Das Thema heute Abend ist Liebe. Wir haben ja Glaube, Hoffnung und Liebe – alle drei sind im Epheser Kapitel 2 enthalten. Ich habe schon einige Vorträge über Glauben gehört, sehr wenige über Hoffnung. Über Hoffnung hört man nicht viel, am meisten jedoch über Liebe. Und das ist auch völlig richtig so, denn die Liebe ist das Größte.
Es sind nämlich mindestens zwei Dinge: Gott ist heilig und Gott ist Liebe. Gott ist noch viel mehr: Er ist allmächtig und allgegenwärtig. Das sind Eigenschaften. Aber Heiligkeit und Liebe sind keine bloßen Eigenschaften Gottes, sondern die Essenz Gottes. Er ist heilig und er ist Liebe in Person. Er kann nicht anders sein.
Johannes formuliert es so schön: Gott ist Liebe. Wenn man über Liebe redet, finde ich die schönste Geschichte, das schönste Bild, das die Bibel uns von der Liebe Gottes malt, in Lukas 15 beim verlorenen Sohn. Dieses Bild möchte ich heute verwenden, um über die Liebe Gottes zu sprechen.
Ich lese einige Verse aus Lukas 15,11. Jesus erzählt das Gleichnis und sprach:
Ein Mensch hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: „Vater, gib mir den Teil des Vermögens, der mir zufällt.“ Daraufhin teilte der Vater das Vermögen unter ihnen auf.
Nach nicht vielen Tagen brachte der jüngere Sohn alles zusammen und reiste in ein fernes Land. Dort vergeudete er sein Vermögen, indem er verschwenderisch lebte.
Als er aber alles verzehrt hatte, kam eine gewaltige Hungersnot über das Land. Er selbst fing an, Mangel zu leiden. Daraufhin ging er zu einem der Bürger jenes Landes, der ihn anstellte, um seine Schweine zu hüten.
Der Sohn begehrte, seinen Bauch mit den Schoten zu füllen, die die Schweine fraßen, aber niemand gab sie ihm.
Als er aber in sich ging, sprach er: „Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben Überfluss an Brot, ich aber komme hier um vor Hunger. Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen. Mach mich wie einen deiner Tagelöhner.“
Und er machte sich auf und ging zu seinem Vater. Als er aber noch fern war, sah ihn sein Vater, wurde innerlich bewegt, lief hin, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
Der Sohn aber sprach zu ihm: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen.“
Der Vater aber sprach zu seinen Sklaven: „Bringt schnell das beste Gewand heraus und zieht es ihm an. Tut einen Ring an seine Hand und Sandalen an seine Füße. Bringt das gemästete Kalb, schlachtet es, und lasst uns essen und fröhlich sein.“
Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein.
Die Liebe ist das Größte, und diese Geschichte erzählt uns von genau dieser Liebe. Wenn wir sagen, sie sei das Größte, dann muss ich für mich selbst bekennen: Als ich zum ersten Mal von der Liebe Gottes hörte, war mein erster Gedanke, dass ich Gott lieben müsse.
Das erste Gebot sagt Jesus: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit deinem ganzen Verstand.“ Und seht ihr, genau an diesem Punkt tue ich mich schwer. Denn ich weiß nicht genau, ob ich Gott wirklich liebe.
Vor einigen Jahren ging ich spazieren – meistens gehe ich mit Jesus spazieren – und ich wusste nicht genau, ob ich sagen kann, dass ich Gott liebe. Es ist nämlich so: Ich liebe meine Frau, das tue ich wirklich. Aber ich weiß, wie ich meine Frau liebe. Ich kann sie anfassen, ich kann sie sehen. Gerade eben habe ich mit dir am Telefon gesprochen, ich weiß, wie das geht.
Ich liebe meine drei Kinder, und auch hier weiß ich, wie das geht. Sie sitzen auf meinem Schoß, ich berühre sie. Aber Gott ist Geist, und ich weiß nicht, wie ich einen Geist lieben soll. Ich weiß nicht, ob du das verstehst.
Ich habe zu Gott gesagt: Herr, ich habe dich noch nie gesehen, ich habe noch nie eine hörbare Stimme von dir gehört, ich habe dich noch nie berührt. Du bist Geist, und ich weiß nicht, wie man einen Geist liebt. Dieses Dilemma hatte ich vor Jahren, und stückweise habe ich es immer noch.
Ich habe Christen gefragt: Liebst du Gott? Sie sagen natürlich ja, denn sonst würden sie sich ja selbst disqualifizieren. Dann frage ich sie: Wie liebst du ihn? Wie machst du das? Manche sind dann ganz verblüfft. Einige sagen: Ich lese meine Bibel, ich bete, ich unterstütze Missionare, ich gehe in die Kirche, ich mache Kindergottesdienst.
Ja, das sind alles gute Dinge, die man tut. Aber ist das Liebe? Liebst du Gott wirklich? Ich weiß es nicht.
Es ist meine starke Überzeugung, dass wir, wenn wir über die Liebe Gottes sprechen, nicht in erster Linie darüber reden dürfen, Gott zu lieben. Denn wir wissen nicht, wie das geht.
Wisst ihr, worüber wir reden müssen, wenn wir über die Liebe Gottes sprechen? Wir müssen seine Liebe empfangen.
Wir haben vorhin 1. Johannes gelesen. Dort steht: „Hierin ist die Liebe, nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat.“ In 1. Johannes 4,19 lesen wir: „Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.“
Bevor wir also über das Lieben sprechen, müssen wir seine Liebe empfangen. Und darüber habe ich in meinem Leben nicht viel gehört.
In Johannes 1, Vers 16 lesen wir: „Denn aus seiner Fülle haben wir empfangen, und zwar Gnade um Gnade.“ Gott ist in erster Linie gar nicht daran interessiert, dass wir ihn lieben. Vielmehr ist Gott daran interessiert, dass wir seine Liebe empfangen. Wir sind Empfänger seiner Liebe. Wenn wir das versäumen, fangen wir an zu tun.
Im Jesaja 64, Vers 5 sagt der Prophet: „All unsere Gerechtigkeiten sind wie ein besudeltes Kleid.“ Nicht unsere Sünden, das wissen wir. Sondern all unsere Gerechtigkeiten sind wie ein besudeltes Kleid. Alles, was wir oft glauben, was wir für Gott tun, ist nicht wirklich Liebe – das muss nicht so sein.
Und doch hören wir so oft: „Liebe Gott, tu dies, tu das.“ Das kann Religion sein. Wir müssen zuerst lernen, seine Liebe zu empfangen, sonst wissen wir nicht, wie wir lieben sollen.
Wir sind in erster Linie Empfänger, und Gottes größte Heilige sind die besten Empfänger. Wenn ein Mensch nicht empfängt, ist er kein Heiliger. Das ganze Christenleben ist von Anfang bis Ende Empfangen – auch die Liebe.
Ich habe euch gesagt, meine Tochter Eva ist nicht nur gerade mein Lieblingskind, sondern sie hat auch einen Tick. Sie beschenkt gerne Leute. Wenn jemand Geburtstag hat, egal wer das ist, bringt sie ihm ein Geschenk. Sie packt es in irgendeinen Stoff ein, von denen sie ungefähr 500 hat.
Wenn ich Geburtstag habe, am 24. April, falls du mir etwas schicken möchtest, dann kauft Eva etwas für mich. Sie packt das Geschenk fünfmal ein, das liebt sie. Dann präsentiert sie mir das Geschenk ganz stolz zu meinem Geburtstag.
Dreimal darfst du raten, mit welchem Geld sie es gekauft hat. Mit meinem Geld. Sie kauft mir ein Geschenk mit meinem Geld. Und ich sage: „Du blödes Ding, das machst du nicht noch einmal.“ Natürlich nicht. Ich freue mich von Herzen über das Geschenk, das sie mit meinem Geld gekauft hat.
Und weißt du, worüber Gott sich freut? Wenn du ihm die Liebe gibst, die du von ihm empfangen hast. Denn sonst hast du nichts zu geben.
Johannes in der Bibel wird der Apostel der Liebe genannt. Petrus ist der Apostel der Hoffnung – ein Hoffnungsloser Fall. Paulus wird der Apostel des Glaubens genannt, was immer das auch bedeutet. Johannes hingegen trägt den Titel „Apostel der Liebe“.
Jetzt fragst du dich vielleicht, warum das so ist. Warum nennen wir Johannes den Apostel der Liebe? Hat er Jesus so sehr geliebt? Nein, wisst ihr, was wir über Johannes lesen? In seinem Evangelium wird er als „der Jünger, den Jesus lieb hat“ bezeichnet.
Johannes selbst hat gesagt: „Wisst ihr was, Freunde, ich bin derjenige, den Jesus liebt.“ Das kam mir immer ein bisschen arrogant vor, wenn ich ehrlich bin. Was würdest du denken, wenn ich sage: „Ich bin Hans Peter, Österreicher, und Jesus liebt mich“?
Wenn du glaubst, das sei arrogant, dann darf ich dir etwas sagen: Du hast Liebe nicht verstanden. Ich habe es auch nicht verstanden. Ich habe geglaubt, das sei arrogant.
Denn wenn du und ich glauben, dass wir die Liebe Gottes verdienen können – durch unseren Charakter, durch unsere Tugenden –, dann ist so eine Aussage tatsächlich arrogant.
Wenn wir aber erkannt haben, dass wir die Liebe Gottes nicht verdienen können, dann ist eine solche Aussage alles andere als arrogant. Die Liebe Gottes hat nichts mit uns zu tun, nichts mit dem, was wir für Gott getan haben. Er hat sich einfach entschieden, uns zu lieben.
Dann ist so eine Aussage eine große Wertschätzung für Gott: „Gott, ich bin der, den du liebst. Ich habe es nicht verdient, aber du liebst mich. Danke dafür.“
Das ist keine Arroganz, das ist Glaube, das ist Vertrauen. Ich bin derjenige, den Jesus liebt.
Der verlorene Sohn hat die Liebe seines Vaters nicht verdient; er hat sie einfach empfangen. Er hat sein ganzes Geld verschwendet – das Geld seines Vaters. Er hat sich Freunde mit Geld gekauft, Prostituierte bezahlt und den Vater maßlos enttäuscht.
Ein Teenager kam einmal vom Kindergottesdienst nach Hause. Die Mutter fragte ihn, was der Pfarrer erzählt habe. Er antwortete: „Ja, vom verlorenen Sohn.“ „Und was hat er gesagt?“ fragte sie weiter. „Er hat einen verlorenen Sohn, der das Geld für Frauen und Alkohol ausgegeben hat und den Rest verschwendet hat. Ich erkläre es euch später.“
Aber wisst ihr: Er hat alles Geld verschwendet, das seinem Vater gehörte. Doch der Vater hat sich in all den Jahren oder Monaten, in denen er wusste, dass sein Sohn sein Geld verschwendete, nie von seiner Liebe abgewandt. Die Liebe des Vaters hat sich in all diesen Tagen nicht verändert.
Ich habe ein Bild, das war das Lieblingsbild von Corrie ten Boom. Es zeigt den Vater, der auf der Veranda steht und jeden Tag hinausschaut – vielleicht kommt er heute zurück, vielleicht heute. Wenn ich die Geschichte lese, kann ich mir vorstellen, dass der Vater auf dem Feld gearbeitet hat, aber alle halbe Stunde aufgestanden ist, um auf den Horizont zu schauen. Vielleicht kommt er heute.
Der Vater wartete jeden Tag darauf, dass sein Sohn zurückkommt. Und seine Liebe hat sich in all den Jahren kein Stück verändert. Mir gefällt diese Vorstellung sehr.
Wir lesen dann im Vers 20: „Und er machte sich auf, ging zum Vater. Als er aber noch fern war, sah ihn sein Vater am Horizont. Eine kleine Figur erschien, und der Vater wusste sofort: Das ist mein Sohn.“ Als er noch fern war, sah ihn sein Vater, wurde innerlich bewegt und lief ihm entgegen.
Übrigens ist dies die einzige Stelle in der Bibel, an der Gott läuft – sonst nirgends. Er lief hin, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
Der Sohn aber sprach zu seinem Vater: „Ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen.“
Der Vater aber sprach zu seinen Sklaven: „Bringt das beste Gewand, bringt den Ring, bringt das Kalb.“ „Dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden.“
Wir versuchen ständig, so zu leben, damit wir geliebt werden, anstatt zu lernen, so zu leben, weil wir geliebt sind.
Wir können die Liebe nicht verdienen, wir können sie nur empfangen. Es geht gar nicht anders. In dieser Geschichte hat der Vater seinen Sohn immer geliebt – egal, ob er bei der Prostituierten war, ob er sein Geld verschwendet hat oder ob er zu Hause war. Für den Vater machte das keinen Unterschied.
Jeremia 31, dieser schöne Vers: „Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.“ Wir müssen verstehen lernen, dass Gott uns nicht liebt, weil wir liebenswert wären oder weil wir es verdient hätten. Er hat sich entschieden, uns zu lieben.
Weißt du, was ich auch sehe? Fast alle Christen glauben, dass Gott sie liebt. Aber viele Christen glauben auch, dass Gott sie nur dann wirklich gerne hat, wenn sie etwas dafür tun. Das ist falsch. Gott ist in dich verliebt, Kopf über Schuh. Das sagt sein Wort.
Und wisst ihr, was das Schöne ist? Gott gibt uns immer, immer eine zweite Chance. Ein Freund von mir, ein Schotte, der inzwischen gestorben ist, nach einer Bibelwoche am Dauer nur wieder gestorben, vor drei Jahren. Billy Strachan war ein ganz lieber Freund von mir. Er hat gesagt: „Weißt du was, Hans-Peter? Gott gibt dir immer eine zweite Chance. Die einzigen, die dir keine zweite Chance geben, sind Christen, sonst alle.“
Ich weiß, was er damit gemeint hat. Aber wisst ihr, was das Schöne ist? Gott gibt uns immer eine zweite Chance, weil er uns liebt. Und wir als Christen müssen das auch lernen, denn wir sollten Jesus ähnlich werden und nicht der Welt.
Die Frage ist: Glauben wir wirklich, dass wir einzig und allein durch die Gnade und die Liebe Gottes gerettet sind? Oder glauben wir immer noch, dass wir doch ein bisschen gut sein müssen, damit er uns wirklich gern hat? Dieses Denken ist tief in uns verwurzelt.
Wir meinen oft: Du bekommst, was du verdienst. Doch ich habe gar nichts verdient. Ich bekomme nicht, was ich verdiene, sondern das, was Gott mir zugesagt hat – seine Liebe. Trotzdem streben wir so leicht nach Perfektion.
Wissen Sie was? Ich habe ehrlich gesagt kein großes Problem damit, meinen Mitarbeitern zu vergeben. Wenn sie mal wieder Fehler machen – und das tun sie ab und zu – fällt es mir überhaupt nicht schwer, ihnen zu vergeben. Mein Problem ist nur, mir selbst zu vergeben.
Und das ist ein eindeutiges Zeichen von Stolz. Denn was ich dann sage, ist: „Ja, dir kann ich schon vergeben, du bist ja ein fehlerhafter Mensch, aber ich müsste schon ein bisschen perfekter sein.“ Freunde, das ist Stolz. Wenn du auch so denkst, dann musst du Buße tun und umkehren.
Wenn ich mir in der Bibel den Petrus anschaue, der dreimal behauptet hat, Jesus gar nicht zu kennen, sehe ich, wie menschlich er ist. Wenn ich den Johannes betrachte: Als Jesus in Samarien predigte und die Menschen nicht zuhören wollten, sagte Johannes: „Jesus, schick doch ein bisschen Blitz und Feuer vom Himmel, verbrenn sie!“ – und das von dem Apostel der Liebe, der unser Vorbild ist.
Wenn ich den Jakobus sehe, der neben Gott im Himmel sitzen wollte, oder den Philippus, der in seiner Ignoranz den Vater in Christus nicht erkannte, oder den verlorenen Sohn, dann komme ich zu dem Schluss: Gott erwartet von mir viel mehr Versagen, als ich selbst erwarte.
Manchmal habe ich schon gebetet und gesagt: „Herr Jesus, mach aus mir doch einen Christen, der nie mehr sündigt und der dir nur gefällt.“ Aber Jesus hat gesagt: „Das will jeder, aber wenn ich das tue, habe ich niemanden mehr, der mich vergeben kann.“
Gott hat kein Problem zu vergeben. Gott hat nur dann ein Problem, wenn wir nicht mehr zu ihm kommen mit unserem Versagen.
Was findest du als den Höhepunkt in dieser Geschichte? Ihr kennt die Geschichte wahrscheinlich. Einige würden sagen, der Höhepunkt ist Vers 17: „Als er aber in sich ging.“ Das ist für mich schon ein Höhepunkt. Vielleicht auch Vers 18: „Ich will mich aufmachen zu meinem Vater gehen.“ Das ist ebenfalls ein Höhepunkt. Oder der Moment, als der Vater ihm entgegenlief – auch das ist ein Höhepunkt.
Aber wisst ihr, was für mich der eigentliche Höhepunkt in der Geschichte ist? Das ist Vers 12. Da sagt der Sohn zum Vater: „Gib mir den Teil des Vermögens, der mir zufällt.“ Übrigens, wisst ihr, wann dir ein Erbe zufällt? Dann, wenn der Vater tot ist. Mit anderen Worten hat der Sohn gesagt: „Ich wünschte, du wärst tot. Gib mir jetzt den Teil, als ob du tot wärst.“
Und wisst ihr, was der Vater dann getan hat? Er gab ihm seinen Teil. Für mich ist das der Höhepunkt der Geschichte. Der Vater wusste nämlich ganz genau, was sein Sohn tun würde. Ein liebender Vater kennt seinen Sohn. Ich bin mir sicher, der Sohn wollte den Vater überzeugen. Er sagte: „Vater, ich werde das Geld gut anlegen, ich werde mir einen guten Posten beschaffen, ich werde es zum Zehnfachen vermehren.“
Der Vater sah seinen Sohn an und wusste: „Mein Sohn, ich kenne ihn genau. In drei Monaten ist alles weg.“ Der Sohn wird Freunde kaufen, und so kam es auch. Er wird mit dem Geld prassen und es so verschwenden. Er wird sein Geld für Huren ausgeben, und genau das traf ein.
Aber der Vater, im vollen Wissen darüber, was sein Sohn tun würde, gab ihm seinen Teil. Wisst ihr was? Gott ist ein Gentleman. Der Vater wusste, dass er seinen Sohn mit Worten jetzt nicht überzeugen kann. Also ließ er ihn gehen und gab ihm seinen Teil.
Übrigens, Gott lässt dich gehen. Er zwingt dich nicht, er gibt dir deinen Teil. Wisst ihr, warum das für mich ein Höhepunkt ist? Ihr kennt mich, einige von euch kennen mich von Kassetten oder so. Aber wenn ihr mich kennen würdet, wie ich vor 25 Jahren war, wäre das eine ganz andere Geschichte.
Ich bin gläubig geworden, als ich 15 Jahre alt war. Mit 18 habe ich mein Christenleben aufgegeben, weil ich es nicht geschafft habe, Gott zu gefallen. Ich dachte: „Heuchler will ich nicht sein, ich lasse den ganzen Unsinn.“ Ich war ausgebrannt.
Obwohl ich Christ war, habe ich fünf Jahre lang gelebt, als wäre ich ein Diener Satans. „Das kannst du tun, das ist kein Problem“, dachte ich. Zwar hat Jesus ab und zu mal wieder auf meine Schulter geklopft und gesagt: „Hans Bethe, ich bin immer noch da.“ Doch ich antwortete: „Ich weiß, aber du interessierst mich kein bisschen. Ich lebe mein Leben. Was kannst du tun?“
Damals habe ich Dinge getan, für die ich mich heute sehr schäme. Ich saß betrunken mit meinen Skigruppen herum. Ich war Skilehrer in Österreich, den USA, Kanada und Australien. Das ist nicht das beste Milieu. Mädchen wollten mit dir ins Bett gehen, egal wie du aussahst, bezahlten dir alles und waren dumm genug, das zu tun. Du konntest dich jeden Abend betrinken. So war mein Leben als Christ. „Das kannst du tun“, dachte ich. Gott ließ mich gehen.
Doch in seiner großen Gnade durfte ich zurückfinden. Das ist eine lange Geschichte.
Aber wisst ihr, was mir vor zwei Jahren bewusst wurde? Ich habe über mein altes Leben nachgedacht und mich gefragt: Wann hat Gott mich mehr geliebt? Als ich vor zwanzig Jahren betrunken mit meiner Skigruppe herumsaß und Dinge tat, für die ich mich heute schäme? Oder liebt er mich mehr heute, wo ich hier stehe, vor vielen Zigtausenden Menschen in der ganzen Welt rede und Jesus liebe?
Wisst ihr, was die Wahrheit ist? Jesus hat mich vor zwanzig Jahren betrunken am Tisch genauso geliebt wie heute hier. Denn das, was ich tue, hat nichts mit seiner Liebe zu tun. Der Vater zu Hause stand jeden Tag bereit, und seine Liebe zu seinem Sohn hat sich nie geändert. Das einzige Problem war, dass der Sohn die Liebe des Vaters nicht erleben konnte – so wie ich es damals nicht erlebt habe.
Es muss uns bewusst werden: Wir können nie gerechter werden, als wir bereits sind. Du kannst nie würdiger werden, wenn du Christus kennst, als du es bereits bist.
Wisst ihr, was Satan sagt? Satan sagt dir jeden Tag, manche von uns seien unwürdig. Ich habe mit einigen Bibelschülern gesprochen, und sie haben gesagt: „Ich bin unwürdig.“ Heute bist du schon wieder nicht um sechs Uhr aufgestanden, um deine stille Zeit zu machen. Du hast dich um halb sieben schon wieder hingelegt, vorhin bist du eingeschlafen. Dein Gebet war seicht, du hast seit Monaten ein seichtes Gebetsleben. Du bringst dich nicht richtig ein – du bist unwürdig.
Und das hat Satan jahrelang zu mir gesagt, bis ich ihm antwortete: Ich weiß, ich bin unwürdig, aber Christus ist es nicht. Ich stehe heute hier nicht wegen mir, sondern wegen Christus. Er ist würdig, er wohnt in mir, und er liebt mich.
Gerechtigkeit kannst du nicht verdienen, du kannst sie nur empfangen. Wenn du Christus empfangen hast, dann bist du gerechtfertigt worden aus seiner Rechtfertigkeit, nicht aus deiner.
Es ist schwer für uns, das zu lernen. Wisst ihr, was ich im Unterrichtsdienst feststelle? Die meiste Zeit verbringe ich damit, dass wir falsche Dinge verlernen und die richtigen Dinge lernen.
Religion hat uns verwirrt. Religiöses Denken sagt: Ich will mir die Gerechtigkeit verdienen. Ich muss dies und das tun, damit ich würdig bin.
Im Skifahren – ich habe Tausenden Leuten das Skifahren beigebracht – wisst ihr, wer die schwierigsten Schüler sind? Nicht die Anfänger. Wenn ein kompletter Anfänger zu mir kommt, der nicht einmal weiß, wie ein Ski aussieht, erkläre ich ihm alles von vorne. Nach drei, vier Tagen fährt er recht passabel Runden. Es gibt Ausnahmen, aber bei den meisten ist das so.
Es gibt zum Beispiel Holländer, die brauchen ein bisschen länger. Nicht immer, übrigens, aber da ist schon etwas dran.
Wisst ihr, wer die schwierigsten Schüler sind? Das sind jene, die sich das Skifahren selbst beigebracht haben. Sie rasen irgendwie die Piste runter, doch wenn es zu steil wird, merken sie, dass das gar nicht mehr gut aussieht. Jetzt brauchen sie einen Skilehrer. Dann kommt dieser verkorkste Skifahrer zu mir.
Was ich da tun muss: Ich muss ihm erst einmal alles verlernen, was er sich selbst beigebracht hat. Denn sonst kann er nicht besser werden. Und das tut weh. Er fährt nämlich drei, vier Tage schlechter als vorher. Erst danach kannst du anfangen, aufzubauen.
Wisst ihr, wer die schwierigsten Christen sind? Jene, die Kirchenmenschen sind, aber nie den Heiligen Geist empfangen haben. Das sind die schwierigsten Menschen. Sie haben nämlich einiges gelernt, sie können die Sprache. Aber sie kennen keine Realität.
Wenn du Christ bist, wenn du Jesus kennst, dann bist du geistlich aufgrund der Tatsache, dass der Heilige Geist in dir wohnt – nicht, weil du so gut wärst.
Und bitte erinnere dich daran: Wenn der Heilige Geist in dich kommt, wenn du wiedergeboren bist, dann hat er nicht nur den Fuß reingesteckt, sondern er kam als ganze Person. Du kannst nicht 80 Prozent vom Heiligen Geist haben, nicht mal 95. Er kommt ganz in dich – oder gar nicht.
Wenn ein Kind geboren wird, ist es geboren, nicht zu 80 Prozent geboren. Es ist immer ganz geboren. Das ist so bei der Geburt.
Der Rest unseres Lebens besteht darin, das Leben auszuleben, das Gott in uns hineingelegt hat. Unser Leben besteht darin, Menschen zu zeigen, dass es ein Freudenfest ist, ein Abenteuer, mit Christus zu leben, der in uns lebt.
Gott liebt dich – warte nicht darauf, bis du würdig bist.
Ich war bei der Geburt aller drei meiner Kinder dabei. Gerade so schaffte ich es rechtzeitig ins Krankenhaus, wo meine Frau war. Bei allen dreien war ich anwesend. Ich nehme jetzt nicht nur den ersten, Lukas, heraus – nicht weil er männlich ist, sondern weil er der Älteste war. Als ich ins Krankenhaus kam, war ich Gott dankbar, dass ich keine Frau bin. Dann betrat ich den Raum und sah mir alles an.
Früher hatte ich immer geglaubt, dass die Geburt eines Kindes ähnlich sei wie die Geburt von Tieren. Ich war drei Jahre lang Schaf- und Kuhhirte und habe dutzende Kälber auf die Welt gebracht. Ich dachte, das sei ein bisschen vergleichbar, aber es ist völlig anders. Es ist aufregend, wenn es das eigene Kind ist. Ich hätte nie gedacht, dass mich das so sehr nervlich beanspruchen würde.
Dann wird das Kind geboren. Es kommt heraus, sieht nicht besonders gut aus – blau und schleimig. Doch dann reinigen sie es ein wenig, und es sieht besser aus. Die Hebamme legt dem Kind dieses Ding in die Hände. Da stehst du und denkst: „Lukas, in 18 Jahren, wenn du bewiesen hast, dass du würdig bist, wenn du mir hilfst, meine Rechnungen zu bezahlen, wenn du ordentlich arbeitest und ein freundlicher Mensch wirst, dann werde ich dich lieben.“ Natürlich nicht.
Dieses Baby, blau und schleimig, ist mein Kind, und ich wäre sofort bereit gewesen, mein Leben für dieses Kind zu geben. Es hatte noch nichts getan, außer zu schreien. Und es war nicht besonders hübsch, was mich überraschte. Aber mein Schwiegervater sagte: „Das wächst sich alles raus, das wird schon.“
Wenn ich als ganz normaler Mensch so für mein Kind fühle – Fleisch von meinem Fleisch, Blut von meinem Blut – wie viel mehr wird Gott, der die Liebe selbst ist, für dich empfinden? Denn du bist, wie es in Johannes 3,6 heißt: „Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch; was aus dem Geist geboren ist, ist Geist.“ Du bist Blut von Gottes Blut, Geist von seinem Geist.
Er liebt dich nicht, weil du ihm hilfst, die Rechnungen zu bezahlen. Du liegst blau und schleimig vor Gott, und er liebt dich, weil du sein Kind bist. Glauben wir das?
Weißt du, dass Gott im Himmel gerade Bilder von dir zeigt? Er sagt zu jedem Engel: „Schaut, mein Kind!“ Genau wie Eltern, die immer wieder Bilder ihrer Kinder zeigen. Das ist ja auch nicht schlecht.
Wir müssen lernen: Unser Auftrag ist nicht, nicht zu versagen. Unser Auftrag als Christen ist es, mit unseren Versagen jeden Tag zu Jesus zu gehen. Der Herr Jesus hat gesagt: „Kommt her zu mir!“ Nicht zum Pfarrer, nicht zur Bibel, nicht mal nach Brake, sondern zu mir! Zu Jesus, ihr, die ihr mühselig und beladen seid, nicht zu denen, die wunderbar und heilig sind.
Du musst nicht aufhören zu versagen. Du musst anfangen, mit deinen Versagen zu Jesus zu gehen. Das ist unser Auftrag.
Jesus hat sich viel wohler gefühlt bei den Steuereintreibern und Prostituierten als bei der religiösen Elite. Weißt du, was ich in den Evangelien festgestellt habe? Gott hat nur ein Problem mit einer Art von Menschen. Jesus hatte mit niemandem ein Problem – weder mit der Prostituierten, der Hure noch mit dem Falschgeldeintreiber.
Er hatte nur ein Problem mit einer Art von Menschen: jenen, die glaubten, sie seien ein bisschen besser als die anderen. Das sind selbstgerechte Christen. Ich möchte sagen: Selbstgerechte Christen sind die hässlichsten Menschen. Es ist so. Menschen, die dir immer das Gefühl geben, sie seien ein bisschen besser als du.
Mit denen hatte Jesus immer Probleme. Die Pharisäer waren gute Menschen, aber selbstgerecht.
Es ist so gut, verletzbar zu sein. Es ist so gut, ehrlich zu sein und einfach zu sagen: „Herr, ich bin es nicht, ich habe es nicht, ich kann es nicht – und ich muss es auch nicht, denn ich habe dich. Darum brauche ich dich.“
Ich stehe jeden Tag früh auf und sage: „Ja, Jesus, ich schaffe den Tag nicht. Ich kann nicht mal die Menschen lieben.“ Ich möchte euch etwas sagen: Ich kann die Menschen nicht lieben. Ich habe jeden Tag Menschen um mich.
Und was ich jeden Tag bete, ist: „Herr Jesus, gib mir deine Liebe für diese Menschen.“ Und Jesus tut es.
Übrigens bete ich nie für die richtigen Worte. Das habe ich ein paar Jahre lang getan, aber er hat nie kooperiert. Er hat sie mir nie gegeben.
Ich bete immer: „Herr Jesus, gib mir dein Anliegen, deine Liebe für diese Menschen, denen ich heute in die Augen schaue.“ Denn wisst ihr was? Dann kommen die richtigen Worte.
Ich möchte mit einem Zitat von Karl Barth schließen. Karl Barth hat viele Bücher geschrieben. Ich weiß nicht, ob alles davon super gut ist, aber das macht ja auch nichts.
Als Karl Barth ein alter Mann und Professor war, ging ein Student zu ihm und sagte: „Herr Professor, nach all Ihrem Studium, nach Ihrem jahrzehntelangen Studieren des Wortes Gottes und dem Schreiben von Büchern, die eine ganze Bibliothek füllen könnten – was ist in einem Satz die Essenz von dem, was Ihr Leben geprägt hat?“
Professor Barth antwortete, er wolle es auf Englisch sagen, weil es ein Lied dazu gibt. Nach all seinen Jahrzehnten des Lebens, Studierens von Gottes Wort, von Gott selbst und Christus, ist nur das übrig geblieben:
„Jesus loves me, this I know,
cause the Bible tells me so.“
Jesus liebt mich, das weiß ich gewiss, weil die Bibel es mir sagt. Das ist das Einzige, was übrig geblieben ist.
Ich möchte heute Abend fragen: Ich habe keine Ahnung, wo du herkommst, wo du stehst oder wer du bist, aber Gott kennt dich. Was hindert dich heute Abend daran, seine Liebe zu empfangen? Warum sagst du nicht einfach: Herr Jesus, ich stecke meinen Stolz mal weg, und ich möchte heute nur von dir empfangen – deine Liebe?
Ich komme zu dir als Sünder. Ich habe nichts zu bieten, nichts, was mich rechtfertigt. Aber ich empfange dich, deine Gerechtigkeit, deine Heiligkeit, dein Leben. Komm du zu mir und lebe mit mir.
Was hindert dich daran, heute Abend mit Jesus zu beginnen? Wenn du keinen Grund findest, dann kannst du ihn jetzt empfangen.
Ich bete noch zusammen: Lieber Vater, ich bin dir so dankbar für deine Liebe, die unbeschreiblich ist, aber wahr. Ich danke dir für dieses Gleichnis, das du uns gegeben hast – vom verlorenen Sohn und dem liebenden Vater. Denn damit hast du dich selbst gemalt.
Danke, Herr, dass du so anders bist, als wir oft denken. Du bist Liebe in deiner Essenz.
Ich bete für jene, die Jesus vielleicht noch nicht kennen und ihn kennenlernen möchten: Herr Jesus, ich komme heute zum ersten Mal zu dir. Ich war bis jetzt religiös, habe allerhand gemacht, aber ich bin noch nie zu dir gekommen.
Ich möchte dir bekennen, dass ich dich so sehr brauche. Ich weiß, ich habe versagt, ich habe gesündigt, und ich danke dir für deine Vergebung. Ich möchte sie annehmen.
Aber nicht nur deine Vergebung, Herr Jesus, möchte ich annehmen, sondern dich selbst, deine Liebe. Damit dein Leben in und mit mir etwas ganz Neues erschaffen kann – einen neuen Menschen.
Denn dazu bist du gekommen: Menschen zu dir zu rufen, um dir ähnlich zu sein durch dein Leben. Nicht indem wir dich kopieren, sondern indem wir verstehen, was du getan hast.
Komm in mein Leben, Herr, und sei mein Herr!
Danke für dein gutes Wort, aber am meisten danke ich dir für das lebendige Wort, für Jesus Christus, unseren Herrn. In seinem Namen beten wir all dies. Amen.