Herzlichen Glückwunsch, dass Sie sich jetzt in den Römerbrief hineinführen lassen – nicht durch mich, sondern durch den lebendigen Jesus, der uns die Schrift öffnen will.
Immer wenn neues Leben in der Christenheit entstanden ist, und es sich nicht nur um Schaumschlägerei, ein bisschen Emotion, Gefühl oder Religiosität handelte, sondern wirklich zum Festhalten an Jesus Christus geführt hat, hat Jesus die Schrift der Apostel und Propheten benutzt.
In ganz besonderer Weise hat er dabei den Römerbrief verwendet.
Die Bedeutung des Römerbriefs für die Entstehung des Christentums
Als das Christentum in der Mittelmeerwelt entstanden war, werden wir durch den Römerbrief in diese Entstehung des christlichen Glaubens eingeführt. Noch bemerkenswerter ist, dass diese gesamte Mittelmeerwelt, nur hundert Jahre nachdem Jesus in Palästina gewirkt hatte, an wichtigen Stützpunkten in Nordafrika, Italien, Spanien, Illyrien, Mazedonien und Kleinasien besetzt war. Von diesen Standorten des christlichen Glaubens aus wurde die Mittelmeerwelt innerhalb von zwei Generationen durch Jesus erobert.
Doch es gab auch bald Verwirrung. Wo der Herr Jesus wirkt, ist auch der Teufel aktiv, der Fürst dieser Welt. Er nutzt oft geistliche Aufbrüche aus. So wie Jesus sagt: Wenn der Same ausgesät wird, kommt der Satan und reißt das Wort weg. Plötzlich bleibt nur noch Begeisterung, Emotion und Gefühl übrig, das Wort aber ist verloren.
Im vierten Jahrhundert war das in Nordafrika der Fall, in Hippo Regius, wo der Bischof Augustinus lebte. Bevor er Bischof wurde, führte er ein Leben als Lebemann. Seine Mutter Monika sorgte sich um ihn und betete für ihn, damit er aus seinem oberflächlichen Leben herausfindet.
Die Bekehrung des Augustinus durch den Römerbrief
Eines Tages, als er als römischer Rhetor ausgebildet war und als Redner tätig, ging er auf und ab, gekleidet in eine Toga. Plötzlich hörte er eine Kinderstimme sagen: „Nimm, lies!“ Er fragte: „Was soll ich lesen?“
Er ging in ein Gartenhäuschen, wo eine Bibel aufgeschlagen lag. Er las Römer 13: „Lasst uns ehrbar wandeln als am Tag, nicht in Unzucht und Saufen, sondern zieht an den Herrn Jesus Christus.“ Das traf ihn tief, und er wurde ein anderer Mensch.
Der Herr Jesus hat den Römerbrief benutzt, um ihn in entscheidenden Auseinandersetzungen zu stärken. So konnte er wesentliche Grundlinien des christlichen Glaubens gegen alle Verwirrung verteidigen. Zum Beispiel gibt es die Ansicht, dass es als Christ hauptsächlich darauf ankommt, Gutes zu tun, die Welt zu verändern und eine gute Gesinnung zu haben.
Augustinus sagte dazu: Es kommt alles darauf an, dass ihr dem lebendigen Jesus etwas zutraut. Wir sind doch nur armselige Leute – was können wir schon vollbringen?
Dieser Kampf mit dem Pelagianismus, der die Überzeugung vertritt, wir könnten durch eigene Leistung viel erreichen, ist auch heute noch aktuell. Im Jahr 2004 gibt es in der gesamten Christenheit weltweit diese Verirrung, dass wir glauben, wir könnten die Welt verändern – zu einer Welt der Gerechtigkeit, des Friedens und der Bewahrung der Schöpfung – wenn wir uns nur ein wenig zusammenreißen. Dabei wird vergessen, dass Jesus das Entscheidende tun will.
Augustinus hat durch den Römerbrief entscheidendes gelernt. Ähnlich könnte man von Martin Luther sagen: Die Reformation begann damit, dass der lebendige Jesus Martin Luther Römer 1,17 zugeteilt hat. Plötzlich hatte Luther eine Erkenntnis, ein Aha-Erlebnis.
Überall dort, wo neues Leben in der Christenheit gewachsen ist, hat Jesus den Römerbrief benutzt. Ich werde immer wieder davon erzählen. Sie sind privilegiert, dass Sie jetzt in diesen drei Wochen etwas vertrauter werden können mit dem, was Jesus Ihnen durch den Römerbrief sagt.
Einführung in den Römerbrief und seine Struktur
Wir schlagen Römer 1 auf. Die Schwierigkeit besteht darin, dass wir sehr verschiedene Bibelausgaben haben. Trotzdem können wir uns einigen.
Es ist schön, dass es verschiedene Übersetzungen gibt, aber es ist auch etwas verwirrend. Man könnte ganze Hauskreisabende damit füllen, zu vergleichen, was in der Elberfelder Bibel zu einem Vers steht und was in der Guten Nachricht. Dabei wird oft nicht gefragt: Was will denn Jesus uns durch die verschiedenen Übersetzungen und Übertragungen sagen?
Wir schlagen den Brief an die Römer, Kapitel 1, auf. Paulus hat seinen Brief natürlich nicht mit „Kapitel 1, Vers 1“ begonnen. Die Kapiteleinteilungen der Bibel wurden erst um das Jahr 1200 von einem sehr klugen Abt eingeführt. Er sagte, wenn wir im Briefverkehr zwischen den Klöstern sind und uns einigen wollen, dann müssen wir immer sagen, dass an einer bestimmten Stelle im Römerbrief, etwa in der Mitte, aber ein bisschen vor der Mitte, ein neuer Satz beginnt. Deshalb hat er beschlossen, das Ganze in überschaubare Teile zu gliedern.
Manchmal sind diese Einteilungen ziemlich willkürlich. Besonders deutlich wird das etwa bei Jesaja 52, 53. Dort gehört eine Einheit ganz zusammen, doch man hat fast mit dem Beil gesagt: „Jetzt ist genug, jetzt beginnt Jesaja 53.“ Diese Einteilung dient nur der besseren Verständigung, damit wir schneller die einzelnen Abschnitte finden. Später wurden die Abschnitte noch weiter in einzelne Verse unterteilt. Auch die Verse wurden erst später eingeführt.
Paulus hat seinen Brief natürlich am Stück diktiert oder geschrieben. Was meinen Sie? Wer weiß, ob er diktiert hat oder selbst schrieb? Im Galaterbrief schreibt Paulus: „Durch Epaphras, meinen lieben Diener, nun kommt der Gruß mit meiner eigenen Hand, mit diesen großen Buchstaben schreibe ich.“ Das zeigt, dass er diktiert hat.
Viele seiner Briefe sind im Gefängnis entstanden. Wahrscheinlich ist Paulus in der Zelle auf und abgelaufen. Die griechischen und römischen Philosophen haben ihre Gedanken oft im Gehen entwickelt. Sie waren Peripathetiker, das heißt Herumwandler. Im Gehen haben sie ihre Gedanken ausgearbeitet – ähnlich wie früher ein Chef, der seinem Sekretär diktierte, aber nicht selbst die Gedanken entwickelte.
Also fangen wir an mit Paulus. Das reicht uns erst einmal für die nächste halbe Stunde. Keine Sorge, wir werden schon durch den Römerbrief kommen. Aber warum schreibt Paulus hier eigentlich?
Paulus: Herkunft und Namensbedeutung
Für sich selbst hat er doch ganz anders geheißen. Er stammte aus dem Stamm Benjamin und trug den Namen des großen Königs aus diesem Stamm, Saul, der aus dem kleinsten Stamm erwählt war. Es gibt sogar ein Sprichwort: „Wie aus einem Saulus ein Paulus wird.“
Paulus hat diesen Namen wahrscheinlich schon seit seiner Jugend getragen. Damals hatte man im Mittelmeerraum als Jude, der Paulus hieß, einen hebräischen Namen, Shaul (Saul), und zusätzlich einen griechischen Namen. Wahrscheinlich war Paulus sogar ein Spitzname. Paulus bedeutet „der Kleine“ oder „der Stippich“.
Seine Körpergröße lag vermutlich bei etwa 1,60 bis 1,62 Metern. Aus dem 2. Korintherbrief wissen wir, dass seine Gestalt unansehnlich war. Er war kein großer Mann von etwa 1,90 Meter, kein Billy Graham, bei dem man hochschauen musste. Paulus, der Kleine.
In großer Demut benutzt Paulus diesen Namen, der vielleicht sogar ein Spitzname war. Er sagt von sich: „Ich bin der geringste unter allen Aposteln.“ Mit einem Wort der Demut beginnt der Römerbrief.
Dazu heißt es: „Ein Knecht des Christus Jesus.“ Ich vermeide hier die komplizierten Genitive und Dative wie „Christo“ und den Akkusativ „Christum“, weil man sonst nicht weiß, ob man am Ende „Christa“ oder „Christum“ sagen muss. Es steht hier: ein Knecht des Christus Jesus.
Auch das ist wieder eine Bezeichnung großer Demut, ein Sklave. Psalm 123, Vers 2 ist eine wichtige Stelle für das Verständnis von „Knecht“: „Wie Knechte schauen auf die Hände ihres Herrn, so schaue ich auf zum Herrn.“ So will Paulus abhängig sein von seinem Herrn Jesus Christus – ein Knecht des Jesus Christus.
Die Berufung und das Amt des Paulus
Wie geht er das an? Was will er erreicht haben? Sie erinnern sich vielleicht daran, als Saulus vor Damaskus von Jesus gestellt und berufen wurde. Der Auferstandene sagte zu ihm: Es wird dir schwerfallen, gegen den Stachel auszuschlagen, gegen den Widerstand zu kämpfen.
Jesus erklärte: Ich bin hinter dir her, wie ein Treiber, der seinem Tier den Leitstab hinter das Ohr setzt. Wenn du ausschlägst, verletzt du dich selbst. Ich möchte dich führen. So ließ sich Paulus sein Leben lang vom lebendigen Jesus führen – einem Knecht, Jesus Christus.
Gleichzeitig war die Bezeichnung „Knecht“ auch ein Ehrentitel. Wenn Sie zum Beispiel am Ende des fünften Buches Mose lesen, im fünften Mose 34, wird vom Sterben Moses berichtet. Dort heißt es, dass Mose der Knecht Gottes war.
Dieser Titel war mehr als nur der eines Erlösers, mehr als der eines Propheten oder Wundertäters – er war ein Knecht Gottes (5. Mose 34,5). Wenn Sie die Stelle nachlesen möchten, finden Sie sie dort.
Auch in Psalm 123, Vers 2, wird das Wort „Knecht“ verwendet. Ich habe diese Stellen in meiner Bibel mit Bleistift markiert, um die Doppelheit des Begriffes „Knecht“ zu verdeutlichen. So hat sich Paulus selbst verstanden.
Biographische Informationen über Paulus
Aber jetzt für uns in diesem Bibelkurs über Paulus: Wo wissen wir etwas über ihn? Woher können wir Informationen über ihn erhalten? Was sind die wichtigsten Stellen, die uns über Paulus informieren?
Paulus wurde berufen, und das geschah in Damaskus, wie wir in Apostelgeschichte 9 erfahren. Am anschaulichsten wird dies vielleicht in Apostelgeschichte 26 dargestellt. Aber wenn Sie in Apostelgeschichte nachschlagen, finden Sie die Geschichte noch früher, nämlich in Apostelgeschichte 22. Ich bitte Sie, das einmal aufzuschlagen.
In Apostelgeschichte 22 erzählt Paulus bei seiner Verhaftung in Jerusalem seine gesamte Lebensgeschichte in Kürze:
„Ihr Männer, liebe Brüder und Väter, hört mir zu, wenn ich mich jetzt vor euch verantworten werde.“ Als sie hörten, dass er auf Hebräisch zu ihnen sprach, wurden sie noch stiller. Paulus sagt: „Ich bin ein jüdischer Mann, geboren in Tarsus in Zilizien.“ Tarsus ist eine Hafenstadt an der klinischen Pforte, die ins Hochland der Türkei führt. Dort wurde Paulus geboren, aber er ist in Jerusalem aufgewachsen. Er betont sofort, dass er mit aller Sorgfalt unterwiesen wurde im väterlichen Gesetz zu Füßen Gamaliels.
Gamaliel war ein sehr großer jüdischer Rabbi. Paulus besuchte die beste jüdische Hochschule, die es gab, und hatte den besten Lehrer. Er kannte das Gesetz Gottes, also das Alte Testament, sehr genau. Ein richtiger Jude konnte das Alte Testament so gut auswendig, dass er es sogar rückwärts aufsagen konnte. Das gehörte dazu.
Paulus wurde schon als Zwölfjähriger im Gesetz unterwiesen. Wenn die Juden ihre Art der Konfirmation haben, müssen sie große Teile des hebräischen Alten Testaments auswendig können. Paulus lernte mit großem Fleiß bei Gamaliel.
Deshalb sind die Briefe des Apostels Paulus mehr, als wir oft ahnen. Sie sind durchsetzt mit Assoziationen und Hinweisen auf die alttestamentlichen Schriften. In der Zeit, in der er lebte, ist ihm das sozusagen zugeflogen. Wenn Paulus vom Knecht Gottes sprach, dachte er auch zugleich an Jesaja 53 und Jesaja 40: „Du bist mein Knecht, mein Auserwählter, an dem ich Wohlgefallen habe.“
Man muss immer so hören, als wenn mehrere Saiten mitschwingen. Je mehr Sie als Christen sich ins Alte Testament vertiefen, desto mehr werden Sie merken, dass Paulus auch das meinte.
Paulus sagt weiter: „Ich war unterwiesen im väterlichen Gesetz zu Füßen Gamaliels. Ich war ein Eiferer für Gott, wie ihr es heute alle seid. Ich habe die neue Lehre verfolgt bis auf den Tod. Ich habe Männer und Frauen verfolgt und in Gefängnisse geworfen, wie mir auch der Hohepriester und alle Ältesten bezeugen. Von ihnen empfing ich auch Briefe an die Brüder und reiste nach Damaskus, um auch die dortigen Christen gefesselt nach Jerusalem zu führen, damit sie bestraft würden.“
Dann berichtet Paulus, was geschah, als er sich Damaskus näherte: „Es umleuchtete mich plötzlich um die Mittagszeit ein großes Licht vom Himmel. Ich fiel zu Boden und hörte eine Stimme, die sprach: ‚Saul, Saul, warum verfolgst du mich?‘ Ich antwortete: ‚Herr, wer bist du?‘ Er sprach zu mir: ‚Ich bin Jesus von Nazareth, den du verfolgst.‘ Die mit mir waren, sahen zwar das Licht, aber die Stimme dessen, der mit mir redete, hörten sie nicht. Ich fragte: ‚Herr, was soll ich tun?‘ Und der Herr sprach zu mir: ‚Steh auf, geh nach Damaskus, dort wird man dir alles sagen, was zu dir zu tun aufgetragen ist.‘“
Nun machen wir einen Sprung zu Vers 21: „Und er sprach zu mir: ‚Geh hin, ich will dich in die Ferne zu den Heiden senden.‘“
Dieser kurze Selbstbericht des Apostels Paulus in Apostelgeschichte 22 zeigt uns, wer Paulus war. Sie können auch das andere Lebenszeugnis hinzunehmen, nämlich aus dem ersten Timotheusbrief, Kapitel 1, Vers 12.
Das große Bekenntnis des Apostels Paulus lautet dort:
„Ich danke unserem Herrn Christus Jesus.“ Paulus sagt oft nicht „Jesus Christus“, sondern „Christus Jesus“. Christus ist der Titel, Jesus der Name. So wie wir sagen „der Herr Jesus“, den Erlöser. Jesus ist Christus, der Messias. Deshalb seien Sie nicht verwundert, wenn bei Paulus oft „Christus Jesus“ steht. Wir sind zu sehr daran gewöhnt, von „Jesus Christus“ zu sprechen.
Paulus sagt weiter: „Ich danke unserem Herrn Christus Jesus, er hat mich stark gemacht und für treu erachtet und in das Amt eingesetzt, mich, der ich früher ein Lästerer, ein Verfolger und ein Gewalttäter war. Aber mir ist Barmherzigkeit widerfahren, denn ich habe es unwissend getan, im Unglauben. Doch desto reicher wurde die Gnade unseres Herrn samt dem Glauben und der Liebe, die in Christus Jesus sind.“
Das ist eine gewiss wahre und glaubwürdige Aussage: Christus Jesus ist in die Welt gekommen, um die Sünder zu retten. Unter ihnen bin ich der Erste, ich bin der Prototyp, der Erste.
Denn darum ist mir Barmherzigkeit widerfahren, damit Christus Jesus an mir als Erstem, als Prototyp – wie bei Daimler, wo manche Prototypen hergestellt werden und man dann weiß, wie die folgenden Modelle aussehen – an mir als Modell exemplarisch gezeigt wird, wie Gott alle Geduld erweist zum Vorbild für die, die an ihn glauben sollen zum ewigen Leben.
Mensch, wenn Jesus mich umgewandelt hat, der ich ein Verfolger und Lästerer war, der ich auf den Namen Jesus nichts gegeben habe – „Jesus von Nazareth, was soll aus Nazareth Gutes kommen?“ – das war schon lächerlich! Dieser Zimmermannsgeselle aus Galiläa, der aus Ehre Gottes meinte, er müsse alle ausrotten, die sagen, Jesus sei vom Tod auferstanden.
Aber mir ist Barmherzigkeit widerfahren, damit man sieht, wie Gott Menschen verändern kann. Er hat mir ein Amt gegeben, mich treu erachtet und eingesetzt. Das alles steht hinter dem einen Paulus, einem Knecht des Christus Jesus.
Und noch viel mehr: Wenn Sie jetzt, wenn wir gemeinsam den Römerbrief lesen oder wenn Sie privat die Bibel lesen, an Stellen kommen, wo Paulus sagt: „Ich will das Gute tun, aber ich finde es nicht. Das Gute, das ich will, tue ich nicht, und das Böse, das ich nicht will, das tue ich“ (Römer 7), dann merken Sie, dass Paulus kein perfekter Mensch ist, der sagt: „Ihr müsst alle so schön und anständig leben wie ich, ich habe die Sünde hinter mir gelassen und führe ein reines Siegerleben.“ Nein, Paulus sagt: „Ich bin fleischlich unter die Sünde verkauft.“
Da merkt man wieder: Paulus ist voller Energie, er ist nicht langweilig, sondern hochinteressant. Er kämpft und ringt mit den dämonischen Mächten, die noch in seinem Leben sind.
Paulus, ein Knecht des Christus Jesus – so haben wir jetzt mit dem Römerbrief begonnen.
Wann wurde Paulus zum Apostel berufen? In Apostelgeschichte 22, Vers 15 steht: „Und dann hat er in Damaskus gesagt: ‚Geh hin, ich will dich in die Ferne zu den Heiden senden.‘“
Das war der Spezialauftrag an Paulus. Wie lautete der Auftrag an die übrigen Jünger? Sie sollten in Jerusalem bleiben. Am Ende des Lukasevangeliums steht es, und am Anfang der Apostelgeschichte: „Bleibt dort, bis ihr die Kraft des Heiligen Geistes empfangt, und dann werdet ihr meine Zeugen sein in Jerusalem, in Judäa, in Galiläa, in Samarien und bis an die Enden der Erde.“
Das sind die Schwerpunkte. Paulus war der Apostel, der in die Ferne gesandt wurde, während die anderen Jünger in Jerusalem blieben.
Man könnte meinen, der Herr Jesus sagte: „Jetzt ist es vorbei, euer Haus wird euch verlassen, ich wollte euch sammeln wie eine Henne, aber ihr habt nicht gewollt.“ Doch Jesus gibt nicht auf. Das ist das Wunder von Pfingsten.
Paulus hat den Auftrag: „Ich will dich in die Ferne zu den Heiden senden.“
Der Brief an die Gemeinde in Rom: Absender und Empfänger
Paulus, ein Knecht Jesu Christi, berufen zum Apostel, schreibt diesen Brief.
Im Altertum wurde der Absender bei Briefen immer zuerst genannt, genauso wie wir es heute auch tun. Auf einem Briefbogen steht oben zuerst der Absender, wenn man einen gedruckten Briefbogen verwendet, und darunter die Adresse. So war es auch im Altertum: Man nennt zuerst den Absender, in diesem Fall Paulus, einen Knecht Jesu Christi, berufen zum Apostel.
In Vers 7 werden die Adressaten genannt, also an wen der Brief gerichtet ist. Schauen wir uns das einmal an: Vers 7 – an alle Geliebten Gottes und berufenen Heiligen in Rom.
Was wissen wir über Rom, außer dass Asterix und Obelix manchmal unter den Gladiatoren waren oder Ähnliches? Übrigens ist Asterix und Obelix eine großartige Quelle, um zu verstehen, wie es im Römischen Reich zuging. Wer nicht zufällig auf einem humanistischen Gymnasium war, sollte viel Asterix und Obelix lesen, denn dabei bekommt man auch viele lateinische Begriffe mit.
Würden Sie wissen, dass Gallien für Cäsar bereits das kleine Dorf war, das unbesiegbar war? Das gehört zur Grundkenntnis über Rom. Dort ging es zu wie im alten Rom, um es mit dem Sprichwort „Panem et Circenses“ zu sagen – Brot und Spiele. Die Kaiser hielten die riesigen Massen, die sich in der Großstadt Rom drängten, durch die großen Zirkusspiele bei Laune.
Wenn man nach Rom kommt, sieht man die wunderbaren Stadien und Zirkusse wie das Kolosseum, die Kämpfe mit wilden Tieren und Gladiatorenkämpfe. So ging es eben zu, wie man sagt, „wie im alten Rom“. Deshalb schreibt Paulus in Römer 13, dass man nicht in Unzucht, Kammern, Fressen, Saufen und so weiter leben soll – eben nicht so wie in Rom.
Rom als kultureller und religiöser Schmelztiegel
Was wissen wir sonst noch über Rom? Es war ein Mischmasch aller möglichen Kulturen. Wenn man heute noch das Forum Romanum besucht, sieht man eine Vielzahl von Tempeln im griechischen und römischen Stil. Die Römer selbst haben zwar nicht viele eigene kulturelle Leistungen erbracht, sondern viel von Griechenland übernommen. Dennoch findet man bis heute in Rom wunderbare ägyptische Kunstwerke. Die Römer haben gesammelt und beeindruckende Bauwerke aus Ägypten nach Rom transportiert.
Es war ein kultureller Mix, aber keineswegs nur im negativen Sinn. So wie unsere heutige europäische Kultur amerikanische, englische, französische und spanische Einflüsse hat, so kamen in Rom alle Kulturen zusammen – auch religiös. Es wurden viele große religiöse Kulte eingeführt. Der Mithraskult aus Persien wurde ebenso aufgenommen wie die Magna Mater, die Kübele. Heute sieht man im Forum Romanum noch Stellen, an denen Kübele als Göttin verehrt wurde. Auch der Balskult war dort präsent. Es gab in Rom praktisch nichts, was es nicht gab.
So wie die deutschen Kaiser im Mittelalter eine Sehnsucht hatten, nach Rom zu kommen, war Rom schon damals die Stadt, die im Grunde das gesamte Erbe vereinte, das früher in zwei Stromländern lag. Früher war Ägypten und Israel Durchgangsland nach Assur oder Persien. Plötzlich wurde die Mittelmeerwelt entscheidend wichtig. Ein Wissenschaftler sagte mir, das Mittelmeer sei plötzlich wie ein großer Mutterleib geworden. Nordafrika war besiedelt, nicht Wüste.
Dieses ganze römische Reich verbreitete seine Kultur. Die Römer bauten phantastische Straßen, und es herrschte hundert Jahre Frieden. Heute erleben wir etwa sechzig Jahre Frieden, was es früher so nicht gab. Hundert Jahre Frieden gab es in der Geschichte des Altertums praktisch nie. Der Professor Martin Hengel aus Tübingen, ein Neu Testamentler, sagt, wenn Gott eine Zeit hätte auswählen müssen, die ideal zur Verbreitung des Evangeliums gewesen wäre, hätte er genau diese hundert Jahre auswählen müssen. Gott sorgte dafür, dass Friedenszeit herrschte und die Boten des Evangeliums nirgends durch Zollschranken oder Ähnliches aufgehalten wurden.
Damals gab es keine Grenzen wie heute in Afrika, wo plötzlich Ländergrenzen den Durchmarsch erschweren, zum Beispiel zwischen Nigeria und dem Südsudan. Bis heute kann man auf Landkarten sehen, wo die römischen Straßen verliefen – gut befestigte Straßen über die Pässe der Schweiz.
So war Rom kulturell und religiös der Mittelpunkt. Wenn große Maler nach Rom zogen, wie Goethe in die Campagna, war Rom immer ein Anziehungspunkt. Es war ein Schmelztiegel der Kulturen und Religionen, eine Welthauptstadt. So wie im Körper das Herz das Zentrum ist, so war Rom das Herz des römischen Reiches.
Dazu möchte ich einfach einmal etwas sagen, was für eine Bedeutung das hat. Paulus schreibt darüber. Wir wissen auch noch einiges anderes. Rom darf man einmal genauer betrachten, um hellhörig zu werden für manches, was in der Bibel steht.
In der Apostelgeschichte 18 heißt es: Paulus verließ Athen und kam nach Korinth. Dort traf er einen Juden namens Aquila, der aus Pontus stammte. Er war mit seiner Frau Priscilla kürzlich aus Italien gekommen, weil Kaiser Claudius allen Juden geboten hatte, Rom zu verlassen. In den Akten des Kaisers Claudius findet sich ein bemerkenswerter Satz: „Claudius Impulsore, judeos tumultuantes Roma expulit.“ Das heißt, Kaiser Claudius warf die Juden aus Rom hinaus, weil sie sich über einen gewissen Crestus gestritten hatten.
Woran denken wir? An Christus, natürlich Jesus Christus. Christus ist der Ausdruck für Messias. Die jüdische Gemeinde, die es in Rom gab, wie überall in den großen Städten der Mittelmeerwelt, war zerstreut. Besonders in Rom gab es tüchtige Leute. Offenbar kamen Leute aus Jerusalem, die sagten: „Jesus von Nazaret ist der Christus.“ Andere hielten das für verrückt und stritten darüber. Der Kaiser Claudius wollte in seinem Reich Toleranz für alle Religionen. Wer Kübele anbeten wollte, durfte das, wer die Magna Mater verehrte, durfte das, wer Jude sein wollte, durfte das. Aber untereinander sollte es keinen Streit geben. Wenn es Streit gab, sollten die Streitenden nach Judäa zurückkehren.
Das bedeutet, dass zur Zeit des Apostels Paulus wahrscheinlich gar nicht mehr viele Juden in Rom waren. Deshalb sagen manche Ausleger zu Römer 1, Vers 5: „Durch ihn, durch Jesus, haben wir Gnade und Apostelamt empfangen, um im Namen Jesu den Gehorsam des Glaubens unter allen Heiden zu fördern, zu denen auch ihr gehört.“ Manche meinen, es gab kaum noch Juden, sondern vor allem Heiden, die zu den Völkern gehörten, die Gojim. Wahrscheinlich ist das eine übertriebene Deutung.
Man muss wissen: Claudius hatte die Juden aus Rom vertrieben. Doch wir wissen aus der Apostelgeschichte, dass Paulus zu den Juden in Rom gesprochen hat. Es muss also noch einige Juden in Rom gegeben haben.
Paulus’ Beziehungen zur Gemeinde in Rom
Jetzt haben wir bald die erste Einheit schon hinter uns. Paulus, ein Knecht des Christus Jesus, ausgesandt als Apostel, schreibt an die Christengemeinde in Rom. Kennt er denn einige Leute in Rom? Wenn Sie den Römerbrief lesen und zu den Kapiteln 15 und 16 kommen, werden Sie erstaunt sein, wie viele Leute Paulus dort kennt.
In Römer 16, Vers 3, grüßt er Priska, die Priscilla, und Aquila, meine Mitarbeiter, die für mein Leben ihren Hals hingehalten haben. In Vers 5 grüßt er auch die Gemeinde in ihrem Haus, grüßt Epenetus, meinen Lieben, grüßt Maria, Andronikus und Junias. Außerdem grüßt er Ampliatus, Urbanus, Stachys und Abner.
Paulus kennt also eine ganze Galerie, einen ganzen Katalog von Personen. Wo ist er denen schon begegnet? Hier steht es ja: Die Priscilla und Aquila haben wir vorher in Korinth erlebt. Epenetus, in Vers 5 genannt, ist mein Lieber, stammt aus der Provinz Asien und ist der Erstling für Christus dort. Er war der erste Nachfolger in der Provinz Asien. Doch was macht er plötzlich in Rom?
Man sieht schon an dieser Aufzählung im Kapitel 16, dass damals ein Drang herrschte: Wir wollen nach Rom! Alle Leute, die schnell ihren Koffer packen konnten und etwas leisten wollten. So wie nach dem Krieg der große Traum war, nach Amerika zu gehen. Jeder, der etwas auf sich hielt, sagte: „Ein Studium in Amerika, ich muss wenigstens ein Jahr dort verbringen.“
So war es damals: „Wir gehen nach Rom!“ Eine Gemeinde von Leuten, die schnell ihren Koffer packten, beweglich waren und nicht erst sagten: „Du musst erst einmal dein Häusle abzahlen.“ So: „Auf nach Rom, wir machen unser Geschäft, da ist was los.“ Die Großstadt zog sie an. Paulus kannte einige von ihnen.
Wenn wir noch weiter im Römerbrief lesen, merken wir, dass Paulus sagt, er habe schon lange versucht, nach Rom zu kommen. In Römer 1, Vers 9 heißt es: „Denn Gott ist mein Zeuge, dem ich in meinem Geist diene am Evangelium von seinem Sohn, dass ich ohne Unterlass euer gedenke und allezeit in meinem Gebet flehe, ob sich's wohl einmal fügen möchte, durch Gottes Willen, dass ich zu euch komme. Denn mich verlangt danach, euch zu sehen, damit ich euch etwas mitteile an geistlicher Gabe, um euch zu stärken.“
Das heißt, damit ich zusammen mit euch getröstet werde durch euren und meinen Glauben. Am Schluss von Vers 13 heißt es: „Damit ich auch unter euch Frucht schaffe wie unter anderen Heiden.“
Mensch, ich habe doch, Leute, schon so lange gebetet, dass ich endlich auch mal nach Rom komme. Ich kenne zwar ein paar von euch, aber bisher hat es sich einfach nicht ergeben. Ich bete darum.
Am Schluss vom Römerbrief heißt es, Paulus habe eigentlich bis nach Illyrien alles mit dem Evangelium erfüllt. Er war in Thessalonich, in Athen, in Korinth, in Ephesus, in Milet. Er hat all die großen Städte mit Gemeinden gegründet. Jetzt möchte er eigentlich dorthin kommen, wo das Evangelium noch nicht verkündigt ist, nämlich nach Spanien. Das war der Plan des Paulus: nach Spanien zu reisen. Und auf dem Weg nach Spanien wollte er zu euch nach Rom kommen.
Es ist offenbar anders gekommen. Nicht auf dem Weg nach Spanien ist er nach Rom gekommen, sondern als Gefangener, wie die Apostelgeschichte berichtet. Er berief sich auf den Kaiser und wollte vor das kaiserliche Gericht gestellt werden, damit herauskommt, dass er sich nichts hat zu Schulden kommen lassen.
Dann wird die beschwerliche Seereise beschrieben, wie Paulus schließlich nach Rom kommt. Und da machen wir jetzt nach der Pause weiter, denn der Römerbrief schließt konsequent an das Stichwort Rom an, mit dem die Apostelgeschichte aufhört.
Man hat oft gefragt: Worum geht es gerade im Römerbrief, dem ersten Brief, und wahrscheinlich ältesten unter allen Briefen? Der erste Thessalonicherbrief ist älter. Warum hat man die Briefe nicht nach dem Alter geordnet? Weil man im Altertum vielmehr nach einem Stichwort ging, also dem logischen Anschluss.
Am Schluss der Apostelgeschichte möchte man doch eigentlich wissen: Wie geht es mit Rom weiter? Da passt der Römerbrief hinein. Und da machen wir nach der Pause auch weiter.
Historische Bedeutung des Römerbriefs
Zu Beginn sei erwähnt, dass Augustinus, der Kirchenvater und Bischof von Hippo, durch das "Nimm und Lies" auf Römer 13 gestoßen ist. Der Schluss von Römer 13 hat sein Leben verwandelt. Das war der Ruf Gottes aus dem Römerbrief.
Martin Luther, der als Mönch eigentlich mit Gott gehadert hatte, reagierte immer besonders auf den Begriff in Römer 1,17: "Denn darin wird die Gerechtigkeit Gottes offenbart." Er konnte sagen, dass seine guten Werke nichts galten. Für ihn war alles verloren. Ein Vers von Martin Luther lautet sinngemäß: Wenn ich ein paar gute Werke tue oder einige gute Emotionen in meinem Leben habe und das mit dem vielen vergleiche, was ich versäumt habe – wo ich eigensinnig, selbstsüchtig und unwahrhaftig war – reicht das menschlich gesprochen nicht einmal für ein Mangelhaft. Seine guten Werke galten nicht. Wenn ein Schüler zufällig eine Zwei in einer Arbeit hat, aber sonst nur Sechsen, reißt das nichts heraus.
So empfand Luther die Gerechtigkeit Gottes, den heiligen Gott, der sein Leben bis in den letzten Winkel sieht. Deshalb hasste er den Begriff "Gerechtigkeit Gottes", bis ihm im Augustiner-Eremitenkloster in Wittenberg, dem heutigen Lutherhaus, plötzlich klar wurde – vor vier Wochen war ich selbst dort –, dass man die Gerechtigkeit Gottes auch ganz anders verstehen kann. Diese westliche Form von "Gerechtigkeit Gottes" nutzt man manchmal als dummes Beispiel: Die Frisur des Friseurs kann seine eigene Frisur sein, mit der er seine letzten Haare zurechtbiegt. Sie kann aber auch die Frisur sein, die der Friseur mir anpasst. Egal, es können seine eigenen Haare sein, die Frisur des Friseurs, wie er sie hingeklatscht hat mit Pomade, oder wie er meine Haare mit Pomade gestylt hat.
So wurde Luther klar, dass Gott auch Grammatik benutzen kann. Gerechtigkeit ist nicht nur, dass Gott auf dem Richterstuhl sitzt und sagt: "Mein lieber Rolf, Chefbuch, was ist aus deinem Leben geworden?" Vielmehr ist die Gerechtigkeit, die Gott in meinem Leben wirken will, die er mir schenken will, mit der Gott mein Leben umkleiden will.
Plötzlich schreibt Luther – es war wie Himmel auf Erden – eine Entdeckung an Römer 1,17, aus der die ganze Reformation entstanden ist: Nicht das, was wir Gott bringen oder wie wir uns vor Gott entschuldigen, zählt, sondern das, was er in unserem Leben wirkt. Von diesem einen Vers aus erschloss sich ihm der ganze Römerbrief. Auch wir müssen von diesem Einstieg ausgehen.
Luther stellte dies in seiner Einleitung zum Römerbrief dar. Diese Einleitung veränderte später das Leben des großen englischen Reformators John Wesley, des Gründers der Methodistenkirche, als dieser sie eines Abends las.
Der letzte Name, den ich erwähnen möchte, ist Dr. Karl Barth, einer der größten Theologen meiner Lebenszeit, der in Basel gelehrt hat. Nach dem Ersten Weltkrieg schrieb er ein Buch mit dem Titel "Der Römerbrief". Dieses Buch veränderte die theologische Landschaft von da an bis etwa 1950 völlig. Auch Pfarrer, die sonst eher liberal gepredigt hatten und modern sein wollten, verkündeten 40 Jahre lang das Evangelium mit diesem Buch. Karl Barths "Römerbrief" veränderte die theologische Landschaft.
Ich habe hier auch den Namen Dr. Lamine Sanee erwähnt, den ich erlebt habe. Er ist ein 1,90 Meter großer Mann aus Gambia, stammte ursprünglich aus dem Islam. Zufällig kam er an eine Bibel und las plötzlich: "Du lehrst andere und lehrst dich selbst nicht." Sein Gewissen wurde geweckt durch den Satz: "Das Gute, das ich tun will, tue ich nicht." Er dachte, er sei ein guter Muslim, doch plötzlich entdeckte er die ganze Scheinheiligkeit seines Lebens. Er war noch nie bei einer meiner guten Predigten, aber er wollte zu Jesus gehören und wurde getauft. Heute ist er einer der großen Theologieprofessoren Amerikas. Durch den Römerbrief wurde er gepackt – nicht durch die Predigt eines Missionars, sondern durch die Bibel.
Auch der Name meiner Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großmutter, Barbara Kulln, ist hier aufgeschrieben. Sie war die Frau eines kleinen Dorfschulmeisters auf der Schwäbischen Alb. Im Hauptdorf Dettingen an der Erms brach neues Leben durch Gott auf. Oben im Filialort Hülben fragte die Schulmeisterin den Pfarrer Fricker: "Was müssten wir in Hülben tun, damit auch so etwas entsteht wie in Dettingen?" Er antwortete: "Frau Schulmeisterin, lesen Sie den Römerbrief."
Sie begann mit Römer 1 und kam an Vers 18: "Gott hat sie dahingegeben im Zorn in allerlei Schlechtes, was nicht taugt, in Ohrenbläserei, Hast..." und hat es wieder zugemacht. Nach einer Woche fragte Pfarrer Fricker: "Frau Schulmeisterin, wie ist es mit dem Römerbrief gelaufen?" Sie antwortete: "Der Römerbrief ist gut für die Dettinger, aber nichts für uns Hilbener. So schlecht sind wir nicht, das brauchen wir nicht." Daraufhin sagte er: "Lesen Sie den Römerbrief noch einmal." Seitdem ist Hülben ein gesegneter Ort in unserer Familie, an dem Jesus durch den Römerbrief Einzug gehalten hat. Die Frau entdeckte, dass sie den Erlöser Jesus braucht.
Man könnte viele weitere Beispiele nennen, wie Gott den Römerbrief benutzt hat, um neues Leben zu schaffen.
Nun kommen wir zu unserer Arbeitsplattform und sind endlich an der Stelle: Römer 1. Warum hat Jesus gerade durch diesen Brief so viel Leben geweckt? Sie haben verschiedene Möglichkeiten, wie bei einer Millionärsfrage. Sie können auswählen, weil es der erste aller Briefe ist, oder weil er leichter zu verstehen ist als die anderen Briefe, oder weil zentrale Glaubensfragen angesprochen werden, oder weil Rom damals die Welthauptstadt war.
Ihr Lachen hat schon deutlich gemacht, wo Sie Ihre Stimme abgeben würden. Also nicht, weil es der erste Brief ist – das könnte auch sein, weil man Interesse an den Briefen hat, wenn man sie liest. Antwort B stimmt überhaupt nicht, weil er leichter zu verstehen sei als alle anderen Briefe. Entschuldigen Sie, das ist überhaupt nicht leicht zu verstehen.
Petrus schreibt im ersten Petrusbrief am Schluss: "Unser lieber Bruder Paulus, dessen Briefe nicht leicht zu verstehen sind, sind dennoch wichtig und gut zu lesen." So steht es sogar in der Bibel, dass man bei Paulus eine harte Nuss knacken muss.
Wie konnten sie damals überhaupt einen Brief verstehen, der an die Gemeinde in Rom geschickt wurde? Stellen Sie sich vor, sie kommen zusammen in einem Hinterhof in Rom, und jemand sagt: "Wir haben einen Brief vom Apostel Paulus bekommen. Lies ihn mal vor." Dann liest ein Apostel vor. Wahrscheinlich haben sie gesagt: "Stopp, das reicht für heute. Die ersten drei Verse."
Dann mussten sie, wie im Volk Israel üblich, Psalm 1 über dem Gesetz Gottes Tag und Nacht nachsinnen.
Geht es Ihnen manchmal auch so, dass, wenn der Pfarrer sagt: "Das Evangelium für den heutigen Tag steht im Hebräerbrief, Kapitel 4," und dann liest er den Abschnitt, Sie in den letzten vier Minuten überhaupt nicht mehr zugehört haben? Wir müssten Satz für Satz auf der Zunge zergehen lassen.
Wenn Jesus zu den Pharisäern und Schriftgelehrten sagt: "Geht hin und lernt, was das heißt, dass Gott Lust hat an der Barmherzigkeit und nicht am Opfer" – ein Wort aus den Evangelien – meint Jesus damit: Kaut mal darauf herum wie auf einem guten Kaugummi. Er hat nicht vom Kaugummi gesprochen, aber sozusagen.
Ihr müsst mal "Geht hin und lernt" ernst nehmen, darüber nachdenken, es mit euch gehen lassen, in eurem Kopf kreisen lassen. Wir meinen oft, man müsste etwas hopplahopp verstehen, wie man eine Zeitung liest. Aber in der Bibel muss man ganz intensiv lesen, sich vieles auch noch einmal herausschreiben, für einen Tag einen Satz herausnehmen und darüber nachdenken.
So haben sie den Römerbrief gelesen, weil er so schwer zu verstehen ist und zentrale Glaubensfragen anspricht. Wahrscheinlich ist es richtig, dass sie durch ihre Emotionen erkannten, wie wichtig der Römerbrief ist.
Zentrale Glaubensfragen im Römerbrief
Was ist mit der Gerechtigkeit Gottes? In Römer 1,17 heißt es: „In ihm wird die Gerechtigkeit Gottes offenbar.“ Diese Frage ist bis heute zentral. Wie kann Gott zulassen, dass in Lengede eine Katastrophe passiert? Wie kann Gott es zulassen, dass ein ICE entgleist? Wie kann Gott die Flut an der Elbe zulassen? Wie kann Gott den Irakkrieg zulassen?
Manche fragen: Wie kann Gott zulassen, dass George Bush Präsident von Amerika ist? So stellt jeder Gott vor, was er falsch gemacht hat. Wie konnte Gott zulassen, dass Hitler das deutsche Volk bis zum absoluten Niedergang verführt? Viele sagten am Ende des Zweiten Weltkriegs: Wir waren nicht schuldig. Wir waren zwar in der Partei, aber nicht bei Hitler, den Obernazis oder den Gauleitern. Warum hat Gott das zugelassen?
Manche Christen fragen: Wie kann Gott den moralischen Niedergang unseres Volkes zulassen? Wie kann Gott es zulassen, dass es seit Wochen nicht richtig regnet? Unsere Welt ist voll von Fragen nach der Gerechtigkeit Gottes. Das ist eine Grundfrage, ähnlich wie die Frage nach der Erlösung.
In Römer 7 heißt es: „Wer wird mich erlösen von diesem Leib, dass ich das Gute tun will und nicht tun kann?“ Man braucht nur die ganze Produktion der Fernsehanstalten oder Verlage anzuschauen. Bei Schriftstellern und Medien geht es oft um dieselbe Frage: Wir müssten sterben, es gibt viel Dreck, warum werde ich immer in den Dreck hineingezogen? Und warum soll das eigentlich schön sein, wenn es am Ende nur zum Verderben von Familien und Kindern führt?
Die Frage nach der Erlösung ist eine zentrale Frage, die im Römerbrief behandelt wird. Es ist nicht einfach. Paulus stellt sich dieser Frage, vielleicht auch, weil Rom ein großer Schmelztiegel war und die Welthauptstadt. Dort hat er keine Kleinigkeiten behandelt, sondern zentrale Fragen. Die Römer haben sich gefragt: Gibt es Erlösung durch Mithras, durch Kybele oder durch die Magna Mater? Paulus sagt: Ich will euch sagen, dass es Erlösung durch Jesus gibt. Und er begründet das auch.
Dieser Brief hat so viel Leben geweckt, weil er die zentralsten Fragen anspricht. Das kann man unterstreichen. Manches ist schwer zu verstehen und muss im Schnellverfahren behandelt werden.
Eine Dame aus Ihrer Mitte hat vorher gefragt: „Wo steht das mit Spanien?“ Dazu gebe ich gern Auskunft. Wenn Sie später Fragen haben, kommen Sie gern zu mir oder suchen selbst nach. Es ist immer sehr schön, in der Bibel zu forschen.
Warum der Römerbrief an die Spitze aller Briefe gestellt wurde
Römisch zwei
Warum wurde der Brief an die Gemeinde zu Rom an die Spitze aller Briefe gestellt? Warum hat man ihn nach vorne gezogen? An dieser Stelle hatten wir die letzte Einheit beendet, weil der letzte Abschnitt in der Apostelgeschichte berichtet, dass Paulus in Rom war.
Schauen wir einmal in Apostelgeschichte 28 ab Vers 11: Paulus war in Puntbahn, dann an der Insel Malta, wo er einen Schiffbruch erlebte und gerettet wurde. Anschließend fuhren sie von Syrakus durch die Straße von Messina nach Neapolis, das heutige Neapel. Von dort aus ging es weiter nach Puteoli und dann zu Fuß auf der Straße Via Appia bis zu den drei Gaststätten, Tres Tabernae. Dort begegneten ihnen Gemeindeglieder aus Rom.
Wir lesen ab Apostelgeschichte 28,11: „Nach drei Monaten aber fuhren wir ab mit einem Schiff aus Alexandrien, das bei der Insel Malta überwintert hatte und das Zeichen der Zwillinge führte. Als wir nach Syrakus kamen, blieben wir drei Tage dort. Von da fuhren wir die Küste entlang und kamen nach Reggio Calabria, heute. Am nächsten Tag erhob sich ein Südwind, und in zwei Tagen kamen wir nach Puteoli. Dort fanden wir Brüder, die uns baten, sieben Tage zu bleiben. So kamen wir nach Rom. Dort hatten die Brüder von uns gehört und kamen uns entgegen bis zum Forum Appii auf der Via Appia, der großen Straße, und zu Tres Tabernae, den drei Tavernen. Als Paulus sie sah, nicht die drei Tavernen, sondern die Brüder, dankte er Gott und gewann Zuversicht.“
Es war wichtig, dass wir es auf das Richtige beziehen. Als wir nun nach Rom hineinkamen, wurde Paulus erlaubt, für sich allein zu wohnen, mit dem Soldaten, der ihn bewachte. Drei Tage später rief Paulus die Angesehensten der Juden zu sich zusammen. Es gab also doch noch Juden in Rom.
Als sie zusammenkamen, sprach er zu ihnen: „Ihr Männer, liebe Brüder, ich habe nichts gegen unser Volk und die Ordnungen der Väter getan. Dennoch bin ich als Gefangener aus Jerusalem in die Hände der Römer übergeben worden. Diese wollten mich loslassen, nachdem sie mich verhört hatten, weil nichts gegen mich vorlag, das den Tod verdient hätte. Da aber die Juden widersprachen, war ich genötigt, mich auf den Kaiser zu berufen. Nicht als hätte ich mein Volk verklagen wollen. Aus diesem Grund habe ich darum gebeten, euch zu sehen und zu euch zu sprechen. Denn um der Hoffnung Israels willen trage ich diese Ketten, weil Israel auf den Messias hofft, und ich weiß, wer der Messias ist.“
Doch sie glaubten ihm nicht, dass er wusste, dass Jesus der Messias ist. Paulus betonte: „Um der Hoffnung Israels willen trage ich diese Ketten.“ Er wollte nichts gegen sie sagen, sondern im Gegenteil, man hatte ihn angeklagt. Er wollte sie nicht schlecht machen.
Vers 21: Sie aber sprachen zu ihm: „Wir haben deinetwegen weder Briefe aus Judäa empfangen, noch ist ein Bruder gekommen, der über dich etwas Schlechtes berichtete. Doch wollen wir von dir hören, was du von dieser Sekte hältst, die uns bekannt geworden ist und an der überall widersprochen wird.“
Als sie ihm einen Tag bestimmten, kamen viele zu ihm in die Herberge. Dort erklärte und bezeugte er ihnen das Reich Gottes und predigte von Jesus – aus dem Gesetz des Mose und aus den Propheten – vom frühen Morgen bis zum Abend.
Wunderbar! Hier zeigt sich, dass Lukas, der Arzt, offenbar genau wusste, was er schrieb. Paulus benutzte bei den Ältesten der Gemeinde, den Verantwortlichen der jüdischen Gemeinde in Rom, das Gesetz und die Propheten. Er sagte: „Schaut, Jesaja hat gesagt, der Allerwerteste wird verachtet sein, aber der Plan des Herrn wird durch seine Hand gelingen. Mose hat gesagt, Gott wird einen Erlöser senden, den sollt ihr hören!“ Paulus brachte zahlreiche Zitate aus dem Alten Testament, die für die Juden Autorität hatten, und predigte ihnen Jesus aus dem Gesetz des Mose und den Propheten.
Er erklärte ihnen das Reich Gottes und predigte Jesus als das Reich Gottes in Person, auf das wir warten, das Reich des Messias. Nach jüdischer Zeitrechnung gibt es tausend Jahre vor dem Gesetz, tausend Jahre mit dem Gesetz und dann die tausend Jahre des Messias. Das Reich kommt. Und Jesus sagt, das Reich ist da – mit Jesus, dem Messias.
Die Juden waren untereinander uneins. Nun nehmen wir die Schlussverse, Apostelgeschichte 28,28-31: „So sei es euch kundgetan, dass den Heiden dies Heil Gottes gesandt ist, sie werden es hören. Paulus aber blieb zwei volle Jahre in seiner eigenen Wohnung, nahm alle auf, die zu ihm kamen, und predigte das Reich Gottes und lehrte vom Herrn Jesus Christus mit allem Freimut ungehindert.“
Damit schließt die Apostelgeschichte an den Brief an die Gemeinde in Rom an. Dort heißt es, dass Paulus zwei Jahre lang auf eigenartige Weise vom Herrn Jesus verkünden konnte. Eigentlich hatte er schon lange den Wunsch gehabt, nach Rom zu kommen – das können wir im Brief an die Gemeinde in Rom nachlesen. Es ergänzt sich, es ist wirklich ein wichtiges Scharnier zwischen Apostelgeschichte 28 und Römer 1.
Der einfachste Grund für die Stellung des Römerbriefs an erster Stelle könnte also sein, dass die Apostelgeschichte damit endet, dass Paulus doch noch nach Rom gekommen ist. Er wollte dorthin, und Gott hat es ermöglicht. Ich habe Ihnen einige Stellen genannt, wo das im Römerbrief deutlich wird: „Ich hoffe, auf dem Weg nach Spanien bei euch einzusehen und einige Zeit zu bleiben, damit ich auch bei euch Frucht schaffen kann.“
Nun kommen wir zu Punkt B: Warum wurde der Brief an die Gemeinde in Rom an die Spitze aller Briefe gestellt? Es könnte auch daran liegen, dass in der Welthauptstadt Rom Jesus etwas zu melden und zu bieten hat. Trotz des ganzen Religionswischmatschs, trotz des alten Roms, trotz der hochstehenden Kultur, obwohl die Juden verfolgt wurden und trotz der Machtlosigkeit Christi in der Gemeinde – Jesus hat in Rom etwas zu bieten, und damit im Weltreich.
Man muss sich vorstellen, dass auf den Straßen, auf denen sonst die römischen Kaufleute und Soldaten zogen, schon im ersten Jahrhundert Christen bis nach Augsburg, Köln und Trier unterwegs waren. In Trier entstand um das Jahr 300 eine wunderbare Basilika, ein Kirchenbau der Christen.
Durch die Verkehrswege des Römischen Reiches hat sich das Christentum vom Herzen des Reiches aus in alle Adern verbreitet. Deshalb ist der Römerbrief außerordentlich wichtig, wichtiger als Thessalonich, das zwar auch eine eigene Geschichte hat. Aber Rom war wichtig, wie Jesus die Weltstadt Rom erobert hat – mit der zentralen Frage nach dem Reich Gottes.
Bis nach Britannien hinaus verbreitete sich die Botschaft von Jesus Christus in die entferntesten Ecken des römischen Reichs. Deshalb ist die Frage der Welthauptstadt auch ganz wichtig. Das könnte ein Grund sein, warum der Römerbrief so weit nach vorne gezogen wurde.
Wenn heute Billy Graham kommt und man ihm sagt, er könne in Cannstatt eine Evangelisation halten, wird er sagen: „Du, zuerst muss ich nach Berlin, dann komme ich wenigstens in die Zeitungen.“ In Cannstatt wüsste er nicht, ob die Cannstatter Nachrichten darüber berichten würden. Er möchte nicht in die Pampa, sondern in die Hauptstadt. Deshalb könnte das ein Grund sein, warum der Römerbrief an erster Stelle unter den Briefen steht.
Noch wichtiger ist Punkt C: Im Römerbrief wird die zentrale Frage angesprochen, nämlich: Mit Jesus kommt das Reich Gottes.
So haben wir es eben gelesen: Paulus predigte von Jesus und vom Reich Gottes aus Mose und den Propheten. Im Schlussvers der Apostelgeschichte heißt es, dass er das Reich Gottes predigte und vom Herrn Jesus Christus lehrte.
Vielleicht ist Ihnen im Hinterkopf, dass einmal die Zeitgenossen von Jesus – die Pharisäer und Schriftgelehrten, gelehrte Theologen – ihn gefragt haben: „Rabbi Jesus, woran merkt man, wenn das Reich Gottes kommt? Gibt es dann Heilungen? Hören alle Krankheiten auf? Gibt es keine Nacht mehr, keine Bosheit?“
Das war die Frage des Judentums. Jesus antwortete, das Reich Gottes komme nicht mit auswendigen Gebärden oder etwas Sichtbarem. „Das Reich Gottes ist mitten unter euch.“
Was meinte Jesus damit? Ein Rätselwort? Er sagte: „Ich bin doch schon da, ich bin mitten unter euch.“ Man muss nicht warten, bis eine Sonnenfinsternis kommt oder alle Krankheiten aufhören. Jesus ist da, und wo Jesus ist, da ist das Reich Gottes.
So hat es Paulus verstanden. Deshalb ist diese Frage zentral für ihn. Er schließt die Apostelgeschichte mit der Aussage, dass er das Reich Gottes predigt und vom Herrn Jesus Christus lehrt.
„Wo du Wohnung hast genommen“ heißt es in einem unserer Choräle: „Da ist lauter Himmel hier, hier!“ Wenn Jesus mitten unter uns ist, in einem Gottesdienst, dann ist das Reich Gottes da – der Einbruch der Welt Gottes bei uns.
Wir können nur staunend und erwartungsvoll sein, wenn Jesus sagt: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Habt keine falschen Vorstellungen vom Reich Gottes, als ob dort dauernd Himmelrosenrot wäre oder es auswendige Zeichen gäbe.
„Ich bin mitten unter euch“, sagt Jesus. „Friede sei mit euch, ich teile euch mein Wort mit, ich wecke euer Gewissen, sende euch, mache euch weise, mache euer Gewissen geschmeidig.“ Jesus wirkt unter uns – da ist das Reich Gottes. Es kommt nicht mit auswendigen Gebärden, sondern ist mitten unter uns.
Wie Paulus im Römerbrief schreibt: „Nun sind wir gerecht geworden“ (Römer 5). „So haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus. Durch ihn haben wir auch Zugang zu der Gnade, in der wir stehen.“
Wahrscheinlich ist das eines der ersten Bekenntnisse der Christenheit: Wir haben Zugang zu Gott.
Was versuchte die Mithras-Religion? In Mithras-Tempeln wurden Bohlen gelegt, wie Eisenbahnschwellen, und man musste sich unter die Bohlen legen. Dann wurde ein Stier abgeschlachtet. Wenn das Blut durch die Bohlen lief und den Menschen, der darunter lag, mit Blut überschüttete, glaubte man, nun in die Kraft des Mithras-Stiers eingehüllt zu sein.
Paulus sagt: „Ihr armen Leute, wenn wir gerecht werden durch Gott, haben wir Frieden mit Gott. Wir brauchen nicht das Blut vom Mithras-Stier.“
Behalten Sie immer im Kopf: Das Reich Gottes ist da bei uns, weil diese zentrale Frage im Römerbrief angesprochen wird – wie das Reich Gottes Wirklichkeit wird und wie es Erlösung gibt.
Damit sind wir bei Punkt D: Der Brief an die Gemeinde in Rom ist an die Spitze gestellt, weil hier so deutlich, konsequent und eindringlich wie sonst nirgends die beiden zentralen Jesusworte durchkonjugiert werden.
„Ich bin gekommen zur Erlösung für die Vielen“ – und Johannes 3,16: „Damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden.“
Das ist eine unglaubliche Kraft. Mir wird immer mehr klar, dass das die sogenannte paulinische Theologie ist. Paulus hat in seiner Theologie Liebe gezeigt. Würde Paulus heute noch leben, würde er sagen: „Ihr seid ja verrückt. Ich habe doch keine paulinische Theologie. Ich möchte das, was ich von Jesus gehört habe, euch noch einmal nahebringen, wichtig machen.“
Immer wenn Paulus sagt, etwa: „Wir wissen, wenn unser irdischer Leib diese Hütte zerbrochen wird, dass wir einen Bau von Gott erhalten werden,“ – woher weiß er das? Weil Jesus gesagt hat: „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, würde ich hingehen und euch eine Wohnung bereiten.“
Wenn Paulus sagt: „Wir wissen, dass Gott zu fürchten ist,“ woher weiß er das? Weil Jesus gesagt hat: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, sondern fürchtet euch vor dem, der Leib und Seele verderben kann in der Hölle.“ Das ist nicht der Teufel, sondern Gott.
Wir werden merken, wenn wir bei Paulus nur ein bisschen genauer hinschauen, stoßen wir auf viele Jesusworte. Achten Sie immer darauf und nehmen Sie einen lila Bleistift oder Ähnliches, um Anklänge an das aufzuschreiben, was Matthäus, Markus, Lukas und Johannes von Jesus berichten.
Jesus hat zwei ganz große, wichtige Worte gesagt. Matthäus 20,28 – das sollten Sie sich aufschreiben – und Johannes 3,16.
Matthäus 20,28: „Der Menschensohn“ – damit meint Jesus sich selbst – „ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse.“ In jeder Religion ist wichtig: Ich tue etwas für die Gottheit, ich opfere der Göttin Kali eine Ziege, ich bringe dem Gott Vishnu ein Butteropfer dar in Indien. Ich bemühe mich, ein anständiges Leben zu führen, damit Gott sich freut.
Jesus sagt: „Nein, dazu bin ich nicht gekommen, dass ihr vor mir kniet, Herr, ich lege mich vor deiner Majestät nieder.“ Unsere Lieder sollten Sie mal durchforsten, was Jesus sagt: Er möchte nicht, dass man vor ihm niederkniet, sondern er möchte euch dienen.
„Ich bin gekommen, dass ich diene und mein Leben gebe für euch.“ Wozu? Als Vorbild der Nächstenliebe? Zur Erlösung. Ihr müsst erlöst werden von eurer Phantasie, von eurer Selbstsucht, von eurem Hass auf so viele Menschen, von eurer Angst vor dem Leben.
Der große Nobelpreisträger Bello sagt: „Wann endlich werden wir erlöst von unserer Selbstsucht?“ Das sagt ein moderner Nobelpreisträger.
Die Frage der Erlösung ist zentral, und das wird im Römerbrief durchkonjugiert. Wer wird mich erlösen? Römer 7 plus Gott. Dann Jesus: „Er ist der Erlöser.“ Das wunderbare Lied heißt „My Redeemer, he is the Savior“ – er ist der Erlöser, das ist der Römerbrief.
Das zweite wichtige Wort im Römerbrief ist Johannes 3,16: „Damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden.“
Es muss gar niemand den Erlöser annehmen. Paulus stellt im Römerbrief klar, wozu der Glaube gut ist. Ich wünsche mir, dass 98 Prozent der Verkündiger – Pastoren, Pfarrer, Gemeindediakone und andere – mal aus dem Römerbrief wieder lernen, welche Rolle der Glaube spielt.
Ich muss jetzt oft zu Beerdigungen gehen. Wenn man alt wird, geht man fast nur noch zu Beerdigungen, wenn man jung ist, wird man zu Hochzeiten eingeladen. Was höre ich da oft in Beerdigungsansprachen? „Es geht ihm nach der schweren Krankheit jetzt gut, er ist erlöst.“ Woher wissen die das? Der hat lebenslang nicht an Jesus geglaubt.
Gott liebt uns, Gott liebt die Welt, Gott hat Gutes vor mit der Welt. Aber Jesus hat gesagt, dass alle, die an ihn glauben, gerettet werden. Niemand muss das Heil haben. Das Heil wird allen angeboten. Aber wie bei einer Verlobung gehört dazu, dass einer um mich wirbt und der andere sagt: „Ja, ich möchte umworben sein, ich sage ja zu dir.“
Beim Glauben ist es ähnlich: Er wirbt um mich, und ich sage ja. Im Römerbrief lesen wir in Kapitel 1, Vers 17: „In diesem Evangelium wird die Kraft Gottes offenbart, die Gerechtigkeit Gottes, die vor Gott Bestand hat. Sie kommt aus Glauben in Glauben.“
Das ist schwer zu verstehen. Die Briefe unseres lieben Bruders Paulus sind nicht leicht. Aber nehmen Sie das Bild der Verlobung: Einer sagt: „Du, ich möchte dich lebenslang, du sollst das Glück meines Lebens sein.“ Jesus sagt das zu dir, und du darfst sagen: „Ja, ich danke dir, dass du um mich wirbst. Ich möchte zu dir gehören.“
Aus Glauben, in Glauben, aus Vertrauen, in Vertrauen. Die Gerechtigkeit Gottes kommt nicht vom Himmel herunter wie Schnee, den wir annehmen oder nicht, oder wie die Hitze. Sie kommt aus Glauben, in Glauben.
Das konjugiert Paulus im Römerbrief immer wieder durch: Wir brauchen Erlösung, weil Jesus zur Erlösung gekommen ist. Er möchte nicht, dass man ihm dient, sondern er dient uns. Und damit alle, die an ihn glauben, Erlösung bekommen, nicht verloren werden, sondern in ihm ewiges Leben haben.
Damit haben wir Römer 2 von A bis D besprochen.
Nun werfen wir einen Blick auf die gegenwärtige Medienwelt: Film, Fernsehen, Bücher, die geschrieben werden. Es wird klar, dass bis heute die eigentliche Frage die gleiche ist: Muss unser irdisches Leben sinnlos bleiben, oder gibt es Erlösung?
Der Romanschriftsteller John Updike, einer der größten Schilderer der heutigen Sprache, hat das so beschrieben. Sie müssen seine Bücher nicht lesen, da ist auch viel Unsinn drin, aber er sagt: „Die Not unserer Welt ist so schlimm wie der Vietnamkrieg. Die ganze Sexualität und so weiter wird dargestellt.“
Er sagt: „Ohne eine überirdische Erlösung ist unser ganzes Leben doch sinnlos.“ Das sagt ein moderner Schriftsteller, der gar kein besonderer Christ ist.
Ohne dass es eine Erlösung aus der unsichtbaren Welt gibt, können wir eigentlich alles vergessen. Wir ahnen gar nicht, wie hart am Rand der Resignation viele Menschen leben. Sie können sich nur betäuben, sonst würden sie verrückt werden.
Mit unserem Leben weiß niemand mehr, kein Volkswirt, wie man die ökonomische Krise unserer Tage löst. Niemand kann erklären, wie der Markt funktioniert und ob wir überhaupt aus der Misere herauskommen.
Wir in Deutschland machen in den Jahren, in denen es uns so gut geht wie keiner Generation vorher, die größten Schulden und hinterlassen sie einer Generation, die noch geboren wird. Die wenigen Kinder müssen das ausbaden und tragen, weil es niemand sonst tut.
Deshalb betäuben wir uns, machen so weiter und denken, es geht schon irgendwie weiter. Dabei ist die Frage nach der Erlösung zentral: Wie komme ich heraus? Lässt Gott diese Welt laufen, oder gibt es eine Gerechtigkeit Gottes?
Das sind zentrale Fragen. Ich freue mich, dass ich in den nächsten Tagen mit Ihnen ein Stück weit in diese Zentralfragen des Römerbriefs hineingehen darf.
Weitere Informationen zu den Heiligen in Rom und Schlussgedanken
Nächster Abschnitt noch, wir haben noch drei Minuten. Wir wissen einiges über die Heiligen in Rom, an die der Brief gerichtet ist. Paulus kannte viele von ihnen, aber auch manche nicht. In der Welthauptstadt sind viele Menschen zusammengeströmt.
Wir wissen auch einiges über Paulus, den Verfasser des Römerbriefs. Ich habe ein paar Bibelstellen zusammengetragen, damit Sie heute Abend auch noch etwas zu tun haben. Paulus schuldet den Heiligen in Rom das ganze und klare Evangelium. Es geht darum, mit Jesus aus dem Glauben zu leben. Er will gerade in Rom Frucht schaffen.
Lassen Sie sich nicht herausbringen, wenn manches harte Kost ist. Im geistlichen Leben ist es nicht anders als im geistigen: Wir leben nicht nur von Bildern. Manches muss erst in die Ohren kommen. Dann geht es in unseren Verstand. Dort müssen wir es bewegen. Manches sickert auch in unser Herz oder Gewissen und bringt dort Frucht.
Manches hören wir zum ersten Mal und werden es nicht sofort begreifen. Trotzdem ist es ein Einstieg. Ich freue mich, dass wir miteinander an diese zentrale Aufgabe gehen können. Jetzt besprechen wir die wichtigen Kapitel, die kommen. Paulus „durchkonjugiert“ darin, warum so viel Schlechtigkeit in der Welt ist.
Hat Gott da nicht aufgepasst? Die Frage nach der Gerechtigkeit: Hat Gott nicht die Bremsen reingehauen? Wo? Gott muss doch irgendwo eingreifen. Das erinnert an die Ölraffinerie, die Benzinraffinerie in Karlsruhe, bei der es eine Explosion gab. Jeder fragt, der Zeitung liest: Haben die das nicht vorher gemerkt? Gab es keinen Hausmeister, der das abstellen konnte?
So fragen Menschen auch Gott: Warum gibt es all die Pannen? Warum ist das moralische Durcheinander da? Warum ist das sexuelle Durcheinander da? Das wird behandelt in Römer 1,18.
Wenn dann jemand sagt: „Die Welt ist doch nicht bloß schlecht. Ich weiß gar nicht, wo man über all die Schlechtigkeiten reden soll. Es gibt doch auch anständige Menschen. Es gibt Immanuel Kant, Helmut Schmidt und Willy Brandt, die Vorbilder waren. Und unser Ministerpräsident ist auch nicht so schlecht.“
Dann sagt Paulus: „Jetzt will ich euch mal einiges sagen, wie das mit den guten Menschen ist, mit den Philosophen und Lehrern, die wir gehabt haben, die Vorbilder waren.“ Wie es hinter denen in ihrem Leben ausgesehen hat, das werden wir in den nächsten Tagen durchkonjugieren.
Ich freue mich darauf und möchte jetzt mit Ihnen noch ein Gebet sprechen.
Herr Jesus, vielen Dank, dass Du unser menschliches Sehnen nach Erlösung gehört hast und dass Du gekommen bist als der Erlöser.
Jetzt lass Deine erlösende Macht bei uns auch bis zu unserem Verstand und bis zu unserem Herzen durchdringen, dass wir begreifen, wie herrlich und verlässlich das ist, was Du uns durch Deinen Apostel Paulus mitteilen lassen willst.
Hilf uns, fest im Glauben zu werden und neu das ernst zu nehmen, dass Du Dich mit uns verloben willst in Ewigkeit. Amen.