Einführung in die Thematik und historische Hintergründe
Gott wird Mensch
Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode einhundertzwölf
Die Ankunft in Galiläa.
Gestern habe ich gezeigt, dass die Synoptiker den Dienst Jesu in Judäa in ihrer Berichterstattung auslassen. Sie konzentrieren sich auf die Gefangennahme von Johannes dem Täufer durch Herodes Antipas.
Herodes Antipas hatte seinem Bruder – entweder Herodes Polemon oder Herodes Philippus, bei dessen Namen man sich nicht ganz sicher ist – die Frau ausgespannt. Daraufhin ließ sich Herodes Antipas von seiner eigenen Frau scheiden und ging eine Ehe mit Herodias ein.
Johannes der Täufer hatte diese und andere böse Taten des Königs kritisiert. Dafür wurde er inhaftiert.
Die Gefangennahme Johannes des Täufers und Herodes’ Zwiespalt
Matthäus 14,3-5: Denn Herodes hatte Johannes gegriffen, ihn gebunden und ins Gefängnis gesetzt um der Herodias willen, der Frau seines Bruders Philippus. Johannes hatte ihm gesagt, dass es ihm nicht erlaubt sei, sie zu haben. Als Herodes ihn töten wollte, fürchtete er die Volksmenge, weil sie Johannes für einen Propheten hielten.
Halten wir fest: Herodes Antipas steckt Johannes den Täufer ins Gefängnis. Aber mehr traut er sich im Moment nicht zu. Wenn man sich die Berichte über Herodes und Johannes durchliest, wird deutlich, dass Herodes zwiegespalten ist. Einerseits ist Johannes ihm ein Dorn im Auge. Und da ist ja auch noch Herodias, die Druck macht, den lästigen Propheten endlich loszuwerden.
Aber Herodes ist natürlich auch Kind seiner Zeit. Man tötet nicht einfach einen Propheten.
Markus 6,20: Denn Herodes fürchtete Johannes, da er wusste, dass er ein gerechter und heiliger Mann war. Er beschützte ihn, und wenn er ihn gehört hatte, war er in großer Verlegenheit. Trotzdem hörte er ihn gern.
Merkt ihr? Auf der einen Seite will er Johannes töten, auf der anderen Seite weiß er um die politischen Folgen einer solchen Tat. Und schlimmer noch: Er spürt, dass hier ein gerechter und heiliger Mann vor ihm steht. Johannes bringt ihn mit seinen Worten in Verlegenheit, spricht aber trotzdem Dinge an, von denen Herodes weiß, dass sie wichtig sind.
Deshalb heißt es auch, dass er ihn gern hörte.
Herodes Antipas ist ein gutes Beispiel für jemanden, der das Wort Gottes hört, aber den Zeitpunkt verpasst, angemessen darauf zu reagieren. Er will allen gefallen und verliert am Ende alles.
Jesu Rückkehr nach Galiläa und die Aufnahme durch die Galiläer
Aber kommen wir zurück zum Herrn Jesus. Er hört von der Gefangennahme des Johannes und verlässt den Süden, um nach Galiläa zu gehen. Auf dem Weg wird er kurz in Samaria aufgehalten, erreicht dann aber Galiläa und wird dort freundlich aufgenommen.
In Johannes 4, Verse 43-45 heißt es: Nach den zwei Tagen zog er von dort weg nach Galiläa, denn Jesus selbst bezeugte, dass ein Prophet im eigenen Vaterland kein Ansehen hat. Als er nun nach Galiläa kam, nahmen die Galiläer ihn auf, da sie alles gesehen hatten, was er in Jerusalem auf dem Fest getan hatte. Denn auch sie waren zu dem Fest gekommen.
Während ein Aufenthalt im Süden also immer gefährlicher wird, haben die Galiläer kein Problem mit Jesus. Vielleicht sind sie auch ein wenig stolz auf ihn, auf ihren Rabbi. Jesus ist ja in Galiläa aufgewachsen, er ist einer von ihnen.
Und wie er es den Juden in Jerusalem bei der Tempelreinigung gezeigt hatte: Er hat Recht, weiter so! Klar, dass sie sich freuen, ihn zu sehen.
Die Bedeutung des Begriffes „Vaterland“ im Kontext Jesu
Bleibt nur die Frage, warum Johannes, selbst ein Galiläer, der genau wusste, dass Jesus der Sohn des Joseph von Nazareth war, die Rückkehr Jesu in seine Heimatregion mit Vers 44 begründet. Denn Jesus selbst bezeugte, dass ein Prophet im eigenen Vaterland kein Ansehen hat.
Wenn man den Vers ernst nimmt, müsste doch Judäa, genauer gesagt Jerusalem, sein Vaterland sein. Aber Jesus ist doch in Galiläa aufgewachsen. Wie passt die Idee, den Weggang aus Judäa damit zu begründen? Dass ein Prophet kein Ansehen im eigenen Vaterland hat – wie passt das dazu, dass Jesus doch gerade genau dorthin, nämlich in sein Vaterland, nach Galiläa, geht?
Man kann auf zwei Weisen auf Jesus schauen. Matthäus, Markus und Lukas betonen den Dienst von Jesus in Galiläa. Aus dieser Perspektive denkt man, völlig zu Recht, bei dem Begriff „Vaterland“ an Galiläa beziehungsweise Nazareth. Jesus selbst kann in diese Richtung formulieren, wenn er zu den Einwohnern von Nazareth sagt, ein Prophet sei nicht ohne Ehre, außer in seiner Vaterstadt und in seinem Haus.
Und Jesus meint hier in Matthäus 13,57 tatsächlich mit Vaterstadt Nazareth. Es ist aber nur ein Blickwinkel. „Vaterland“ ist der Ort, wo ich aufwachse oder der Ort, wo ich geboren wurde und von meiner Bestimmung her eigentlich hingehöre. Jesus ist der legitime Nachfahre des Königs David.
Er gehört zum Stamm Juda und wurde in Bethlehem, also in Judäa im Süden, und nicht in Galiläa geboren. Man kann noch einen Schritt weitergehen: Wer ist eigentlich sein Vater? Na, Joseph? Falsch! Das ist sein Adoptivvater. Sein Vater im biologischen Sinn ist Gott selbst.
Gott, der Heilige Geist, sorgt für die Befruchtung der Eizelle, und so wird das Kind – Zitat Engel Gabriel – „Sohn des Höchsten“ oder „Sohn Gottes“ genannt werden.
Das ist auch der Grund dafür, dass Jesus als Zwölfjähriger im Tempel, als seine Eltern ihm Vorwürfe machten, dass er zurückgeblieben war, so antwortete (Lukas 2,49): „Und er sprach zu ihnen: Was ist der Grund dafür, dass ihr mich gesucht habt? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?“
Der Tempel gehört seinem Vater, und wenn man ihn vermisst, muss man nur im Tempel nachschauen. Das Haus in Nazareth, wo er aufgewachsen ist, ist das Haus seines Adoptivvaters. Der Tempel ist das Haus seines leiblichen Vaters.
Die doppelte Perspektive auf Jesu Herkunft und die Tragik der Ablehnung
Und jetzt verstehen wir vielleicht, warum man beim Begriff Vaterland zwei Perspektiven einnehmen kann.
Man kann an Galiläa beziehungsweise an Nazareth denken. In diesem Fall würde man die irdische Seite betonen: Maria, Joseph, die Halbgeschwister. Oder man denkt an Judäa, Bethlehem und Jerusalem. Dann würde man die himmlische Seite Jesu hervorheben, seine eigentliche Herkunft.
Genau diese Seite arbeitet Johannes immer wieder im Johannesevangelium heraus. Jesus ist der, der vom Himmel gekommen ist. Das ist auch der Grund dafür, warum die Spruchweisheit vom Propheten, der im eigenen Vaterland kein Ansehen hat, wenn man sie auf Jesus anwendet, sowohl auf Jerusalem als auch auf Nazareth passt.
Es gehört zur Tragik des Evangeliums, dass gerade die Menschen, die Jesus am besten kannten und ihn leicht als Messias hätten erkennen können, sich damit besonders schwer tun.
Wenn du dieselbe Erfahrung machst – Ablehnung von denen, die dir eigentlich am nächsten sein sollten – dann denke daran, dass Jesus genau das vor dir durchgemacht hat.
Abschluss und weiterführende Hinweise
Was könntest du jetzt tun? Du könntest dir den Wikipedia-Artikel zu Herodes Boethos durchlesen, um dich noch etwas mehr mit der Geschichte vertraut zu machen.
Das war's für heute. Du kannst übrigens auf frogwords.de unter der Rubrik Podcast alle Skripte zu den einzelnen Podcast-Episoden finden.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.
