Zweierlei Gebet
Es gibt zwei Arten des Gebets, die sich grundlegend unterscheiden. Zum einen das Gebet, das aus tiefster Not und Verzweiflung hervorgeht, wenn der Mensch sich in einer ausweglosen Lage befindet. Dieses Gebet ist oft impulsiv und emotional, es ist ein Hilferuf, der aus der Seele dringt. Es ist ein inständiges Flehen um Rettung und Beistand, das sich in der Regel spontan und ohne große Vorbereitung äußert.
Zum anderen gibt es das Gebet, das aus einem tiefen Glauben und Vertrauen heraus entsteht. Dieses Gebet ist geprägt von Ruhe und Zuversicht. Es ist ein bewusster Dialog mit Gott, der nicht nur Bitten, sondern auch Dank und Lob umfasst. In diesem Gebet spiegelt sich eine innere Haltung wider, die auf der Gewissheit beruht, dass Gott hört und antwortet. Es ist ein Ausdruck der Beziehung zwischen Mensch und Gott, die auf Liebe und Vertrauen gründet.
Beide Gebetsformen haben ihre Berechtigung und ihren Platz im Leben eines Gläubigen. Das erste Gebet zeigt die menschliche Schwäche und die Abhängigkeit von Gottes Hilfe. Das zweite Gebet hingegen offenbart die geistliche Reife und das Vertrauen in Gottes Führung. Zusammen bilden sie ein umfassendes Bild des Gebetslebens, das sowohl die Not als auch die Hoffnung umfasst.
In der Bibel finden sich zahlreiche Beispiele für beide Arten des Gebets. So fleht zum Beispiel der Psalmist in seiner Not um Gottes Beistand (Psalm 22,2-3), während Paulus im Neuen Testament zu einem Gebet der Dankbarkeit und des Lobes aufruft (Philipper 4,6-7). Diese Vielfalt zeigt, dass Gebet ein lebendiger und dynamischer Prozess ist, der sich an die jeweilige Lebenssituation anpasst.
Letztlich ist das Gebet ein Ausdruck der Beziehung zu Gott, die sich in allen Lebenslagen zeigt. Es ist ein Weg, der von der Verzweiflung zur Zuversicht führen kann, von der Not zum Frieden. So wird das Gebet zu einem wichtigen Element im Glaubensleben, das Trost spendet und Kraft gibt.
Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten: einer war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner (Lukas 18,10).
Der Herr Christus selbst hat uns das Gleichnis über den Pharisäer und den Zöllner erzählt, die beide im Tempel beten wollten.
Der Pharisäer kommt zu Gott mit seinen Werken und sagt: „Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die anderen Leute – Räuber, Ungerechte, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich habe.“
Oh, welch ein gewaltiger Heiliger! Niemand kann ihm etwas nachsagen, außer seiner abgöttischen Vermessenheit und seinem Hochmut.
Er kommt tatsächlich stolz daher und rühmt nicht die Gnade, sondern sein eigenes Fasten und seine guten Werke.
Irgendwo dort hinten steht der arme Zöllner, der weder Verdienste noch Werke vorweisen kann. Er hat nichts vorzubringen, außer dass er frei heraus bekennt, ein Sünder zu sein.
Genau deshalb kommt er und bittet um Gnade. Er hat nichts, was er bringen könnte, sondern muss sich alles von Gott schenken lassen.
Nach Christi unfehlbarem Urteil ist dieser Zöllner gerechtfertigt nach Hause gegangen. Der Pharisäer hingegen blieb mitsamt seiner Heiligkeit und seinen Werken verdammt. Er war nicht einmal wert, dem Zöllner das Wasser zu reichen.
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