Einleitung und Thematische Einordnung
Wenn ich wüsste, wie das hier abläuft, hätte ich das Thema vielleicht genannt. Ich glaube, ich spüre es irgendwo zwischen Schlammschlacht und großartigem Lobpreis. Es gibt hier eine riesige Bandbreite an unterschiedlichen Erfahrungen.
Ich weiß nicht, ob die Jungs schon einmal erlebt haben, wie es ist, sich durch den Schlamm zu kämpfen. Das hat eine sehr greifbare Dimension des Glaubens.
Vielen Dank auch euch für die Einleitung mit diesem wunderschönen Lied.
Worum geht es eigentlich in diesem Seminar? Ich möchte das ein wenig erklären und einige Eindrücke sowie Erlebnisse teilen, um zu zeigen, worum es eigentlich geht, wenn wir darüber schreiben: „Ich glaube, ich fühle es nicht mehr – Christsein zwischen Verkopfung und Gefühlsduselei.“
Beobachtungen zum modernen Christsein
Ich beginne mit ein paar Beobachtungen. Eine davon habe ich bereits vor einigen Jahren in einem Seminar im großen Zelt bei einer Konferenz erwähnt. Ein junges Mädchen gab dort ein Zeugnis mit dem Titel „Gott schenkt mir ein Abenteuer“.
Sie hatte folgendes Gebet gesprochen: „Herr, ich möchte von dir ein Abenteuer haben. Ich möchte etwas ganz Besonderes, etwas ganz Außerordentliches erleben mit dir, das mir einen echten Kick gibt.“
Ich habe erzählt, dass der Kick, den Gott ihr gegeben hat, das Abenteuer, das sie erleben musste, der Tod ihrer sehr geliebten Großmutter war. Dieses Abenteuer hat sie nicht bewältigen können.
Heute betrachten wir Christsein oft als eine Art Erlebnispark, häufig wie einen Adventurepark. Egal ob man jetzt nach Tripsdrill geht, ins Legoland, in den Europapark oder wohin auch immer – Christsein wird häufig als ein Swingen von Abenteuer zu Abenteuer verstanden. Man erwartet berauschende Erlebnisse, Wunder und spannende Erfahrungen.
Wir haben viele junge Menschen, die Abenteuerreisen unternehmen und dabei manchmal wirklich abenteuerliche Erfahrungen machen. Allerdings fallen sie auch oft auf dramatische Weise auf die Schnauze. In solchen Situationen kann man nur Gott loben und danken, dass sie es überhaupt überlebt haben.
Dieses Christsein als Abenteuerpark ist etwas sehr Modernes. Wenn wir jedoch hundert Jahre zurückblicken, sah das Leben der Menschen hier in unseren Breitengraden ganz anders aus.
Ich wohne im Schwarzwald. Vor hundert Jahren haben die Menschen dort ihr Leben buchstäblich mit den Fingernägeln von der Ackerkrume gekratzt. So bitterarm war diese Gegend, so erbärmlich dürftig das Leben. Es gab keine Bodenschätze, keine Industrie. Man hat aus einem kümmerlich kargen Boden, zumindest im Schwarzwald, das Leben buchstäblich von der Ackerkrume gekratzt.
Das Gebet, das die Menschen damals gesprochen haben, war: „Unser täglich Brot gib uns heute.“ Man war sehr dankbar, wenn man jeden Tag etwas auf dem Tisch hatte. Es gab nicht wenige Tage, an denen man nur sehr wenig oder manchmal gar nichts zu essen hatte.
Ich möchte diese beiden Beispiele einander gegenüberstellen, um zu zeigen, wie stark sich unser Bewusstsein verändert hat. Dabei wird auch deutlich, wie sehr wir von einer Umwelt geprägt sind, die aus der Fülle lebt.
Eurokrise hin, Eurokrise her – wir leben heute in einem unglaublichen Reichtum. Diese Unterschiede möchte ich einmal gegenüberstellen.
Damals hat man die Güte Gottes im Angesicht der Armut geschmeckt, heute fragen wir nach den Abenteuern des Lebens.
Sehnsucht nach besonderen Erfahrungen und Frustration
Eine zweite Beobachtung
Wir haben eine große Sehnsucht, besondere Erfahrungen mit Jesus oder mit Gott zu machen. Ich hatte einmal einen Studenten, der im Sommer eine Freizeitgruppe geleitet hat – eine Freizeit in Norwegen. Während dieser Freizeit haben sie eine Tageswanderung unternommen. Sie sind losgezogen mit Felsspuren, Rucksack und so weiter – eine große, richtig tolle Wanderung durch die norwegische Natur.
Auf dieser Wanderung kamen sie ins Gespräch: Warum ist das heute anders als damals bei Jesus? Die Jünger, die mit Jesus unterwegs waren, haben phantastische Wunder erlebt. Sie haben gesehen, wie Jesus aus fünf Broten und zwei Fischen fünftausend Menschen satt gemacht hat. Sie haben erlebt, wie Jesus auf dem Wasser ging, und als Petrus es auch versuchen wollte, hat Jesus ihn zu sich gerufen. Petrus konnte ebenfalls auf dem Wasser gehen.
Woran liegt es, dass wir heute ganz andere Erfahrungen machen? Vielleicht schlichtere, alltäglichere, normale Erfahrungen? Warum fehlt uns diese außergewöhnliche Erfahrung von Wundern, verglichen mit dem, was wir in den Evangelien des Neuen Testaments lesen?
Die Gruppe überlegte und diskutierte heftig. Die Wanderung führte sie an einem See vorbei. In diesem See ragte ein Steg, ein Bootssteg, heraus. Sie setzten sich darauf und sagten: Wenn das damals so war – wenn man richtig geglaubt hat, also nicht nur ein bisschen normal, sondern wirklich fest – dann müsste das doch heute auch funktionieren. Wenn wir richtig glauben, dann müssten wir auch auf dem Wasser gehen können.
Was machten sie? Sie setzten sich auf den Bootssteg und beteten richtig, nicht nur ein bisschen oberflächlich, sondern ernsthaft. Sie baten Gott, ihnen die Kraft zu geben, auf dem Wasser zu gehen. Dann glaubten sie fest daran.
Der Erste, der den Mut hatte, ging an den Bootssteg, trat auf das Wasser – und was soll ich sagen? Er sank sofort. Jetzt könnte man denken, dass gerade er nicht richtig geglaubt hat. Vielleicht zweifelte er doch ein wenig in seinem Herzen. Man weiß ja nie, man kann ja nicht in das Herz eines anderen schauen.
Der Nächste glaubte dann richtig fest. Er ging zum Bootssteg, trat aufs Wasser – und wusch! Er sank ebenfalls vollständig unter.
Ich mache es kurz: Am Ende saß die ganze Gruppe völlig durchnässt wieder auf dem Bootssteg. Sie waren alle untergegangen bei ihrem Versuch und ziemlich ratlos. Was war das eigentlich? Wir haben doch richtig geglaubt, wir haben doch richtig gebetet – warum hat es nicht funktioniert?
Sie waren einigermaßen ratlos. Ich glaube, das, was diese Gruppe bei der Freizeit am See in Norwegen erlebt hat, ist beispielhaft, man könnte sogar sagen mustergültig und paradigmatisch für unsere heutige Generation.
Da ist eine glühende Leidenschaft, und das fasziniert mich wirklich an eurer Generation: eine glühende Leidenschaft, etwas für Jesus zu tun, eine glühende Leidenschaft, offensiv Menschen von Jesus zu erzählen, eine glühende Leidenschaft, Christsein offensiv nach außen zu leben.
Dazu gehört auch eine lebendige Erwartung von Wundern. Aber manchmal – und das gilt für fast alle Anwesenden – gibt es auch eine relativ geringe Frustrationstoleranz. Das heißt, eine eher geringe Fähigkeit, mit enttäuschenden Erfahrungen umzugehen. Wie komme ich damit klar, wenn die Dinge nicht so laufen, wie ich es mir vorgestellt habe? Manchmal fehlt das nötige Know-how, um mit Enttäuschungen umzugehen.
Erleben als Voraussetzung für Glauben und chaotische Führungstheologien
Das ist eine zweite Beobachtung, eine dritte Beobachtung.
Wir glauben heute, dass Dinge nur dann etwas gelten, wenn wir sie selbst erlebt haben. Deshalb haben viele junge Christen ein echtes Problem, wenn sie als Säuglinge oder Kinder getauft wurden. Sie können sich nicht mehr daran erinnern und sagen: Es gilt doch nur, wenn ich es erlebt habe. Es gilt doch nur, wenn ich wirklich nass geworden bin und wirklich gespürt habe, dass ich unter Wasser bin. Nur dann gilt etwas. Es gilt nur, wenn meine Gefühle dabei waren. Es gilt nur, wenn ich mich daran erinnern kann, sonst gilt es nicht.
Wir wollen etwas spüren, fühlen, erfahren. Dann wiederholen wir die Dinge. Manchmal nicht nur einmal, sondern mehrfach, weil die Erinnerung mit der Zeit verblasst. Dann muss sie wieder aufgefrischt werden, damit ich wirklich weiß, dass ich ein eingetauftes Kind Gottes bin.
Eine vierte Beobachtung: Ich bin Seminardirektor im theologischen Seminar der Liebenzeller Mission. Das heißt, jedes Jahr sitzen locker ein Dutzend bis zwanzig junge Menschen vor mir zu Bewerbungsgesprächen. Dabei nehme ich immer wieder wahr, dass solche Bewerbungsverfahren absolut chaotisch verlaufen.
Wir hatten vor ein paar Jahren einen Fall, bei dem eine Bewerberin sagte: „Also, ich bewerbe mich hier, aber damit Sie es gleich wissen: Ich komme nur zu Ihnen, wenn die mich nicht nehmen. Wenn die mich nehmen, gehe ich zu denen, vorausgesetzt, die anderen nehmen mich auch nicht, weil ich ja offen sein will für die Führung Gottes.“
Es war dann elends chaotisch. Wir machen jedes Jahr die Erfahrung, dass wir oft erst am ersten September wissen, wenn das Schuljahr beziehungsweise das Semester losgeht, wer am Ende wirklich da sitzt und wer nicht. Wir haben ganz chaotische Bewerbungsverfahren, weil wir ganz chaotische Führungstheologien haben.
Also habe ich zu meinen Kollegen gesagt: Entweder führt Gott nicht mehr so gut wie früher, oder wir haben eine chaotische Theologie der Führung. Mittlerweile neige ich zur Vermutung, dass das Zweite stimmt. Wir haben manchmal ein irrsinniges Verständnis davon, wie Gott führt und wie er nicht führt. Wir machen die Führung Gottes von unserer Tagesform abhängig, von irgendwelchen sehr banalen, zufälligen Zeichen, die so oder so laufen. Dann interpretieren wir diese Zeichen als Daumen hoch oder Daumen runter, als „mach das“ oder „lass es“.
Dabei entstehen sehr chaotische Lebensläufe und sehr chaotische Prozesse. Für uns ist das eine kleinere Geschichte. Schade ist es, wenn die Leute dann nicht da sind. Manchmal sind überraschend Leute da, die sich gar nicht beworben haben. Aber so läuft es manchmal eben sehr chaotisch.
Orientierungssuche in der Vielfalt der Möglichkeiten
Eine fünfte Beobachtung: Die bestbesuchten Seminarthemen bei allen christlichen Veranstaltungen
Heute ist das Thema Führung Gottes besonders gefragt. Es geht darum, wie man die Peilung für sein Leben findet, wie man Orientierung erhält. Dieses Thema trägt verschiedene Namen, doch im Kern geht es darum, herauszufinden, was Gott eigentlich für das eigene Leben will.
Dort, wo es um Führung und Lebensplanung geht, sind die Veranstaltungen in der Regel gut besucht. Es könnte sein, dass auch diese Veranstaltung in diese Kategorie fällt. Das Zelt ist voll, weil es hier ebenfalls um die Frage geht: Wie finde ich Orientierung, eine Peilung, ein Wissen darüber, wie es in meinem Leben weitergehen soll?
Ich möchte das noch einmal mit einem Beispiel verdeutlichen und einen Kontrast setzen. Wir befinden uns heute in der beklemmenden Situation, dass ein junger Mensch, der das Abitur gemacht hat, 23 Berufsmöglichkeiten hat. Herzlichen Glückwunsch, ich kann euch nur gratulieren! Das Problem ist: Wie finde ich heraus, welche eine dieser 23 Berufsmöglichkeiten die richtige für mich ist? Das ist die Not, das ist das Problem.
Wenn ich das Leben meines Vaters betrachte, merke ich, dass er nie bei einer Berufsberatung war. Bis zu seinem 35. Lebensjahr konnte er keine substanzielle Entscheidung seines Lebens selbst treffen. Mein Vater wurde am Schwarzen Meer geboren. Er gehörte zur deutschen Landsmannschaft der Bessarabiendeutschen. Das war eine Aussiedlergruppe, die sich im 19. Jahrhundert aufgemacht hatte, das Schwarze Meer zu besiedeln. Er war der älteste Sohn eines Großbauern. Es war klar, dass er den Hof übernehmen musste; er musste nie fragen, was er beruflich machen sollte.
Dann aber schlossen 1938 oder 1939 Hitler und Stalin einen verrückten Pakt und beschlossen, dass dieses Land an die Russen fällt und alle Deutschen ausziehen müssen. Mein Vater wurde nicht gefragt, ob er gehen will. Eigentlich war er darauf gepolt, Großbauer zu werden, doch nun musste er heimkehren.
Dann begann Hitler den verrückten Krieg. Mein Vater wurde nicht gefragt, ob er Soldat werden möchte oder Lust habe, an die Front zu gehen. Er wurde einfach abkommandiert. Im Krieg verlor er seinen linken Arm und kam schwer verwundet zurück. All diese Dinge waren Entscheidungen, bei denen er nichts zu melden hatte. Er wurde nie gefragt und musste kein Seminar besuchen, um den Willen Gottes für sein Leben zu erkennen.
Mein Vater hätte ein Seminar gebraucht, das ihm zeigt, wie er die schwierigen Dinge seines Lebens bewältigen kann, für die er nichts konnte. Über ihn wurde entschieden, er konnte nichts entscheiden. Wie kommt man damit klar?
Nun wird deutlich, wie sich innerhalb von 50 Jahren die Dinge komplett gewandelt haben. Von einer Generation, die gerne gefragt hätte, was sie tun möchte, zu einer Generation, die maßlos überfordert ist mit der Frage: Wo soll es eigentlich hingehen mit meinem Leben angesichts der tausend Optionen, der tausend Möglichkeiten, die sich auftun?
Wie treffe ich Entscheidungen? Das ist eine Grundfrage der Gegenwart.
Erleben als Maßstab und die Herausforderung des Glaubens
Und eine sechste Beobachtung: Ein Student hat mir das einmal ganz direkt gesagt. Er meinte: „Weißt du, Geckle, hör mal her: Was ich nicht erleben kann, ist nicht wirklich. Was ich nicht erleben, erfahren oder spüren kann, das ist nicht wirklich, das gibt es nicht.“
Er meinte das hoch fromm und hoch geistlich. Doch eigentlich ist das ein tief atheistisch geprägter Satz. Warum? Weil fast alle wichtigen Dinge zwischen Himmel und Erde können wir nicht spüren.
Hans-Joachim Eckstein hat diesen Punkt einmal so beschrieben, um unser neuzeitliches Phänomen zu erklären – also das Phänomen der Zeit, in der wir leben. Es ist die Fixierung auf die Phänomene, auf das, was wir sehen, hören, spüren oder riechen können, also das, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen.
Wir reduzieren die Wirklichkeit auf das, was wir mit unseren Sinnen erfassen können. Ebenso reduzieren wir die Wirklichkeit Gottes auf das, was wir mit unseren Sinnen greifen können. Alles, was wir nicht erleben oder erfahren können, dem sprechen wir die Existenz ab, dem sprechen wir die Wirklichkeit ab.
Wir entscheiden die Frage, ob Gott da ist, ob Gott uns nahe ist, danach, ob wir ihn gerade hier und jetzt spüren können. Wir entscheiden das nicht mehr anhand der Zusagen, die Gott uns in seinem Wort gegeben hat, sondern anhand von Zeichen, die wir gerade so spüren oder interpretieren können – oder eben nicht.
Wir entscheiden das anhand der gefühlten Erfahrung mit Gott. Sechs Beobachtungen.
Biblische Akzente: Die Geschichte vom sinkenden Petrus
Und jetzt möchte ich in einem zweiten Punkt zwei biblische Akzente in den Mittelpunkt stellen. Es sind zwei Geschichten, und ich hoffe, ihr kennt sie alle ganz gut. Ich habe jetzt nicht die Zeit, sie ausführlich zu lesen, aber ich denke, ihr habt sie vielleicht schon einmal in eurem Repertoire oder in irgendeiner Jungschar gehört.
Die eine Geschichte ist die vom sinkenden Petrus, die schon in dem Beispiel mit der Norwegen-Freizeit erwähnt wurde. Ihr kennt die Geschichte: Jesus kommt mitten in einer Sturmnacht. Die Jünger sind im Boot, und er kommt ihnen auf dem See entgegen. Die Jünger schreien, sie halten ihn für ein Gespenst und sind in panischer Angst.
Dann bekommt Petrus einen Mutanfall und sagt: „Jesus, wenn du es wirklich bist, dann befiehl mir, dass ich zu dir kommen kann.“ Er weiß, wie die Geschichte weitergeht. Er tritt aus dem Boot, und tatsächlich hält ihn das Wasser, solange er auf Jesus sieht, solange er auf Jesus ausgerichtet ist. Das Wasser trägt ihn. In dem Moment aber, in dem er die Wellen, die Wogen, das Meer und den Wind anschaut, also auf die bedrohlichen Umstände sieht, da sinkt Petrus ab.
Was lernen wir aus dieser Geschichte? Was unterscheidet die Geschichte vom sinkenden Petrus von der Norwegen-Freizeit? Das ist eine interessante Frage. Was war damals auf dem See Genezareth anders als bei der Norwegen-Freizeit? Ich möchte euch ein paar Elemente nennen.
Erstens: Für Petrus war das kein Freizeitevent, kein tolles Happening mit einem Jesus-Wunder-Erlebnis. Diese Jünger waren verzweifelt in dieser Nacht. Petrus suchte in dieser Nacht nach einer großen Vergewisserung seines Lebens: „Herr, bist du es oder bist du ein Gespenst?“ Hier war panische Angst im Spiel. Es ging nicht um ein geistliches Abenteuer mit einem Extra-Kick für den Glauben, sondern um eine tiefe Not, die durch dieses Zeichen behoben werden sollte.
Zweitens fällt auf, dass Petrus nicht aus eigenem Antrieb aus dem Boot steigt. Er wartet darauf, dass er einen Befehl von Jesus bekommt. Er wartet auf eine Weisung und einen Befehl: „Herr, befiehlst du mir?“ Und wenn Jesus ihm diesen Befehl gibt, dann kann er es wagen – auf Jesu Wort hin, aber nicht auf eigene Rechnung.
Wir können uns nicht einfach irgendein schönes Jesus-Abenteuer ausdenken und sagen: „Jesus, dieses Abenteuer hätte ich gern. Bitte mach mir den Partyservice, mach mir den Adventureservice und lass mich das erleben“, so wie man eine Flugreise oder eine Freizeit bucht. So etwas funktioniert nicht. Wir brauchen ein Wort Jesu, auf das wir uns berufen können.
Drittens ist interessant, dass die anderen Jünger nicht auf die gleiche Idee gekommen sind. Es war ja nicht nur Petrus im Boot. Als Petrus auf dem Wasser steht, sind alle anderen erstaunt. Aber keiner von ihnen kommt auf den Gedanken: „Hey, komm, jetzt springen wir alle raus und tanzen einen Tango-Ballettanz auf dem See Genezareth.“ Sie bleiben alle im Boot, weil sie nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass das, was Petrus kann, sie auch können. Wenn dem einen das gewährt wird, bedeutet das noch lange nicht, dass es automatisch auch uns widerfährt.
Was bedeutet das heute? Immer wieder gehen durch die fromme Presse und die Medienwelt Geschichten, in denen irgendwo auf der Welt besondere Dinge geschehen sind, wo Gott Wunder getan haben soll, Menschen geheilt wurden usw. Das kann durchaus so sein, zum Beispiel in Afrika. Interessant ist aber vor allem, dass es oft in Amerika passiert und immer die gleichen Gemeinden betroffen sind.
Gott kann auf der Welt ganz unterschiedliche Dinge tun. Der Kurzschluss, den wir oft ziehen, ist: „Wenn das in Amerika in diesem Kaff passiert, müsste das doch auch bei uns in Altenstädten, in Eidlingen, in Waldorf-Häslach oder wo auch immer passieren.“ Warum? Gott ist frei in seinem Handeln. Wenn er in Afrika außerordentliche Dinge geschehen lässt – was ich überhaupt nicht leugne –, bedeutet das nicht, dass das bei uns in Eidlingen oder anderswo in gleicher Weise passieren muss. Gott ist völlig frei, wo und auf welche Art und Weise er etwas geschehen lässt – und was nicht.
Ich möchte noch eine dritte Beobachtung machen. Aufmerksamen Bibellesern ist vielleicht etwas aufgefallen – ich weiß nicht, ob ihr das schon einmal bemerkt habt: In der Bibel gibt es drei außerordentliche Wunderphasen. Wunder sind nicht gleichmäßig verteilt, sondern es gibt drei Phasen, in denen außergewöhnliche Wunder geschehen sind.
Das war bei Mose und seinem Nachfolger Josua, dort werden große Wunder berichtet. Das war bei Elija und seinem Nachfolger Elisa. Und es war bei Jesus und seinen nachfolgenden Aposteln. In diesen drei Phasen erleben wir in der Heiligen Schrift eine außerordentliche Fülle besonderer Wundertaten.
Das heißt nicht, dass dazwischen, vorher oder nachher keine Wunder passieren würden. Ich bin überzeugt, dass Gott auch heute noch außerordentliche Wunder tut. Aber das bedeutet, dass Gott ganz bestimmte Epochen kennt, in denen er in außergewöhnlicher Weise sehr viele Wunder tut.
Wir können nicht erwarten, dass er das gleichmäßig über die Geschichte verteilt oder gleichmäßig um den ganzen Globus herum. Wir können nicht mit dem Anspruch auftreten: „Hey Gott, es muss in meinem Jugendkreis genauso zugehen wie damals bei deinen Jüngern. Es muss in meinem Jugendkreis genauso zugehen wie bei Elija oder Elisa.“ Diesen Anspruch können wir nicht formulieren.
Über die meiste Zeit der Weltgeschichte handelt Gott relativ normal. Manchmal geschehen große Wunder, aber meistens oder oft geht es so zu, wie eure Weltwirklichkeit auch ist, wie eure Erfahrung auch ist: Gott handelt in ganz normaler Weise im Rahmen unserer Naturgesetze und durchbricht diese nur sehr selten.
Das ist auch eine Wahrnehmung, die wir in den Blick nehmen müssen. Wir können also nicht einfach sagen: Wenn Petrus und Co. damals diese große Masse von Wundern erlebt haben, müssten wir das auch erleben können. Nein, Gott hat an keiner Stelle in der Heiligen Schrift einfach so etwas verheißen.
Das heißt, wir können damit rechnen, dass Gott immer noch Wunder tut. Aber wir dürfen nicht erwarten, dass es in der gleichen Dichte und Fülle passiert wie damals im Neuen Testament.
Biblische Akzente: Die Geschichte vom zweifelnden Thomas
Ich möchte noch kurz auf eine zweite Geschichte hinweisen: die Geschichte vom zweifelnden Thomas. Ihr kennt sie sicher. Jesus ist auferstanden. Am ersten Tag der Auferstehung erscheint er seinen Jüngern. Petrus war nicht dabei, und die Jünger erzählen Thomas davon. Thomas war ebenfalls nicht dabei. Thomas hört die Geschichten, glaubt aber nicht. Das kann man verstehen. Wahrscheinlich wären wir genauso skeptisch gewesen.
Eine Woche später ist die Gruppe wieder versammelt, und diesmal ist Thomas dabei. Jesus erscheint erneut. Jetzt ist auch Thomas an der Reihe. Er darf Jesus berühren, seine Finger in die Nägelwunden legen und in die Seitenwunde. So kann auch er wirklich glauben, dass Jesus auferstanden ist.
Dann sagt Jesus zu Thomas, und das ist interessant: „Sei nicht ungläubig, sondern gläubig.“ Warum sagt Jesus das zu Thomas, der gerade seine Finger in die Wundmale gelegt hat? Es bedeutet, dass die Erfahrung, die Thomas gemacht hat, nicht ausreicht, um den Glauben zu ersetzen. Der Glaube muss zu dieser Erfahrung hinzukommen. Die Erfahrung soll ihn zum Glauben führen. Und tatsächlich führt sie Thomas zu dem Bekenntnis: „Mein Herr und mein Gott.“ Plötzlich ist er überzeugt von der Göttlichkeit Jesu Christi.
Am Ende der Geschichte kommt die Moral. Jesus sagt nicht zu Thomas: „Selig sind alle, die durch eine solche Erfahrung zum Glauben kommen.“ Nein, das sagt Jesus nicht. Er sagt nicht: „Selig sind alle, die das Gleiche erleben wie du, die mich als den Auferstandenen sehen und berühren dürfen.“ Stattdessen sagt Jesus: „Selig sind die, die das alles nicht erleben.“ Selig sind diejenigen, die mich nicht als den Auferstandenen sichtbar wahrnehmen. Selig sind die, die nicht in meine Nägelmale greifen können. Selig seid ihr, die nicht sehen und trotzdem glauben.
Schon im hohenpriesterlichen Gebet hat Jesus für all jene gebetet, die damals nicht bei diesen Ereignissen in Galiläa dabei waren. Er hat für die gebetet, die das alles nicht mitbekommen haben, aber durch das Wort der Apostel und derer, die durch die Apostel zum Glauben gekommen sind, glauben.
Gott hat für uns gebetet. Jesus hat für uns gebetet – für die Menschen, die heute in Eidlingen von ihm hören, die ihn nicht sehen und trotzdem genau wie die Jünger damals zum Glauben kommen sollen.
Das ist die Geschichte vom zweifelnden Thomas.
Die Suche nach Jesus heute: Alttestamentliche und neutestamentliche Antworten
Es ergibt sich aber die nächste Frage: Wenn das alles nicht mehr so ist wie damals, wenn unsere Situation eine andere ist als die der Jünger, die mit Jesus unterwegs waren – wo und wie kann ich dann heute Jesus begegnen? Wie funktioniert das heute? Wie kann ich in eine lebendige Beziehung mit Jesus Christus kommen?
Ich habe jetzt eine alttestamentliche Antwort und einige neutestamentliche Antworten. Ich möchte zunächst auf eine alttestamentliche Antwort eingehen.
Damals stellte sich ebenfalls die Frage, wie man mit Gott in Berührung kommen kann. Der Prophet Amos sagt: „Sucht mich, so werdet ihr leben.“ Wie kann ich Leben finden? Leben mit Gott, Leben aus Gott. Amos sagt: „Sucht mich, so werdet ihr leben“ – ein Gotteswort im Munde des Amos.
Der Kontext ist folgender: In Gilgal, einer Stadt in Israel, stand ein Denkmal der Landgabe. In Bethel stand das Haus Gottes, in Erinnerung an die Traumvision von Jakob. Das waren große Heiligtümer in Israel. Damals pilgerten Tausende von Israeliten zu diesen Heiligtümern. Sie gingen dorthin, weil sie den großen geistlichen Kick suchten. Sie wollten in dieser Kultzeremonie Gott erleben.
Und jetzt sagt dieser Prophet Amos: Sucht nicht in Gilgal, geht nicht nach Bethel, geht nicht dorthin, wo das fromme Remidemi abgeht, sondern sucht Gott, so werdet ihr leben.
Was heißt aber „Gott suchen“? Diese Formulierung „Sucht Gott“ bedeutet, Gott im prophetischen Wort zu suchen. Damals hatten sie noch keine Bibel, wie wir sie heute haben. Aber Gott hatte damals Propheten erweckt, die dem Volk das Wort Gottes sagten.
Amos sagt: Sucht Gott im prophetischen Wort, sucht Gott bei den Menschen, zu denen ich spreche und die euch in meinem Namen das Wort Gottes weitersagen. „Sucht wieder“ – so könnte man es übersetzen – „sucht wieder das Wort des Herrn, denn dort in meinem Wort will ich mich von euch finden lassen.“
Das heißt: Gott lässt sich finden in der Mitte unseres Lebens, nicht an den Rändern unseres Lebens.
Ich finde es großartig, dass ihr nach Eidlingen gekommen seid. Ich bin ja auch gekommen und finde es faszinierend, was wir hier erleben und was wir miteinander haben. Aber Eidlingen ist ein Sonderfall, Eidlingen ist Ausnahmezustand, Eidlingen ist nicht der Alltag.
Die Herausforderung für uns alle ist es, dass wir am Dienstag wieder Gott in der Mitte unseres Alltags finden.
Wenn man Gott nur in Eidlingen findet, wenn man Gott nur auf den großen Konferenzen und Happenings erlebt, dann habt ihr einen falschen Gott kennengelernt. Dann habt ihr nicht den Vater Jesu Christi kennengelernt.
Der Gott, der uns hier begegnen möchte, will euch vor allem dann am Dienstag wieder im Alltag begegnen. Er möchte euch in den schwierigen Situationen, in den Spannungssituationen des Alltags begegnen.
Und dort will er sich von euch finden lassen – nicht nur an den Rändern des Lebens, nicht nur an den Jugendkreisabenden, in den tollen Gottesdiensten oder bei den großen Treffen.
In der Mitte deines Lebens, da, wo es wehtut, da, wo es mit deinen Eltern schwierig ist, wo es vielleicht mit deiner Freundin oder deinem Freund schwierig ist, wo es mit dem Lebenspartner oder Ehepartner klemmt, da, wo es im Beruf schwierig zugeht – da will er sich von euch finden lassen.
Da ist er, da wartet er auf euch. Und dort möchte er euch lebendige Erfahrungen schenken.
Neutestamentliche Wege zur Begegnung mit Gott
Ein paar neutestamentliche Antworten
Paulus schreibt im Kolosserbrief: „Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen.“ Paulus benutzt hier den Begriff „wohnen“ und meint damit, eine Wohngemeinschaft mit Gott zu gründen. Er weiß, dass Menschen, mit denen man zusammenwohnt, einen verändern.
Ob du schon einmal eine studentische WG erlebt hast, weiß ich nicht. Aber wenn du in einer WG bist oder erst recht in einer Familie, wirst du von den Menschen dort verändert. Menschen, mit denen wir eng zusammenleben, prägen uns. Deshalb sagt Paulus: Wenn du Gott erleben möchtest, gründet eine WG mit dem Wort Gottes. Lass dieses Wort in deinen Alltag einziehen – und zwar reichlich, richtig satt.
Du wirst erleben: Eine WG mit dem Wort Gottes, eine Wohn- und Lebensgemeinschaft, in der dieses Wort einen Platz, eine Rolle und Raum in deinem Leben einnimmt. Dort wird es dich verändern, und du wirst ein anderer Mensch werden.
Ein zweites Bild: Jesus lädt Menschen ein, zu seinem Mahl zu kommen. Er sagt: „Kommt, denn es ist alles bereit.“ Jesus meint damit das Abendmahl. Wenn ihr das Mahl, das er gestiftet hat, in den Elementen von Brot und Wein feiert, sollt ihr wissen: Das ist von mir. Ich gebe mich euch, ich schenke mich euch ganz persönlich und direkt.
Wenn ihr beim Mahl steht und Jesus in Brot und Wein empfangt, dann ist er bei dir im Leben. Er wird ein Teil deines Lebens. Dort entsteht die tiefste Gemeinschaft, die es zwischen Menschen und Gott, seinem Sohn Jesus Christus, geben kann.
Ein ganz wichtiger Punkt: Der Apostel Paulus schreibt einmal diesen gigantischen und sehr wichtigen Satz: „Wir wandeln heute.“ Heute bedeutet die Zeit zwischen der Himmelfahrt Jesu und seiner sichtbaren Wiederkunft in Herrlichkeit. Wenn er einmal auf den Wolken des Himmels zurückkommen wird, auf diese Erde.
Zwischen diesen beiden Zeitpunkten – der Himmelfahrt und der Wiederkunft – leben wir auf dieser Welt im Glauben und nicht im Schauen. Die entscheidenden Dinge, die Gott in unserem Leben tut, können wir nicht sehen oder spüren.
Ich kann nicht sehen, dass Jesus mich durch sein Blut gerecht gemacht hat. Das muss ich glauben. Ich kann nicht sehen, dass mir die Vergebung aller meiner Schuld widerfahren ist. Ich muss glauben, dass, wenn Jesus mir das zusagt – „deine Schuld ist dir vergeben“ –, das gilt.
Ich kann es nicht sehen, ich kann es auch nicht spüren. Ich kann nicht sehen, dass Gott mich als Kind angenommen hat. Ich kann nicht sehen, dass ich ein Erbe aller himmlischen Güter geworden bin. Ich kann nicht sehen, dass mir alles einmal gehören wird und dass mir einmal die Herrschaft über diese Welt mit Jesus übertragen wird.
All das kann ich nicht sehen oder spüren. Ich muss mir diese Dinge zusagen lassen und sie im Glauben annehmen. All diese Dinge habe ich immer nur im Glauben greifbar – nicht im Gespür, nicht im Sehen, nicht im Hören.
Die entscheidenden Dinge zwischen Himmel und Erde bleiben unsichtbar. Bis zur Wiederkunft Jesu Christi wird es keine Beweise für die Wahrheit des Evangeliums geben. Noch einmal: Es wird bis zur Wiederkunft Jesu keine Beweise geben, dass das Evangelium wahr ist.
Man kann nach der Arche auf dem Berg Ararat suchen oder sonst irgendwelche Experimente anstellen, aber wir werden es den Menschen dieser Welt nicht beweisen können, dass Jesus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.
Wir müssen diese Dinge im Glauben annehmen und im Glauben verkündigen, und das reicht. Das ist genug, weil wir im Glauben wandeln, noch nicht im Schauen. Diese Zeit ist nicht zum Schauen da.
Wir werden einmal Gott sehen. Aber das wird dann sein, wenn wir in seinem Reich direkt mit ihm leben. Dann werden wir Gott sehen, wie er ist. Dann wird Gott sein alles und in allen.
Das ist heute noch nicht so. Heute sind wir herausgefordert zum Glauben, weil wir noch nichts schauen können.
Erleben und Wirkung des Heiligen Geistes
Jetzt stellt sich die berechtigte Frage: Herr Geckley, kann man denn gar nichts spüren? Kann man denn gar nichts erleben? Ist das alles sehr abstrakt und völlig unkonkret? Doch, man kann etwas erleben.
Ich kann im Glauben an Jesus Christus Frieden erfahren, Freude erleben und Geborgenheit spüren. Ich kann die Früchte des Heiligen Geistes sehen. Wie gesagt, ich kann den Heiligen Geist nicht sehen, aber ich kann seine Früchte wahrnehmen. Ich kann die Auswirkungen dessen erleben, was der Heilige Geist in meinem Leben und bei anderen Menschen tut. Ich nehme den Heiligen Geist durch seine Früchte wahr – das ist der Punkt.
Wie bekomme ich eigentlich den Heiligen Geist? Der Apostel Paulus gibt eine ganz schlichte Antwort: Du bekommst den Heiligen Geist durch die Predigt vom Glauben. Ein Mensch erzählt dir von Jesus Christus, ein Freund berichtet von seinem Leben mit Jesus, oder du hörst irgendwie das Evangelium. Dieses Evangelium wirkt in dir. Du erlebst, wie dieses Wort in dir wirkt, und dieses Wirken ist eine Wirkung des Heiligen Geistes.
Er benutzt das Wort Gottes und lässt dich nicht mehr los. Du merkst, dass dieses Wort eine Geschichte mit dir macht und dich verändert. Ich habe bei einer Evangelisation einmal eine junge Dichterin getroffen. Sie war nach meiner Predigt richtig wütend – wütend auf diesen blutigen Gott, der seinen Sohn ans Kreuz schlägt. Sie hatte alle Vorurteile und Klischees im Herzen und war voller Zorn.
Wir haben lange miteinander gesprochen. Dann bemerkte ich, dass sie anfing, mir E-Mails zu schreiben. In diesen E-Mails verfasste sie Gedichte. Von E-Mail zu E-Mail veränderten sich diese Gedichte. Ich schrieb nicht mehr viel zurück, sondern sagte nur: Dieses Wort wird in Ihrem Leben wirken. Da können Sie machen, was Sie wollen. Dieses Wort hat eine Selbstdurchsetzungskraft in sich.
Das Wort Gottes hat eine innere Dynamik, und das hängt mit dem Heiligen Geist zusammen. Dieses Wort hat eine verändernde Kraft. Das habe ich in den E-Mails dieser Frau erlebt, wo ein Gedicht nach dem anderen offener für Gott wurde.
Es ist schon ziemlich risikoreich, nach Eidlingen zu kommen. Ich weiß nicht, ob dir das gesagt wurde, aber eigentlich sollte man einen Warnhinweis im Programmheft anbringen. Es könnte wirklich sein, dass das Wort, das du hier hörst, in diesen Tagen eine verändernde Wirkung auf dich hat.
Das sind die Risiken und Nebenwirkungen eines Wochenendes in Eidlingen. Denn es hat eine Selbstdurchsetzungskraft, und Gottes guter Geist nimmt dieses Wort und legt es in dein Herz. Plötzlich merkst du: „Hey, dumm gelaufen, ich kann nicht mehr so weiterleben wie bisher. Ich muss mich verändern.“ Das könnte durchaus passieren.
Wie wirkt dieser Geist? Er schafft Erkenntnis in deinem Leben. Du begreifst Dinge, die du vorher nicht verstanden hast. Er schenkt dir den Drang, davon zu reden – man nennt das dann das Bekenntnis. Du merkst, dass du Dinge in deinem Leben verändern musst.
Gott heiligt dein Leben, indem er dich zu einer Lebensveränderung führt – in die Nachfolge. In deinem Leben produziert er Früchte des Geistes: Frieden, sodass du ruhiger wirst und deine Suche ein Ende findet; Freude, ein Leben, das von tiefer Freude erfüllt ist, unabhängig von äußeren Umständen; Geduld und vieles mehr.
Gott kann dir auch Gaben des Geistes geben. Das sind alles Auswirkungen, die Folgen dessen sind, was sein Wort mit diesem Geist in deinem Leben tut. Und das ist es, was ich meine.
Heute reduzieren wir das Wirken des Heiligen Geistes manchmal auf das unmittelbar Wahrnehmbare. Ich garantiere dir: Das, was du in deinem Leben als Früchte des Geistes spürst, ist nur die Spitze des Eisbergs dessen, was der Heilige Geist unspürbar in deinem Leben tut.
Der Heilige Geist wirkt viel mehr in deinem Leben, mit deinem Leben, als du spürbar wahrnehmen kannst. Glaube nicht, dass das schon alles ist, was du spürst. Gott ist schon viel weiter auf dem Weg mit dir, als du an diesem Tag ahnst.
Gottes Finden im Alltag und die Herzensentscheidung
Ein viertes und letztes: Wie sich Gott finden lässt. Ich möchte mich an ein Wort aus dem Propheten Jeremia anlehnen, Jeremia 29,13-14: „Wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen.“
Wenn man kleine Kinder hat – ich hatte kleine Kinder, jetzt sind sie nicht mehr ganz so klein, jetzt sind sie größer – da haben sie leidenschaftlich gern mit mir Verstecken gespielt, als sie so ein, zwei, drei Jahre alt waren. Nur, sie hatten keine Ahnung, wie man Verstecken spielt. Die Sache funktionierte so: Ich sollte suchen, und dann habe ich mich an die Wand gelehnt und bis zwanzig gezählt. „Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein!“ Dann drehte ich mich um, und der kleine Kerl saß mitten im Wohnzimmer, mittendrin, mitten auf dem Teppich, völlig unübersehbar.
Ich habe als guter Vater, treudoof, wie man halt ist, angefangen zu suchen. Ich habe alle Schränke aufgemacht, unterm Sofa und hinterm Sofa nachgesehen, das Fenster aufgemacht, die Wohnung abgesucht, jede Schublade aufgezogen. Nach zehn Minuten Sucherei waren sie begeistert und lachten schallend – mitten im Wohnzimmer. „Papa hat sich da abgesucht!“ Da habe ich dann gesagt: „Ja, da ist ja der kleine Kerl, da sitzt er ja!“ Große Begeisterung: „Papa, noch mal! Papa, noch mal!“ So habe ich meine Samstage verbracht, mit dem Suchen von kleinen Kerls, die mitten im Wohnzimmer sitzen.
Warum erzähle ich diese Geschichte? Ich erzähle sie, weil wir es mit Gott eigentlich genauso machen. Wir suchen nach Gott in den verwinkeltsten Ecken der Welt und merken nicht, dass er in der Mitte unseres Lebens sitzt. Gott ist in der Mitte unseres Lebens. Wenn du am Dienstag wieder zur Arbeit, zur Ausbildung oder in ein paar Wochen, wenn die Pfingstferien vorbei sind, in die Schule gehst – Gott ist mittendrin. Gott ist in der Mitte deines Klassenzimmers, in der Mitte deiner Wohnung, wo manchmal Trostlosigkeit herrscht. Gott ist in der Mitte deiner Familie. Gott ist mittendrin, aber wir sehen ihn nicht.
Und dann durchsuchen wir unser ganzes Leben. Wir suchen ihn in Aiglingen, im Jugendkreis, was weiß ich wo. Wir suchen ihn in Büchern und überlegen: Wo ist Gott? Dabei ist er in der Mitte des Lebens und sagt: „Suchet mich, und ich will mich von euch finden lassen.“ Gott ist in der Mitte des Lebens, und dort sollen wir ihn entdecken.
Oft gehen wir täglich an Gott vorbei, obwohl er da ist und sich finden lassen will. Gott will sich finden lassen. Er will nicht Verstecken spielen mit uns, er will uns nicht zum Narren halten, er will keinen Schabernack mit uns treiben. Es ist nicht schwer, ihn zu finden. Aber unser Problem ist, dass unsere Augen oft vernagelt sind. Wir haben oft Schwierigkeiten, ihn zu sehen. Das zeigt sich deutlich in den Auferstehungsgeschichten.
Maria Magdalena erkennt ihn nicht, sie denkt, es sei der Gärtner. Na ja, schön, den Gärtner zu treffen, aber es ist Jesus, und sie sieht ihn nicht. Die Emmausjünger sind mit Jesus unterwegs, elf Kilometer Wander-Bibelschule. Immer wieder sind ihre Augen gehalten. Jesus ist dabei, und erst am Abend, als Jesus das Brot bricht und verteilt, gehen ihnen die Augen auf. Das ist ein Phänomen vieler Ostergeschichten: Die Jünger sind Auge in Auge mit Jesus, aber erkennen ihn nicht.
Genauso geht es uns oft am Tag. Jesus ist da, und wir sehen ihn nicht. Wir sehen ihn nicht in unserer Familie, nicht im Klassenzimmer, nicht an unserer Ausbildungsstelle. Gott ist da.
Das andere, was dieses Wort sagt, ist, dass wir ihn von ganzem Herzen suchen sollen. Wenn ich Gott von ganzem Herzen suche, dann heißt das: Du kannst Gott immer nur mit deinem Herzen finden. Du wirst Gott nicht nur in deinem Verstand finden. Viele lesen kluge Bücher, lesen intelligente Dinge – das ist nicht schlecht. Aber Gott wirst du niemals nur mit deinem Kopf finden können. Du wirst ihn immer nur im Herzen finden können.
Das Herz ist das Personenzentrum des Menschen. Im Herzen treffen wir die entscheidenden Entscheidungen des Lebens. Im Herzen entscheiden wir, wem wir gehorsam sein wollen, wem wir vertrauen wollen. Und nur über eine Herzensentscheidung werden wir Gott finden.
Dort, wo wir entscheiden, wie wir unser Geld ausgeben, wie wir mit unserer Sexualität umgehen, wer der letzte Halt unseres Lebens sein soll – dort werden wir Gott finden oder ihn vermissen. Es wird kein Finden Gottes geben ohne eine entsprechende Entscheidung über deinen Lebensstil. Man kann nicht permanent an Gott vorbeileben und sich dann beklagen, dass man ihn nicht findet.
Das war die große Entdeckung von Aurelius Augustinus, dem großen Kirchenvater. Er lebte ein Leben an Gott vorbei, ein Leben wie ein Schwein, und suchte intellektuell inständig nach Gott. Eines Tages, im Sommer des Jahres 386, schlug er die Bibel auf, an einer Stelle, die keiner von euch als Konfirmationsvers kennt: Römer 13,13. Dort heißt es etwa so: „Lasst uns nicht leben mit Fressen und Saufen, sondern ehrbar wie am Tage.“
Das war das Wort für sein Leben. Er merkte: Ich kann Gott nicht finden, weil mein Leben nicht zu diesem Gott passt. Ich lebe ohne Limit. In dem Moment, als er begriff, dass er Gott nicht nur im Verstand finden kann, sondern dass es eine Frage des Herzens ist, ging für ihn der Himmel auf. Die Türen öffneten sich, und er erkannte, wer Gott ist.
Gott ist da, in der Mitte deines Lebens, nicht nur an den Rändern, nicht nur in Spezialerfahrungsseminaren, nicht nur bei garantiert Wohlfühl-Veranstaltungen, nicht nur in Aiglingen. Gott ist da, wo du bist, in deinem Alltag. Und dort will er sich finden lassen, in der Mitte des Lebens. Dort kannst du ihn hören – ganz bestimmt.
Schlusswort
Ich danke euch fürs Zuhören. Ich wollte euch einen Impuls geben von dem, was mich bewegt.
Ich weiß, dass vieles provokant war, dass vieles vielleicht aufrüttelnd war und dass manches zum Widerspruch angeregt hat. Das mache ich gerne so, weil ich glaube, dass wir nicht weiterkommen, wenn wir nur sanfte und soften Worte wählen.
Wir kommen nur weiter, wenn wir uns immer wieder knallhart um die biblische Wahrheit versammeln und darum ringen, was dort steht, was wir von Gott erwarten können und was nicht.
Ich bin gerne noch da zum Diskutieren, zum Fragen beantworten oder auch zum Klagen – kein Thema. Ich arbeite mit Studenten, daher bin ich das gewohnt.
Ich danke euch für das spannende und aufmerksame Zuhören an diesem Nachmittag.