir etwa am Fingerabdruck. Jeder von uns hat einen anderen Fingerabdruck – das ist für die Fahndung der Polizei sehr hilfreich. Schon daran sieht man: So wie Gott jeden Menschen, der auf diese Erde kommt, als einzigartiges Geschöpf ganz speziell gestaltet, so stattet Gott auch jedes seiner Kinder, jedes Glied seiner Gemeinde, mit ganz bestimmten Begabungen aus.
Hier wird gesagt, dass Gott uns ausstattet mit einem ganz bestimmten Mix – wie man heute sagt – mit einer ganz bestimmten Kombination an Fähigkeiten und Möglichkeiten. Darum ist die Gemeinde eine bunte Frühlingswiese oder, anders gesagt, auch ein bunter Haufen.
Paulus hat das darum immer besonders gern mit dem Bild vom menschlichen Körper ausgedrückt. In 1. Korinther 12 vergleicht er die Gemeinde mit einem menschlichen Körper, der in seinen unterschiedlichen Organen, Knochen und Teilen als eine große Harmonie zusammenwirkt.
Dort heißt es ab Vers 4: „Es sind verschiedene Gaben, aber es ist ein Geist; es sind verschiedene Ämter, aber es ist ein Herr; es sind verschiedene Kräfte, aber es ist ein Gott, der alles in allen wirkt. In jedem offenbart sich der Geist zum Nutzen aller.“ Das heißt, es dient allem, es dient dem Ganzen.
Und dann sagt er in Vers 14: „Denn auch der Leib ist nicht ein Glied, sondern viele.“ (1. Korinther 12,4-14)
Vielfalt der Begabungen in der Praxis
Und was das in der Praxis bedeutet, konnte man zum Beispiel bei den Bibeltagen am letzten Wochenende sehen. Ein paar wenige hätten diese Aufgabe der Bibeltage überhaupt nicht schultern können. Es waren viele Mitarbeiter nötig, mit zum Teil ganz unterschiedlichen Fähigkeiten, die dort gefragt waren.
Man muss sagen, dass sicherlich nicht jeder Mitarbeiter alle seine Gaben einbringen konnte. Viele können bestimmt noch Dinge, die bei den Bibeltagen gar nicht zum Tragen kamen, die aber in anderen Situationen des Gemeindelebens plötzlich wieder wichtig werden können.
Das haben die Menschen, die zu uns kamen, denke ich, auch gemerkt. Ich bekam noch etliche Rückmeldungen. In einer dieser Rückmeldungen hieß es: „Für diese mutmachenden Bibeltage am letzten Wochenende möchten wir ganz herzlich danken. Unser Herr hat uns durch sein Wort gestärkt und froh gemacht, und Sie und die Geschwister haben uns damit einen sehr guten Dienst getan.“
Also hat dieses Ehepaar, das hier schreibt, gemerkt, dass es eine Gemeinschaftsaufgabe war. Die ganze Gemeinde ist beteiligt. Wie gesagt, manche haben noch weitere Begabungen, die bei den Bibeltagen überhaupt nicht zum Tragen gekommen sind. Zum Beispiel die Begabung, Fernstehende anzusprechen.
Das ist besonders wichtig in der Vorbereitung und Durchführung des nächsten Sonntags. Manche haben eine besondere Fähigkeit, gute kommunikative Fähigkeiten, gute Ideen, wie man mit Nichtchristen ins Gespräch kommt, wie man in einem Buch eine Kassette gibt oder wie man versucht, sie einzuladen. Manche haben so ein ganz besonderes Händchen dafür.
Dennoch gilt der Grundauftrag natürlich allen Christen. Jesus sagt zu allen seinen Jüngern: „Ihr seid meine Zeugen, ihr habt alle die Aufgabe.“ Jesus sagt: „Wer mich bekennt vor den Menschen, den werde ich bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer mich verleugnet vor den Menschen, den werde ich verleugnen vor meinem himmlischen Vater.“
Also sind wir alle gefragt, mitzubringen, einzuladen. Doch es gibt Menschen, die Gott an dieser Stelle auch mit einer ganz besonderen Fähigkeit und Begabung ausgestattet hat. So ist es mit vielen Aufgaben und Gaben in der Gemeinde. Das ist nicht streng nach Schubladen getrennt.
Wenn Paulus sagt: „Einem jeden ist eine bestimmte Gabe nach dem Maß Christi gegeben“, heißt das nicht, dass einer die Sache macht und nur diese eine Sache kann. Es ist also nicht so, dass einer nur Gespräche führt, der andere nur Musik macht, der Dritte nur Organisation, der Vierte nur Predigt, der Fünfte nur Kisten schleppt, der Sechste nur die Finanzen verwaltet und der Siebte nur Seelsorge betreibt.
Nein, wir sind alle gefragt. Doch Gott gibt uns in der Regel immer wieder Schwerpunktaufgaben, manchmal auch für einen bestimmten Zeitraum – je nach Gemeindesituation und je nach der aktuellen Zusammensetzung der Mitarbeiterschaft.
Da hat jemand vielleicht die Gabe, Kinderarbeit gut zu tun. Dann kommt er in eine Gemeinde, in der schon 25 Leute Kinderarbeit machen. Aber es sind nur ganz wenige, die Krankenbesuche durchführen. Da sieht der Mensch: „Das kann ich auch. An dieser Stelle bin ich momentan offensichtlich mehr gefordert.“
Es kommt auch auf die jeweilige Situation in der Gemeinde an. Oder eine Familienmutter hat im Rahmen ihrer Familie so viel zu tun, dass sie sagt: „Ich kann jetzt nicht ständig weg. Ich bin an so vielen Ecken und Enden hier erforderlich. Ich muss präsent sein für meine Kinder, damit sie wirklich den richtigen Weg finden. Mein Aufgabenschwerpunkt muss jetzt mal für eine Zeit zuhause liegen.“
Wir müssen fragen, wo Gott uns haben will. Verstehen Sie, was Paulus hier in Vers 7 sagt? Das ist nicht bürokratisch gemeint, nicht statisch. Es geht darum, dass wir das von Gott her immer wieder versuchen herauszubekommen und wissen, dass er uns begabt und beauftragt.
Einem jeden von uns ist die Gnade gegeben nach dem Maß der Gabe Christi. Für manchen kann es auch die Zeit sein, dass der Beruf sein Hauptaufgabenfeld ist. Er merkt plötzlich: „Mensch, in meinem natürlichen Umfeld, wo ich fünf oder sechs Tage die Woche verbringe, bieten sich so viele Gesprächskontakte an. Da gibt es viele Möglichkeiten, Kollegen zu mir nach Hause einzuladen oder mit ihnen etwas zu unternehmen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Da ist zurzeit mein Missionsfeld in meinem Beruf.“
Dann ist es gut, das auch ruhig der Gemeinde zu sagen: „Leute, betet für mich, da ist momentan meine Hauptaufgabe!“ Die Arbeit ist dann die Außenstelle der Gemeinde, sei es im Büro bei Siemens, in der Kantine von Hanumak oder wo auch immer.
Darum geht es: Der Herr gibt uns Gaben und Aufgaben. Vers 7 markiert einen ganz großen Reichtum der Gemeinde: „Einem jeden von uns ist die Gnade gegeben nach dem Maß der Gabe Christi.“
Die Quelle der Begabungen: Christus selbst
Warum? Weil in jedem, der an Jesus glaubt, Gottes Gnade wirkt. Der Begriff, den Paulus hier verwendet, heißt Charis – Charis also für Gnade. Darum kann Paulus auch an anderer Stelle von den Charismata sprechen, also von den sogenannten Gnadengaben oder Charismen.
Charismen sind nicht irgendwelche spektakulären Kunststücke, die ein besonders geistbegabter Mensch in einer besonderen spirituellen Kraft durchführen kann. Das sind keine Charismata. Vielmehr sind Charismata Fähigkeiten und Begabungen, die Gott allen seinen Kindern in seiner Gnade schenkt.
Das heißt, es gibt keinen Christen ohne Gaben von Gott. Es gibt keinen Christen ohne die Möglichkeit und den Auftrag, dem Herrn zu dienen. Deshalb hatte Paulus das ja vorher in Epheser 2,10 gesagt: Wir sind sein Werk, geschaffen zu guten Werken, die er schon längst dafür vorbereitet hat, dass wir darin wandeln sollen. Er hat uns als sein Werk geschaffen, damit wir ihm dienen in seinen Wegen.
Und das ist das Erste, was ich Sie bitten möchte, festzuhalten: Du bist speziell begabt. Darin liegt nun eine große Verantwortung für jeden von uns. Denn jeder von uns muss sich fragen lassen: Wo liegen denn nun meine speziellen Begabungen? Was sind zurzeit meine Möglichkeiten? Wie kann ich damit in der gegenwärtigen Situation Christus am besten dienen? Und wo kann ich das in seiner Gemeinde, für seine Gemeinde und für sein Reich am besten einsetzen?
Diese Frage muss sich jeder von uns vor Gott ganz ehrlich stellen. Mir helfen da immer Vorbilder, an denen ich sehen kann, wie sie ihre Gaben einsetzen. Ein älterer Freund von mir ist Mediziner und hat ein großes evangelistisches Herz. Er hat viele Ideen und ist sehr kommunikativ – und er nutzt das.
Beispielsweise hat er jetzt seine Praxis geschlossen, weil er pensioniert wird. Er hat einen Patientenhauskreis gegründet, einen missionarischen Patientenhauskreis, und den führt er auch nach dem Schließen seiner Praxis weiter fort. Außerdem leitet er eine Organisation in der Medizin und in der Krankenpflege. Diese Organisation führt Seminare durch, um Christen, die im Krankenpflegewesen tätig sind, zu unterstützen, zu ermutigen und anzuleiten – auch in ihrer missionarischen Verantwortung.
Dieser Mann reist immer noch durch Osteuropa, gerade auch in viele arme Länder. Die Medizin öffnet ihm viele Türen. Dabei nimmt er meistens einen großen Koffer mit Medikamenten mit und hat immer wieder die Gelegenheit zu evangelisieren, zu predigen und in Gefängnisse hineinzukommen.
Er führt Kongresse durch, zusammen mit anderen, um christliche Mediziner in diesen Ländern anzuleiten, wie sie missionarisch tätig sein können – in ihrem Umfeld durch Medizin und durch das Evangelium. Da er ein deutscher Professor ist, öffnen sich ihm natürlich viele Türen, wo er auch Vorträge vor säkularen Kollegen halten kann. Auch dort öffnet sich ihm die Möglichkeit, das Evangelium zu teilen.
Beispiele für vielfältige Begabungen
Das ist in der Medizin die Tür für das Evangelium. Dann kann er sogar noch singen; das macht er bei den Konferenzen manchmal auch. Dieser Mensch denkt nicht ständig über seine Begabung nach, als ob er sagen würde: „Ach, was bin ich doch begabt!“ Stattdessen tut er einfach, was ihm Gott vor die Füße legt. Das macht er.
Er hat mir das Versprechen abgenommen, ihn einmal zu beerdigen. Und er sagt immer wieder: „Wenn du mich beerdigst, rede bloß nicht so viel von mir.“ Das meint er auch ehrlich.
Ein ganz anderes Beispiel: Ein älterer, runzliger Herr. Ich weiß noch genau, als ich als junger Pastor anfing auf meinem Dorf. Er hat mich am Tag der Ordination besucht, als viele Leute da waren. Plötzlich kam er wie ein geheimer Agent, drückte mir einen Zettel mit seiner Telefonnummer in die Hand und sagte: „Sie müssen zum Beten kommen!“ Dann war er wieder verschwunden. Ich dachte, das ist ja ein seltsamer Herr.
Aber ich habe ihn natürlich angerufen. Er sagte: „Kommen Sie zu mir zum Beten.“ Dieser Mann hatte einen ganz einfachen Beruf. Er pflegte zuhause seine kranke Frau. Was seinen Aktionsradius anging, hatte er einen räumlich ganz engen Horizont. Aber dieser Mann hatte einen weiten Blick – einen Blick in Gottes Ewigkeit. Er war ein Mann des Gebets.
Mit ihm zu beten hat mich selbst gelehrt zu beten, mit einer solchen Ernsthaftigkeit, wie er betete und wie man merkte, wie sein Herz um Menschen kämpfte. Er hatte einen so klaren Blick, was es heißt, wenn Menschen ohne Christus verloren gehen. Und er ist ihnen nachgegangen.
Diese Gebetsstunden, die wir von Zeit zu Zeit durchführten, waren eine große Stärkung für meinen Dienst als junger Pfarrer damals noch.
Dieser Mann hat dann Altenheime aufgesucht. Er hat mit seiner Trompete geblasen, damit die Bewohner überhaupt erst einmal aufmerksam wurden und zuhörten. Dann hat er Schriften verteilt, hat ihnen Andachten gehalten. Er hat Gott gedient mit der Gabe, der Begabung, die der Herr ihm gegeben hatte.
Von solchen Beispielen lernen wir. Oder da ist eine junge Frau, die gut mit Kindern umgehen kann. In ihrer Gemeinde gibt es noch keine Kinderarbeit, es ist nur eine ganz kleine Schar von Menschen. So fängt sie an, in ihrem Umfeld eine Kinderstunde anzubieten und lädt die Eltern in den Gottesdienst ein.
Oder da ist ein Lehrer an einer staatlichen Schule, der plötzlich merkt: „Mensch, hier existiert ein Schülergebetkreis.“ Und er sagt: „Die brauchen meine Hilfe.“ Er hält sich zu ihnen, ermutigt sie, betet mit ihnen zusammen und lädt zu diesem Kreis ein.
So viele verschiedene Möglichkeiten.
Verstehen Sie: Gott hat kein Schema F. Gott hat keine starre Schablone, in die er uns reinzwängt, damit wir alle im Gleichschritt marschieren. Es gibt so viele unterschiedliche Lebensgeschichten, so viele verschiedene natürliche Fähigkeiten, die wir erst einmal mitbringen. Diese hat Gott uns schon in der Schöpfung gegeben. Oft schenkt er uns noch ganz spezielle Begabungen dazu.
Es gibt von unserer Lebensgeschichte her viele verschiedene Ausbildungswege, Familiensituationen, aus denen wir kommen, gesundheitliche Umstände, mit denen wir klarkommen müssen, oder Finanzen, die mal besser und mal schlechter sind. Wir haben alle unsere je andere kulturelle Prägung. Das ist so bunt und vielfältig.
Und doch benutzt Gott jedes seiner Kinder auf seine ganz besondere Weise. Gott nimmt jedes seiner Kinder gleich ernst. Er hat jeden von uns gleich lieb. Jeder von uns ist ihm gleich viel wert.
Deswegen gibt es ja in einer Gemeinde auch nicht Gemeindeglieder erster und zweiter Klasse. Es gibt nur Gemeindeglieder erster Klasse bei Gott.
Manchmal sind gerade die Dienste in der Gemeinde, die besonders wenig auffallen, besonders wertvoll. Warum? Weil sie eine besondere Treue verlangen.
Solange man irgendetwas tut, was sichtbar ist vor der Gemeinde, macht man das noch relativ leicht. Und es fällt ja auch auf, wenn man das nicht macht. Aber viele der Arbeiten im Hintergrund, die auch wenig öffentliche Würdigung finden, die vermeintlich besonders klein sind, sind bei Gott besonders hoch geachtet. Denn sie verlangen oft eine besondere Treue.
Petrus erinnert auch mal daran, welche Verantwortung jeder von uns hat. Er sagt in 1. Petrus 4,10: „Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als gute Haushalter der mancherlei Gnade Gottes.“
Verstehen Sie, wir sollen Haushalter sein dieser vielfältigen Gaben, die der lebendige Gott in jeden von uns, jedem, der zu ihm gehört, durch Jesus Christus hineingelegt hat.
Und das ist die große Frage, die ich mir immer wieder stellen muss – die Sie sich immer wieder stellen sollten: Bin ich ein guter Haushalter? Oder verschwende und verschlafe ich die Gaben, die Gott mir gegeben hat?
Man könnte auch anders formulieren: Schöpfe ich mein Potenzial aus?
Gott will von uns ja auch keine Art Alibimitarbeit. Da hat einer eine bestimmte Aufgabe übernommen und macht sie halbherzig. Hauptsache, er macht eine Arbeit, und dann ist er beruhigt, weil er in der Mitarbeiterliste steht. Er kann sich sagen: „Ich mache ja was, und gut ist.“ Und er ist beruhigt, obwohl er eigentlich keinen Grund zur Beruhigung hätte, weil es eine Alibimitarbeit ist, in der nicht sein Herz drin hängt.
Auch das müssen wir überprüfen.
Paulus sagt: Du bist speziell begabt. Und darin steckt eine klare Aufgabenbeschreibung: Du sollst dich nicht nach Dingen ausstrecken, die du nicht hast, sondern dankbar und verantwortungsbewusst erkennen, was du hast.
Manche sind unzufrieden und denken: „Wenn ich so und so wäre, dann könnte ich mich einsetzen. Oder wenn ich das und das könnte, oder wenn ich wie der und der wäre, ja dann, dann, dann…“
Gott sagt: Du bist speziell begabt. Ich habe dein Leben doch nicht zufällig in dieser Art und Weise entstehen lassen und dich diesen Weg geführt, den ich dich geführt habe. Du bist speziell begabt.
Handarbeit statt Massenware.
Lied als Ermutigung: Irgendeinen Platz hat Gott
Bevor wir den zweiten, kürzeren Teil angehen, möchte ich an dieser Stelle noch etwas ganz kurz anfügen. Das fiel mir heute Morgen ein, als ich das Manuskript für die Predigt noch einmal durchgegangen und durchgearbeitet habe.
Hier passt genau ein Lied von Manfred Siebald, in dem er das zum Ausdruck bringt: "Irgendeinen Platz hat Gott, an dem will er dich haben." Damit sich Ihnen das einprägt, können wir den Refrain mal ganz schnell zusammen versuchen zu singen:
"Irgendeinen Platz hat Gott, an dem will er dich haben,
irgendetwas kann kein anderer Mensch so gut wie du,
irgendwo wirst du von ihm gebraucht mit deinen Gaben,
und wenn du ihn fragst, dann weist er dir die Arbeit zu."
Versuchen Sie mal:
"Irgendeinen Platz hat Gott, an dem will er dich haben,
irgendetwas kann kein anderer Mensch so gut wie du."
Dann geht es weiter:
"Irgendwo bist du von ihm gebraucht mit deinen Gaben,
und wenn du ihn fragst, dann weiß er dir die Arbeit zu."
Ich denke, jetzt kriegen wir es zusammen:
"Irgendeinen Platz hat Gott, an dem will er dich haben,
irgendetwas kann kein anderer Mensch so gut wie du.
Irgendwo wirst du von ihm gebraucht mit deinen Gaben,
und wenn du ihn fragst, dann weiß er dir die Arbeit zu."
Hast du schon in trüben Stunden Mitleid mit dir selbst gehabt?
Hast du auch schon oft gefunden, du seist unbegabt?
"Irgendeinen Platz hat Gott, an dem will er dich haben,
irgendetwas kann kein anderer Mensch so gut wie du.
Irgendwo wirst du von ihm gebraucht mit deinen Gaben,
und wenn du ihn fragst, dann weiß er dir die Arbeit zu."
Willst du das mit anderen teilen, was dir Gott gegeben hat?
Willst du reden, helfen, heilen, so wie er es tat?
"Irgendeinen Platz hat Gott, an dem will er dich haben,
irgendetwas kann kein anderer Mensch so gut wie du.
Irgendwo bist du von ihm gebraucht mit deinen Gaben,
und wenn du ihn fragst, dann weist er dir die Arbeit zu."
Kannst du trösten und beraten?
Hören, wenn ein anderer klagt?
Oft will Gott nicht große Taten, Liebe ist gefragt.
"Irgendeinen Platz hat Gott am Leben, an dem will er dich haben,
irgendetwas kann kein anderer Mensch so gut wie du.
Irgendwo wirst du von ihm gebraucht mit deinen Gaben,
und wenn du ihn fragst, dann weiß er dir die Arbeit zu."
Ich hoffe, Sie nehmen diesen Text mit. Natürlich können wir nicht wie Jesus reden, helfen und heilen mit seiner Vollmacht. Aber so wie er auf die Menschen in ihrer Not zugegangen ist – mit seiner Liebe, mit seinem Wort und mit dem Hinweis auf ihn – so sollen wir auf sie zugehen.
Das ist ein tröstliches Wissen: Gott macht Handarbeit, Handarbeit statt Massenware. Gott ist nicht statisch in seinem Vorgehen. Und Gott kann übrigens manchmal, wenn er es für nötig hält, auch im Alter jemandem noch eine Begabung schenken, die er sein ganzes sonstiges Leben über nicht hatte oder von der er nichts wusste.
Darum sagen Sie bitte prinzipiell nie: "Ich habe das nie gekonnt." Das kann ja sein, aber prüfe doch mal, was Gott möglicherweise jetzt mit dir vorhat.
Das ist also das Erste: Du bist speziell begabt. Das ist eine starke Ermutigung für uns, eine sehr starke Herausforderung.
Die Quelle der Begabung: Christus als Geber
Aber als ob es damit noch nicht genug wäre, schreibt Paulus uns noch eine zweite Tatsache ins Stammbuch, die wir jetzt etwas kürzer klären müssen. Paulus nennt auch die Quelle, er nennt den Verantwortlichen, der ihnen ihre Begabung gegeben hat.
Und das ist jetzt das Zweite, was ich Sie bitte festzuhalten: Zweitens, du bist von Christus selbst begabt. Das ist ganz entscheidend. Ein jedem von uns aber ist die Gnade gegeben nach dem Maß der Gabe Christi. Das heißt, ihre Begabung kam nicht beim Würfelspiel heraus. Ihre Begabung ist nicht das zufällige Ereignis und Ergebnis ihrer Gene, sondern du bist von Christus selbst begabt. Er verfolgt einen Plan damit. Das ist interessant.
Dann folgt noch eine weitere Erklärung dazu. Ehrlich gesagt, habe ich mich in der Vorbereitung gefragt, warum macht Paulus das? Warum gibt Paulus – und durch Paulus natürlich Gott – uns noch diesen auf den ersten Blick etwas umständlichen Zusatz?
Das ist ja das Gute an einer Predigtreihe, dass man sich um keinen Vers herumdrücken kann. Normalerweise wird über diese drei Verse, die jetzt folgen, gar nicht gepredigt. Aber jetzt müssen wir ran, und wir werden, denke ich, sehen, dass es wichtig ist. Ich hoffe, dass ich Ihnen das in ganz wenigen Sätzen klar machen kann, dass es nicht kompliziert ist, was hier steht, sondern wichtig für die Art, wie wir mit unseren Gaben umgehen.
Da zitiert Paulus unter der Überschrift „Du bist von Christus selbst begabt“ in Vers 8 einen alttestamentlichen Psalm, Psalm 68, Vers 19. Da sagt er: „Darum, also weil Christus uns begabt, heißt es: ‚Er ist aufgefahren zur Höhe und hat Gefangene mit sich geführt und hat den Menschen Gaben gegeben.‘“
Paulus zitiert hier das Alte Testament und sagt, dass dort schon vorgeschattet, angedeutet von Christus die Rede ist, dass er uns Gaben geben wird. Er ist aufgefahren zur Höhe, hat Gefangene mit sich geführt und hat den Menschen Gaben gegeben.
Psalm 68 müssen wir sehen, handelt ja ursprünglich von Gott selbst, von Gott dem Vater. Das ist ein Triumphlied, wie Gott sein Volk beschützt und wie Gott sich gegen die Feinde seines Volkes durchsetzt. Was Psalm 68 über Gott den Vater sagt, das sagt Paulus jetzt über Gott den Sohn.
Das wendet Paulus auf Gott den Sohn an und sagt, die entscheidende Station auf diesem Triumphzug Gottes, wovon Psalm 68 redet, war das, was er hier auf dieser Erde durch seinen Sohn gemacht hat, durch Jesus Christus. Darum gilt Psalm 68 nicht nur für Gott den Vater, sondern auch abgeleitet für Gott den Sohn, für Jesus.
„Er ist aufgefahren zur Höhe und hat Gefangene mit sich geführt und hat den Menschen Gaben gegeben.“ Und wir fragen: Wann hat Jesus das getan? Wann ist er aufgefahren zur Höhe?
Das ist dort geschehen, als er den Tod besiegt hat – Auferstehung und dann 40 Tage später Himmelfahrt. Da ist Jesus, wie die Bibel sagt, erhöht worden, er ist aufgefahren und bestätigt worden in seiner Macht. Dabei hat er, was die Bibel an vielen Stellen sagt, alle Mächte der Finsternis entmachtet.
Paulus sagt in Kolosser 2, Vers 15: „Er hat einen Triumphzug aus ihnen gemacht.“ So wie der siegreiche Feldherr nach Hause kam und dann die gegnerischen Generäle auf dem Wagen öffentlich angekettet vorführen ließ – das wäre der Triumphzug über die Besiegten.
So sagt Paulus, hat Christus einen Triumphzug aus den Mächten der Finsternis gemacht, aus dem Teufel und seinen Helfershelfern, den Dämonen und allen, die in seinem Dienst stehen. Er hat sie entmachtet, er hat sie gefangen genommen, und das ist endgültig perfekt gemacht worden durch seine Auferstehung und durch seine Erhöhung.
Man kann „Er hat Gefangene mit sich geführt“ auch noch anders verstehen: Er hat Menschen, die verloren waren ohne Christus, die in ihrer Sünde gefangen waren, in ihrer Gottesfeindschaft gefangen waren, die gefangen waren auf ihrem Weg Richtung Verderben. Die hat er mit sich geführt, hat er rausgerissen durch seinen Tod am Kreuz und durch die Auferstehung.
Christus ist aufgefahren zur Höhe, und nach dieser offiziellen Machtergreifung, die mit seiner Himmelfahrt zum Abschluss kam, hat Jesus dann den Leuten auf dieser Erde – zunächst den Jüngern und dann der Gemeinde, die hier seine Botschaft weitertragen sollten – eine Ausrüstung gegeben. Er hat den Menschen Gaben gegeben.
Er ist aufgefahren in den Himmel und hat den Menschen Gaben gegeben, erst der ersten Gemeinde und jetzt uns.
Eine Sache müssen wir noch klären, und Paulus sagt, da gibt es schon im Alten Testament eine Andeutung, dass das geschehen wird. Leicht verwirrend ist hier noch etwas: Wenn Sie später zu Hause in Ihrer Bibel nachgucken, muss ich Ihnen jetzt sagen, dass meistens in unseren Bibelübersetzungen in Psalm 68, Vers 19 steht: „Du hast Gaben empfangen von den Menschen“, also Gaben von den Menschen bekommen, Gott.
Man kann das im Hebräischen aber auch so übersetzen: „Du hast Gaben empfangen für die Menschen.“ Verstehen Sie? „Du hast Gaben empfangen für die Menschen“, und das ist wahrscheinlich die Bedeutung von Psalm 68, auf die Paulus sich stützt: Du, Jesus, hast Gaben empfangen für die Menschen, für uns, für deine Gemeinde, von deinem Vater.
Und diese Gaben, die du für uns empfangen hast, hast du uns nun weitergegeben. In diesem Sinne formuliert Paulus dann in der Art und Weise, wie er Psalm 68 zitiert, bereits das Endergebnis. Er sagt in Vers 8: „Er ist aufgefahren zur Höhe und hat Gefangene mit sich geführt und hat den Menschen Gaben gegeben.“
Also er hat für die Menschen Gaben empfangen und hat sie ihnen dann gegeben. So greift Paulus Psalm 68 auf. Er hat für die Menschen Gaben empfangen und hat sie ihnen dann gegeben.
Das ist etwas kompliziert, aber Paulus will deutlich machen: Leute, dass Christus uns begabt, ist so wichtig, dass wir schon im Alten Testament den Hinweis darauf haben.
Und genau so hat es im Grunde genommen dann auch Petrus in seiner großen Pfingstpredigt gesagt, Apostelgeschichte 2, Vers 33: Da sagt er, da Jesus durch die rechte Hand Gottes erhöht ist und den verheißenden Heiligen Geist vom Vater empfangen hat, hat er diesen ausgegossen.
Also Christus ist erhöht, genau wie hier in Psalm 68. Er hat empfangen, nämlich vom Vater, den Heiligen Geist, den er an uns, seine Gemeinde, dann weitergegeben hat und dessen Gaben er an uns, seine Gemeinde, weitergegeben hat.
So macht Paulus das hier deutlich. Das ist das Zitat von Psalm 68.
Die Bedeutung von Christi Himmelfahrt und Hinabstieg
Und dann fährt Paulus fort und sagt über Jesus in Vers 9, dass er aufgefahren ist. Was bedeutet das anderes, als dass er vorher auch hinabgefahren ist in die Tiefen der Erde? Dass er aufgefahren ist, heißt nichts anderes, als dass er zuvor hinabgefahren ist in die Tiefen der Erde.
Und in die Tiefen der Erde kann man auch übersetzen mit „in die Niederungen der Erde“. Bevor Christus aufgefahren ist, sagt Paulus, ist er erst einmal hinabgekommen in die Niederungen der Erde, hinabgekommen in den Schmerz der Erde, in die Schuld und in das Leid, das uns gefangen hält.
Klar, bevor Jesus diesen Triumph errungen hat, ist er erst einmal ganz tief in unser Leid, unseren Dreck, unsere Not und unsere Schuld hinabgestiegen. Paulus sagt, er hat sich von niemandem vertreten lassen. Er hat diese Drecksarbeit nicht irgendeinem anderen aufgetragen. Er hat sich vor dieser grausamen Aufgabe nicht gedrückt, sondern ist diesen schmachvollen, qualvollen Weg bis zum Kreuz wirklich bis zum Schluss gegangen. So weit hat er sich gedemütigt.
Dann schließt Paulus in Vers 10 ab und sagt: Der, der hinabgefahren ist, nämlich bis in die Tiefen der Erde, bis in die tiefste Tiefe unseres Schmutzes und unserer Schuld, das ist derselbe, der aufgefahren ist über alle Himmel, damit er alles erfülle.
Das heißt nun, die Macht Jesu, seine Hoheit, umfasst das ganze Universum. Es gibt nichts, was ich der Macht, der Souveränität und der Hoheit Jesu entziehen könnte. Er erfüllt alles mit seiner Gegenwart. Es gibt keinen Winkel im Universum, wo sich noch jemand vor Jesus verstecken könnte.
Das bedeutet, er erfüllt alles. Es gibt keine Flecken auf dieser Welt, wo jemand leben und sich dem Urteil Jesu entziehen könnte. Jesus Christus hat den Kosmos unterworfen. Er ist der König, und das wird am Ende, wenn Gott den letzten Schlussstrich zieht, für jeden sichtbar werden.
Er ist der König, er ist der Richter, er spricht das letzte Wort. Und der, sagt Paulus jetzt, hat dir in Handarbeit deine Begabung geschenkt. Können Sie das denken? Können Sie sich das vorstellen?
Du bist nicht nur speziell begabt, sagt Paulus, sondern vielmehr noch bist du von Jesus Christus selbst begabt, von diesem Jesus Christus, der den Kosmos regiert. Wenn einer die Macht dazu hat, dann ist es er. Wenn einer das Recht, das souveräne Recht hat, sich zu begaben und zu beauftragen, dann ist es er.
Verstehen Sie, darum hat Paulus diese ungewöhnlichen, auf den ersten Blick etwas kompliziert klingenden Verse 8 bis 10 hier angeführt. Er will sagen: Jesus hat die Macht, dich zu begaben. Jesus hat das Recht, dich zu beauftragen.
Schon im Alten Testament gibt es diese Andeutung: Er hat den Menschen Gaben gegeben. Und wenn du fragst, welche Menschen das sind, welchen Menschen er Gaben gegeben hat, dann siehe, was in Vers 7 steht: einem jeden von uns.
Einem jeden von uns, jeder von uns, der durch Jesus Christus zu seiner Gemeinde gehört, gilt diese Verheißung. Jeder von uns zählt dazu.
Schlussgedanken und Aufforderung zur Selbstprüfung
Zum Schluss möchte ich Sie fragen: Könnte es eine stärkere Motivation für uns geben als diese? Könnte es eine stärkere Motivation geben, als dass wir uns nun vor Gott prüfen? Dass wir uns wirklich fragen: Herr, bist du so einverstanden, wie ich dir zurzeit diene? Entspricht das deinem Willen? Ist das dein souveräner Plan für mein Leben? Bin ich dir gehorsam?
Oder gibt es möglicherweise Bereiche und Begabungen in meinem Leben, die ich bisher vor dir verschlossen habe und deinem Dienst vorenthalte? Bitte zeig es mir. Wenn wir Jesus ehrlich fragen, wird er uns auch ehrlich antworten.
Vielleicht wehrt sich mancher jetzt innerlich und sagt: Lass mich, aber setze mich nicht unter Druck. Ja, ich lasse mich nicht unter Druck setzen. Wenn jemand so denkt, möchte ich zurückfragen: Von wem lassen Sie sich nicht unter Druck setzen? Von mir? Das ist okay. Ich darf das auch nicht, will das nicht und kann das auch nicht. Ich will Sie nicht unter Druck setzen.
Ich sehe nicht in Ihr Herz, ich kenne nicht Ihr Bankkonto, ich habe keinen Einblick in Ihren Terminkalender, ich überblicke nicht Ihr Freizeitverhalten – und das ist auch gut so. Ich kenne auch nicht Ihr vollständiges Begabungsprofil. Das kennen Sie selbst vielleicht noch nicht ganz. Aber der Herr kennt es wirklich, denn er hat Ihnen diese Begabung gegeben. Wenn einer das kennt, dann ist es er.
Jesus Christus will Ihnen keinen Druck machen, sondern er will Sie gebrauchen. Er nimmt Sie in Ihrer Verantwortung ernst und will Sie der größten Ehre würdigen, die es in dieser Welt geben kann: mitzuarbeiten in seinem Reich, am Bau seiner Gemeinde.
Lassen Sie mich zum Abschluss ganz deutlich sagen: Unser Herr ist kein Sklaventreiber, der immer nur fordert und fordert. Der Herr Jesus gibt erst mal. Das haben wir heute auch wieder gelesen: Jedem von uns ist die Gnade gegeben.
Er gibt immer erst mal – oder in Vers 8: Er hat die Menschengaben gegeben. Und er hat noch viel mehr gegeben: Er hat sein eigenes Leben gegeben. In Vers 9 heißt es, dass er selbst bis in die Tiefen hinabgekommen ist. Er hat alles gegeben, sich selbst für uns, und daraus einen Triumphzug gemacht, mit dem er den Tod und den Teufel besiegt hat.
Jetzt nimmt er uns – seine Gemeinde – mit hinein in seinen Triumphzug. Darum geht es. Er baut uns in die Lebensgemeinschaft und in die Dienstgemeinschaft seiner Gemeinde ein.
Nächstes Mal, also in 14 Tagen, ist evangelistischer Gottesdienst. Aber danach, wenn wir hier mit dem Epheserbrief weitermachen, werden wir sehen, dass der Herr uns nicht nur Gaben gibt, sondern auch dafür sorgt, dass wir in der Gemeinde weiter zugerüstet werden, um unsere Gaben einzusetzen.
Der Herr sagt also nicht nur: Jetzt hast du deine Gabe, und sieh zu, wie du damit klarkommst. Sondern er trägt kontinuierlich Sorge dafür, dass wir in der Gemeinde zugerüstet werden und uns gegenseitig zurüsten, um diese Gaben beständig für ihn einzusetzen.
Wie er das macht und welche Dynamik dabei entsteht – welche Dynamik für das Wachstum der Gemeinde –, das werden wir in den nächsten Versen studieren. Darauf freue ich mich schon.
Für heute halten wir zwei Punkte fest: Erstens, du bist speziell begabt. Zweitens, du bist von Jesus Christus selbst begabt. Er macht Handarbeit mit deinem Leben, keine Massenproduktion, keinen Einheitsbrei.
Darum haben wir alle, wenn wir zu Jesus gehören, Grund, wirklich froh zu sein, dankbar zu sein und auch – in einem richtig verstandenen Sinne – ein bisschen stolz zu sein. Nicht auf uns selbst, sondern darauf, dass wir zu seinem Trupp dazugehören dürfen, dass er uns dessen würdigt, obwohl wir es nicht verdient hätten.
Das kann und soll uns anspornen. Manchmal wünschen wir uns in unserer begrenzten Perspektive, der Herr hätte manches anders gemacht. Aber er weiß, was er tut. Schließlich ist er der Herr, der den Kosmos regiert.
Wenn wir heute wieder zu seinem Mahl zusammenkommen, wenn er uns ruft, dann wird an seinem Tisch auch wieder dieser einzigartige Zusammenklang von Einheit und Vielfalt der Gemeinde deutlich.
Wir kommen alle aus ganz unterschiedlichen Situationen und Lebensgeschichten zusammen, mit unseren ganz verschiedenen Lebenslagen. Aber es ist der eine Herr, der uns dort ruft.
Es ist das eine Ereignis, das uns gerettet hat: dass er sein Leben am Kreuz für uns dahingegeben hat, dass er hineinkam in die Tiefen, in die Niederungen dieser Erde und dieser Schuld.
Und es ist das eine Brot, von dem wir leben: sein Wort und seine Liebe, die uns trägt.
Von seinem Mahl aus sendet er uns wieder hinaus. Nach dem Mahl schickt er uns zurück in unsere Familien, in unsere verschiedenen Gaben und Aufträge. Er sendet uns auf den Posten, den er uns zugedacht hat.
Er sendet dich auf den Posten, den du einnehmen sollst, um ihm und seinem Reich zu dienen. Amen.
