Buder Schäffbruch bat mich, den Text zur Predigt zu lesen. Diesen finden wir im Evangelium nach Lukas, Kapitel 7, Verse 36 bis 50.
Einladung und Begegnung im Haus des Pharisäers
Er bat ihn jedoch, einer der Pharisäer, mit ihm zu essen. So ging er in das Haus des Pharisäers und legte sich zu Tisch.
Siehe, da war eine Frau in der Stadt, die eine Sünderin war. Als sie erfuhr, dass er im Haus des Pharisäers zu Tisch lag, brachte sie eine Alabasterflasche mit Salböl. Sie trat von hinten an seine Füße heran, weinte und begann, seine Füße mit Tränen zu benetzen. Dann trocknete sie sie mit den Haaren ihres Hauptes.
Anschließend küsste sie seine Füße und salbte sie mit dem Salböl.
Als der Pharisäer, der ihn eingeladen hatte, dies sah, sprach er bei sich selbst: Wenn dieser ein Prophet wäre, würde er erkennen, wer und was für eine Frau das ist, die ihn anhört. Denn sie ist eine Sünderin.
Jesu Antwort und das Gleichnis von den Schuldnern
Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Simon, ich habe dir etwas zu sagen. Er aber sagte: Lehrer, sprich!
Ein Gläubiger hatte zwei Schuldner. Der eine schuldete fünfhundert Dinare, der andere fünfzig. Da sie aber nicht zahlen konnten, schenkte er beiden die Schuld.
Wer von ihnen wird ihn nun am meisten lieben? Simon antwortete und sprach: Ich nehme an, derjenige, dem er das meiste geschenkt hat. Er aber sprach zu ihm: Du hast richtig geurteilt.
Kontrast zwischen Simon und der Frau
Und sich zu der Frau wendend, sprach er zu Simon: „Siehst du diese Frau? Ich bin in dein Haus gekommen, und du hast mir kein Wasser für meine Füße gegeben. Sie aber hat meine Füße mit Tränen benetzt und mit ihren Haaren getrocknet.
Du hast mir keinen Kuss gegeben, sie aber hat, seitdem ich hereingekommen bin, nicht aufgehört, meine Füße zu küssen. Du hast mein Haupt nicht mit Öl gesalbt, sie aber hat meine Füße mit Salböl gesalbt.
Deshalb sage ich dir: Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel geliebt. Wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig.“
Er aber sprach zu ihr: „Deine Sünden sind dir vergeben.“ Die, die mit zu Tisch lagen, fingen an, bei sich selbst zu sagen: „Wer ist dieser, der auch Sünden vergibt?“
Er sprach aber zu der Frau: „Dein Glaube hat dich gerettet. Gehe hin in Frieden.“
Gebet und Bitte um Segen
Soweit das Wort, wollen wir uns, soweit wir können, zum Gebet erheben.
Wir danken dir, dass wir uns in dieser Abendstunde in Ruhe und Frieden hier versammeln können, um dein Wort zu hören. Wir möchten dich bitten für unseren Bruder Schäffbuch, dass du ihn segnest und mit Weisheit sowie Vollmacht ausrüstest.
Ja, Herr, segne jeden, der heute Abend in die Versammlung gekommen ist. Schenke uns ein offenes Herz, damit wir dein Wort richtig verstehen und ausleben können.
Wir möchten dich aber auch ganz besonders für all jene bitten, die nicht in unserer Mitte sein können, weil sie krank und schwach sind. Segne sie. Insbesondere legen wir dir Rainer ans Herz. Die Operation ist gut verlaufen, Herr. Nun sei du es, der ihn aufrichtet und stärkt.
Ja, Herr, so dürfen wir dich auch für all die Geschwister bitten, die um deines Namens willen verfolgt werden, besonders in Nordkorea. Segne sie und schenke ihnen eine innere Freude zu dir hin, auch wenn sie es nach außen hin nicht zeigen dürfen.
Dafür dürfen wir dich immer wieder bitten und dich anbeten.
Wir bitten auch für dein Volk Israel und für die ganze Region dort unten, dass du dein Volk immer wieder leitest und führst. Dafür dürfen wir dich ebenfalls immer wieder bitten.
Segne diese Abendstunde, Herr. Wir dürfen alles von dir erwarten.
Amen!
Erfahrungen in der missionarischen Arbeit und Gemeinschaft im Glauben
Viele Jahre durfte ich neben der Gemeinde in der Dritten Welt, in den Notgebieten, mitwirken. Es war immer wieder erschütternd, die grauenhafte Not zu erleben. Oft arbeiteten wir dabei auch mit Ärzte ohne Grenzen, dem Roten Kreuz und weiteren Organisationen zusammen.
Wenn wir unterwegs waren, wurden wir manchmal gefragt: „Wie ist das möglich? Ich habe Sie beobachtet. Waren Sie schon einmal hier?“ Nein, ich war tatsächlich noch nie hier. Doch die Menschen bemerkten unseren vertrauten Umgang mit den Leuten in diesem Katastrophengebiet. Ich konnte es ihnen nicht erklären.
Wir hatten eine kurze Gebetsgemeinschaft, die uns ungemein verbunden hat. Denn das ist das Allergrößte zwischen Menschen – besonders unter denen, die Jesus folgen und die Herrlichkeit von Jesus in ihrem Leben erfahren haben. Diese Verbindung ist sehr stark.
Ich freue mich, heute Abend in dieser Bibelstunde hier zu sein. Es ist etwas ganz Großes, in Berlin solch eine große Bibelstunde zu erleben. Gerade jetzt bei verschiedenen Bibelfreizeiten, wie zum Beispiel in Oberstdorf, waren Teilnehmer dabei, die ich noch nicht kannte.
Ich frage sie dann immer wieder interessiert: „Wo sind Sie zum Glauben gekommen?“ Eine Frau erzählte mir: „Ich war eigentlich nur dem Namen nach Christ. Wir hatten eine Israelreise, und in Elad hat mich eine Jüdin angesprochen. ‚Kennen Sie Jesus?‘, fragte sie – eine jesusgläubige Jüdin am Strand von Elad.“
Die Frau sagte: „Ich war schon verlegen, aber ich habe mich dort entschieden und mein Leben Jesus übergeben. Seitdem gehe ich in der Nachfolge Jesu.“ Das ist etwas ganz Wunderbares.
Unser wichtigster Auftrag ist es, Menschen zu Jesus zu führen.
Jesu Suche nach Menschen trotz Abweisung
In unserer Geschichte, die wir hier betrachten, ist es wunderbar zu sehen, wie Jesus durch die Dörfer und Städte zog und Menschen suchte. Dabei erlebte er oft viel Abweisung. Das verletzt uns immer wieder, wenn wir erleben, dass Menschen Jesus ablehnen und unsere Botschaft nicht hören wollen.
Wer am Samstag mit dabei ist, wird schnell merken, wie leicht man gekränkt sein kann, weil die Leute oft so gleichgültig reagieren. Jesus hat viel Abweisung ertragen müssen, denken Sie nur an die Pharisäer und Schriftgelehrten. Ausgerechnet von ihnen erfuhr er viel Ablehnung.
Dennoch ging Jesus in das Haus des Pharisäers Simon, obwohl dieser gar nichts von ihm wollte. Vielleicht suchte Simon nur ein wenig Ehre oder war neugierig. Wir sollten verstehen, dass Jesus niemals jemanden als zu schlecht ansieht.
Früher haben wir sogar das Lied gehört: „Früher Morgen, Jesus geht und steht vor allen Türen, klopft an.“ Darin heißt es: „Komm, Herr Jesus, sei unser Gast, komm doch in mein Leben rein.“ Jesus möchte in den Häusern einkehren, selbst ein so stolzer Pharisäer ist für ihn nicht abgeschrieben.
Jesus sucht alle Menschen, auch diejenigen, die sagen: „Ich brauche ihn doch gar nicht.“ Das ist sehr wichtig. Von Jesus können wir lernen, uns um Menschen zu bemühen und ihnen in Liebe nachzugehen.
Die Störung am Festmahl und die besondere Frau
Das Festmahl, das sie dort gehalten haben: Sie liegen zu Tisch, und plötzlich kommt diese Störung. Da erscheint eine Frau. Eigentlich müsste man jetzt unterbrechen und sagen: Die Frau muss raus. So ein Typ darf hier nicht auftauchen, sie passt doch gar nicht in diese Gesellschaft hinein.
Ihr habt ja in Berlin auch solche Leute, über die andere reden. Aber es ist ganz merkwürdig: Diese Frau war etwas Besonderes, denn sie litt unter ihrer Sünde. Es gibt viele Menschen, die in zwielichtigen Berufen arbeiten, aber nie unter ihrer Sünde leiden. Im Gegenteil, sie sind oft recht stolz darauf.
Das Besondere an dieser Frau war, dass sie verzweifelt war, zusammengebrochen und ihre Schuld erkannte. Das ist heute eine große Not, in unserer Zeit, in der wir leben: Dass Menschen nicht mehr unter ihrer Schuld leiden – leider auch in der Christenheit.
In vielen christlichen Zeitschriften kommt das Wort „Sünde“ gar nicht mehr vor. Stattdessen wird von Lebensproblemen gesprochen. Auch in christlichen Büchern geht es immer mehr darum, wie man Lebensprobleme löst, wie man mutig wird, sich mehr zutraut und mehr im Leben erreichen kann.
Doch das ganz Besondere war, dass hier eine Frau war, die in ihrem Leben zerbrochen war. Und das ist ein Werk des Heiligen Geistes, denn nur der Geist Gottes kann Menschen überführen – über Schuld.
Das ist es auch, was das Leben dieser Frau immer wieder so tief erschütterte: das Bewusstsein des eigenen Versagens. Dass man am Abend darunter leidet, was man gesprochen hat, was falsch lief, was man versäumt hat und was man nicht tun konnte.
Wissen Sie, es ist so herrlich, dass diese Frau begriffen hat: Es gibt jemanden für diese größte Not der Welt. Und diese größte Not der Welt ist die Sünde.
Simon und das Verständnis von Sünde
In dieser Geschichte ist auch Simon sehr schön dargestellt. Er ist ein sündiger Mensch, versteht das aber nicht richtig, weil er Sünde nur mit einem Laster verbindet. So ist es auch bei uns oft. Er fragt sich immer wieder: Was ist denn in meinem Leben kaputt? Doch Sünde bedeutet mehr: Sie ist das Fehlen von Leben, das Fehlen der erfüllten Gemeinschaft mit Gott. Mein Leben ist dadurch nutzlos, zerbrochen und versäumt. Das hat diese Frau sehr beschäftigt.
Darum hatte Jesus immer wieder einen Blick für solche verzweifelten Menschen, wie die Frau am Brunnen von Sychar. An dieser Stelle wird besonders sichtbar, wie Menschen nach Liebe suchen, aber keine finden. Schuld ist eine große Not, doch man weiß sie oft nur von sich selbst: Ich soll Schuld haben. Wie konnte Jesus in den Gleichnissen von Schuld sprechen? Ich finde es immer wieder wunderbar in der Geschichte vom verlorenen Sohn, wie dieser bei den Säuen war und nicht einmal das essen durfte, was den Säuen gegeben wurde. Das hat er in sich aufgenommen. Das ist ein ganz großer Moment, wenn jemand sagt: Ich bin schuld. Wenn einem die eigenen Sünden bewusst werden.
Ich glaube an die Auferstehung der Sünden. Mit dem Alter kommen viele Dinge aus der Kindheit plötzlich wieder ans Licht. Und wenn man nachts wach liegt, sieht man all die Dinge, die einen belasten: Was man gesagt hat, was man anderen zugefügt hat, was im Geschwisterkreis passiert ist. Man leidet an diesem versäumten Leben. Das ist eine große Not.
Es ist sehr wichtig, dass wir darüber reden, dass Jesus der Heiland ist, der Retter für verzweifelte Menschen. Bleiben wir noch einmal bei Simon, dem Pharisäer. Er konnte das Thema absolut nicht verstehen. Er sagte, das sei etwas für Leute mit ganz schweren Verfehlungen. Die Pharisäer waren auch etwas Gewaltiges. Sie waren tolle Leute mit einer großen Liste von sozialem Engagement. Sie versorgten Witwen und kümmerten sich um die sozialen Nöte in der Gemeinschaft des Volkes. Das war vorbildlich.
Paulus sagt später von seiner Vergangenheit als Pharisäer: Ich habe nach dem Gesetz unsträflich gelebt, bis Jesus ihm die Augen öffnete und er erkannte, dass er der schlimmste von allen Sündern war, weil er Jesus nicht erkannt hatte. Das ist die schlimmste Sünde: fern von Jesus zu leben.
Heute ist es eine ganz große Not, dass viele Menschen das nicht verstehen. Umso ermutigender ist es, dass diese Frau zu Jesus kommt, in diese Versammlung hinein. Irgendwo hat sie gehört, dass Jesus in der Stadt ist. Jetzt ist er im Haus des Pharisäers, und sie sagt sich: Da muss ich hin.
Das ist etwas ganz Besonderes. Diese Frau hat begriffen, dass sie mit ihrer Not zu Jesus kommen muss. Dabei hätte sie sagen können: Ich darf doch gar nicht dort hingehen. Ich passe doch nicht dazu. Ich bin doch unrein. Ich muss mich doch schämen wegen meines Lebenswandels, wegen all dem, was in meinem Leben war.
Die Kraft des Zeugnisses und der Mut zur Ehrlichkeit
Woher hat diese Frau die Courage? Ich muss zu Jesus. Hat sie irgendwelche Worte gehört, die sie eingeladen haben?
Darf ich Ihnen sagen, dass das für alle Menschen, mit denen Sie reden, das allerschönste Zeugnis ist? Wenn Sie sagen: Ich habe in meinem Leben viel falsch gemacht, aber Jesus war der Einzige, der mich geliebt hat. Der auch da, wo alle mich verurteilt haben, zu mir gestanden ist und mich gesucht hat. Das ist das attraktivste Zeugnis, das Sie verkünden können.
Unsere jungen Leute sagen immer: Ich will den anderen vorleben, dass ich ein guter Mensch bin. Stimmt doch gar nicht! Wie will ich das in der Schulklasse vorleben oder den Mitstudenten? Ich kann ihnen doch nur sagen, dass in meinem Leben so schreckliche Dinge in meinem Herzen waren, ganz böse Gedanken, und dass ich in meinem Leben viel falsch gemacht habe.
Aber ich habe gewusst, dass Jesus ein Heilender ist, der alles zurechtbringen kann, was in dieser Welt verkehrt läuft. Bei Jesus gibt es keine hoffnungslosen Fälle, und das muss diese Frau angezogen haben: Der ist für mich da.
Es ist ganz wichtig, dass wir das auf geschickte Weise irgendwo weitersagen können. Ich weiß auch nicht, wie es diese Jüdin dort in Elad bei dieser Frau geschafft hat, aber wir dürfen darum beten: Herr Jesus, ich will gar nicht viele Worte machen. Ich möchte nur ganz schlicht erzählen: Ich bin nicht gut, nein, ich bin nicht gut, aber ich habe Jesus gefunden. Er hat meinem Leben Frieden gegeben, er hat mich geheilt.
Die Bedeutung von Zeugnis und Vergebung in der Gemeinde
Es ist erstaunlich, dass in der Bibel viele Menschen zugelassen haben, dass ihre Geschichten erzählt werden. Hätten sie es erlaubt, so wie Petrus es tat, von seiner Verleugnung Jesu zu berichten? Das war doch furchtbar! Und dennoch war es wichtig.
Paulus legte großen Wert darauf, dass man weiß, wer er war. Er sagt: „Ich bin doch das Modell eines sündigen Menschen.“ So tief wie er ist keiner gefallen, der gegen Jesus gekämpft hat. Und genau das soll eine Ermutigung für andere sein: Mir ist Barmherzigkeit widerfahren.
Es ist wunderbar, wenn andere Menschen spüren, dass wir uns nicht besser fühlen als sie. Stattdessen sagen wir: „Ich kann mit dir mitfühlen.“ Besonders wenn schon junge Leute das spüren. Bei uns ist vieles schiefgelaufen, aber mir ist Barmherzigkeit widerfahren.
Da passiert etwas Wunderbares, wie bei der Frau, die einfach dieses Alabasterglas zerbricht. Jesus braucht das Glas ja nicht. Aber darum geht es auch nicht. Dieses Ereignis kommt ein paar Mal vor. Es geht um die Liebe zu Jesus.
Oft ist der Glaube bei uns ein Verstandesproblem. Wir wollen begreifen und diskutieren im Hauskreis: Wie ist das mit Jesus? Wie versteht man diese Schriftstelle? Dabei ist die Spitze des Glaubens, Jesus über alles zu lieben. Das bedeutet, Gott zu fürchten und zu lieben.
Jesus zu lieben kann nur der, der mit seiner Schuld nicht mehr fertig wird und erlebt hat, wie Jesus alle Not seines Lebens geheilt hat. Wie er uns reinmacht, erneuert und heilt.
Die Herausforderung der heutigen Zeit im Umgang mit Sünde
Es ist etwas ganz Merkwürdiges, dass heute gar nicht viel gesprochen wird. Ich leide darunter, dass in unseren Tagen so viel über die ethischen Nöte unseres Volkes geredet wird.
Wenn Sie darauf achten, will ich nicht einmal die Worte in den Mund nehmen, ob es um die Tötung von Kindern geht oder um das geschlechtliche Zusammenleben. Paulus hat einmal gesagt: Es gibt Dinge, über die man besser nicht mit Worten spricht.
Es ist auch wunderbar, dass über die Sünde ein Mantel gebreitet wird. Was war es denn bei dieser Frau? Was hat sie genau getan, und worin bestand die Sünde? Lassen Sie das die Klatschblätter machen.
Wir dürfen den Menschen nur sagen: Es gibt keine Not dieser Welt, über die Jesus nicht seine Vergebung breitet und alles neu macht. Das hat diese Frau erfahren. Und das geschieht alles nur durch die Liebe zu Jesus.
Er ist mein Heiland, ich brauche dich, und ich werde mit meiner Sache nicht mehr fertig. Es ist so wunderbar, dass gar nicht viel gesprochen wird, keine großen Bekenntnisse gesagt werden. Die Frau hat Reue gezeigt, ihre Schuld bekannt und dann Vergebung empfangen sowie von Jesus angenommen sein dürfen.
Jesu Umgang mit Simon und das Gleichnis der Schuldner
Und jetzt passiert etwas ganz Merkwürdiges. Jesus erkennt, was in dem Kopf des Simon, des Pharisäers, vorgeht. Simon denkt: Das kann doch nicht wahr sein, dass es so einfach ist. Wenn das wirklich so einfach ist, dann geraten ja alle Moralbegriffe bei uns durcheinander. Da muss man doch kämpfen und sich mühen, das muss man doch lernen, und darüber muss man reden. Ist es wirklich so, dass die Liebe zu Jesus alles heilt?
Ja, wir haben bei uns in christlichen Fachkreisen, bei unseren hochqualifizierten Ärzten und Professoren, die wir ausgesandt haben, bei einer Trainingsfreizeit herumgefragt, wann sie zum Glauben gekommen sind. Ich hatte früher immer ein Problem und habe gesagt, ich nehme Kinderbekehrungen nicht ernst. Denn ich weiß, was es erst in der Pubertät bei jungen Männern für einen Kampf oft gibt, wie sie dann in ihrer kritischen Phase Jesus annehmen.
Es war doch erstaunlich, dass über 60 dieser fähigen und belastbaren Jesuszeugen erzählt haben, sie seien mit sieben oder neun Jahren in der Kinderstunde zum Glauben gekommen. Da wurde ihnen Jesus, der Heiland, so groß, der gute Hirte, dem sie nachgefolgt sind. Das war ganz wunderbar. Der Zugang geschieht durch die Liebe zu Jesus.
Jesus versteht das und redet wieder gar nicht viel mit Simon. Er führt keine große theologische Debatte. Er will auch nicht, dass jetzt über dieses Thema so gesprochen wird. Denn da hätten ja viele entrüstet gesagt: „Die Frau muss raus! Das ist doch keine Frau, das ist ein Weib. Schickt sie mal weg, sie soll sich mal zusammenreißen!“
Jesus erzählt Simon stattdessen ein Gleichnis. In seine Gleichnisse hat Jesus alles hineingepackt. Es ist ja schade, dass wir in unseren Predigten so viel theoretisieren. Jesus hat nur Geschichten erzählt. Wenn man einmal lernt, dass das, was wir in den Kinderstunden tun, die höchste Weise ist, von Jesus zu reden und von ihm zu erzählen, dann tut man das Allergrößte – auch unter Erwachsenen.
Er erzählt hier ein Gleichnis, und das Gleichnis ist ganz wunderbar, ein ganz simples Gleichnis. Er macht deutlich, was Schuld bei uns im täglichen Leben ist – eine Schuld, die man nicht wiedergutmachen kann. Man kann wirklich keine Schuld vor Gott wieder in Ordnung bringen. Das ist das Schlimme.
Jedes böse Wort, das geredet wurde, kann man nicht mehr zurückholen. Die bösen Gedanken, die bösen Taten, die geschehen sind, die Verletzungen, die man getan hat – das ist alles Schuld, die nicht mehr reparierbar ist. Doch über dieser überwältigenden Gnade fragt Jesus ganz ungewohnt den Mann, dem die Schuld gegenüber angetan wurde. Er dreht das Ganze um: „Wer von Ihnen wird den meisten lieben?“
Es ging doch gar nicht um Liebe, es ging um Schuld. Doch Jesus sagt: Die Hauptfrage ist, ob du lieben kannst. Sozusagen ist die Krone unseres Glaubens die Liebe zu Jesus, die ganz ungefärbte Liebe, die Hingabe und Liebe aus Dankbarkeit für das, was er mir geschenkt hat.
Am Heidelberger Katechismus der reformierten Tradition von Calvin folgt so schön, dass alle Werke, das ganze Tun eines Christenlebens, überschrieben sind im dritten Artikel von der Dankbarkeit. Warum lebe ich als Christ in den Geboten? Gott aus Dankbarkeit, weil das Leben mir neu geschenkt wurde.
Im Heidelberger Katechismus wird so klar gesagt im Artikel 5, dass ich von Natur aus geneigt bin, Gott und meine Nächsten zu hassen. Aber Gott hat mich lieb und hat durch Jesus die Versöhnung für mich geschaffen. Das ist die Triebfeder meines Lebens. Jetzt will ich mein Leben ihm geben. Er ist es wert, dass man ihn ehrt und sich in seinem Dienst verzehrt – aus Dankbarkeit für das, was man geschenkt bekommen hat.
Die Konfrontation Simons mit seiner fehlenden Liebe
Und Jesus macht Simon zum ersten Mal deutlich: Simon, dein ganzes Leben ist ein verfehltes Leben. Du hast mich nie geliebt.
Über diese Aussage hat es unter Theologen über Jahrhunderte hinweg eine große Debatte gegeben. Selbst im neunzehnten Jahrhundert gab es Zweifel, und im zwanzigsten Jahrhundert sagte ein bedeutender Theologe wie Karl Barth, es gebe keine Jesusliebe.
Später, im vierten Teil seiner Dogmatik (Band 4,2), korrigierte er diese Ansicht. Er nahm Lukas 7 als Grundlage und erklärte: Das Entscheidende ist, Jesus zu lieben. Diese Liebe soll in unserem Leben aus Dankbarkeit über die empfangene Vergebung der Schuld entstehen.
Wir sollen anderen davon erzählen. Dabei geht es nicht darum, besser zu sein als andere, sondern darum, die große Liebe zu bezeugen, die wir durch Jesus erfahren haben, der unsere Schuld vergeben hat.
Dem Apostel Paulus war es wichtig, selbst in einer Weltstadt wie Rom – einer Stadt, die für das Kreuz und das Evangelium kein Organ hatte – vom gekreuzigten Jesus zu erzählen. Diese Botschaft ist immer ein Fremdkörper in unserer Welt. Aber sie ist die einzige Botschaft, die uns die Augen öffnet für die große Vergebung, die Jesus uns geben will.
Jesus sagt: Du hast mich nie geliebt. Euer Verhältnis war distanziert. Du hast mir nicht die Füße gewaschen, du hast mir keinen Kuss gegeben, du hast mein Haupt nicht mit Öl gesalbt. Aber sie hat meine Füße gesalbt und viel geliebt.
Die Rolle der Frauen und die Kraft der Liebe in der Bibel
Jetzt fällt mir plötzlich auf, dass das überall im Neuen Testament steht. Warum können Theologen das nicht entdecken? Schon im Alten Testament wird von einer Frau berichtet. Man hat oft den Eindruck, dass wir Männer die Frauen in den evangelikalen Versammlungen nicht richtig ehren.
Deborah war keine Quotenfrau. Sie war eine Richterin. Sie saß unter der Palme, und das ganze Volk kam zu Deborah. Kein Mann konnte ihr das Wasser reichen. Sie rief die Männer zum Kampf auf, denn diese hatten alle Angst davor. Deborah befreite Israel in der kritischen Stunde.
Und dann heißt es: „Die, die diesen Herrn aber lieb haben, müssen sein wie die Sonne, die in ihrer Pracht aufgeht.“ Das Allerschönste ist, wenn man mit dieser Jesusliebe lebt.
Wir erinnern uns an Simon Petrus, der ein Feuerkopf für Jesus war. Er war eine Dampfmaschine, die Wälder bewegen konnte – alle Windräder, alles für Jesus. Doch dann ist der Gescheiterte eingebrochen. Wenn wir Simon vom Gemeindevorstand zurechtstellen müssten, hätten wir ihm lange Vorhaltungen gemacht und theoretisch mit ihm diskutiert.
Jesus hat ihn nur dreimal gefragt: „Hast du mich lieb, Simon? Dann darfst du meine Schafe weiden.“ Das war die ganze Ordination zum Priesterdienst, zum Leitungsdienst, zum Hirtenamt: „Hast du mich lieb?“ Das ist die Befähigung eines Lebens – wer Jesus lieb hat.
Dann kennen wir Johannes, den Jünger Johannes, der die schwere Christenverfolgung in Ephesus miterleben musste und nach Patmos vertrieben wurde. Für ihn war es so wichtig: „Lasst uns ihn lieben, unseren Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gut.“ Das war schon im Alten Bund so.
Und das kann man nur, wenn man bewegt ist von der großen Liebestat.
Die Bedeutung der Vergebung und die Herausforderung der Schuld
Es ist etwas ganz Wunderbares in der Seelsorge, wenn Menschen kommen und sagen: „Du musst mir wieder zusprechen, ich leide so an meiner Schuld.“ Dabei fließen manchmal auch Tränen, und es erschüttert uns immer wieder selbst, wenn wir über unsere eigene Schuld nachdenken.
Man muss immer wissen, dass auch in der Seelsorge schlimme Dinge einfach loswerden wollen. Der Seelsorger steht selbst vor dieser großen Not seines Lebens und darf es immer wieder neu empfangen, dass er von der Jesusliebe lebt. Diese herrliche Botschaft von der Jesusliebe wollen wir in unserer Welt weitertragen.
Damals war das natürlich ein großes Erregen: Es gibt doch gar keine Vergebung der Sünden. Heute ist das ganz anders. Heute werden Sünden oft geleugnet. In der Psychologie sind die Eltern schuld, die Umwelt ist schuld, die Zeitverhältnisse sind schuld – aber doch werden die Menschen befreit. Ach nein, sagen sie, das ist nur deine Prägung oder deine Gene.
Sie wissen, dass es ein Werk des Heiligen Geistes ist, ein herrliches Werk, wenn ihnen Sünden und Versäumnisse bewusst werden. Sie sind dankbar dafür, wenn sie wach sind, geweckt werden und das vor den Herrn bringen dürfen. Dann sagen sie: „Herr, das ist wunderbar. Um Trost war mir sehr bange, du aber hast dich meiner Seele herzlich angenommen, dass sie nicht verdürbe, denn du hast alle meine Sünden hinter dich zurück, ganz weit weg in der Meerestiefe!“
Lobe den Herrn, meine Seele, vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat, der dir alle, alle deine Sünden vergibt. Und sie müssen diese Sünden wegkriegen. Darum gilt es, die Depression in ihrem Leben zu bekämpfen, auch die dunklen und schweren Gedanken, die Ärgernisse und Leiden.
Herr, das ist das Kennzeichen, darum bist du der Heiland der Welt. Jesus ist der, der Sünden vergeben kann. Das ist sein allergrößtes Amt: Er macht Menschen frei und krönt uns mit Gnade. Unverdient macht er uns zu Gottes Kindern.
Wir sollen nicht so tun, als ob wir das selbst können. Wir können nur aus dieser Kindschaft leben, so wie der verlorene Sohn, der dieses neue Kleid angezogen bekommt, den Rückdeck recht an den Ring an den Finger gesteckt bekommt, und der Vater ihn in den Arm nimmt. Und das ist so wunderbar.
Die historische Bedeutung der Sündenerkenntnis
Zu allen Zeiten war Sündenerkenntnis nie selbstverständlich. Es ist heute eine völlige Verdrehung, wenn man sagt, Luther sei von der Frage nach dem gnädigen Gott umgetrieben worden. Unsere Zeit nicht, aber auch die Zeit Luthers nicht.
Meinen Sie, das Bankhaus Fugger in Augsburg hätte sich nach dem gnädigen Gott gefragt? Oder der Papst von Rom, damals ein Renaissancepapst, der viele Kinder hatte? Das war in jener Zeit doch nie Thema. Glauben Sie, die Reichsritter hätten nach dem gnädigen Gott gefragt? Nein, das war damals nicht üblich.
Das Kennzeichen jener Zeit war vielmehr, dass ein Mensch unter dem Wort Gottes unruhig wurde und fragte: Wo gibt es denn Frieden? Nach allem Suchen fand er: In mir gibt es keinen Frieden, ich kann vor Gott nicht bestehen. Ich kann nur zu Jesus fliehen. Und dann ist Jesus derjenige, der mir alle meine Sünden vergibt.
Das ist die große Botschaft des Evangeliums: der gekreuzigte Jesus und das Heil, das er schenkt. Auch in der preußischen Theologie war das so. August Hulluck im 19. Jahrhundert rief die Studenten immer wieder auf, zur Selbsterkenntnis zu kommen. Zur Höllenvaters Selbsterkenntnis und aus dieser die Himmelfahrts-Gottes-Erkenntnis zu machen, die Liebe von Jesus zu entdecken.
Das ist so schön, denn ein Student, der damals auch bei August Hulluck war, schrieb später ein ganz wunderbar lesenswertes Buch über die Lehre von der Versöhnung. Das war August Rische. In der Selbsterkenntnis seiner Sünde sang man oft dieses Lied: „Für uns herrlich, Gott ist die Liebe, er liebte auch mich. Ich lag im Banden der schnöden Sünde, er sandte Jesus, den treuen Heiland.“
Ganz wunderbar und knapp zusammengefasst: Das ist das Evangelium. Meine Sünde hat er getragen. Deshalb ist das allerschönste Sündenerkenntnis, auch wenn wir es machen wie die Sünderin, gar nicht viel darüber zu reden.
Wir wollen auch nicht in der Gemeinde Bekenntnisse von Sünden öffentlich anhören. Das ist schrecklich, wenn man noch einmal das Spiel macht vom schrecklichsten Schurken, der wir gewesen sind.
Wir reden von der Vergebung. Wir reden davon, wie Jesus alles weggenommen hat, auch die ganze Schurkerei meines Lebens, alle Fehltritte – alles hat er erlassen. Alles. Und ich lebe von diesem großen Wunder seiner Liebe und seiner Vergebung.
Die Kraft der Liebe Gottes und die Hoffnung auf Versöhnung
Ich denke an Gerhard Hirstegen, und es ist so schön, wenn drüben im Bändlerblock zum Zapfenstreich noch einmal die Kapelle antritt und dann Helm ab zum Gebet.
Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesus offenbart – eine heilige Liebe, die die größte Not der Welt und eines Menschenlebens tilgt. Kein Mensch kann seine Sünde selbst tilgen, aber Jesus macht uns frei und öffnet uns den Himmel.
Wunderbar, selbst dieser hartnäckige Vers ist dann noch da und wirkt wunderbar. In seinen Briefen sagt er, dass er immer mehr die Länge, die Breite, die Höhe und die Tiefe der Liebe von Christus erkennen möchte. Dann folgt noch ein ganz frecher Satz, den man in der Lutherübersetzung ein wenig geändert hat: „Christus liebhaben ist besser als alles Wissen.“ Doch es ist so.
Das ist genau lutherische Theologie, Bibeltheologie. Besser als alles andere kann ich Jesus nur noch in der Liebe erkennen, bewegt sein und danken für Golgatha. Ohne dies bin ich ein verlorener und verdammter Mensch. Er hat mich mit seinem Blut freigemacht.
Herrlich, zwei Sünder waren dort: Simon und die große Sünderin. Wir denken immer an das Laster und nicht daran, dass jeder Mensch ohne die Vergebung von Jesus verloren ist. Wunderbar, dass diese Vergebung von Jesus niemand ungeschehen machen kann – auch nicht die Leute, die fragen: „Wer kann denn das?“ Jesus kann das. Und Jesus will das.
Darum kehrt er ein, auch bei einem Simon, auch bei einem stolzen, selbstgerechten Menschen. Für uns ist diese wichtige Botschaft da, damit ich sie erfasse und ergreife.
Schlussgebet und Bitte um Zeugnis für die Liebe Jesu
Wir wollen beten. Herr Jesus Christus, vor dir sind wir offen und ehrlich. Es geht nicht darum, in tiefe Depressionen zu fallen, sondern zu dir zu kommen und dieses herrliche Wunder auch heute Abend wieder neu zu erfahren: Wie du alles neu machen kannst und alles gut machen kannst.
Auch im Alter belasten uns immer mehr Dinge, die wir nicht mehr in Ordnung bringen können. Doch es ist wunderbar, dass du uns immer größer wirst als Heiland, Retter und Erneuer unseres Lebens. Deine Liebe will uns antreiben, dass wir anderen Menschen einfach erzählen, wie wir unwürdig deine Liebe erfahren haben.
Wir möchten noch viele einladen, damit sie deine Herrlichkeit erfassen, deine Gnade und deine Wahrheit. Die Gnade, die allen Schaden gutmacht, und die Wahrheit, dass du allein Sünden vergeben kannst. Es gibt nichts zwischen dir und uns, das nicht geheilt und in Ordnung gebracht werden kann.
Wir haben eine ganz große, herrliche Zukunft, in deiner Liebe getragen und geborgen – auch in der Nacht, die vor uns liegt, und in allen Belastungen, die noch kommen mögen. Du leitest und führst uns. Ganz herzlichen Dank dafür.
Hilf uns, dass wir den Menschen um uns herum, die nach Liebe dürsten und doch keine wirklich erfüllende Liebe finden, von dir erzählen. Denn allein du machst satt und befriedigst ganz. Amen.
