Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode 464: Blinde Pharisäer
Die Herausforderung der geistlichen Wahrnehmung
Jesus hatte gerade davon gesprochen, dass er gekommen war, um ein Gericht oder eine Trennung in die Welt zu bringen. In Johannes 9,39 heißt es: „Und Jesus sprach: Zum Gericht bin ich in diese Welt gekommen, damit die Nichtsehenden sehen und die Sehenden blind werden.“
Wir haben bereits gesehen, dass die Sehenden hier die Pharisäer sind. Sie sind vor allem deshalb sehend, weil sie sich für sehend halten. Jesus verwendet hier das Wort „sehend“ ähnlich wie das Wort „gerecht“ in Matthäus 9,13. Dort heißt es: „Denn ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder.“
Die Gerechten, die Jesus nicht ruft, sind natürlich alles andere als gerecht, bestenfalls selbstgerecht. Doch sie halten sich für gerecht, und deshalb ergeht der Ruf zur Buße an sie und nicht an die Nachfolger. Genauso sind die Sehenden, die blind werden, auch wenn sie über erhebliches theologisches Vorwissen verfügen, zuerst einmal solche, die sich für sehend halten.
Die Pharisäer denken, dass sie den Durchblick haben und als solche wahrgenommen werden wollen. Ihren Rang als theologische Elite lassen sie sich von niemandem streitig machen, schon gar nicht von einem kleinen Rabbi aus Nazareth – und mag der noch so viele Blinde sehend machen. Sie sind die Sehenden, die blind werden.
Die Unfähigkeit zur Selbstreflexion
Wo liegt hier das Problem? Es liegt jedenfalls nicht bei Gott. Er tut alles, um seine Gegner zu gewinnen. Das Problem liegt bei den Pharisäern.
Wie tief das Problem sitzt und wie sehr sich die Pharisäer einfach nicht vorstellen können, dass sie falsch liegen könnten, merkt man an ihrer nächsten Frage:
Johannes 9,40: Einige von den Pharisäern, die bei ihm waren, hörten dies und sprachen zu ihm: „Sind denn auch wir blind?“
Merkt man, wie sich die Pharisäer überhaupt nicht vorstellen können, dass sie zu den Blinden gehören könnten? Man würde sich so sehr für sie wünschen, dass sie etwas von ihrer Verlorenheit begreifen. Entsprechend fällt die Antwort Jesu aus:
Johannes 9,41: Jesus sprach zu ihnen: „Wenn ihr blind wärt, so hättet ihr keine Sünde. Nun aber sagt ihr, wir sehen; daher bleibt eure Sünde.“
Die Bedeutung geistlicher Blindheit und Erkenntnis
Fangen wir vorne an. Wenn ihr blind wäret – wenn die Pharisäer wirklich blind wären, wenn ihnen keinerlei Durchblick und Licht geschenkt worden wäre – dann hättet ihr keine Sünde. Das ist ein grundsätzlich interessanter Gedanke.
Gott verurteilt den Menschen nur für das, was er weiß. Im Deutschen gibt es das Sprichwort „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.“ Aber bei Gott ist das anders. Gott verurteilt nur das, was wir wissen können.
Jesus sagt in Johannes 9,41: „Wenn ihr blind wäret, so hättet ihr keine Sünde. Nun aber sagt ihr, wir sehen, daher bleibt eure Sünde.“
Mit anderen Worten: Wenn ihr wirklich blind wäret und in geistlichen Dingen so unwissend wie der Blindgeborene, dann würde Gott euch daraus keinen Strick drehen. Niemand würde euch für die Rebellion verurteilen, die eure Herzen zerfrisst.
Aber jetzt stellt er euch hin und sagt: „Wir sehen.“ Ihr stellt euch als die Erleuchteten hin, als die mit dem Durchblick. Ihr habt so viel geistliches Verständnis, dass ihr sogar das Wort Gottes aus der Synagoge ausgeschlossen habt.
Wäret ihr wirklich blind, dann hättet ihr das Licht gesehen, das Gott euch geschickt hat. Denn das ist es, was Blinde wollen: Sie wollen sehen. Aber ihr wollt überhaupt nicht sehen.
Ihr habt schon lange die Entscheidung getroffen, dass ihr die Einzigen seid, die sehen, und dass alle anderen blind sind. Und deshalb, weil ihr euch für die Sehenden haltet, bleibt eure Sünde.
Die Strafe für das Nichtsehenwollen ist geistliche Blindheit.
Die Verstockung der Pharisäer im Licht des Evangeliums
Paulus schreibt über die Juden seiner Zeit, die das Evangelium nicht hören wollten, in Römer 11,7-8:
„Was nun? Was Israel sucht, das hat es nicht erlangt, aber die Auswahl hat es erlangt, die übrigen jedoch sind verstockt worden. Wie geschrieben steht: Gott hat ihnen einen Geist der Betäubung gegeben, Augen, um nicht zu sehen, und Ohren, um nicht zu hören, bis auf den heutigen Tag.“
Gott gibt den Juden, die das Evangelium ablehnen, Augen, um nicht zu sehen. Er verhärtet sie und macht sie blind. Sie wollen das Licht nicht sehen – okay, das können sie haben.
Erinnern wir uns an Johannes 3,19-20:
„Dies aber ist das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht, denn ihre Werke waren böse. Denn jeder, der Arges tut, hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht bloßgestellt werden.“
Diese Worte beschreiben die Pharisäer leider gut. Wer das Böse tut, hasst das Licht. Er hasst es, weil er nicht will, dass seine Werke als böse erscheinen.
Die Pharisäer gehen sogar noch einen Schritt weiter. Sie hassen nicht nur das Licht, sie wollen es auslöschen. Deshalb werfen sie den Blindgeborenen aus der Synagoge – das Licht muss raus!
Die Verantwortung für geistliche Blindheit
Wenn Gott Menschen blind macht, dann geschieht das, weil sie zuvor das Licht gehasst haben. Wer blind gemacht wird, trägt selbst die Verantwortung dafür. Er erhält das, was in seinem Herzen ist.
Man kann sagen, es gibt zwei Zustände des Herzens. Zum einen gibt es diejenigen, die das Licht, also die Wahrheit, lieben. Solche Herzen sehnen sich nach mehr Licht. Sie wollen mehr sehen, aber auch gesehen werden. Sie möchten nichts verstecken, sondern ein Leben führen, das auf Gott hinweist und von Gott verändert wird. Das gilt auch dann, wenn sie vor der Bekehrung, wie es beim Blindgeborenen der Fall war, noch ein unvollständiges Gottesverständnis haben.
Das ist der eine Zustand des Herzens: die Blinden, die sehend werden wollen und es auch werden.
Dann gibt es Herzen, die die Wahrheit hassen. Es klingt fast verrückt, dass es solche Herzen überhaupt geben kann, oder? Sollte nicht jeder Mensch süchtig nach Wahrheit sein? Doch es gibt Menschen, die die Finsternis mehr lieben als das Licht. Warum? Weil ihre Werke böse sind. Sie lieben die Finsternis, weil sie sich verstecken wollen. Sie ziehen es vor, selbst nichts zu sehen, anstatt von anderen als das erkannt zu werden, was sie sind – nämlich als böse Menschen.
Die Entscheidung der Pharisäer und ihre Folgen
An der Liebe zur Wahrheit entscheidet sich das Leben eines Menschen.
Das Leben der Pharisäer richtet sich deshalb danach, ob sie sich ihre Eifersucht auf diesen Rabbi aus Nazaret eingestehen. Sie wissen genau, was es sie kosten würde, wenn sie sich hinter Jesus stellen und ihn als Messias bekannt machen würden.
Wenn sie das täten, würden alle auf Jesus schauen. Er wäre dann der Anführer und nicht mehr sie. Genau das wollen sie jedoch nicht.
Sie behalten lieber für den Moment ihre Stellung und verlieren dafür ihre Seelen.
Persönliche Reflexion und Abschluss
Was könntest du jetzt tun? Überlege, wie sehr du an der Wahrheit interessiert bist.
Das war es für heute. Ich habe mir gerade wieder Zeit genommen, um meine Gebetsliste zu überarbeiten. Vielleicht ist das auch eine gute Idee für dich.
Der Herr segne dich, lasse dich seine Gnade erfahren und lebe in seinem Frieden. Amen.
