Heute geht es um die große, große Gnade Jesu, die Petrus zuteilwurde. Diese Gnade ist noch größer als die, die dem Mörder zuteilwurde, der neben Jesus gekreuzigt war.
Noch größer als die Gnade, die dem Mörder neben Jesus zuteil wurde, ist die Gnade, die dem Volk Israel und seinen Obersten zuteilwurde. Petrus selbst sagte in seiner Pfingstpredigt und danach: „Ihr habt es aus Unwissenheit getan, als ihr den Fürsten des Lebens gekreuzigt habt.“
Bei Petrus geht es jedoch um eine andere Frage: Ob die Vergebung Jesu auch für jemanden gilt, bei dem er nichts sagen kann, der aber in vollem Wissen Jesus abgeschworen hat. Ob man auch nach dem Abschwören noch einmal heimkehren darf, solange man den Namen Jesu anrufen kann.
Das wird uns heute groß gemacht: der Gott aller Gnade und die Tatsache, dass Petrus begnadet wurde.
Aber jetzt wollen wir zuerst singen, und zwar das große Gnadenlied von Christian Ludwig Scheid, Nr. 258 „Aus Gnaden soll ich selig werden“. Herz, glaubst du es oder glaubst du es nicht? Wir singen die ersten drei Verse und dann den achten Vers, also 258,1-3 und Vers 8.
Wir wollen beten: Herr Jesus, wir werden heute ins Leben deines Zeugen hineingeführt. Dabei wird deutlich, dass deine Leute vor lauter Schuld nichts mehr sehen und nichts mehr hoffen können. Unsere Schuld liegt wie eine schwere Last über uns, die uns zu schwer wird.
Du aber bist uns als der Lebendige so gut, dass du neu anfangen kannst. Du willst uns wiedergeboren machen zu einer lebendigen Hoffnung. Als das auserwählte Lamm machst du uns bewusst, dass du alle unsere Schuld, auch die der Verleugnung, auf dich genommen hast, damit wir heil werden.
Mach uns das heute wichtig, dass wir die Sünde fürchten und Fortschritte machen in der Heilung und im Geheiltwerden durch dich. Amen.
Die Verwirrung und das Versagen des Petrus
Petrus hat in 1. Petrus 2 eindrücklich gesagt, dass wir wie irrende Schafe waren. Nun aber seid ihr bekehrt zum Hirten und Bischof eurer Seelen. Dieses Herumirren eines Schäfleins, gehetzt und gejagt – nicht nur von Wölfen, sondern, wie es in 1. Petrus 5 heißt, auch vom Teufel, der umhergeht wie ein brüllender Löwe.
Das kleine Schäflein wird gehetzt und gejagt. Petrus wurde im Schrecken vor der Verfolgung völlig durcheinandergebracht. Er verleugnete Jesus, doch Jesus rief ihn voller göttlicher Gnade neu. Es ist eigenartig, wenn man die beiden Briefe des Petrus durchblättert, dass man nicht einen Satz findet, der uns ausdrücklich Mut macht, Zeugen Jesu zu sein.
Vielleicht findet sich in 1. Petrus 2 die Aufforderung, die Wohltaten dessen zu verkündigen, der euch berufen hat. Aber eine Ermutigung wie beim Apostel Paulus, der sagt: „Du hast ein gutes Bekenntnis vor vielen Zeugen bekannt; ich gebiete dir vor Gott, der alle Dinge lebendig macht, und vor Jesus Christus, der ein gutes Bekenntnis vor Pontius Pilatus bekannt hat“ (1. Timotheus 6), finden wir bei Petrus nicht.
Die Ermutigung, Bekenner zu sein und hinzustehen, fehlt zunächst. Zwar bekannte Petrus nach der Auferweckung Jesu und seiner Neubeauftragung vor dem Hohen Rat und auf dem Tempelplatz von Jerusalem, doch eine solche Ermutigung, wie sie Paulus gibt, ist nicht zu finden.
Vielleicht ist es so, wie der Elberfelder Lederhändler Dietrichs, einer der Zeugen und Häupter der Wuppertaler Erweckungsbewegung, einmal gesagt hat, als das Gespräch auf Fehler von Menschen kam. Dietrichs war ein guter Unterhalter, sprach gern viel und bestimmte oft die Unterhaltung. Doch plötzlich wurde er ganz still und in sich gekehrt. Man fragte ihn, was los sei, ob ihn etwas weh tue. Er antwortete: „Nein, aber mir geht es wie einem gewandten Kaufmann, der Bankrott gemacht hat. Der kann über alles reden – über die Zeitläufe, über Politik –, aber wenn das Gespräch auf den Bankrott kommt, bekommt er einen roten Kopf und spricht nicht mehr mit. Da ist die Wunde seines Lebens berührt.“
So ging es ihm bei dem, was über die Fehler der Menschen besprochen wurde. Er hatte erkannt, dass auch er in seinem Leben Bankrott gemacht hatte, und es fiel ihm schwer, darüber zu reden.
Sicher erging es Petrus ähnlich. Er konnte nicht mehr große Worte gegenüber seinen Gemeindegliedern sprechen, wie man Jesus bekennen müsse, auch in schwierigen Lagen. Das war die wunde Stelle seines Lebens. Er hatte einmal gesagt: „Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen“ (Lukas 22,31). Wir haben es in diesen Tagen miteinander gelesen.
Oder wie es in Markus 14 heißt: „Herr, wenn sich alle an dir ärgern, ich nicht! Vielleicht sind das alles Flaschen, auf die du dich nicht verlassen kannst, aber ich nicht. Wenn du dich auf einen verlassen kannst, dann auf mich.“
Aber in der Stunde, als Jesus das gute Bekenntnis ablegte, versagte Petrus. Markus, der Petrus besonders nahestand – man erkennt das am Schluss beider Petrusbriefe, in denen Markus erwähnt wird als der, der dem Petrus besonders vertraut war – berichtet in Markus 14 sehr eindrücklich von dieser Situation.
Wir können es aufschlagen und nachlesen: Markus 14 ordnet das gute Bekenntnis Jesu und den Prozess vor dem Hohen Priester eng nebeneinander. Der Hohe Priester stand auf, nachdem das Zeugnis nicht übereinstimmte, und fragte Jesus: „Antwortest du nichts zu dem, was diese gegen dich zeugen?“ Doch Jesus schwieg still und antwortete nichts.
Da fragte ihn der Hohe Priester abermals: „Bist du der Christus, der Sohn des Hochgelobten, der Sohn Gottes?“ Jesus antwortete: „Ich bin es, und ihr werdet sehen, des Menschensohnes sitzen zur Rechten der Kraft und kommen mit den Wolken des Himmels.“
Da zerriss der Hohe Priester seine Kleider und sprach: „Was brauchen wir weitere Zeugen? Ihr habt die Gotteslästerung gehört. Was dünkt euch?“ Sie aber sprachen alle das Urteil über ihn, dass er des Todes schuldig sei.
Das gute Bekenntnis und die Erwartungen an Jesus
Es geht um das gute Bekenntnis. Jesus hätte sagen können: „Entschuldigung, ich weiß gar nicht, was ihr wollt. Ich möchte den Menschen nur ein bisschen helfen.“ Ihr habt doch die Bergpredigt gehört. Ich will ein paar gute Ratschläge geben, dass man einander nicht hassen soll. Und wenn jemand einen zwingt, eine Meile mitzugehen, soll man mit ihm zwei Meilen gehen. Ich weiß wirklich nicht, warum ihr euch so aufregt. Mir geht es um moralische Dinge, ich will die Menschen besser machen.
Aber dann habt ihr doch gesagt: „Niemand kommt zum Vater ohne mich.“ Ach, das ist mir eben so herausgerutscht, so ernst müsst ihr das nicht nehmen, hätte Jesus sagen können. Doch es geht um das gute Bekenntnis: Ich bin der, dessen Kommen Gott vorbereitet hat, schon bei der Weissagung, die Nathan dem David gegeben hat.
Ich will einen nach dir erwecken. Dieses „Erwecken“ heißt im Hebräischen „kum“ und wird im Griechischen immer mit „anistämie“ übersetzt. Es bedeutet „egeirein“, also „auferwecken“. Das ist das Wunder der Schöpfungskraft Gottes. Wir haben einen Gott, der Tote ruft. Ich will einen erwecken, dem will ich das Haus bauen.
Die, die vom Tempel gesprochen haben, die falschen Zeugen, waren gar nicht so dumm. In Israel wusste man: Wenn jemand den Anspruch hat, den neuen Tempel zu bauen, dann bedeutet das, dass er der Gesandte Gottes ist. Derjenige, auf den die Weltgeschichte Gottes zuläuft, die ganze Heilsgeschichte. Der, in dem Gott die Welt neu machen wird.
„Bist du der Christus, der Sohn Gottes?“ Das konnte für die Juden gar nicht sein. Dann hätte er doch längst die Römer vertreiben müssen. Dann hätte er schon längst alle Ungerechtigkeit auf der Welt beseitigen müssen. Sie warteten auf eine Weltveränderung.
Doch Jesus hat Menschen verändert. Einen Zachäus hat er verändert, einen Petrus hat er verändert, einen Matthäus hat er in seine Nachfolge geholt. Mit der großen Sünderin hat er durch seine Liebe das Herz verändert. Sein Hauptanliegen war, dass er für Menschen leidet, die vom Grund ihres Herzens böse sind – als der Sohn Gottes. So wie es Jesaja 53 sagt: „Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen.“
Das ist die Gottestat, die Christustat. Aber die Hohenpriester meinten, das sei Gotteslästerung, wenn dieser Schreiner aus Nazareth meint, er sei der Sohn Gottes. Das sei eine Beleidigung für Gott. Gott müsse sich ganz anders ausweisen.
Doch Jesus hat das gute Bekenntnis bekannt: „Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit zeugen soll.“ So steht es im Johannesevangelium. Gott ist, und Gott ruft den Sünder. Gott will, dass der Sünder sich bekehrt. Gott will über alle Opfer, die in Jerusalem dargebracht wurden, hinaus ein Opfer ohne Gleichen bringen, damit man ewig heil werden kann.
Gott will, dass allen Menschen geholfen wird und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Gott freut sich mehr über einen Sünder, der heimkommt, als über tausend Gerechte. Für diese Wahrheit ist Jesus eingetreten: „Ich bin der Christus.“
Und in der gleichen Stunde hat Petrus versagt, das gute Bekenntnis. Später war es Petrus wichtig, wie er im 1. Petrus 4 sagt: Niemand solle leiden als Mörder oder Dieb oder als einer, der sich in fremde Angelegenheiten einmischt. Sondern man solle leiden als Christ, wenn es schon sein muss, dann um dieses Namens willen. Weil man zu diesem Christus gehört, der in dieser Welt verachtet wird.
Das hat Petrus über das gute Bekenntnis Jesu gelernt.
Die Verleugnung des Petrus im Hohenpriesterhof
Nun wollen wir das Evangelium nach Markus lesen. Wir blättern schnell zurück zu Vers 50 und kehren zurück in den Garten Gethsemane. Dort sagt Jesus: „Ich bin doch täglich bei euch gewesen, warum müsst ihr mich hier in der Nacht, in der Verschwiegenheit, fangen?“
In Vers 50 heißt es: „Da verließen ihn alle Jünger und flohen.“ Es war ein Jüngling, der Jesus nachfolgte. Er war mit einer Leinwand bekleidet, die er auf der bloßen Haut trug. Die Häscher griffen ihn, doch er ließ die Leinwand fahren und floh nackt davon. Man könnte vermuten, dass es Markus selbst war, der hier über sich berichtet. Genau wissen wir es nicht. Wichtig ist, dass die Jünger fliehen. Dieser eine Mann, wohl aus Aufmerksamkeit oder Interesse, ist noch dabei, doch auch er flieht. Nur einer bleibt bei Jesus.
In Vers 53 wird berichtet, dass sie Jesus zum Hohen Priester führten. Dort versammelten sich alle Hohen Priester, Ältesten und Schriftgelehrten. Aber Petrus folgte Jesus nach und sagte: „Ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis zu gehen.“ Das war kein leeres Geschwätz. Während alle anderen weggingen, folgte er Jesus bis in den Vorhof des Hohen Priesterspalastes. Weiter durfte er nicht gehen, denn beim Synhedrium konnte er nicht zugelassen werden.
Ich war vorgestern Mittag schnell im Landtag und erwischte die falsche Tür zum Plenarsaal. Gleich kam ein Polizist und sagte: „Hier nur Abgeordnete, wenn Sie zuschauen wollen, oben.“ So ist das. Petrus war nur im Vorhof, hinein durfte er nicht. Dort waren nur die Abgeordneten, die siebzig, die dazugehören. Weiter kam er nicht, denn dort war es voll mit Soldaten und Leuten, die sich für Jesus interessierten oder Feinde Jesu waren. Dort stand er.
Nun kommt die Szene mit dem Bekenntnis Jesu, und wir machen weiter bei Vers 66. „Petrus war unten im Hof. Da kam eine Magd des Hohen Priesters. Als sie Petrus sah, wie er sich wärmte, schaute sie ihn an und sprach: ‚Und du warst doch auch mit Jesus von Nazareth.‘ Er aber leugnete und sprach: ‚Ich weiß nicht, was du sagst.‘“ Er ging hinaus in den Vorhof, und der Hahn krähte.
Die Magd sah ihn und begann erneut zu sagen, dass er einer von ihnen sei. Er leugnete abermals. Nach einer Weile sprachen die Umstehenden erneut zu Petrus: „Wahrlich, du bist einer von ihnen, denn du bist ein Galiläer.“ Er aber fing an, sich zu verfluchen und zu schwören: „Ich kenne den Menschen nicht, von dem ihr redet.“ Und alsbald krähte der Hahn zum zweiten Mal.
Da dachte Petrus an das Wort, das Jesus zu ihm gesagt hatte: „Ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ Er begann zu weinen.
Das war der entscheidende Punkt. Die Magd hatte es genau getroffen. Sie sagte nicht: „Das ist ein frommer Mensch“ oder „Das ist auch so ein Komischer“, sondern: „Der war mit Jesus.“ Manche Leute lassen sich das sogar auf den Grabstein schreiben: „Dieser war auch mit Jesus von Nazareth.“ Für Petrus war es der größte Schrecken, dass ihm das auf die Nase gebunden wurde.
Ich weiß nicht, was ihn dazu getrieben hat, dass er sagte: „Entschuldigung, wovon sprichst du überhaupt? Ich verstehe nicht, was du sagst. Ich weiß nicht.“ Es war noch kein endgültiges Nein, er hatte sich noch nicht verschworen oder verleugnet. Er sagte vielmehr: „Ich habe nie etwas mit Jesus zu tun gehabt.“ Es war eher eine Ausflucht. Er wollte doch nicht der Dummen ganz offen sagen, was los ist. Wenn schon, dann würde er mit dem Polizeikommissar sprechen. Wenn schon, dann auf dem Tempelplatz von Jerusalem. „Ich gehöre zu Jesus, aber wegen diesem Mädchen doch nicht.“
Wir hätten sonst verkannt, wie Jesus es gemeint hat. Wer mich verleugnet und sich meiner schämt – so steht es am Schluss von Markus 8 – „wer sich meiner schämt unter diesem abtrünnigen und sündigen Geschlecht, der soll sich auch meiner schämen.“ Ihr dürft niemals meinen, das sei wie Perlen vor die Säue geworfen und sie verstehen es ja doch nicht. Selbst unter einem abtrünnigen und sündigen Geschlecht dürft ihr euch meiner nicht schämen, sondern müsst mich bekennen.
In eurem Verhältnis zu mir geht es nicht um ein Verhältnis zwischen mir und eurer schönen Seele, sondern das ist eine öffentliche Sache. Ich will mich mit ihr verloben. In Ewigkeit, in Recht und Gerechtigkeit will ich mich dir anvertrauen (Hosea 2). Unsere jungen Leute wissen heute oft gar nicht mehr, wie schön es ist, sich öffentlich zu erklären, 400 Karten zu verschicken und sie in die Zeitung zu drucken: „Heute gehören wir zusammen, wir beide.“
Was für eine Verkennung aller göttlichen Tatbestände, wenn junge Leute heute sagen: „Wir heiraten nicht, das ist ja bloß die bürgerliche Trauung, aber wir haben uns vor Gott versprochen.“ Bei den Frommen hat die Lumperei schon vor zwölf Jahren angefangen, als sie zusammenlebten und sagten: „Wir haben uns vor Gott versprochen, ob wir heiraten, das wird sich später klären.“ Vor Gott gibt es keine heimlichen Techtelmächtel.
Wir haben einen Gott, der öffentliche Erklärungen liebt. „Ich will mich mit dir verloben in aller Öffentlichkeit.“ Vor der Weltöffentlichkeit hat Gott in großen Taten klargestellt: „Dies ist mein Volk, mein Augapfel, dich liebe ich.“ Wenn wir uns zu Gott bekennen, dann ist das keine stille Sache fürs Kämmerlein. Das Gebet ist fürs Kämmerlein. Manche sagen: Man muss doch nicht laut von Jesus reden, das macht man im Kämmerlein, da betet man. Aber das Bekenntnis hat seinen Platz in der Öffentlichkeit, selbst unter einem abtrünnigen und sündigen Geschlecht, selbst vor einer Magd.
Ich weiß nicht, ob es bei Petrus Taktik war, Angst oder die Frage, welchen Wert es hat, was er dem Mädchen sagt. Ist es überhaupt nötig? Oder sind es Perlen vor die Säue? Jesus hat doch selbst gesagt, wir sollen keine Perlen vor die Säue werfen. Das hätte Jesus auch sagen können: „Was muss ich den Hohenpriestern auf die Nase binden? Muss ich sagen, dass ich der Sohn Gottes bin?“
Es gibt Stunden, da man gefordert ist. Johannes Busch, an den wir in diesen Tagen oft gedenken, hat man bei seiner Beerdigung gesagt, er habe nie von der Kirche gesprochen, wenn er von Jesus sprechen musste. Es gibt unter uns bis in bischöfliche Zirkel und Synodalkreise die Gefahr, dass, wenn man herausgefordert wird, von Jesus zu reden, man sagt: „Ja, die Kirche hat den Plan, und die Kirche ist dazu da.“ Nein, Jesus ist dazu da, Menschen zu rufen.
Bei meinen Konfirmandenbesuchen gibt es immer die Gefahr, dass manche sagen: „Ach, Konfirmation hat ja nicht viel Wert. Wir hätten früher mehr lernen müssen.“ Ein Zuhörer konnte kaum an Christlehrgängen teilnehmen, und heute müssten sie gar nichts lernen. Dann redet man über die Schule, dass sie nicht mehr viel lernen können, aber trotzdem lieb waren und man Freude hatte. So kann man seine Zeit zubringen, wenn man nicht dauernd das Gebet hat: „Herr, gib mir die Gelegenheit, von dir zu reden.“
Es gibt öfter, als man denkt, Leute, die sagen: „Ich habe auch meine Zweifel, ich glaube nicht, dass die Welt in sieben Tagen geschaffen ist.“ Dann müssen wir, wenn dieser wunderbare Einwurf kommt, dass Leute sagen: „Ich glaube auch nicht an alle Wunder,“ sofort sagen: „Die Hauptsache ist, ob sie damit rechnen, dass Jesus lebt.“ Nehmen Sie sofort diese wunderbare Kurve, das Sprungbrett, wenn ein Zweifelnder zur Bibel kommt, und sagen Sie: „Darüber wollen wir nicht lange streiten. Die Hauptsache ist, ob Gott diesen Jesus von den Toten auferweckt hat und damit vor todverfallenen Menschen gesagt hat: ‚Der ist wichtig.‘“ Dann sprechen Sie von Jesus.
Es gilt ein freies, offenes Bekenntnis in unserer Zeit – bei allem Widerstreit, trotz aller Feinde, trotz allem Heidentum. Uns ist etwas Schönes geschenkt, als Martin Luther nach dem Reichstag herauskam, wo er vorher Todesangst hatte, ob er bekennen kann: „Mönchlein, Mönchlein, du gehst deinen schweren Gang.“ Als er draußen war, riss er die Hände empor wie ein Landsknecht nach der Schlacht und rief: „Ich bin hindurch!“ Nicht „Ich habe es hinter mir“, sondern „Ich habe es sagen können, ich habe es sagen können.“
Unter denen, die nach dem 20. Juli 1944 verurteilt und getötet wurden, war auch Helmut James Graf von Moltke. Wie immer am eindrücklichsten, wie sich da vor dem Volksgerichtshof und seinem Vorsitzenden Freisler die Sache zuspitzte: „Wem dienen Sie? Von wem bekommen Sie Ihre Befehle? Von Adolf Hitler oder von Jesus Christus?“ Plötzlich in einem Verfahren, das um den 20. Juli und politische Fragen ging, schrieb er in seinem Abschiedsbrief an seine Frau: „Mein Liebes, es ist, als wenn alle Stunden meines Lebens auf diese eine Stunde zugelaufen wären, dass ich nicht als Großgrundbesitzer verurteilt wurde, nicht als Reicher, nicht als Intellektueller, nicht als Diplomat, sondern als Zeuge Jesu, dass in diesem Volksgerichtshof der Name Jesu ausgesprochen wurde.“
Dafür will Jesus sorgen. Matthäus 24 sagt es ganz klar, ebenso Lukas: „Das wird euch zu Zeugen machen. Ich bringe euch in Situationen, wo ihr von mir sprechen könnt.“ Dann gilt es, dass wir auch von ihm in Treue reden, vielleicht ungeschickt, aber es muss doch nur die Frage beantwortet werden: „Dieser war auch mit Jesus von Nazareth.“ Ja, sie haben ihn nicht gefragt, ob er frommer ist, ob er anständiger ist, ob er auch das tut, was er sagt. Wie man uns Christen oft sagt: „Die dünnen immer so, aber sie sind auch nicht so.“ Sondern man sagte: „Du bist doch mit Jesus.“ Ja, das ist es!
Es war keine Zufallspanne. Die Magd macht weiter und kommt auch in den Vorhof. Die Versuchungsgeschichte geht dreimal so: Die Schlange sagt: „Sollte Gott gesagt haben?“ Nein, Gott hat gesagt: „Wir essen von allen Bäumen, aber von dem einen Baum dürfen wir nicht essen, sonst werden wir sterben.“ Die Schlange sagt: „Ihr werdet nicht sterben.“
Bei der zweiten Versuchung heißt es: „Ihr werdet begreifen, was gut und böse ist.“ Bei der dritten Versuchung sah Eva, dass der Baum lieblich war und seine Frucht köstlich. Drei Anläufe, und die Festung war sturmreif geschossen.
Bei Jesus (Matthäus 4) gab es ebenfalls drei Versuchungen: Mach aus Steinen Brot, spring vom Tempelsinn, fall vor mir nieder, dann bekommst du die Welt und kannst sie gestalten. Dreimal gab Jesus das gute Bekenntnis: „Nein, es steht geschrieben. Nein, ich muss Gott dienen und nicht dir.“
Bei Petrus gab es dreimal das Versagen. Aller guten Dinge sind drei – und auch aller schlechten Dinge sind drei oder mehr. Aber hier wird deutlich, dass er dazu gestanden hat. Er sagte nicht: „So mag es sein, ich hätte vorher sagen sollen, es stimmt nicht, ich gehöre zu Jesus.“ Nein, er fing an, zu schwören und sich zu verfluchen: „Ich kenne den Menschen nicht, von dem ihr redet. Ich weiß gar nicht, wer Jesus ist, was meint ihr überhaupt? Noch nie habe ich mit ihm zu tun gehabt.“
Das ist das Schlimmste: Petrus, der gesagt hat: „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“ Wir haben geglaubt und erkannt, dass du Christus bist, der Sohn des lebendigen Gottes. Petrus sagte: „Wenn sich alle ärgern, ich will mit dir ins Gefängnis und Tod gehen. Du bist doch der Herr, du bist meines Lebens Leben, meines Lebens Trieb und Kraft.“ Und dann sagt er: „Ich weiß gar nicht, von wem ihr redet. Noch nie habe ich mit dem etwas zu tun gehabt.“
Vielleicht war es besonders gefährlich, dass es zuerst diese Frau war, bei der man denkt, es lohne sich gar nicht. Aber wir sind insgesamt gefährdet. Wir dürfen es nicht abschieben und sagen: „Das war aber eine schwierige Situation.“
Mich hat sehr bewegt, als Ernstvater in diesen Tagen berichtete, er sei dem Greis Wang Mingtao begegnet. Hier hatte ich immer geglaubt, er sei längst verschollen in den Straflagern der chinesischen Provinz Nordschanxi. Er ist jetzt als alter Mann wieder aufgetaucht. Er war der Theosoph von Shanghai, der große Prediger.
Dann wurde er verfolgt, obwohl er sich nach der Kulturrevolution 1949 in China immer wieder klar gegen den Anspruch der maoistischen Kulturrevolution bekannt hatte, die Welt verändern zu wollen. Er wurde vor ein Revolutionstribunal gezerrt, und die Anklage lautete, er sei ein Feind des Volkes. Denn Gottes Sohn ist das Volk, und wer Gott wirklich anerkennen will, muss das Volk lieben.
Wang Mingtao trennte das Volk, indem er davon sprach, es gäbe einzelne, die verloren seien, und einzelne, die gerettet seien. Das ist schwer in einer Zeit, in der Völkerverbrüderung groß wird und man sagt: „Wir müssen doch mit allen Nationen, Rassen und Kulturen zusammenleben. Wir gehören doch alle zusammen. Es darf keine Trennungen geben.“
Wenn das unter uns Christen noch mehr um sich greift, dann ist das Haar nicht so hart. In Oberurbach gibt es den Musikverein Concordia, in Unterurbach den Musikverein Eintracht. Beide Namen bedeuten dasselbe, aber sie haben eine solche Konkurrenz, dass sie sich gegenseitig zu übertrumpfen versuchen. Die beiden Eintracht-Leute – sonst ist es in unserer Welt auch nicht so schlimm mit der Eintracht.
Wenn ich sage: „Wir sind doch alle eins“, dann gilt das nur in manchen Gebieten. Dort, wo man uns Christen schnappen will, damit wir den Anspruch aufgeben, dass Jesus allein das Leben ist, da ist plötzlich ein Muss und ein Kuchen. Da sollen wir bei den komischsten Gebräuchen mitmachen, damit alles schön aufgelöst wird.
Wang Mingtao wurde vorgeworfen: „Du trennst das Volk, wenn du von Verlorenen und Geretteten sprichst.“ Dann kam er in die Gehirnwäsche und kam heraus mit dem Bekenntnis: „Ich habe mich gegen das Volk versündigt. Ich danke der Regierung Maos, dass sie mich von meinen Schwächen überzeugt hat.“ Das wurde öffentlich im Gemeindeblatt von China veröffentlicht.
Dann erzählten Brüder, dass die Nachrichten noch durchkamen, wie Wang Mingtao in den Jahren 1950/51 in seiner Wohnung Tag und Nacht rief: „Ich bin Petrus, ich bin Judas, ich habe meinen Herrn verleugnet.“ Dann wurde er abtransportiert nach Nordschanxi.
Es war für mich groß, als Ernstvater berichtete, dass der alte, fast blinde Wang Mingtao aus den Straflagern zurückgekehrt ist. Amerikaner wollten ihm die Ausreise nach Amerika ermöglichen, doch er sagte: „Mein Herr, der so viel an mir getan hat, dem will ich jetzt in China nicht untreu werden. Er hat mir auch meine Verleugnung vergeben.“
Die großen Zeugen Jesu wussten, wie groß die Gefahr ist. „Seid nüchtern und wach, denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen kann“ (1. Petrus 5,8).
Es ist keine Nebensache, wenn wir den Namen Jesu verleugnen. Petrus hat es in seiner Pfingstpredigt gesagt: „Wer den Namen des Herrn anruft, wird selig, heil ist in dem Namen“ (Apostelgeschichte 2). Wenn ich sage, ich gehöre nicht zu ihm, bin ich weg vom Fenster, bin verloren.
„Selig seid ihr, wenn ihr um des Namens Jesu willen geschmäht werdet“, sagt Petrus im ersten Brief, Kapitel 4. Dahinter steht seine eigene Erfahrung. Man hat gesagt: „Du gehörst doch zu dem Jesus.“ Selig seid ihr, wenn ihr um dieses Namens willen geschmäht werdet, denn der Geist der Herrlichkeit und Gottes ruht auf euch.
Petrus hat später begriffen, was er getan hat. Er hat nicht nur Untreue gegenüber Jesus geübt, sondern den Geist der Herrlichkeit und Gottes von sich weggewischt. Es ist nicht das Wichtigste, dass wir Christen moralischer sind als andere. Das sind wir gar nicht, auch nicht lieber oder geduldiger. Hauptsache ist, dass wir Jesus Christus haben und ihn anrufen können. Wer den Namen des Herrn anruft, ist Christ.
Fromm sind auch Hindus, Nächstenliebend sind auch Buddhisten, geduldig können auch Mohammedaner sein. Der einzige Unterschied zu allen großen Weltreligionen ist dieser Name über allen Namen: dass wir den Namen Jesu Christi anrufen, den Gott zum Herrn eingesetzt hat. Und wenn man den verleugnet, da kann man weinen. Petrus weinte bitterlich, heißt es in einem anderen Evangelium.
Schon nach dem Kindermord von Bethlehem heißt es, Rahel weinte um ihre Kinder und konnte sich nicht trösten lassen. Das ist noch schlimmer, als wenn geliebte Kinder wegsterben – und das ist schon furchtbar. Aber wenn ich meinen Herrn verloren habe und die ewige Seligkeit, wenn von mir gilt: „Das Öl ist ausgegangen, und ich stehe vor der verschlossenen Tür und rufe: Herr, tu mir auf!“ und er mir sagt: „Ich kenne dich nicht, du hast mit mir nichts zu tun,“ dann kann man weinen.
Wenn der Herr Jesus wiederkommen wird, heißt es in Offenbarung 1, werden alle Geschlechter auf Erden weinen, denn sie werden sehen, wie wichtig er ist und wie sie ihn auf die Seite gestellt haben. Dieses Weinen war bei Petrus da. Es war nicht bloß eine billige Reue oder dass er ein Versager war, sonst wäre er ewig von dem getrennt, von dem er wusste: „Du bist meines Lebens Leben. Du bist der ewige Herr, und ich habe dich verloren.“
Doch Gnade hört nicht auf. Der Gott aller Gnade gibt es auch da: Gnade über Verleugner. Der Apostel Paulus hat im zweiten Timotheusbrief, Kapitel 2, Vers 11, darüber nachgedacht und gesagt: „Das ist ganz gewiss wahr: Wenn wir mitsterben, dann werden wir mitleben; wenn wir mit Jesus leiden, dann werden wir mit ihm herrschen. Wenn wir ihn verleugnen, wird er auch uns verleugnen. Wenn wir untreu sind, wird er uns untreu sein.“
Doch dann kommt die erstaunliche Wendung: Er bleibt treu, denn er kann sich selbst nicht verleugnen. Von diesem Wunder aller Gnade, dass er uns selbst dann bis zur letzten Stunde unseres Lebens nachgeht und uns einlädt, erzählt Johannes 21.
Die Begegnung am See Tiberias und die Wiederherstellung des Petrus
Darf ich bitten, dass wir noch einmal das Auferstehungskapitel Johannes 21 aufschlagen? Über diesem Kapitel liegt eine merkwürdige Ruhe und Zurückhaltung. Auf der einen Seite wissen die Jünger nicht, wie es weitergehen soll. Petrus sagt: „Dann müssen wir eben wieder unserem Lebensunterhalt nachgehen und fischen.“ Doch es klappt nichts, sie fangen keinen Fisch.
Als sie am Morgen ans Ufer kommen, steht Jesus dort. Es heißt: „Da es nun Morgen war, stand Jesus am Ufer.“ Es ist der Herr. Er sagt ihnen noch einmal, wie bei der Berufung des Petrus: „Werft das Netz zu Rechten.“ Sie tun es und machen einen großen Fang. Petrus eilt dem Herrn Jesus entgegen, gürtet sein Hemd um sich – denn vorher waren sie nackt bei der Arbeit. Offenbar spricht er aber nicht mit Jesus, sondern geht wieder zurück ans Netz und zählt seine Fische: einhundertdreiundfünfzig Karpfen.
Da ist der Herr, und Petrus holt aus dem Netz siebenundachtzig, achtundachtzig, neunundachtzig, neunundneunzig Fische heraus. Was für eine komische Geschichte! Nimmt er mich an? Redet er noch mit mir? Schaut er mich überhaupt noch an? Darf ich ihm unter die Augen treten? Die Spannung zieht sich durch die langen Verse hindurch. Es ist eine ähnliche Spannung wie bei Abraham, der mit seinem Sohn Isaak auf den Berg geht, auf dem er seinen Sohn opfern sollte. Immer wieder heißt es: „Und sie gingen die beiden miteinander.“ Dieses Verzögern, das Zögern.
Sie fingen nichts, sie warfen das Netz aus. Was ist denn los? Was wird mit Petrus? Wir wollen gerade diese Verse lesen. Es endet mit dem Mahl, bei dem offenbar kein Wein ausgeschenkt wird. Jesus hat gesagt: „Vom Gewächs des Weinstocks werde ich nicht mehr trinken, bis ich es neu trinken werde in meinem Reich.“ Doch es ist ein Mahl. Er hält das Mahl und teilt mit seinen Jüngern Brot und Fisch aus. Es ist ein Mahl der Vergebung. Petrus bekommt es auch, ihm wird Vergebung gewährt.
Wie ist das jetzt? Es gibt ja manche, die gerne ihre Schuld beim Mahl des Herrn beglichen hätten und die Gewissheit gehabt hätten: „Ist mir vergeben?“ Mit dieser Gewissheit wären sie gern weggegangen, doch sie gingen wieder mit der Unsicherheit fort – wie Petrus auch. Bin ich jetzt angenommen mit dem, was Jesus mir in die Hand gegeben hat?
Dann kommt das Gespräch ab Vers 15. Aber lassen Sie uns noch einmal die Verse ab Vers 1 lesen, Johannes 21: Danach offenbarte sich Jesus noch einmal den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich so: Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der auch Zwilling genannt wird, Nathanael von Kana in Galiläa, die Söhne des Zebedäus und zwei andere Jünger.
Simon Petrus spricht: „Ich will fischen gehen.“ Die anderen sagen: „Dann gehen wir mit.“ Sie gingen hinaus, traten in das Schiff, doch in dieser Nacht fingen sie nichts. Am Morgen stand Jesus am Ufer, aber die Jünger erkannten nicht, dass es Jesus war. Jesus sagt zu ihnen: „Kinder, habt ihr nichts zu essen?“ Sie antworten: „Nein.“ Er sagt: „Werft das Netz zur Rechten des Schiffs, dann werdet ihr finden.“ Da warfen sie aus und konnten das Netz nicht mehr ziehen vor lauter Fischen.
Da spricht der Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: „Es ist der Herr.“ Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er seinen Rock um, denn er war nackt, und warf sich ins Meer. Die anderen Jünger aber kamen mit dem Schiff, denn sie waren nicht fern vom Land, sondern bei zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen.
Es ist noch gar nicht gesagt, dass Petrus sich in Richtung Jesus ins Meer geworfen hat. Es könnte auch sein, dass er auf der anderen Seite vom Boot hinausging und dachte: „Dem kann ich nicht mehr in die Augen treten.“ Es wird oft so dargestellt, als ob Jesus entgegengeschwommen sei, doch davon steht nichts geschrieben. Die anderen kamen mit dem Schiff, denn sie waren nicht fern vom Land, sondern bei zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen.
Als sie ausstiegen ans Land, sahen sie Kohlen gelegt, darauf Fische und Brot. Jesus spricht zu ihnen: „Bringt her von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt.“ Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz ans Land, voll großer Fische, einhundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, riss das Netz nicht.
Jesus spricht zu ihnen: „Kommt, haltet das Mahl!“ Niemand aber unter den Jüngern wagte ihn zu fragen: „Wer bist du?“, denn sie wussten, dass es der Herr war. Jesus kommt, nimmt das Brot und gibt es ihnen, ebenso auch die Fische. Das ist nun das dritte Mal, dass Jesus den Jüngern erschienen ist, nachdem er von den Toten auferstanden war.
Und? Hat das die Spannung in dem Bericht? Ja, und was ist mit Petrus? Bei Johannes ist klar, dass der, den Jesus liebhatte und liebbehalten hat, dem er noch unter dem Kreuz gesagt hat: „Nimm dich um Maria an“, und zu Maria: „Das ist dein Sohn“, dass da nichts zwischen ihm und Johannes stand.
Aber bitte, Petrus, den Jesus „Mann“ genannt hat, auf den er sagte: „Auf dich, Felsen, will ich die Gemeinde bauen“ – wie geht es mit ihm weiter?
Die dreifache Liebesbekundung und der Auftrag an Petrus
Vers 15 bis 19
Als sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: „Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieber als diese?“ Er antwortet ihm: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.“ Jesus sagt zu ihm: „Weide meine Lämmer.“
Zum zweiten Mal spricht er zu ihm: „Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?“ Er antwortet: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.“ Jesus sagt zu ihm: „Weide meine Schafe.“
Zum dritten Mal fragt er ihn: „Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?“ Petrus war traurig, dass er zum dritten Mal gefragt wurde: „Hast du mich lieb?“ und sprach zu ihm: „Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe.“ Jesus sagt zu ihm: „Weide meine Schafe.“
Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürteltest du dich selbst und wandeltest, wohin du wolltest. Wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst.“
Da sagte er aber zu zeigen, mit welchem Tod er Gott preisen würde. Und als er das gesagt hatte, spricht Jesus zu ihm: „Folge mir nach.“
Es gibt noch ein paar Dinge dazu.
Zuerst fällt uns auf, dass Jesus dreimal fragt und Petrus traurig wird, dass er zum dritten Mal gefragt wird. Manche haben das so gedeutet, dass es eine Art Heimzahlung sei – also dass Gott unsere Sünden auch so erledigt, dass wir eine gewisse Strafe bekommen, eine kleine Tatze vom lieben Gott: „Dreimal hast du mich verleugnet, jetzt frage ich dich auch dreimal.“
Nein, ich sehe es anders: Es ist ein volles, freies, ewiges Heil! Seine Gnade und Christi Blut machen allen Schaden gut. Du hast mich dreimal verleugnet, und wir machen es Petrus, wir machen es dreimal klar, dass meine Liebe dir gilt, dass du auf meine Liebe antworten darfst und dass ich dir Befehle gebe, trotz deines Versagens. Seine Gnade und Christi Blut machen alles heil. Die ganze Heilung besteht darin, dass Petrus gewiss werden darf und nicht unmutig wird. Was ist denn jetzt los? Er soll doch froh sein, wenn es ganz klar gemacht wird zwischen Jesus und ihm, dass auch die guten Dinge dreist sind – nicht nur die Verleugnung.
Zweitens fällt auf, dass Jesus zu Petrus sagt: „Simon, Sohn des Johannes.“ Er gibt ihm nicht mehr den Ehrennamen „Petrus“. Glauben Sie, dass der Herr Jesus uns, schwäbisch gesagt, zwatzeln lässt? Er, der bei der großen Ehebrecherin und Sünderin gesagt hat: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein“, würde es merkwürdig sein, wenn er jetzt sagen würde: „Simon, wir kehren wieder auf den Ausgangszustand zurück, jetzt bist du wieder beim Nullpunkt. Ich habe dich mal zwar Petrus genannt, aber die Dinge sind vorbei. Wenn wir noch mal anfangen, fangen wir beim Nullpunkt an.“ So ist es doch nicht bei unserem Herrn.
Unser Herr gibt frei. Man darf auch weggehen. So heißt es in Johannes 6: „Wollt ihr auch weggehen?“ Jesus gibt seinen Jüngern frei. Und wenn du wirklich nichts mit mir zu tun haben willst, möchte ich dich nicht daran festhalten. Ich will nicht wie ein eifersüchtiger Ehemann sein, der seiner ungetreuen Frau nachläuft und sagt: „Denk doch an unsere Kinder, denk doch, was wir Schönes erlebt haben. Soll das alles vorbei sein?“ Nein, du darfst gehen. Ich halte dich nicht fest. Du musst nicht der Fels sein, Simon, Sohn des Johannes, aber ich frage dich: Hast du mich lieb?
In unseren großen Bekenntnisschriften, in der Apologie der Augsburger Konfession, steht der wunderbare Ausdruck, dass der Herr Jesus ein „Objektum amabile“ sei, also jemand, an dem sich unsere Liebe entzündet. Es wird nicht gefragt, ob wir so viel Liebesfähigkeit in uns haben, so viel religiösen Zünder, sondern: „Siehst du mich denn recht? Begreifst du, wer ich bin?“ Jesus steht mit seinen Nägelmalen vor ihm, der auch für Petrus gelitten hat als ein unbeflecktes und unschuldiges Lamm, wie Petrus später sagt.
„Hast du mich lieb? Brauchst du mich?“ Da sagt Petrus, wie es unter rechten Eheleuten und zwischen Eltern und Kindern selbstverständlich ist: Wenn eines der Ehepartner zum anderen sagt: „Hast du mich eigentlich lieb?“, dann antwortet der andere: „Das weißt du.“ Wenn man anfangen muss zu sagen: „Aber natürlich habe ich dich lieb. Hast du nicht vergessen, am Samstag haben wir den Rosenstrauß gebracht“, dann ist das schon ganz falsch. Richtig ist, wenn man sagt: „Du weißt doch.“
Petrus antwortet auf die Frage Jesu nicht mit „Hast du mich lieber?“ – also im Komparativ, in der Vergleichsform. Das hat er über sein Scheitern gelernt: Er darf sich nicht mehr mit anderen Menschen vergleichen. Wenn alle dich verleugnen, wenn sich alle ärgern, dann sage ich nicht: „Ich bin der Bessere, ich bin der Treuere, ich bin der, der dich lieber hat.“ Jetzt geht es nur noch um dich und mich. Ich habe dich lieb, und wie es mit den anderen ist, weiß ich nicht. Es geht mich auch nichts an. „Du weißt, dass ich dich lieb habe.“
Die Grundfrage
Im 1. Korinther 16, das letzte Wort: „Wer uns den Herrn Jesus nicht lieb hat, Anathema, der sei verflucht.“ Unser Herr kommt es nur noch darauf an, dass man ihn lieb hat. Das entschuldigt nicht alle Dummheiten. Ich erinnere mich, wie in unserer Synode einmal unser theologischer Referent sagte: Als in Marbach ein Pfarrer war, der nicht an die Auferstehung Jesu glaubte, meinte er: „Ich habe mit ihm gesprochen, aber er hat unseren Herrn Jesus lieb, und das ist ja die Hauptsache.“ Ja, das ist die Hauptsache.
Aber das wäre, als hätte man gesagt: „Herr Petrus hat Herrn Jesus lieb, aber er hat Jesus verleugnet.“ Man kann auch Jesus verleugnen, das ist ganz egal. Nein! Außer Liebe zu Jesus kommt auch die richtige Lehre. Man muss sagen: Wenn du den Herrn Jesus schon lieb hast, dann habe auch mal sein Evangelium lieb und das Glaubensbekenntnis lieb.
Aber die Kernfrage ist, ob man Jesus lieb hat. Das ist eine schwierige Sache. Auch Reichsbischof Müller von den Deutschen Christen hat Jesus bestimmt lieb gehabt. Viele, die Ketzer sind, lieben Jesus vielleicht und sind vielleicht im Himmel. Trotzdem muss man ihnen hier den Mund verbieten, weil sie falsche Lehre verbreiten.
Es bleibt die Kernfrage: Jesus lieb haben. Zwischen Jesus und uns bleibt sie die Kernfrage. Und dann kann Jesus die Gemeinde anvertrauen: „Weide meine Lämmer.“ Er, der das Lamm ohne Gleichen ist, weil er sich auf unsere Stufe gestellt hat. Eigentlich ist er der Hirte ohne Gleichen, der gute Hirte. Aber indem er sich auf unsere Stufe der Armen, Verirrten und Verwirrten gestellt hat, ist er das Lamm ohne Gleichen geworden. Er hat an unserer Statt gebüßt und macht seinen Zeugen wichtig, dass wir uns um die verwirrten Lämmer annehmen sollen, um die Schäflein, die in Gefahr sind, sich zu verlieren.
Der Ruf zur Nachfolge und die Ausrichtung auf Jesus
Das Letzte, was Jesus zu Petrus sagt, ist: Folge mir nach! Dieses alte Wort richtete sich an Petrus, als Jesus so oft sagte: acalutes o moi, hopis o mu – folge mir nach, komm!
Die Kernfrage unserer Nachfolge, verehrte liebe Schwestern und Brüder, ist, ob unser Blick ausschließlich auf den Herrn Jesus gerichtet ist. Wir schauen viel zu oft auf andere Menschen. „Ich bin der allmächtige Gott, wandle vor mir und sei fromm“, heißt es.
Wir zerstören unsere eigene Seligkeit, wenn wir uns an anderen messen und denken: „Im Vergleich zu dem und jenem bin ich doch noch ganz ordentlich.“ So machen wir uns etwas vor, als ob unsere Liebe zu Jesus groß wäre.
Meine Frau würde mir ganz schön Vorhaltungen machen, wenn ich nur einmal am Tag mit ihr sprechen würde. Da ist doch keine Liebe, wenn du keine Zeit mehr für mich hast. Ebenso denken wir oft: Weil andere Menschen kaum noch beten, sei es schon viel, wenn wir einmal am Tag mit unserem Herrn beten.
„Wandle vor mir, ist denn noch Liebe zwischen dir und mir? Hast du mich lieb? Folge mir nach!“ Das ist die einzige Ausrichtung.
Vielleicht verstehen wir deshalb, warum der Apostel Petrus in seinem Petrusbrief sagt: Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Gott aller Barmherzigkeit und der Gott allen Trostes, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu von den Toten.
Der Herr Jesus wurde noch einmal lebendig, er geht den Menschen nach, er sucht sie, das verlorene Schaf. Gott hat es ins Leben gerufen und mich, das verlorene Schaf, noch einmal gesucht. Gelobt sei Gott, der uns mit seiner großen Barmherzigkeit die Möglichkeit eines neuen Lebens geschenkt hat, als bei mir alles verloren schien.