Sommerfreizeit, Vorbereitungsdruck und für dich eine Predigt in zwei Teilen. Theologie, die dich im Glauben wachsen lässt, Nachfolge praktisch – dein geistlicher Impuls für den Tag.
Mein Name ist Jürgen Fischer, und in meiner Predigt geht es um Gründe gegen den Glauben, Teil eins.
Der gesellschaftliche Wandel und der Glaubensabfall
Okay, schön, dass ihr da seid. Ich fange mal so mit dieser Predigt an. Wir leben in einer Zeit, zumindest in der westlichen Welt, die geprägt ist von Glaubensabfall. Christen oder wenigstens Menschen, die sich als solche bezeichnen, werfen ihren Glauben weg. Und das ist tatsächlich inzwischen – muss man das so sagen – ein Trend.
Interessanterweise ist das nicht nur ein Trend im Christentum, sondern betrifft auch andere Religionen, wie zum Beispiel den Islam. Religiöse Menschen verlieren ihren Glauben, werden Agnostiker oder Atheisten. Wenn man sich die Frage stellt, wodurch dieser Trend ausgelöst wurde, dann ist die Antwort nicht, dass die Leute klüger geworden sind. Okay, Pisa lässt an dieser Stelle grüßen. Die Menschen sind nicht klüger geworden, aber es gibt Social Media.
Jetzt haben wir eine ganz merkwürdige Mischung: Auf der einen Seite einen Mangel an echter Bildung, der auf ganz viele Meinungen trifft. Dieser Mangel trifft vor allem auf Meinungen, die kämpferisch vorgetragen werden, am besten mit emotionalen Bildern hinterlegt. Wenn man dann noch eine ordentliche Portion Geheimnis oder Verschwörungstheorie dazu packt, wird das zu einem echten Problem.
Ein echtes Problem für unbefestigte Christen, weil sie dadurch leicht Zweifel bekommen. Und weil wir als Gemeinde eine Gemeinde sein wollen, in der Fragen erlaubt sind, habe ich mir dieses Buch hier vorgenommen: von Tim Sledge, einem amerikanischen Ex-Pastor, der seinen Glauben verloren hat. Das Buch heißt „Four Disturbing Questions with One Simple Answer“ – also „Vier verstörende Fragen an den Glauben mit einer simplen Antwort“, nämlich der, dass es Gott gar nicht gibt.
Ich schaue mir also diese vier Argumente an. Wir haben uns schon zwei angeschaut. Wie gesagt, ich finde die gar nicht so furchtbar verstörend. Das finde ich ein bisschen grob aufgelegt.
Das überraschende Argument über Jesus und göttliches Wissen
Und wenn ich mir das dritte Argument anschaue, dann hat es mich tatsächlich überrascht. Überraschend deshalb, weil ich dieses Argument so vorher einfach noch nie gehört habe.
Im Wesentlichen geht es bei diesem dritten Argument um Jesus. Das Argument ist sehr breit gefasst und lautet ungefähr so: Wenn Jesus wirklich Gott war, also wenn Gott Mensch wurde, und wenn Jesus durch den Vater Zugang zu göttlicher Allwissenheit hatte, warum hat er dann nicht ein paar Dinge gesagt, die allen Menschen zu allen Zeiten gezeigt hätten, dass hier Gott vor ihnen steht?
Tim Sledge stützt das Argument auf folgende Grafik. Diese Grafik zeigt die Entwicklung der Lebenserwartung des Menschen. Betrachtet man das grob, hat sich die Lebenserwartung in den letzten etwa hundert Jahren ungefähr verdoppelt – von etwa dreißig Jahren Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts auf heute etwas über siebzig Jahre, und zwar weltweit.
Wenn man sich die Frage stellt, woran das liegt, dann ist die Antwort im Wesentlichen die Verringerung der Kindersterblichkeit. Das hängt mit wissenschaftlichem Fortschritt zusammen, also mit Hygiene, dem Wissen um Krankheitserreger, Medizintechnik, Impfungen, Antibiotika, Medikamenten und so weiter.
Wer sich ein wenig mit Geschichte auskennt, weiß, dass in den letzten hundert bis hundertfünfzig Jahren an dieser Front wirklich unglaublich viel passiert ist. Manchmal waren es ganz kleine Ideen mit sehr großen Auswirkungen. Das könnten vielleicht die Geschichtslehrer noch besser erklären.
Ein Beispiel aus der Medizingeschichte: Ignaz Semmelweis
Ich mache mal ein Beispiel. Bis Mitte des neunzehnten Jahrhunderts war es nicht üblich, dass ein Chirurg sich vor der Operation die Hände wäscht, geschweige denn desinfiziert. Das war einfach nicht üblich.
Dann schreiben wir das Jahr 1847. Ein ungarischer Arzt namens Ignaz Semmelweis beobachtet in einer Wiener Geburtsklinik, dass die Sterblichkeitsrate von Müttern, die Kinder zur Welt bringen, deutlich sinkt, wenn die Ärzte vorher ihre Hände mit einer Chlorkalklösung desinfiziert hatten. Das beobachtet er.
Es dauert jedoch noch ungefähr ein halbes Jahrhundert, bis es völlig normal wird, sich vor einer Operation die Hände zu desinfizieren. In diesen 50 Jahren sterben deutlich weniger Patienten durch Operationen. Einfach nur, weil die Ärzte sich vorher die Hände waschen und desinfizieren. So stecken sie ihre Patienten nicht an, wenn sie an ihnen operieren. Eine kleine Sache mit riesiger Auswirkung.
Aber das ist gerade mal hundertfünfzig Jahre her. Überlege dir: Anfang des neunzehnten Jahrhunderts kam ein Arzt, der gerade noch an einem Toten herumgeschnibbelt hatte, und operierte dann an dir. Das war völlig normal.
So, die letzten hundert bis hundertfünfzig Jahre waren also toll in dieser Hinsicht. Und jetzt kommt Sledge und sagt: „Hm, warum hat Jesus eigentlich nichts über Bakterien und Krankheitserreger gesagt?“ Das ist seine Frage.
Ist Jesus nicht, jedenfalls für die Christen, der Wunderheiler schlechthin? Er hätte der Welt einen enormen Segen und sich selbst auch unglaubliche Popularität beschert, wenn er über die Existenz von Mikroorganismen aufgeklärt hätte. Warum tut er das nicht?
Zeigt das nicht, dass Jesus einfach nur ein Mensch seiner Zeit war, ein provokanter Rabbi, aber halt auch nicht mehr? Das ist Argument Nummer eins.
Wie gesagt, mich hat das ein bisschen überrascht. Ich habe das vorher so noch nicht gehört. Wenn ich dann so etwas lese, dann stelle ich mich sinnend vor mein Whiteboard und überlege mir, was mir dazu einfällt. Wenn mir jemand in einer Frage-und-Antwort-Runde so eine Frage gestellt hätte, was würde ich dann sagen?
Erste Gedanken zur Herausforderung des Arguments
Erstmal klingt das Argument ja gar nicht schlecht. Wenn Jesus die Menschen seiner Zeit über Krankheitserreger aufgeklärt hätte, dann hätte er eigentlich viele Leben retten können – mindestens das von Säuglingen und Müttern. Also warum nicht wenigstens eine Predigt über das Abkochen von Trinkwasser oder den Wert des Händewaschens? Das wäre doch etwas gewesen.
Ich stehe da so vor meinem Whiteboard, und das Erste, was mir einfällt, ist: „Hey Mann, das stimmt doch gar nicht, was der hier sagt.“ Also, was nicht stimmt, ist Folgendes: Er behauptet ja, Gott hätte nie etwas über Hygiene gesagt. Und ich dachte nach: Na, so ein Unsinn!
Wisst ihr, das mosaische Gesetz, das ist anderthalbtausend Jahre vor Jesus, hatte schon viele Regelungen, die wir heute ganz einfach mal als Hygienemaßnahmen durchgehen lassen würden. Ich denke mal, ich habe ein paar Sachen rausgeschrieben. Ich denke dabei an Leute mit Aussatz, die isoliert wurden. Das ist doch toll, damit sich nicht andere anstecken, oder? Vorsichtsmaßnahmen beim Berühren von Leichen und Kadavern hatte Mose schon. Oder wie man mit Ausflüssen umgeht – also mit Menstruation und anderen Sachen, die an den Stellen da unten rauslaufen –, dass man da auch vorsichtig sein soll, steht alles im mosaischen Gesetz.
Oder dass man seine Fäkalien außerhalb des Lagers vergraben soll, sogar eine Schippe dabei haben soll auf der Wanderung. Altes Gesetz! Oder ich denke an die strikte Sexualethik – bis heute der beste Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten. Das steckt alles im mosaischen Gesetz.
Und wenn ihr jetzt ein Stück weitergeht, ihr wisst, das mosaische Gesetz ist eine kassoistische Gesetzgebung. Das heißt, es wird immer ein Beispiel vorgestellt, und aus diesem Fall, aus dem Kasus, darf man sich das Prinzip ableiten und überlegen, worauf man es noch übertragen kann. Also wenn ich sage: „Du sollst das, was hinten rauskommt, außerhalb des Lagers vergraben“, ja, vielleicht gibt es noch mehr Sachen, die man nicht in die nächste Quelle oder in den Brunnen werfen sollte. „Ich soll einen Kadaver nicht anfassen“ – ja, wahrscheinlich auch nicht in den Brunnen werfen.
Man kann da einfach mitdenken und stellt fest: Wow, das ist ja überraschend! Das mosaische Gesetz ist durchaus, wenn man es aus einer hygienischen Perspektive betrachtet, unglaublich modern. Vor allem dann, wenn man sich jetzt mal hinstellt und sagt: Ich vergleiche das mal mit anderen Gesetzestexten aus dieser Zeit. Da gibt es zum Beispiel den Kodex Hammurabi. Und dann liest man sich diese 282 Gesetze im Kodex Hammurabi durch und stellt fest: Da ist nicht eine einzige Hygieneregel dabei. Nichts.
Das heißt, die Juden haben nicht einfach von den anderen abgeschrieben, sondern Gott kommt zu ihnen, gibt ihnen ein Gesetz, und mittendrin sind ganz viele Regeln, bei denen wir heute sagen würden: Sehr schlau – einfach nur aus hygienischer Perspektive, sehr, sehr schlau.
Das waren so meine ersten Gedanken, die ich hatte. Ja, stimmt, Jesus hat nichts über Krankheitserreger gesagt, aber ist es nicht erstaunlich, dass das Thema Reinheit und Hygiene von Gott im mosaischen Gesetz so sehr betont wird? Ist das nicht erstaunlich? Und zwar lange, lange, lange vor Jesus. Das war mein erster Punkt.
Die Bedeutung von wissenschaftlichem Denken für das Verstehen
Und dann kam mir ein zweiter Punkt in den Sinn. Der ist jetzt ein klein wenig komplexer. Er hat damit zu tun, dass es nicht reicht, einfach zu erklären, wie etwas funktioniert.
Was will ich damit sagen? Bevor ich das mit den Mikroorganismen verstehen kann, braucht es zunächst ein bisschen Grundlagenwissen. Es braucht sogar eine bestimmte Art zu denken, nämlich wissenschaftliches Denken. Sonst kann ich das, was da gesagt wird, überhaupt nicht aufnehmen.
Ich zoome noch einmal zurück zu Ignaz Semmelweis, Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Er konnte zeigen: Schaut mal, die Sterblichkeitsrate von Gebärenden geht signifikant nach unten, wenn ihr eure Hände mit Chlorkalklösung wascht.
Jetzt würde man ja sagen, der sagt das einmal, und alle, die mit ihm zu tun haben, sagen: Ja, hipp hipp hurra, das machen wir ab morgen alle. Das wäre doch super naheliegend, oder? Keiner will doch verantwortlich sein dafür, dass eine Mutter im Kindbett an Kindbettfieber stirbt. Da wasche ich mir natürlich meine Hände.
Man würde denken, völlig naheliegend, die waschen sich ab morgen alle die Hände. Er sagt das quasi am Montag in der Versammlung, und ab Dienstag waschen sich alle die Hände.
Wir haben auf der einen Seite die drastische Reduktion der Sterblichkeitsrate, und wir haben auf der anderen Seite die Ablehnung dieser Idee durch die Kollegen und andere Mediziner. Warum?
Warum wurde diese Idee der Übertragung kleiner Krankheitskeime – er nannte sie Kadaverpartikel – nicht einfach angenommen? Das kam daher, dass er insbesondere einen Vergleich gemacht hat zu den Ärzten, die eben just bevor sie ein Kind entbunden haben, an Toten herumgeschnibbelt haben. Für ihn war es so: Die Kadaverpartikel führen zu Kindbettfieber.
Also warum wurde das nicht einfach akzeptiert? Drei Gründe:
Erstens gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine wissenschaftliche Erklärung dafür. Die braucht es nicht mehr lange, also Louis Pasteur und Robert Koch stehen schon in den Startlöchern. Zwanzig Jahre später hatten wir das. Aber zu dem Zeitpunkt, 1847, war da noch nichts. Menschen glauben einfach nicht, was sie nicht verstehen, wofür es keine wissenschaftliche Theorie gibt. Punkt eins.
Punkt zwei: Das war der Status quo der medizinischen Praxis, die Ärzte. Die, die das so hören, „Wasch mal deine Hände“, empfanden das schlicht und ergreifend als Beleidigung. Sie seien auf keinen Fall verantwortlich für den Tod der Mütter. „Wir sind die Ärzte, wir machen gesund.“
Und da gab es noch einen dritten Punkt: Ignaz hatte eine etwas konfrontative Art. Und es sind diese persönlichen Konflikte zu den Kollegen, die einfach die Akzeptanz seiner Ideen weiter erschwert haben.
Das war die Realität.
Warum einfache Erklärungen oft nicht ausreichen
Warum erzähle ich euch das? Ich erzähle es, weil ich zeigen möchte, dass es nicht ausreicht, Menschen etwas zu erklären, wenn es überhaupt nicht zu ihrem Weltbild passt. Es braucht viel mehr, um Menschen zu überzeugen, als nur einen Rabbi, der ihnen irgendetwas über Mikroorganismen erzählt – etwas, das für sie überhaupt keinen Sinn ergibt.
Was keiner versteht, hätte überhaupt keinen Sinn gemacht. Das wurde erst Mitte des neunzehnten Jahrhunderts ansatzweise verständlich und brauchte noch ein halbes Jahrhundert, um akzeptiert zu werden. Im ersten Jahrhundert hätte das für niemanden Sinn ergeben.
Dabei dachte ich: Ja, das stimmt. Gleichzeitig fragte ich mich aber, warum es denn irgendwann Sinn machte. Dabei fiel mir auf: Ist das nicht interessant? Gerade die Naturwissenschaften entwickelten sich doch aus dem Christentum heraus.
Abschluss und Ermutigung zum Nachdenken
Was könntest du jetzt tun?
Denke darüber nach, welche Fragen an den Glauben für dich besonders herausfordernd sind. Suche nach guten Antworten darauf.
Das war's für heute. Bitte bete für die im Sommer stattfindenden Freizeiten, Bibelschulen und Sommerlager. Bete um Segen und Bewahrung.
Der Herr segne dich, lasse dich seine Gnade erfahren und lebe in seinem Frieden. Amen.