Erst einmal das, was anders sein wird: Wir hatten bisher jedes Mal einen neuen Titel für die Reihe. Diese Woche gab es jedoch keinen neuen Titel. Das heißt, wir bleiben bei den alten drei Titeln, die sich irgendwo zwischen „Love or Die“, „Bewahre die erste Liebe“ und „Zurück zur ersten Liebe“ bewegen.
Wer noch neue Vorschläge hat, wohin sich die Reihe entwickeln könnte – allein von der Überschrift her – ist herzlich eingeladen, diese einzubringen. Ich möchte einfach dort weitermachen, wo ich beim letzten Mal aufgehört habe.
Ich lese uns aus der Offenbarung die zwei Verse vor, um die wir uns heute noch drehen werden. Danach folgen wir einem starken Satz, mit dem wir uns von diesem Thema verabschieden, um ab dem nächsten Mal ganz anders weiterzumachen.
Offenbarung 2,4-5: Es sind die Worte, die Jesus an die Gemeinde in Ephesus schreibt. Von ihnen können wir einige wichtige Lektionen mitnehmen, denke ich.
Da heißt es: „Aber ich habe gegen dich, dass du deine erste Liebe verlassen hast. Denke nun daran, wovon du gefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke. Wenn aber nicht, so komme ich dir und werde deinen Leuchter von seiner Stelle wegrücken, wenn du nicht Buße tust.“
Die Bedeutung von Liebe in der Gemeinde
Die wesentliche Lektion, die für mich in diesem Text steckt, ist, dass es in einer Gemeinde nicht ausreicht, orthodox zu sein. Rechte Lehre allein ist nicht genug.
Wir wissen das eigentlich, weil es an anderer Stelle noch viel deutlicher steht. Im ersten Korintherbrief schreibt der Apostel Paulus zum Thema Liebe. Er schreibt dort, 1. Korinther 13, am Anfang: „Wenn ich alle Geheimnisse und alle Erkenntnis weiß, also wenn ich wirklich umfassend einen Durchblick habe im Blick auf die Bibel, wenn du mich nachts um drei mit einem Vorschlaghammer wecken und mir die schwierigste Bibelfrage stellen würdest und ich in der Lage wäre, sie innerhalb von einer halben Millisekunde richtig zu beantworten, wenn ich so richtig fit wäre, so ganz tief drin, wenn ich ohne nachzudenken diese Fragen beantworten könnte, wo andere Generationen darüber gebrütet haben, wenn ich so ein Typ wäre – und ich wäre gern so ein Typ, das gebe ich ehrlich zu – wenn ich alle Geheimnisse und alle Erkenntnis weiß, aber keine Liebe habe, so bin ich nichts.“
Meine Sorge ist, dass wir diesen letzten Teil nicht hören. Also hören schon, denn Jesus hat mal gesagt: „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ Du liest diesen Satz und denkst: „Herr Jesus, was meinst du?“ So wie jemand vor kurzem meinte: „Meine Augen kann ich zumachen, aber meine Ohren, da fehlt was.“ Da kann man nicht, da sieht man nicht mehr, aber mach mal die Ohren zu. Da muss ich schon was reinstopfen.
Wenn der Herr Jesus davon spricht, „Wer Ohren hat zu hören, der höre“, dann meint er, dass wir auf zwei Arten hören können: akustisch, also das bloße Hören mit den Ohren, und darüber hinaus hören, indem wir nachdenken, verstehen, es verinnerlichen und dafür sorgen, dass das, was wir hören, unser Leben prägt.
Und hier, wenn ich alle Geheimnisse und alle Erkenntnis weiß, aber keine Liebe habe, so bin ich nichts, dann steht dieses kleine Wörtchen „so bin ich nichts“ in der großen Gefahr, nicht mehr gehört zu werden.
Gründe für das Überhören der Liebe
Ich habe mir überlegt, woran das liegen könnte. Dieses Phänomen ist nicht nur auf unsere Gemeinden beschränkt. Es begegnet mir in vielen Gemeinden in Deutschland, mit denen ich irgendwie Kontakt hatte. Ich glaube, es gibt verschiedene Gründe dafür. Ich habe vier herausgesucht, von denen ich denke, dass sie auch uns betreffen könnten.
Der erste Grund ist, dass wir Menschen sind, die nach der Aufklärung leben. Wir leben im Zeitalter der Wissenschaft – zumindest noch, auch wenn sich das vielleicht irgendwann ändern wird. Im Moment ist es aber noch das Zeitalter der Wissenschaft. Wir leben in einer Zeit, in der ich das Buch „Generation Doof“ mag. Dort gibt es ein Kapitel über Liebe, und die Autoren schreiben, dass der Begriff „Liebe“ in unserer Gesellschaft entweder mit Sex gefüllt wird – das ist die eine Seite – oder mit Kuscheln bis zum Abwinken. Das kann ich nur zitieren, weil es so schön formuliert ist. Es geht um diese säuselige Romantik, bei der man einfach sagt: „Ah!“ Das sind die Extreme, zwischen denen unsere Kultur hin und her pendelt.
Entweder geht der 35-jährige Verliebte mit einem roten Plüschherzchen zu seiner Allerliebsten und sagt: „Ach du, mein kleines Schapselhälzchen!“ Und man denkt sich: „Mann, bist du irgendwann mal erwachsen geworden?“ Oder wir sind auf der anderen Seite angekommen, im Bereich der Pornografie und des Voyeurismus. Dort weiß eigentlich jeder, der nachdenkt, dass das keine Liebe ist. Zwischen diesen beiden Extremen pendelt unsere Gesellschaft hin und her, und wir pendeln irgendwo in der Mitte mit. Wir wissen eigentlich gar nicht genau, was Liebe ist.
Deshalb trifft mich das, wenn ich etwas nicht genau weiß, oft so: „So bin ich nichts.“ Auch nicht so, weil ich eh nicht genau wüsste, was ich ändern soll. Immer wenn ich ein Problem habe, das ich eh nicht lösen kann, schiebe ich es ein bisschen weg.
Ein zweiter Grund, der mir besonders in Brüdergemeinden aufgefallen ist – und ich sage das bewusst, obwohl „Brüdergemeinden“ ein Label ist –, betrifft Gemeinden mit einer sehr starken biblischen Ausrichtung, in denen die Bibel einen großen Schwerpunkt im Leben hat. Ich bin für Bibellesen, ich bin dafür, dass man viele Bibelverse auswendig lernt, ich bin dafür, dass man sein Hirn mit der Bibel sättigt – gerade ihr Jugendlichen, ihr habt noch ein bisschen was vor euch, ich bin dafür.
Aber ich spreche hier aus leidvoller Erfahrung mit vielen Outdoor-Bibelschulen, wo ich mit frustrierten Jugendlichen zu tun habe, die aus unterschiedlichsten Gemeinden kommen und eine sehr starke brüdergemeindliche Prägung haben. Dabei fällt mir auf, dass es an Gottesfurcht mangelt. Jetzt werden einige vielleicht aufschreien: „Gottesfurcht? Wie kommst du dazu?“ Aber was ich meine, ist Folgendes:
Ich erlebe, dass man dazu neigt, ein bestimmtes Set an Glaubensregeln mehr zu lieben als Gott. Wenn meine Wertmaßstäbe – das, was ich glaube, was in der Bibel steht – oft in Form von Traditionen, Abläufen und bestimmten Vorstellungen gegossen werden, kann das so weit gehen, dass es darum geht, wie man sich kleiden soll, welche Lieder im Gottesdienst gespielt werden dürfen oder wer wann was wo wie sagen darf. Wenn solche Vorstellungen, die wir aus dem Alten Testament kennen als „Überlieferung der Ältesten“, gegen die Bibel stoßen, müsste man eigentlich etwas ändern. Eigentlich kann man das so nicht leben.
Ich kenne viele, wirklich viele frustrierte Jugendliche aus vielen Gemeinden, die mir sagen: „Jürgen, wir schaffen es nicht, im Gottesdienst wahrgenommen zu werden, geschweige denn angenommen.“ Traditionen sind so hart, dass, wenn sie sagen, sie würden gerne mal ein Lied singen, das ihnen gefällt, leidvolle Diskussionen entstehen. Jugendleiter berichten mir, dass sie noch nie mit einem einzigen Vorschlag in der Gemeinde durchgekommen sind. Dort wird Liebe zu Gott mit Liebe zur Tradition gleichgesetzt – und diese Gleichung könnte falscher nicht sein.
Das ist eine Tendenz, eine Gefahr, in der Gemeinden stecken, die sich besonders um die Bibel drehen. Diese Gefahr müssen wir wahrnehmen, wenn wir Ephesus lesen. Mir geht es nicht darum, die Bibel wegzuschmeißen. Nicht dass man mich falsch versteht: Ich bin für die Bibel, total pro, ich bin sogar für mehr Bibel. Aber es gibt eine Gefahr.
Ein dritter Punkt: Wir sind Berliner – nein, ich nicht, aber ihr. Ich habe mal recherchiert, welche Eigenschaften man Berlinern zuschreibt, und fand eine Beschreibung aus dem Mitte des 19. Jahrhunderts im Meierlexikon sehr passend. Dort heißt es, der Berliner sei – wenn man es in moderne Begriffe übersetzt – besserwisserisch. Er neigt dazu, andere mit einem gewissen Spott zu belegen. Nicht böser Spott, sondern eher dieser nette, manchmal lästige spöttisch-besserwisserische Ton.
Als ich das gelesen habe, bin ich mit offeneren Augen durch Berlin gegangen und stellte fest, dass ein Hotspot für das „Berlinertum“ Spandau ist – dort ist es wirklich extrem. Ich glaube, dass das in unseren Genen steckt: Dieses „Wir haben keine Lust, als die dazustehen, die Fehler gemacht haben.“ Wir leben in einer Stadt, in der alle die Guten sind, und irgendwie gibt es keine Bösen.
Deshalb ist eine der ersten Reaktionen, wenn jemand sagt: „Du musst etwas ändern“, dass man sich umschaut und sagt: „Mal schauen, wer sich ändern muss.“
Ein letzter Punkt: Auch das ist eine Gefahr, wenn man hört: „So bin ich nichts.“ Das ist ein vernichtendes Urteil, das so weit nach unten zieht, dass es Lebenssituationen gibt, in denen man einfach sagt: „Entschuldigung, ich bin schon so weit unten, ich brauche jetzt nicht noch etwas, das mich weiter runterzieht.“ Dann liest man nicht weiter, weil einem das zu negativ, zu belastend ist.
Vier Punkte also: Erstens, wir können mit dem Begriff „Liebe“ gesellschaftlich wenig anfangen. Zweitens, es mangelt an Gottesfurcht. Drittens, wir stehen in der Gefahr, hochmütig und stolz zu sein. Und viertens sagen wir vielleicht: „Danke, ich bin so weit unten, ich mag jetzt nicht noch ein Päckchen drauflegen, ich mag einfach nicht.“
Das sind vier Gefahren, die ich sehe, warum das „So bin ich nichts“ aus 1. Korinther 13 schnell überhört wird.
Die Säulen der Gemeinde
Und trotzdem möchte ich noch ein bisschen auf Ephesus eingehen. Wenn Ephesus uns eine Sache mitgibt – und ich brauche jetzt mal zwei Personen –, dann nehme ich mir Bernd und Markus. Ihr beide, hinten in der letzten Reihe, kommt mal nach vorn und stellt euch bitte nebeneinander.
Also, wenn uns Ephesus eine Sache mitgeben kann, dann ist es diese: Ihr müsst euch jetzt hier vorne nebeneinander hinstellen. Ich habe die beiden nach vorne geholt, weil ich dachte, sie sind ungefähr gleich groß. Oh, stimmt ja, ein bisschen nicht. Du kannst ein bisschen in die Knie gehen.
Jede Gemeinde braucht mindestens zwei Säulen, auf denen sie steht. Ich sage mal: mindestens zwei. Die eine ist gute Lehre, die andere gute Liebe. Und die Gefahr ist: Wenn eine dieser Säulen wegfällt, funktioniert das nicht mehr richtig.
Wenn zum Beispiel unser Freund, die Lehre, wegfällt, dann kannst du nichts Vernünftiges darauf aufbauen. Es sind Säulen. Klar, es funktioniert eine Weile, aber es ist eine Schieflage. Danke, jetzt bist du da. Wenn unser Freund Liebe wegfällt, ist dieselbe Schieflage da.
Du kannst auf so einem Fundament einfach nichts aufbauen, das ist schräg. Du fängst irgendwo an zu bauen, und für eine Weile hält das schon. Aber irgendwann stellst du fest – danke, ihr beiden da – irgendwann stellst du fest: Ich baue meinen Turm, meinen Turm, und irgendwann ploppt er um.
Ich glaube, wir sind gerade an so einem Punkt. Wir stellen fest, dass wir ein Fundament haben, das wirklich stark ist. Ich stelle mich hier vorne hin und sage: Wir haben als Gemeinde kein Lehrproblem. Wir haben gute Lehre.
Geh auf www.kassettothek.de, und du kannst für den Rest deines Lebens Predigten hören. Wirklich, da sind über tausend Stück drin. Fang heute an, und du bist in vier Jahren wahrscheinlich noch nicht durch, wenn du jeden Tag eine hörst. Es sind gute Predigten, zum Teil handverlesen. Du kannst dein Leben darauf aufbauen.
Wenn du irgendwann mal irgendwo lebst, wo es keinen Christen gibt, dann logg dich bei www.kassettothek.de ein. Und wenn du dann noch weitermachen willst, dann machst du spandau.kassettothek.de oder impact.kassettothek.de usw. Ja, wir sind an dieser Stelle so reich gesegnet.
Aber bei dieser Liebesecke, da wo Bernd stand, wenn ich mir diese Säule anschaue, dann stelle ich fest: Wir können das Richtige sagen, biblisch argumentieren, die Dinge bringen, die die Bibel sagt. Trotzdem schaffen wir es, dass gute Lehre nicht als gesunde Lehre wahrgenommen wird, nicht als etwas, das beim anderen ankommt und in ihm Gesundheit bewirkt.
Denn dazu ist gute Lehre ja eigentlich da. Ich kann das Richtige sagen, aber es wird irgendwie nicht angenommen, weil beim Gegenüber etwas fehlt – der Bauch spielt nicht mit.
Die Bedeutung von Liebe im Miteinander
Ich kenne das aus meiner eigenen Ehe. Meine Frau hat ihre Macken – sie ist ganz liebevoll, aber sie hat eben ihre Macken, so wie jede Frau ihre Macken hat. Ich wollte ihr natürlich helfen. Ich bin ja ein lieber Ehemann, also analysiere ich meine Frau, stelle fest, was in ihrem Leben nicht stimmt, und dann sage ich ihr das.
Weil sie nicht gleich hören wollte, habe ich es ihr ein bisschen deutlicher gesagt. Und weil das dazu führte, dass sie sich dann verschloss, habe ich es ihr noch deutlicher gesagt. Irgendwann wurde daraus ein handfester Streit. Ich dachte mir: Eigentlich habe ich doch alles richtig gemacht. Ich habe das Richtige gesagt, der richtigen Person. Aber ich war ganz verwundert, dass sie das nicht annehmen wollte.
Inzwischen weiß ich, dass Streit in der Ehe Ausdruck für einen Mangel an Liebe ist. Das weiß ich schon eine Weile, aber richtig geglaubt habe ich das erst vor ein paar Jahren. Dann habe ich irgendwann entschieden – ich bin ja Naturwissenschaftler – ich höre jetzt mal auf zu streiten. Ich schaue mal, was passiert, wenn ich einfach nicht streite, wenn ich es einfach laufen lasse.
Und siehe da: In dieser Atmosphäre der Sicherheit, in der meine Frau wusste, dass sie Fehler machen darf, ohne dass ihr Mann kritisch analysierend und mit dem Finger in der Wunde bohrend verbale Tiefschläge verteilt, haben wir innerhalb von einem halben Jahr Veränderungen erlebt – auch bei ihr. Da dachte ich: Wow! Plötzlich, ohne dass ich etwas anderes gesagt habe, waren es immer noch die gleichen Themen, die gleichen Worte, die gleiche Analyse, aber auf einmal kamen sie auf einem anderen Weg bei ihr an.
Das hat mich total fasziniert. Ich dachte mir, so ähnlich stelle ich mir das auch in der Gemeinde vor. Und ich denke, deswegen stehe ich hier vorne. Wir haben an dieser Stelle ein Problem: Wir wissen, was richtig ist, formal gesehen, aber wir wissen nicht genau, wie wir es so rüberbringen, dass es im Bauch des anderen ankommt – nicht nur im Kopf. Dass der andere merkt: Ich habe dich wirklich lieb.
Wenn ich das so sage, haben wir ein Problem. Eine Sache vorneweg: Ich verwende ein generalisierendes „wir“. Wenn du sagst, ich bin die große Ausnahme, geschenkt! Lass die Steine liegen. Ich werde trotzdem „wir“ sagen, weil ich glaube, dass es uns alle betrifft. Und wenn du ein bisschen weniger Problem hast, ist das super für dich.
Je länger ich über dieses Thema nachdenke, desto mehr merke ich, dass mein Problem größer ist, als ich vorher dachte – und nicht kleiner. Wenn mich jemand fragt: „Hast du eine vernünftige Antwort, Jürgen, auf die Frage, wie sich deine Liebesfähigkeit im letzten Jahr entwickelt hat?“ – das wäre doch ein Thema. Jesus sagt, das höchste Gebot ist die Liebe (vgl. Matthäus 22,37-40). Wenn man sich um eine Sache Gedanken macht, dann wäre das doch ein Thema: Bin ich irgendwie lieber geworden? Wo bin ich lieber geworden? Wo habe ich etwas ausprobiert? Wo habe ich Erfahrungen gesammelt mit Liebe lernen?
Im letzten Jahr, einfach so, in den letzten zwölf Monaten: Wo warst du da so dran? Wenn jemand sagt, ich interessiere mich für ein Thema, dann wäre es doch normal, dass jeder sagt: Ja, ich habe das probiert und das probiert und darüber nachgedacht. Da hat meine Frau erlebt: Da bin ich ein bisschen netter geworden. Und meine Kinder haben erlebt: Da bin ich auch einen Schritt vorwärts gekommen. Noch nicht so weit, wie ich will, aber ich bin wirklich dran.
Stellt euch das mal vor! Ich behaupte einfach, dass wir auf diese Frage keine sinnvolle Antwort geben können, weil Liebe nicht so weit in unserem Fokus ist, dass wir uns darum drehen. Stattdessen sind andere Fragen auf unserem Schirm, die wir sehen.
Die Aufforderung zur Umkehr
Und da spricht jetzt der Herr Jesus in die Situation von Ephesus, die genau dieses Problem hat: Die Liebe ist verloren gegangen, diese erste Liebe haben sie verlassen. Da sagt er: Denke nun daran, wovon du gefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke.
Er sagt, wenn einer Gemeinde das passiert, gibt es eine dreiteilige Medizin: Erstens sich zurückerinnern – das hatten wir letztes Mal –, zweitens Buße tun. Frage: Was ist Buße? Umkehr, genau. Ja, du bist falsch unterwegs. Ja, du fährst und fährst und fährst. Vielleicht baust du auch deinen Gemeindeturm auf ein schiefes Fundament. Du baust und baust und baust, und irgendwann stellst du fest, das Ding kippt.
Ja, das ist klar, schräg. Was willst du machen? Haha, super, weiterbauen? Nein, natürlich kannst du weiterbauen, dann machst du einen etwas größeren Rums. Aber darum geht es nicht. Wenn du merkst, ich baue da schräg, dann muss ich irgendwie in die andere Richtung. Ich kann nicht einfach sagen, ich baue oben noch eins drauf.
Das ist das, was mich ein Stückchen zurückhält, zu sagen: Go for die nächste Brüderrüste. Das wäre oben noch eins draufgesetzt, wo ich sage: Nein, ich möchte das jetzt nicht. Stattdessen denke ich, wir müssen unten am Fundament mal schauen.
Es gibt diese, ich weiß nicht, ob es jemand gesehen hat, bei Baumaßnahmen, wenn man ganze Häuser anhebt, so Stempel, die man hochdrückt. Ich habe den Eindruck, wir brauchen so einen Stempel unter unserem Fundament, der die eine Seite wieder ein bisschen gerade rückt. Einfach.
Und da müssen wir hin. Da möchte ich gerne ran, an diesen Stempel, der die Liebessäule hochdrückt und unser ganzes Fundament wieder gerade setzt.
Buße ist genau dieser Prozess. Es ist mehr als Traurigkeit: „Ach ja, jetzt geht es uns als Gemeinde aber nicht gut, man, wir waren früher mal mehr, und das ist irgendwie schade.“ Das ist auch nett, aber das ist nicht das, was Buße ist.
Buße hat etwas mit einer radikalen Veränderung in meinem Inneren zu tun, mit einer kompletten Änderung meines Denkens, meines Verhaltens und meiner Gefühle. Ich muss mich zur Buße entscheiden. Buße ist nicht das, was immer die anderen tun müssen.
Das ist auch meine Botschaft von heute: Wenn wir Buße tun, musst du Buße tun. Du musst zumindest anfangen, darüber nachzudenken, an welcher Stelle ich Teil dieses Stempels bin, wo ich das Fundament mit hochdrücken kann, wo etwas ist, wo ich mich einbringen kann.
Wo bin ich Teil des Problems und kann jetzt durch Buße Teil der Lösung werden? Wo kann ich Beziehungen bauen, die ein Stückchen eingeschrumpelt sind, wie so ein alter Apfel, der irgendwo am Dachboden vergessen wurde und nun verrottet?
Wo bin ich da? Das ist Buße. Nicht dieses: „Sollen doch die anderen mal machen, und dann schaue ich als Beobachter zu.“ Wie: „Wie sieht es denn aus, ist die Buße schon schön gegart?“ So wie in einem Kochtopf.
Nein, ich bin Teil des Kochtopfs. Ich muss mitgegart werden. Ich muss weich werden, mein Herz muss weich werden und bereit sein, mich neu auf etwas einzulassen.
Das ist Buße, wirklich Umkehr. Zu sagen: Ich habe ein Problem. Ich bin da in irgendwas reingerutscht, vielleicht wollte ich das gar nicht, und da ist etwas verloren gegangen. Es tut mir irgendwie leid, wie es jetzt läuft.
In Apostelgeschichte 26,20 wird von der Buße würdigen Werken gesprochen. Da, wo man umkehrt und sagt: Ja, ich möchte mich wirklich ändern. Ich will mich darauf einlassen. Das muss mit dazukommen.
Praktische Umkehr in der Gemeinde
Wie kann eine Gemeinde Buße tun?
Erstens, sie muss akzeptieren, dass sie ein Problem hat. Das ist wie in jeder Seelsorge: Wenn jemand vor mir sitzt und sagt, er habe gar kein Problem, obwohl die Ehefrau sich scheiden lassen möchte und der Mann behauptet, alles sei in Ordnung – kann man da helfen? Erstens müssen wir anerkennen, dass ein Problem existiert.
Zweitens, 1. Korinther 11,31-32 ist ein Vers, der mir in der Vorbereitung wichtig geworden ist. Er beschreibt, was Gott tut, wenn in einer Gemeinde Spaltung herrscht. Spaltung – wie tief ist sie denn? Im 1. Korintherbrief Kapitel 11 kamen einige zum Brotbrechen, hatten vorher gegessen und etwas mehr. Sie waren einfach reich. Andere kamen später, mussten länger arbeiten, waren Sklaven. Als sie ankamen, hatten die Reichen ihr Essen schon aufgegessen.
Man denkt sich vielleicht: Was für ein Problem, mach doch keinen Stress! Aber Gott sagt: Weil ihr Reichen nicht auf die Armen warten könnt, werde ich die Gemeinde richten. Das ist ein Mangel an Liebe. Habt ihr das schon mal durchdacht? Nicht dieses Bild von zwei Lagern in der Gemeinde, die unversöhnlich gegeneinander stehen, sich böse Briefe schreiben und durch die Sitzordnung einen Spalt in der Mitte zeigen, sondern die einen essen, während die anderen später kommen und nur mit knurrendem Magen dastehen.
Die Reichen können natürlich sagen: Das ist doch mein Essen, ich kann damit machen, was ich will. Stimmt, das ist dein Essen, klar, du kannst damit machen, was du willst. Aber Gott sieht die Haltung dahinter. Er sagt: Wenn du Brot durch die Reihen gehen lässt, ein Brot nimmst und damit zum Ausdruck bringst, dass wir ein Leib sind, aber vorher durch dein Leben zeigst, dass wir ich und die anderen sind – oder wir sind oben und unten, reich und arm, Habende und Nicht-Habende, Faulenzer und Frühkommer, Langarbeiter und Spätkommer – dann versteht Gott das. Wenn so etwas nur als Denken in der Gemeinde existiert, dann sagt Gott: Dann werde ich die Gemeinde richten.
Diesen Mangel an Liebe, der für uns unwichtig erscheint, für den Gott aber sagt: An dieser Stelle werde ich eingreifen. Und in 1. Korinther 11 heißt es sogar, dass einige krank sind, viele schwach und ein Gutteil entschlafen. Das liest man und denkt sich: Ja, das kenne ich, dass Leute schwach und krank sind. Todesfälle haben wir zum Glück noch nicht so viele, aber Schwäche und Krankheit sind da.
Vers 31 sagt: Wenn wir uns aber selbst beurteilen, so würden wir nicht gerichtet. Das ist die Chance, die Gott uns gibt: Denk nach, beurteile dich selbst! Und Vers 32: Wenn wir aber vom Herrn gerichtet werden, so werden wir gezüchtigt, damit wir nicht mit der Welt verurteilt werden. Wir müssen uns beurteilen – und zwar als sündig. Ich weiß, dass das weh tut, dass man das nicht gerne macht. Es ist emotional kein Vergnügen, in sich hineinzuschauen und festzustellen: Mann, ich bin wirklich ganz schön daneben. Das macht keinen Spaß, aber es ist wichtig, damit Gott uns weiterführen kann.
Dann kommt das, was eigentlich praktische Umkehr ist. Ich möchte euch noch einen Vers aus 2. Korinther 7 vorlesen. Die Korinther hatten ein Problem mit Paulus und taten Buße vom ersten zum zweiten Korintherbrief hin. Dazwischen liegt eine Zeit der Umkehr, die Paulus in 2. Korinther 7 ab Vers 8 beschreibt:
Denn wenn ich euch auch durch den Brief betrübt habe – Paulus hatte da einen ziemlich deutlichen Brief geschrieben und gesagt: So nicht, bitte! – so bereue ich das nicht. Wenn es mich auch gereut hat, so sehe ich, dass jener Brief, wenn er euch auch für kurze Zeit betrübt hat, doch Segen gewirkt hat. Jetzt freue ich mich nicht, dass ihr betrübt worden seid, sondern dass ihr zur Buße betrübt worden seid, denn ihr seid nach Gottes Sinn betrübt worden.
Dann schreibt Paulus auf, worin diese Umkehr deutlich wird: Ihr seid betrübt worden, und wie viel Bemühen hat es bei euch bewirkt! Buße – das ist nicht ein „Na ja, schauen wir mal, was die anderen machen.“ Da strengen sich Leute an und sagen: Ich will das noch mal schaffen. Es gibt sogar Verteidigung, Unwillen, Furcht, Sehnsucht, Eifer, Bestrafung – das sind Begriffe, die zeigen, dass etwas passiert ist. Das ist nicht oberflächlich geblieben.
Da haben Leute angefangen zu weinen, waren enttäuscht über sich selbst, haben Dinge neu gemacht. Vielleicht gab es sogar ein Stück Verzweiflung, Bestürzung, Abscheu – das war da. Zu sagen: Wie konnte es in meinem Leben so weit kommen, dass ich das so gemacht habe? Das ist Umkehr, das ist praktische Umkehr.
Das ist der dritte Teil der Medizin, die Jesus uns vorgibt: Tut die ersten Werke. Ich habe ja letztes Mal schon gesagt, dass ich glaube, dass dieser Teil der Medizin auf uns nicht eins zu eins zutrifft. Ich wurde durch Matzes Gebet letzte Woche nochmal bestärkt. Weißt du noch, was du gebetet hast? Sag es nochmal.
Zum einen bekamen wir den Eindruck, dass wir schon Liebe haben, aber es gibt ein Problem damit, sie auszuleben. Genau. Dieses Liebesding, das ganze Liebespaket – irgendwie kriegen wir das im Kopf hin, ja, im Sinne von Jürgen: Ich weiß alles über Liebe, ich kann 1. Korinther 13,4-7 auswendig. Ich auch. Aber das ist nicht das, was wir wirklich haben. Wir haben es hier – und das jetzt nur bildhaft – aber hier, und in der Fähigkeit, es rauszulassen, da ist irgendwo ein Mangel.
Ich glaube, dass 1. Korinther 13 tatsächlich die Folgen von Liebe beschreibt: Die Liebe ist langmütig, gütig usw. Hört euch das an unter impact.kassettothek.de. Wir gehen gerade mit der Jugend durch diese Stellen, falls euch das interessiert. Aber es sind nur die Folgen.
Ich glaube, dass Liebe zuerst Bauch und nicht Kopf ist. Ja, es gibt eine Kopfliebe, die grenzt manchmal an Dinge wie Verwaltung, Berechnung, Scheinheiligkeit oder Heuchelei. Das ist eine große Gefahr. Manchmal brauchen wir diese Liebe, wenn wir unsere Feinde lieben sollen. Da ist nicht immer so viel Bauch dabei, das muss mal über den Kopf gehen.
Auch manche Jugendstunde geht manchmal über den Kopf, weil man sagt: Na ja, eigentlich habe ich jetzt gar keine so große Lust mehr. Der barmherzige Samariter ist ja nicht durch die Gegend gezogen und hat gesagt: Da liegt irgendwo ein toter Jude im Strauch. Der kam vorbei, sah ihn und dachte bestimmt: Super, ich wollte eigentlich auch nach Hause. Er kümmert sich drum. Manchmal braucht man diesen Kopfanteil von Liebe.
Aber im Miteinander funktioniert Liebe nicht, wenn sie immer nur auf der rationalen Ebene gelebt wird. Wenn die Begeisterung, wenn die Bewunderung für das, was Gott im Anderen ist und mit dem Anderen macht, fehlt. Wenn der Andere als Ebenbild Gottes mich nicht mehr zur Bewunderung treibt, wenn ich mich nicht mehr von ganzem Herzen an dem freuen kann, was Gott im Anderen schafft, was Gott ihm geschenkt hat.
Liebe muss mehr sein als ein Formalakt, wie wenn ich die Einkommensteuererklärung ausfülle und jedes Jahr überlege, wo ich mein Kreuzchen machen muss. Liebe hat eine andere Ebene.
Die Liebe als Abenteuerreise
Ich habe versucht, das mit einer Abenteuerreise zu illustrieren, und bin gleich fertig. Ich bin gerade von Neuseeland fasziniert. Man könnte sagen: Klar, Jürgen ist ja sowieso ein begeisterter Typ, den gibt es im Buch, und dann hebt er ab. Ja, irgendwie schon. Trotzdem bin ich überrascht.
Ich bin so begeistert von diesem Land, dass ich, wenn das Work-and-Travel-Visum nicht nur bis dreißig Jahre alt wäre, jetzt planen würde, in drei, vier Jahren für ein Jahr wegzugehen und einfach herumzureisen. Ich finde dieses Land wunderschön.
Das Spannende dabei ist: Diese Begeisterung ist nicht dadurch entstanden, dass ich mir das Geo-Spezial über Neuseeland angeschaut habe. Das habe ich mir vorher angeschaut. Ja, logisch, dass ich mir eine Landkarte gekauft und angesehen habe – „Boah, zwei Inseln!“ – das habe ich gemacht. Ich habe mich im Internet durch Bilder geklickt und schon mal Bildschirmhintergründe heruntergeladen. Ein Jahr, bevor ich nach Neuseeland gefahren bin, flackerten Neuseeland-Bilder über meinen Bildschirm. Das war aber nicht Begeisterung.
Begeisterung war, dass ich hingefahren bin und es vor Ort erlebt habe. Und das ist ein Unterschied.
Ich stelle mir die Frage: Wie kann ich Liebe wecken? Wie kann ich in dieser Gemeinde Liebe wecken, wenn ihr schon so viel über Liebe gehört habt? Wohin könnte ich mit einer Predigtreihe reisen, um Liebe, Bauchliebe, aufzuwecken? Diese Frage habe ich mir am Donnerstag gestellt und dann entschieden, dass ich „Love or Die“ ein bisschen ändern werde.
Dem liegt ja ein Buch zugrunde, das ich euch gezeigt habe. Ich werde davon abweichen und mit euch eine Abenteuerreise antreten. Wenn du mich fragst, Jürgen, welches Buch der Bibel Liebe weckt, dann ist es das Buch, in dem dreimal steht, dass man sie nicht aufwecken soll – jedenfalls nicht vor der Zeit.
Ich möchte mit euch etwas wagen. Wir haben noch vier Termine zu dieser Predigtreihe, und ich möchte mit euch einen Sprung wagen in das poetischste, romantischste, leidenschaftlichste und vielleicht schönste Buch der Bibel. Dort erklärt König Salomo seiner Königin des Herzens, Sulamit, in poetischen Worten, die alles andere in der Bibel in den Schatten stellen, wie tief, leidenschaftlich, intim und romantisch er sie liebt.
Ich möchte mit euch das Hohelied studieren, ab dem nächsten Mal. Aber nicht auf der Ebene: „Aha, jetzt sollen wir also lernen, wie wir als Mann und Frau miteinander umgehen.“ Nein, diesen Teil lassen wir ein Stück weit außen vor. Wenn ihr das hören wollt, läuft gerade eine Predigtreihe in Spandau zu dem Thema Mann, Frau und das Hohelied insgesamt.
Ich möchte eines machen: Ich möchte mit euch eine Abenteuerreise wagen hinein ins Herz des Hohelieds. Dort wird uns am Beispiel von Mann und Frau bauchmäßig vor Augen geführt, was es heißt, eine leidenschaftliche Liebesbeziehung zu führen.
Aus diesem Buch möchte ich dann die Prinzipien ableiten, was es eigentlich heißt, im Miteinander leidenschaftlich Beziehung zu leben. Was bedeutet Liebe untereinander? Ich gehe dabei nicht auf die Ehefrage ein. Alle Singles dürfen gerne beim nächsten Mal kommen. Ich bleibe da nicht stecken, sondern nehme die beiden nur als Beispiel für den Inbegriff echter gelebter Liebe.
Ich sage: Die Prinzipien, die sich zwischen Salomo und Sulamit bewähren, würde ich gerne auf die Ebene der Gemeinde übertragen.
Ich wünsche mir, dass dieses poetische Element des Hohelieds nicht so sehr euren Kopf anspricht, weil ihr schon genug wisst. Ich wünsche mir, dass euer Bauch angesprochen wird und wir gemeinsam ein neues Jahr finden, um der Liebe unter uns eine Chance zu geben.
Ich wünsche mir, dass wir ein Stück verzaubert werden – verzaubert von dem, was Gott sich beim Thema Liebe gedacht hat. Und ich wünsche mir, dass in unseren Bäuchen eine Revolution stattfindet, die uns neu zueinander führt.
Dazu mehr in zwei Wochen.