Studienreihe über biblische Lehren von Doktor Martin Lloyd-Jones
Band eins: Gott der Vater
Kapitel fünf: Die Existenz und das Wesen Gottes
O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes. Mit diesen Worten beendet der Apostel Paulus das elfte Kapitel des Römerbriefes. Wenn wir diese biblischen Lehren studieren, können wir nichts Besseres tun, als diese ausdrucksvollen Worte im Sinn zu behalten.
Nachdem wir nun die allgemeine Einleitung zu dem gesamten Thema beendet haben, können wir uns den einzelnen biblischen Lehren zuwenden. Einleitend hätte noch viel mehr gesagt werden können, doch wir müssen weitergehen.
Die erste Lehre, auf die wir unsere Aufmerksamkeit richten müssen, ist die Lehre von Gott. Diese Lehre wird in der Bibel selbst an erster Stelle genannt. Das klingt einfacher, als es ist. Wenn man sich nämlich den typischen Ansatz betrachtet, mit dem man sich in den letzten hundert Jahren der Theologie und den biblischen Fragestellungen genähert hat, fällt auf, dass der Ausgangspunkt fast ausschließlich der Mensch ist.
Alles, was mit dem sogenannten Modernismus zu tun hat, trägt grundsätzlich dieses Merkmal. Die Theologie ist immer subjektiv und beginnt immer mit dem Menschen selbst. Weil sich der Modernismus für sich selbst interessiert und seine sogenannten psychologischen Ideen des Ursprungs verfolgt, beginnt er unausweichlich entweder mit dem Menschen oder mit der Welt. Von dort aus versucht er dann, über die Lehre von Gott nachzudenken.
Das ist jedoch nicht das, was die Bibel sagt. Die Bibel geht von Gott aus. Erinnern Sie sich an den ersten Satz, der wirklich alles aussagt: „Im Anfang schuf Gott.“ Großartig! Es ist sehr wichtig, dass wir dies betonen und dass jeder es begreift.
Die Erkenntnis Gottes ist im Grunde die Summe aller anderen Lehren. Wir werden keinen Sinn, keine Bedeutung und kein Ziel in irgendeiner anderen Lehre finden, wenn wir sie von dieser großen, zentralen und allumfassenden Lehre über Gott selbst trennen.
Es macht keinen Sinn, die Lehre von der Erlösung oder die Lehre von der Sünde zu betrachten, bevor wir nicht mit der Lehre von Gott begonnen haben. Doch ganz abgesehen von solchen mehr oder weniger logischen Erwägungen beginnen wir mit der Lehre von Gott, weil Gott Gott ist.
Wenn wir etwas oder jemanden vor ihn stellen, entehren wir ihn. Wir erfüllen nicht unsere Pflicht, ihn anzubeten, wie wir es sollten, und uns in seiner Gegenwart zu verhalten, wie die Bibel es uns lehrt.
Also beginnen wir zwangsläufig mit der ungeheuren Aussage, mit der die Bibel beginnt: Im Anfang schuf Gott.
In dieser Lehre ist offenkundig alles inbegriffen. Wir stehen einem unerschöpflichen Thema gegenüber, das sich unmöglich umfassend behandeln lässt. So wie ich die Bibel verstehe und wie es sich zwangsläufig aus Gottes Natur und Wesen zu ergeben scheint, wird dieses Thema Gottes Volk von Ewigkeit zu Ewigkeit beschäftigen.
Dennoch sollten wir unbedingt versuchen, unser Wissen zu ordnen, soweit es uns möglich ist. Es ist notwendig, unsere Gedanken über Gott feinsäuberlich zu ordnen. Dies wird uns in jedem Bereich unseres christlichen Lebens eine Hilfe sein, besonders jedoch, wenn wir unseren Gott anbeten.
Es gibt wenig Zweifel daran, dass Gott selbst uns dieses Buch, die Bibel, gegeben hat, damit wir eben dieses tun. Doch wie wir bereits übereinstimmend festgestellt haben, reicht es nicht aus, auf eine allgemeine Weise mit der Bibel umzugehen. Wir müssen die großen, herausragenden Prinzipien betonen. Erst wenn wir diese kennen, können wir dazu übergehen, Gott anzubeten.
Die erste Sache, mit der wir beginnen müssen, ist logischerweise die Existenz Gottes. Wir sagen, dass wir Gott anbeten und ihn erkennen wollen. Daher ist der erste Gedanke, der uns in den Sinn kommt, die Existenz Gottes. Denn es gibt, wie wir alle sehr wohl wissen, viele Leute, die uns sagen, dass sie nicht an Gott glauben.
Nun ist es nicht so, dass wir uns wegen ihrer Argumente Sorgen machen. Doch von unserem eigenen Standpunkt aus betrachtet ist es von grundlegender Bedeutung, dass wir in unserem Denken über dieses Thema Klarheit haben.
Der einzige Punkt, den ich an dieser Stelle nennen möchte, ist folgender: Die Bibel argumentiert nicht über die Existenz Gottes, sie verkündet sie. Die Bibel gibt uns keinerlei Beweise für die Existenz Gottes, sie setzt sie voraus.
Nehmen wir folgenden Satz aus dem ersten Buch Mose. Es beginnt nicht damit, zu sagen: „Nun, aufgrund der folgenden Beweise stellen wir die Existenz Gottes fest, und weil er existiert, stellen wir fest: Im Anfang schuf er.“ Ganz und gar nicht. Nein, es heißt schlicht: „Im Anfang schuf Gott.“ Seine Existenz und sein Wesen werden einfach festgestellt.
Natürlich lehrt uns die Bibel in Apostelgeschichte 14 und 17, dass der Unglaube Gott gegenüber angesichts der Güte Gottes unentschuldbar ist. Aber diese Aussage ist mehr oder weniger nur negativ formuliert. Es wird nicht im positiven Sinn gesagt, dass die Existenz Gottes mit Verweis auf seine Natur oder Ähnliches bewiesen werden kann.
Vielmehr heißt es, dass jemand, der nicht an Gott glaubt, mit der Begründung angeklagt werden kann, dass Gott seine Spuren in der Natur hinterlassen hat. Darum ist der Mensch, wie Paulus argumentiert, in seinem Unglauben ohne Entschuldigung.
In Römer 1,20 schreibt er: „Denn sein unsichtbares Wesen, sowohl seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, wird von Erschaffung der Welt an dem Gemachten wahrgenommen und geschaut, damit sie ohne Entschuldigung seien.“
Ich möchte hier nicht näher auf die Frage eingehen, ob es Beweise für die Existenz Gottes gibt. Mir ist es jedoch wichtig, praktisch zu sein. Ich habe keine Zweifel daran, dass viele von Ihnen von den Beweisen für die Existenz und das Wesen Gottes gelesen haben und das Gefühl haben, dass darin ein gewisser Wert liegt. Daher wird es für uns hilfreich sein, über unsere Einstellung ihnen gegenüber nachzudenken.
Es gibt eine Reihe von Argumenten, und Sie werden merken, dass sich die meisten Lehrbücher über biblische Lehren und Theologie sehr ausführlich mit ihnen beschäftigen. Da gibt es das sogenannte kosmologische Argument, ein Argument, das von der Natur ausgeht. Es besagt, dass jede Wirkung eine Ursache hat.
Dann gibt es das sogenannte teleologische Argument, das von der Ordnung und Gestaltung ausgeht. Es besagt, dass alles einem Ziel zustrebt, was natürlich auf der Hand liegt. Dann wiederum haben wir das moralische Argument. Es schlussfolgert, dass unser Bewusstsein für Gut und Böse, unser Sinn für richtig und falsch, auf die Existenz eines moralischen Gottes hinweist.
Das nächste Argument ist, dass Menschen überall, selbst in den einfachsten Naturvölkern, denken und fühlen, dass es einen Gott gibt. Man gibt zu verstehen, dass es einen Grund für dieses Denken geben müsse und dass dies ein Beweis für die Existenz Gottes sei.
Nun, was die Bibel über solche Argumente lehrt, ist, dass diese niemals Glauben schaffen können. Sie sind anderweitig hilfreich, doch sie werden nie zum Glauben führen. Glaubt man aber der Bibel, kann niemand Gott vertrauen ohne Glauben, ohne das inwendige Werk des Heiligen Geistes, das zum Glauben führt.
Sie erinnern sich an die Art und Weise, wie Hebräer 11,6 das ausdrückt. Wir erfahren dort, dass jemand, der zu Gott kommt, glauben muss, dass er ist und denen, die ihn suchen, ein Belohner sein wird. So kann schließlich niemand ohne das Geschenk des Glaubens, welches ein Geschenk Gottes selbst ist, Gott vertrauen.
Wenn Menschen aufgrund ihres Glaubens Gott vertrauen, dann haben die Beweise einen Wert, weil sie ihren Glauben unterstützen. Daher sind sie eine gewisse Hilfe. Darüber hinaus zweifle ich jedoch an ihrem Wert.
Wenn Sie sich für derartige Beweise interessieren, dann können Sie sie sicherlich in dieser Weise gebrauchen, um Ihren Glauben zu unterstützen und zu stärken. Ebenso können Sie Menschen, mit denen Sie über diese Themen diskutieren, zeigen, dass diese Sachverhalte ihnen jede Entschuldigung nehmen.
Der nächste Gegenstand, mit dem wir uns beschäftigen müssen, ist die Möglichkeit, Gott zu erkennen. Da ist Gott, der von Ewigkeit zu Ewigkeit existiert. Das ist offensichtlich der Ausgangspunkt der Bibel.
Weil Gott die Welt geschaffen und uns in diese Welt hineingesetzt hat, stellt sich für uns die Frage: Ist es möglich, den Gott zu erkennen, der uns in der Bibel vorgestellt wird? Den Gott, dessen Existenz die Bibel behauptet?
Das ist eine sehr wichtige Frage im Gesamtzusammenhang unseres Themas. Die Frage der Erkenntnis Gottes ist das höchste Ziel aller Religionen. Es ist die Sache schlechthin, die jeder von uns als oberstes Ziel im Sinn und im Herzen haben sollte.
Was ist ihr Bedürfnis? Was ist ihr Ziel? Warum studieren sie diese Lehren? Nach allem, was die Bibel lehrt, sollte es immer unser oberstes Bedürfnis sein, Gott zu erkennen. Daher die Frage: Kann er erkannt werden?
Es gibt Leute, die an die Existenz Gottes glauben, die aber im Gegensatz zu uns meinen, dass er nicht erkannt werden könne. Vor zweihundert Jahren war es sehr populär, eine solche Lehre zu vertreten. Diese Lehre ist unter dem Namen Deismus bekannt, und es gibt auch heute noch einige, die ihr anhängen.
Sie glauben, dass Gott die Welt schuf, so wie ein Uhrmacher eine Uhr. Danach zog er sie auf, und nachdem er sie aufgezogen hatte, stellte er sie beiseite, ohne weiteres Interesse an ihr zu haben. Er hatte auch nichts mehr mit ihr zu tun.
Nach dieser Theorie kann Gott offenkundig nicht erkannt werden.
Nun, es gibt viele Gründe, warum wir diese Vorstellungen für gänzlich falsch erklären müssen. Der Aspekt, den ich in diesem Zusammenhang unbedingt betonen möchte, ist besonders wichtig für diejenigen von uns, die bibeltreue Christen sind. Wir müssen sorgfältig betonen, dass die Erkenntnis Gottes immer Vorrang hat – und zwar vor irgendeiner einzelnen Segnung, die wir von ihm erbitten.
Das Ziel all unseres Suchens, all unserer Anbetung und all unseres Bestrebens sollte nicht sein, eine bestimmte Erfahrung zu machen. Es sollte uns nicht darum gehen, bestimmte Segnungen zu erbitten. Vielmehr sollte das Ziel sein, Gott selbst zu erkennen – den Geber, nicht die Gabe. Die Quelle allen Segens, nicht den Segen selbst.
Ich denke, Sie werden mir zustimmen, dass wir immer wieder daran erinnert werden müssen. Wir alle neigen dazu, zu sehr von uns selbst und unseren Problemen auszugehen. Manchmal bin ich höchst alarmiert, wenn ich von bestimmten Menschen und Büchern den Eindruck bekomme, dass sie sich tatsächlich überhaupt nicht für Gott interessieren – es sei denn als eine Art Agentur, die ihnen zu irgendwelchen Segnungen verhilft. Das ist eine unhaltbare, völlig falsche und unbiblische Einstellung.
Hören Sie, wie unser Herr selbst es sagt: "Glückselig sind die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen." (Matthäus 5,8) Das ist das summum bonum, das höchste Gut, unsere Absicht, unser Zweck und Ziel. Diese Aussage in Matthäus 5,8 gehört zu den bedeutungsvollsten Seligpreisungen. Sie fasst alle anderen zusammen. Es gibt nichts, was darüber hinausgeht. Es sollte das sein, wonach wir vor allem anderen trachten, und alle unsere Anstrengungen sollten darin ihren Ursprung haben.
Oder nehmen Sie die Definition des ewigen Lebens, die unser Herr uns gegeben hat. Was ist ewiges Leben? Ich frage mich, welche Antwort wir geben würden, wenn man uns mit dieser Frage konfrontiert. Wir würden dazu tendieren, das ewige Leben subjektiv zu beschreiben – als etwas, das wir empfangen haben, eine Erfahrung, die wir gemacht haben usw. Und ohne Frage ist dies auch inbegriffen.
Aber die Definition unseres Herrn lautet: "Das aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen." (Johannes 17,3) Wir sollten daher das subjektive Element in seiner rechten Position belassen. Oh ja, es ist gut, wenn wir wissen, dass uns vergeben ist, und es ist gut, dass wir uns wünschen, von Sünde befreit zu werden. All dies ist absolut legitim.
Aber wenn diese Dinge wichtiger werden als das Begehren, Gott zu erkennen, dann ist unsere ganze Einstellung grundsätzlich verkehrt und mangelhaft. Könnte es sein, dass die meisten unserer konkreten Probleme daher rühren, dass wir nicht mit diesem Begehren, Gott zu erkennen, beginnen und es über alles andere stellen?
Die Frage ist also: Ist es möglich? An dieser Stelle muss ich einen wichtigen Begriff anführen, ein großes und entscheidendes Wort. Die Bibel lehrt etwas, das als die Unbegreiflichkeit Gottes bezeichnet wird. Damit ist gemeint, dass Gott von den Menschen nicht letztgültig begriffen oder vollständig verstanden werden kann.
Das bedeutet, dass wir alles über die Lehre von Gott lesen und versuchen können, sie mit unserem Verstand zu erfassen. Doch Gott ist per Definition unbegreiflich. Wir können ihn niemals im letzten, endgültigen und vollständigen Sinn erkennen. Lesen Sie einmal, wie es in 1. Timotheus 6,16 ausgedrückt wird, oder auch in Römer 11,33 sowie in Jesaja 55,8-9.
Gott wohnt in dem Licht, dem sich niemand nähern kann. Er ist in seinem ewigen und vollkommenen Wesen unbegreiflich. Und doch sehen wir, dass, obwohl Gott letztlich unbegreiflich ist, er dennoch erkannt werden kann. Wir können ihn nicht vollständig verstehen, aber Gott sei Dank können wir ihn kennenlernen.
Wir sollten uns darüber im Klaren sein: Es gibt solche, die uns glauben machen wollen, Gott könne nicht in seinem wahren Wesen erkannt werden, sondern nur in seinem Handeln am Menschen. Aber das ist ein ganz und gar falscher Standpunkt, wenn man das Licht dessen betrachtet, was die Bibel lehrt.
Natürlich wird Gott am leichtesten in seinem Handeln an Menschen erkannt. Aber wie wir gesehen haben, lehrt die Bibel, dass Gott selbst in seinem essenziellen Wesen erkannt werden kann. Wenn ich das sage, leugne ich damit nicht die Lehre von der Unbegreiflichkeit Gottes. Ich möchte zeigen, wie ich das miteinander in Einklang bringe.
Die Erkenntnis, die wir von Gottes Wesen haben, wird niemals mehr als eine Teilerkenntnis sein. Doch auch wenn sie Stückwerk ist, ist sie dennoch real. Auch wenn sie nicht vollständig ist, ist sie eine wirkliche Erkenntnis, die ausreicht, um uns dazu zu bringen, ihn anzubeten.
Wir haben diese Erkenntnis Gottes, weil es Gott selbst gefallen hat, sie uns zu geben. Dies ist ohne Frage das Anliegen und der Zweck all dessen, was in der Bibel gelehrt wird. Hier finden wir die Offenbarung, die Gott von sich gegeben hat, indem er verschiedene Aussagen über sich macht.
Es ist sicher, dass diese Aussagen ebenso dazu bestimmt sind, uns über das Wesen Gottes aufzuklären, wie sein Handeln an der Menschheit. Dann gibt es noch einen anderen Begriff: die Anthropomorphismen. Das sind diejenigen Aussagen in der Bibel, in denen von Gott wie von einem Menschen gesprochen wird. Sie verweisen darauf, dass Gott dies gesagt und das gefühlt habe.
Natürlich sind auch diese Stellen dazu da, uns dahin zu führen, etwas über das Wesen Gottes selbst zu erfahren. Ein weiteres Argument, das ich anführen möchte, sind die unterschiedlichen Visionen, die so mancher Prophet Gottes und andere seiner Diener gesehen haben.
Zum Beispiel berichtet uns die Bibel, was Mose geschah, als er in die Felskluft gestellt wurde. Er hatte eine Vision Gottes (2. Mose 33,18-23). Wie sind diese Visionen zu deuten? Sicherlich waren sie nur Beispiele und Illustrationen dafür, wie Gott etwas von seinem herrlichen Wesen manifestiert.
Er handelte hier nicht an Menschen, um sie zu retten. Vielmehr gewährte Gott seinen Knechten einen flüchtigen Blick auf seine transzendente Herrlichkeit, und das vergaßen sie niemals. Dementsprechend sagen wir, dass Gott in seiner unendlichen Gnade, Freundlichkeit und Selbsterniedrigung erkannt werden kann, obwohl er unbegreiflich ist.
Er ist uns bekannt.
Wenn dies nun so ist, lautet die nächste Frage: Was wissen wir über Gott? Was können wir über ihn wissen?
Hier, denke ich, ist es wichtig, mit dem zu beginnen, was die Bibel über Gottes eigenes essentielles Wesen und seine Existenz lehrt. An dieser Stelle muss ich für einen Moment innehalten.
Als wir diese Studien begannen, sagte ich – und das will ich permanent wiederholen –, dass wir diese Materie nicht einfach untersuchen, um uns gegenseitig intellektuell zu stimulieren. Wenn ich den Eindruck hätte, dass irgendjemand dieses Motiv hätte – ich sage das mit großem Ernst –, dann würde ich mit diesen Studien nicht fortfahren. Unser Ziel ist es, Gott zu erkennen, und Gott zu erkennen heißt, ihn anzubeten.
Und hier bin ich, ein kleiner, unbedeutender Mann, ein Prediger, gezeichnet von Vergänglichkeit, der über das essenzielle Wesen und Dasein Gottes spricht. Uns bleibt nur eins zu tun: Wir müssen es Mose gleich tun, als er den brennenden Busch sah.
Zuerst sagte er: „Ich will doch hinzutreten und dieses große Gesicht sehen“ (2. Mose 3,3). Dann machte er sich auf, dieses bemerkenswerte Phänomen zu untersuchen – diesen Busch, der in Flammen stand und doch nicht verbrannte. Doch das Wort kam zu ihm: „Tritt nicht näher heran! Ziehe deine Sandalen von deinen Füßen, denn die Stätte, auf der du stehst, ist heiliger Boden.“
Wenn ich über diese Dinge nachdenke und je mehr Zeit ich damit verbringe, meine Bibel zu lesen, desto besser verstehe ich, warum die frühen Juden niemals den Namen Jahwe aussprachen. Sie waren mit solch einem Empfinden von Ehrfurcht und Verehrung erfüllt, sie waren so beeindruckt von der Majestät Gottes, dass sie in einem gewissen Sinn nicht einmal wagten, seinen Namen auszusprechen.
Mir ist dies viel lieber, als wenn ich Leute „lieber Gott“ sagen höre. Einen solchen Ausdruck kann ich in der Bibel nicht finden. Ich finde wohl „heiliger Vater“, aber niemals „lieber Gott“! Wir müssen uns ihm nahen mit Scheu und Furcht, denn auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer (Hebräer 12,28-29).
Dies wollen wir im Gedächtnis behalten, wenn wir uns nun unserer Frage zuwenden.
Aber lassen Sie mich Ihnen einige der Dinge in Erinnerung rufen, die uns die Bibel über die wesentlichen Wesenszüge Gottes mitteilt. Es ist an dieser Stelle sehr interessant festzustellen, dass wir eigentlich nur Aussagen darüber machen können, was Gott nicht ist – also negative Aussagen, wenn man so will.
Wegen unserer Begrenztheit im Gegensatz zu Gottes transzendenter Größe und Herrlichkeit sind selbst unsere positiven Aussagen an sich negativ. Nehmen Sie beispielsweise die erste Aussage: Die Bibel lehrt uns die Unendlichkeit Gottes. Gottes Wesen ist unendlich. Das bedeutet eigentlich „nicht endlich“. Es ist unmöglich, dies anders, affirmativ, also positiv, auszudrücken. Es bedeutet, dass er ein vollkommenes Wesen ist. Er geht weder auf irgendetwas anderes zurück, noch ist er durch irgendetwas anderes bedingt.
„Ich bin, der ich bin“ (2. Mose 3,14). „Was soll ich zu ihnen sagen, wer mich gesandt hat, um dieses Werk zu tun?“, fragt Mose Gott. Und Gott sagte zu ihm: „Der ich bin hat mich zu euch gesandt.“ Was für ein atemberaubender Gedanke – ein höchstes, vollkommenes Wesen.
Mit anderen Worten zeigt uns Gottes Unendlichkeit, seine ewige Existenz, dass er die Ursache von allem anderen ist. Alle Existenz, alles Sein geht auf ihn zurück. Seine Unendlichkeit erinnert uns außerdem daran, dass er frei ist von allen Einschränkungen und Bindungen. Was Gott betrifft, gibt es keinerlei Begrenzung für irgendetwas.
Er ist alles, er ist überall, er ist unbegrenzt. Vielleicht ist es am besten, an die Hoheit Gottes, seine Erhabenheit, seine unaussprechliche Majestät zu denken oder an die Transzendenz Gottes über und jenseits von allen anderen Dingen: „Ich bin, der ich bin.“
Wir lesen in Offenbarung 4,8: „Heilig, heilig, heilig, Herr, Gott Allmächtiger, der war und der ist und der kommt.“ Die Unendlichkeit Gottes wird überall in der Bibel betont, von Anfang bis Ende, und wir sollten niemals beten, ohne uns daran zu erinnern.
So oft werden wir irregeleitet durch eben die Anthropomorphismen, für die wir Gott danken. Doch wir sollten versuchen, daran zu denken, dass das Wesen, dem wir uns im Gebet nähern, ein unendliches, vollkommenes Wesen ist.
Das nächste Merkmal, das die Bibel immer betont, wenn sie über Gottes essentielles Wesen spricht, ist seine Spiritualität. Unser Herr selbst hat diese Tatsache unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.
„Gott ist Geist“, sagte er. Seltsamerweise hat er diese ungeheure Aussage nicht jemandem wie Nikodemus gegenüber gemacht, sondern einer Samariterin. Natürlich sagte unser Herr dies zu ihr, weil sie ganz offensichtlich ein falsches Gottesbild hatte. „Sollen wir auf diesem Berg oder in Jerusalem anbeten?“, fragte sie.
„Nein“, sagte unser Herr, „Gott ist Geist“ (Johannes 4,24). In seiner berühmten Predigt im siebten Kapitel der Apostelgeschichte sagte Stephanus dasselbe: „Aber der Höchste“, sagte er, „wohnt nicht in Wohnungen, die mit Händen gemacht sind“ (Apostelgeschichte 7,48).
Genau dieselben Worte gebrauchte auch Paulus, als er zur Menge in Athen predigte: „Der Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind“ (Apostelgeschichte 17,24).
Was meinen wir, wenn wir sagen, dass Gott Geist ist? Nun, soweit unsere Sprache es zum Ausdruck bringen kann, schließt diese Tatsache jegliche Vorstellung aus, dass Gott leiblich ist oder auf eine Gestalt bzw. einen Körper begrenzt ist. In seinem essenziellen Wesen hat Gott keine der Merkmale, die der Materie eigen sind.
Daraus können wir schließen, dass er niemals durch körperliche Sinnesorgane wahrgenommen werden kann. Dies ist vom praktischen Gesichtspunkt her von größter Wichtigkeit. Menschen, die zu denken scheinen, dass sie Visionen haben, werden immer gut beraten sein, dies im Sinn zu behalten. „Niemand hat Gott jemals gesehen“, schreibt Johannes in Johannes 1,18.
Gott, dem ewigen König, dem Unvergänglichen und Unsichtbaren, schreibt Paulus an Timotheus in 1. Timotheus 1,17. Wegen der Spiritualität, der Nichtkörperlichkeit Gottes, verbot das Alte Testament die Herstellung von Bildern und Figuren. Sie finden dies in den ersten beiden der zehn Gebote, und es wird an anderen Stellen wiederholt.
Warum wurde dieses Verbot gegeben? Nun, in dem Augenblick, in dem sie sich ein Bild machen, vergessen sie offenkundig die Unkörperlichkeit Gottes, die essentielle geistliche Natur seines Wesens.
Der vielleicht eindrucksvollste Beweis für die Spiritualität Gottes ist eine andere ihn betreffende Wahrheit, welche wir später behandeln werden, nämlich seine Allgegenwart – die Wahrheit, dass Gott überall ist und zwar überall zur selben Zeit.
An dieser Stelle könnte man eine Frage erwarten. Jemand könnte sagen: „Das ist alles richtig, aber wie erklären Sie die Begebenheit in 2. Mose 33, wo Gott Mose in die Felskluft stellt und ihm ankündigt, dass er ihn von hinten sehen werde? Und was meinte unser Herr, als er sagte: ‚Ihr habt weder jemals seine Stimme gehört, noch seine Gestalt gesehen‘ (Johannes 5,37)?“
Es gibt zwei einfache Antworten auf diese Fragen. Die erste ist, dass Gott, obwohl er in seinem wesentlichen Wesen geistlich ist, sich durchaus eine Erscheinung geben kann, wenn er dies so will. Es wird uns berichtet, wie unser Herr vor seiner Inkarnation als der Engel des Herrn erschien. Wenn er uns also etwas über sich selbst lehren möchte, kann er sich selbst eine Erscheinung geben. Dennoch ist dies nicht sein wahres Wesen.
Die zweite Antwort möchte ich folgendermaßen formulieren: Damit er uns mitteilen kann, wie er ist, hat Gott sich einer Sprache bedient, die du und ich verstehen können. Es ist uns fast unmöglich, uns die Unendlichkeit und Unkörperlichkeit Gottes vorzustellen. Aus diesem Grund spricht Gott zu uns so, als wäre er ein Mensch. Er tut dies nur, damit wir ihn verstehen können.
Damit wir ihn erkennen und ihm Vertrauen lernen, spricht er, als wäre er ein Mensch. Das ist die eigentliche Idee hinter den Anthropomorphismen.
Fassen wir also zusammen: Gott ist unsichtbar, ohne materielle Bestandteile und ohne Körper. Er ist frei von aller und jeder Begrenzung.
Das bringt uns nun zum letzten Kennzeichen von Gottes ureigenstem Wesen: der Persönlichkeit. Dieser Begriff wird in der Bibel nicht ausdrücklich verwendet, doch ist er dort durchweg sinngemäß enthalten. Danken wir Gott, dass das so ist!
Was ist mit Persönlichkeit gemeint? Persönlichkeit existiert dort, wo es Verstand, Intelligenz, Wille, Vernunft, Individualität, Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung gibt. Wo diese Eigenschaften vorhanden sind, da gibt es eine Persönlichkeit. Die Bibel erklärt, dass Gott eine Person ist. Wie ungeheuer wichtig das ist!
Dieses Verständnis war besonders bedeutsam zur Zeit, als unser Herr hier in dieser Welt war, wegen des Problems des Pantheismus. Dieser ist in verschiedenen Ausprägungen noch immer populär. Pantheisten sagen, dass alles, was existiert, Gott sei und Gott alles ist, was existiert. Sie behaupten, man dürfe nicht von der Person Gottes sprechen, denn Gott sei keine Person. Aus diesem Grund betet der Pantheist die Natur an und findet Gott in der Natur.
Heute wird nicht mehr so viel über Pantheismus gesprochen. Vielmehr sagt man heute, man glaube an Gott als eine alles umfassende Intelligenz oder als eine große Kraft oder Energie. Intelligenz wird dabei sozusagen fettgedruckt. Aber Gott ist keine Intelligenz, er ist eine Person. Ebenso wenig ist er eine besondere Kraft oder Energie, denn alle diese Vorstellungen leugnen Bewusstsein.
Zu sagen, Gott sei einfach Energie, unbewusste Energie, unbewusste Macht, Kraft oder Dynamik, ist nicht biblisch. Die Bibel sagt, dass Gott eine Person ist. Das ist absolut entscheidend, wenn wir ihn wirklich anbeten wollen und wenn wir Zuversicht für uns selbst und diese Welt haben wollen.
Wie lehrt uns die Bibel, dass Gott eine Person ist? Sie tut dies sowohl direkt als auch indirekt.
Indirekt zeigt sie uns, dass Gott in der Schöpfung Spuren von sich selbst, seines Geistes und seines Empfindungsvermögens hinterlassen hat. Dort finden wir Beweise für sein Denken, seinen Willen und seinen Ordnungssinn. Was ist mit den Naturgesetzen? Woher kommen unsere vielen wunderbaren Erfindungen? Sie wurden entdeckt, weil wir herausgefunden haben, dass es so etwas wie Naturgesetze gibt. Die Antwort ist, dass diese ihren Ursprung in Gott haben.
Die Naturgesetze sowie deren Gestaltung und Ordnung offenbaren das Werk Gottes, wie Paulus in Römer 1 darlegt. Sie sind alle ein Zeichen für Gottes Intelligenz und sein aktives Wollen.
Es gibt aber auch viele direkte Beweise, aufgrund derer wir sagen können, dass Gott eine Person ist. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie Gottes Gegenwart immer sehr persönlich beschrieben wird? Nehmen wir den Namen Gottes, über den wir bereits nachgedacht haben: „Ich bin“. Das ist eine persönliche Aussage. Es ist eine Person, die sagen kann: „Ich bin.“ Gott sagt, dass er von sich selbst auf diese Weise sprechen kann.
Jeder einzelne Repräsentant Gottes hat erklärt, dass Gott eine Person ist und nicht einfach eine unbewusste Kraft. Oder betrachten Sie die Art und Weise, wie die Bibel Gott den Götzen gegenüberstellt. Lesen Sie einmal Psalm 115. Beachten Sie den Kontrast: Die Götzen, sagt der Psalmist, haben Augen, ja, aber sie können nichts sehen. Sie sind keine Person. Münder haben sie, aber sie können nicht sprechen. Sie haben Hände, aber sie können nichts tasten.
Gott jedoch wird all diesen stummen Götzen gegenübergestellt. Paulus sagte von den Thessalonichern, dass sie sich von Götzen bekehrt haben, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen (1. Thessalonicher 1,9).
Aber nicht nur das: Die Bibel lehrt uns, dass Menschen mit Gott sprechen können und dass er in der Lage ist, eine besondere Beziehung zu uns Menschen einzugehen. Er erwählt bestimmte Leute und segnet sie. All dies setzt ein personales Wesen voraus.
Der endgültige Beweis ist natürlich unser Herr Jesus Christus selbst. In der Inkarnation, in der Person seines Sohnes, hat Gott erklärt, dass er ein personales Wesen ist. Unser Herr sagt: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ und „Ich und der Vater sind eins.“ Deshalb muss Gott ein personaler Gott sein, denn es war eine Person, die sprach.
Weiterhin sprach unser Herr immer von einem Gott mit personalen Merkmalen. Er nannte ihn „Vater“. Dies kommt am herrlichsten zum Ausdruck, wenn wir unserem Herrn Jesus Christus beim Beten zuhören. Was betet er zum Beispiel in Johannes 17? Er betet – aber er betet nicht zu irgendwelchen Göttern, sondern zu einer Person, dem heiligen Vater.
So erklärt die Bibel auf jede Weise und überall, dass Gott ein personales Wesen ist.
Schließlich lehrt die Bibel auch, dass Gott eine Einheit ist: „Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig“ (5. Mose 6,4). Wenn wir zur Lehre der Dreieinigkeit kommen, werden wir uns noch ausführlicher damit beschäftigen. Wir verweisen aber jetzt schon darauf, um unsere Betrachtung dieser Lehre, wie sie in der Bibel vertreten wird, zu vervollständigen. Denn einer ist Gott, und einer ist Mittler zwischen Gott und Menschen: der Mensch Jesus Christus (1. Timotheus 2,5).
So sehen wir, dass diese herrliche Wahrheit, die wir gemeinsam betrachtet haben, ganz einfach folgende ist: Dieses unendliche, vollkommene, erhabene, transzendente, herrliche, majestätische, mächtige, ewige Wesen, das Geist ist, das Wahrheit ist und in einem Licht wohnt, dem sich niemand nähern kann – das ist Gott.
Und diesem Gott hat es in seiner Gnade gefallen, dass du und ich ihn erkennen sollen, dass wir mit ihm reden und ihn anbeten sollen. Er ist bereit, uns zuzuhören, uns zu begegnen und unsere unwürdige und armselige Anbetung, unseren Lobpreis und unsere Verehrung entgegenzunehmen.
Gepriesen sei der Name Gottes!
Bitte geben Sie den Text ein, den ich überarbeiten soll.
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