Einführung in die prophetische Rede Jesu
Gott wird Mensch: Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter ist, Weg, Wahrheit und Leben.
Episode 555: Jerusalem tötet Propheten, Teil I.
Bis hierher habe ich zwei Dinge angesprochen: Die Nähe der Pharisäer zu Herodes Antipas und die Tatsache, dass Jesus den Tetrarchen von Galiläa und Perea einen Fuchs nennt.
Schauen wir uns nun eine dritte Sache an. Lukas 13,32: „Und er sprach zu ihnen: Geht hin und sagt diesem Fuchs, siehe, ich treibe Dämonen aus und vollbringe Heilungen. Heute und morgen und am dritten Tag werde ich vollendet.“
Jesus spricht davon, dass er Dämonen austreibt und Heilungen vollbringt. Bis hierhin ist alles klar. Doch dann wird es mysteriös: „Heute und morgen und am dritten Tag werde ich vollendet.“
Wenn wir diesen Text lesen, begegnen wir dem Herrn Jesus im vollen Prophetenmodus. So reden Propheten.
Was meine ich damit? Prophetie spricht über die Zukunft, tut dies aber oft auf eine Weise, dass es schwer ist, ihre zukünftige Bedeutung ganz zu verstehen, solange das Beschriebene noch nicht eingetreten ist.
Die Funktion und Bedeutung biblischer Prophetie
Hört euch einmal diesen Vers an: Johannes 14,29. „Und jetzt habe ich es euch gesagt, ehe es geschieht, damit ihr glaubt, wenn es geschieht.“
Hier beschreibt der Herr Jesus die Funktion von Prophetie. Vorhersagen sind dazu da, Glauben zu erzeugen, wenn sie eintreten. Es ist wichtig, dass wir das verstehen.
Ein Prophet spricht zu seinen Zeitgenossen. Doch seine Botschaft soll vor allem den Glauben der Menschen fördern, die leben, wenn sich seine Prophetie erfüllt. Deshalb ist es nicht unbedingt entscheidend, dass die ursprünglichen Zuhörer alles verstehen, was der Prophet sagt. Vielmehr kommt es darauf an, dass die Menschen, für die die Prophetie eigentlich bestimmt ist, ihre Worte nachvollziehen können.
Im Fall von Johannes 14 sind die Apostel sowohl die Empfänger der Prophetie als auch diejenigen, die ihre Erfüllung erleben. Bei anderen Prophetien, wie etwa Jesaja 53 oder Psalm 2, liegen jedoch Jahrhunderte zwischen der Verkündigung und der Erfüllung.
Warum erkläre ich euch das? Weil Prophetie manchmal ein wenig mysteriös klingt und dadurch für die Zuhörer schwer verständlich wird. Erst wenn man die Worte mit etwas Abstand nach ihrer Erfüllung liest, ergeben sie plötzlich Sinn. So funktioniert biblische Prophetie.
Jesus als Prophet und sein Weg nach Jerusalem
Kommen wir zurück zu Lukas 13,2-3. Jesus sprach zu ihnen: „Geht hin und sagt diesem Fuchs: Siehe, ich treibe Dämonen aus und vollbringe Heilungen heute und morgen, und am dritten Tag werde ich vollendet.“
Wovon spricht Jesus hier? Das wird vielleicht klarer, wenn wir weiterlesen, nämlich in Lukas 13,33: „Doch ich muss heute und morgen und am folgenden Tag wandern, denn es geht nicht an, dass ein Prophet außerhalb Jerusalems umkommt.“
Das ist eine fast ironische Feststellung. Die Pharisäer warnen Jesus vor dem Mordkomplott des Herodes, doch seine Antwort lautet: Sagt Herodes, dass mir hier in Galiläa von ihm nichts passieren kann, weil ein echter Prophet in Jerusalem stirbt.
Jesus sieht sich also als einen Propheten und ist bereit, als solcher in Jerusalem zu sterben und damit Gottes Willen zu erfüllen. Es geht nicht an, dass ein Prophet außerhalb Jerusalems umkommt.
Also, was will Jesus hier sagen? Die Pharisäer warnen ihn, aber seine Antwort lautet: Ich habe heute zu tun, ich habe morgen zu tun, und auch übermorgen werde ich unterwegs sein. Da sind Dämonen auszutreiben, Kranke zu heilen, und außerdem muss ich nach Jerusalem.
In Jerusalem werde ich sterben, weil ich ein Prophet bin. Aber am dritten Tag werde ich vollendet. Und wir verstehen fast intuitiv, was er meint. Rückblickend, wie es sich für eine ordentliche, leicht mysteriöse Prophetie gehört, wird klar: Ich werde vollendet, weil ich am dritten Tag auferstehen werde.
Das heißt aber auch: Wenn Jesus in ein paar Tagen aufbricht, um tatsächlich nach Jerusalem zu ziehen, dann eben nicht, weil er vor Herodes flieht. In Jerusalem liegt seine Bestimmung.
Jerusalem ist der Ort des Widerstands gegen Gott, dort, wo eigentlich der Hort der Gottesanbetung sein sollte. Dort befindet sich das Zentrum der Rebellion, das alle wahren Propheten zum Schweigen bringt.
Die Bedeutung Jerusalems für den Tod Jesu
So ergeben sich daraus zwei Fragen: Erstens, warum ist es so zwingend, dass Jesus als Prophet in Jerusalem stirbt? Und zweitens, Jesus sagt, dass es nicht angeht, dass ein Prophet außerhalb von Jerusalem umkommt. Aber stand das Kreuz, an dem Jesus starb, nicht gerade außerhalb der Stadt?
Heißt es nicht in Hebräer 13,12-13: „Darum hat auch Jesus um das Volk durch sein eigenes Blut geheiligt außerhalb des Tores gelitten. Deshalb lasst uns zu ihm hinausgehen außerhalb des Lagers und seine Schmach tragen“?
Schauen wir uns die erste Frage an: Warum ist es zwingend, dass ein Prophet – und noch dazu der Prophet, den Mose verheißt – in Jerusalem sterben muss?
Dazu kann man Folgendes sagen: Im Alten Testament gibt es keine explizite Prophezeiung, dass der Messias in Jerusalem sterben muss. Aber es ist trotzdem nicht schwer, eine Verbindung herzustellen.
Was will der Messias tun? Er will sich selbst als Opfer darbringen. Und wo darf man nur opfern? Genau, an dem Ort, den der Herr erwählen wird. Und dieser Ort, den Gott für sich erwählt hat, ist eben Jerusalem. Dort steht der Tempel.
Wir wissen, dass die Parallele noch weitergeht, weil der Herr Jesus dieses Opfer als Hohepriester nach der Ordnung des Melchisedek darbringt. Und wer ist dieser Melchisedek? Er ist sowohl Priester Gottes als auch König von Salem, das heißt König von Jerusalem.
Es ist deshalb völlig naheliegend, dass Jesus heilsgeschichtlich als Priesterkönig in der Ordnung Melchisedeks in Jerusalem wirkt und dort sein Opfer bringt.
Die symbolische Bedeutung von "außerhalb Jerusalems"
Wenn es nicht sein kann, dass ein Prophet außerhalb von Jerusalem umkommt, warum stirbt Jesus dann am Kreuz außerhalb der Stadtmauern von Jerusalem?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir verstehen, wofür Jerusalem steht. Jerusalem steht hier nicht für die Stadt selbst, sondern für das Machtzentrum, das die Boten Gottes verwirft. So wie Jesus im nächsten Vers sagt: „Jerusalem, Jerusalem, das die Propheten tötet und die steinigt, die zu ihm gesandt sind.“ Jerusalem als Stadt tötet natürlich niemanden, aber es ist der Hohe Rat, der in Jerusalem das Todesurteil fällt, und es ist Pilatus, der es bestätigt und ausführt.
Jerusalem ist eine Metonymie für die Menschen, vor allem für die antigöttliche Elite in der Stadt. Es ist eben nicht irgendeine andere entfernte politische Größe wie Herodes Antipas, die dafür verantwortlich sein wird, dass Jesus stirbt. Wenn kein Prophet außerhalb von Jerusalem umkommt, dann ist heilsgeschichtlich mit „außerhalb“ nicht die Stadtmauer gemeint. Es geht darum, dass es die Stadt beziehungsweise der in ihr tagende Sanhedrin in Verbindung mit dem römischen Prokurator sind, die den Messias umbringen werden.
Die Aussage stimmt auch dann, wenn das eigentliche Hinrichtungsinstrument, also das Kreuz, rein geografisch außerhalb der Stadtmauern steht. Das ist natürlich trotzdem wichtig. Auch wenn Jesus diesen Aspekt hier unter den Tisch fallen lässt: Draußen vor dem Lager ist der Ort der Schande, und dort muss Jesus, beladen mit unserer Schuld, für uns sterben, um uns zu heiligen.
Abschluss und Ausblick
Was könntest du jetzt tun? Finde noch einige Prophetien aus dem Alten Testament, die erst im Rückblick wirklich Sinn ergeben.
Das war's für heute. Unterschätze bitte nicht den Wert eines Ruhetages. Ich hatte ihn wegen Vorträgen am Wochenende nicht und fühle mich gerade ziemlich erschöpft.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.
