Mose zwischen zwei Welten
Es geht um Mose. Er war ein jüdisches Findelkind, geboren vor viertausend Jahren. Die Tochter des Königs, den man damals Pharao in Ägypten nannte, adoptierte ihn. Mose erhielt eine Erziehung am Hof und bekam Einblick in das Lenken eines großen Staates. Für seine Zukunft standen ihm sagenhafte Perspektiven offen. Eine große Karriere war durchaus möglich, obwohl er eigentlich ein Hebräer war – also ein Mitglied des Volkes, das von den Ägyptern versklavt wurde.
Während das Volk Israel in den ägyptischen Zwangslagern schuftete, machte sich Mose als ägyptischer Prinz ein angenehmes Leben. Er genoss täglich das beste Essen, lag auf weichen Divans herum und badete morgens in Milch, abends in Wein. Zwischen ihm und dem Volk, diesen armen Menschen, die in der Ziegelei arbeiteten, um die Pyramiden zu bauen, lagen Welten. Diese Menschen konnten sich nicht einmal anständiges Essen leisten.
Mose lebte auf der Seite der Herrschenden. Es wäre ja auch unklug gewesen, sich mit den Unterdrückten zu solidarisieren, denn davon hätte er nichts gehabt. Er sagte sich lieber: reich und frei als arm und gesund. So blieb er am Hof des Königs. Doch auch dort, am Hof des Tyrannen, waren seine Tage gezählt.
Eines Tages stand für ihn die entscheidende Frage an: Was willst du eigentlich mit deinem Leben? Geht es dir um deine Karriere oder um Gott? Willst du Geld oder willst du mit der Gemeinde Gottes leben? Auf diesen Punkt brachte es auch Jesus immer wieder, als er sagte: „Ihr könnt nicht Gott und dem Mammon zugleich dienen.“ Man muss sich entscheiden: entweder oder.
Weißt du, ohne Jesus kannst du im Leben viel erreichen und es ziemlich weit bringen. Aber ohne Jesus schaffst du es nicht bis zum ewigen Leben. Und das ewige Leben ist die Belohnung, die Jesus dir gibt, wenn du an ihn glaubst. „Wer an mich glaubt“, sagt Jesus, „hat das ewige Leben.“ Das heißt, du hast es jetzt schon – nicht erst nach deinem Tod.
Ewiges Leben bedeutet, dass du mit Christus ewig leben kannst, über den Tod hinaus. Aber es bedeutet auch, dass du jetzt in deinem Leben eine neue Qualität erhältst. Du hast zum Beispiel Frieden mit Gott und Frieden mit dir selbst. Du hast ein gutes Gewissen.
Jetzt stellt sich die große Frage: Willst du ein Mensch sein, der wegen einer Karriere oder irgendwelchen Vorteilen seinen Seelenfrieden aufgibt? Willst du wegen ein paar hundert Euro mehr im Monat auf die Ewigkeit verzichten? Denn die Ewigkeit liegt noch vor dir. Entweder verbringst du sie im Himmel – das ist mit Gott –, oder du verbringst sie ohne Gott, und das ist dann die Hölle.
Davor wollte Jesus uns bewahren. Er möchte nicht, dass irgendein Mensch auf der falschen Seite steht oder verloren geht. Deshalb ist es wichtig, dein Leben Jesus zu geben. Orientiere dich nicht an vergänglichen Dingen, sondern an ihm. Sieh auf die Belohnung, die er für dich bereithält, wenn du dich an ihn anschließt.
Mose entscheidet sich für das Volk Gottes
So hat es Mose gemacht. Die Bibel berichtet im Hebräerbrief, Kapitel 11, über Mose. Dort heißt es:
„Durch den Glauben wollte Mose, als er erwachsen wurde, nicht mehr ein Sohn der Tochter des Pharao sein, sondern er wollte viel lieber mit dem Volk Gottes Ungemach leiden als den vergänglichen Genuss der Sünde haben. Er achtete die Schmach Christi für größeren Reichtum als die Schätze Ägyptens, denn er sah hin auf die Belohnung.“
Es lohnt sich also, mit Gott zu leben. Mose entschied sich also, als er erwachsen geworden war, für das Volk Gottes.
Den Juden wurde in der Erziehung eingetrichtert, sie seien eine Art Untermenschen: dumm, gläubig an Gott, alle mit krummer Nase, riechen nach Knoblauch, mit solchen verkehre man nicht. Da Mose seine Nase nie aus dem Königspalast herausstecken konnte, hatte er diese einseitigen Informationen treu und brav geglaubt – bis zu dem Tag, als er alt genug war, um selbständig spazieren zu gehen.
Er machte einen Ausflug, verließ den goldenen Käfig, in dem er bisher gelebt hatte, und ging hinaus auf die Straße, um die Realität zu sehen. Dabei kam er an einer ägyptischen Großbaustelle vorbei, wo seine Volksgenossen schuften mussten. Er sah das Elend seines Volkes.
Im 2. Buch Mose, Kapitel 2, heißt es:
„Zu der Zeit, als Mose erwachsen geworden war, ging er hinaus zu seinen Brüdern und sah ihren Frondienst, ihre Sklaverei. Und er nahm wahr, dass ein Ägypter einen seiner hebräischen Brüder schlug.“
Mose ging hinaus und sah das. Es ist wichtig zu verstehen, dass er schon immer gewusst hatte, dass sein Volk von den Ägyptern unterdrückt wird. Doch das war für ihn bisher nur theoretisches Wissen. Wie es praktisch aussieht, wenn ein Ägypter einen Juden zusammenschlägt, hatte er noch nie gesehen. Jetzt sah er es.
Die Bibel sagt: „Er sah, wie ein Ägypter seinen hebräischen Bruder schlug.“ In diesem Augenblick wurde Mose zum Freiheitskämpfer.
Der Fehlstart des Freiheitskämpfers
Mit dem Sehen beginnen alle Freiheitskämpfe dieser Welt. Martin Luther King, der gelehrte Theologe aus dem Norden Amerikas, sah die Not seiner Brüder im Süden. David Wilkerson, ein Kleinstadtpfarrer, sah das Elend der jungen Menschen in New York.
Sie alle sahen das Elend und handelten. Auch wir sehen vieles. Jeden Tag sehen wir im Fernsehen das ganze Elend der Welt vor uns: Ungerechtigkeit, Leiden, Bestechung, Kriege – was weiß ich. Wir sehen es, aber wir nehmen es nicht wirklich wahr. Wir glotzen nur.
Mose sah, was gespielt wurde. Ihm gingen die Augen auf, ihm lief die Galle über. Er ergriff spontan Partei für sein Volk. Doch wie er das machte, war völlig verkehrt. Als er nämlich sah, wie ein Ägypter einen Hebräer schlug, heißt es in der Bibel, da guckte er sich nach allen Seiten um. Und als er bemerkte, dass kein Mensch da war, erschlug er den Ägypter und verscharrte ihn im Sand.
Mose war ein Meuchelmörder.
Am nächsten Tag trieb er sich wieder auf so einer Großbaustelle herum. Diesmal beobachtete er, wie zwei hebräische Männer sich stritten. Sie fingen an, sich zu prügeln, und da mischte er sich ein. Er fragte den, der im Unrecht war: „Warum erschlägst du deinen Nächsten?“
Der Mann antwortete: „Wir hatten dich zum Aufseher oder Richter über uns gesetzt. Willst du mich etwa auch umbringen, wie du den Ägypter umgebracht hast?“
Da packte Mose die Angst. Er erkannte, dass er erkannt worden war. Es gab Augenzeugen für seinen Mord von gestern. Auch der Pharao bekam von der Sache mit und trachtete ihm nach dem Leben.
Es blieb ihm nichts anderes übrig, als in die Wüste zu fliehen. Der Totschlag an dem Ägypter hatte sein Leben schlagartig verändert. Der verwöhnte Prinz, dem abends seine Diener perlenbestückte Pantoffeln angezogen hatten, wurde zum Flüchtling. Die Karriere war vorbei. Am Ende saß er häufig in der Wüste an einem Brunnen und trank Wasser aus dem gleichen Eimer wie die Tiere.
Mose auf dem Abstellgleis
Weißt du, ich habe viele junge Menschen kennengelernt, die machen mal einen verheißungsvollen Anfang. Von manchen dachte ich, das wird mal ein richtiger Mitarbeiter, oder sie wird mal eine richtige Mutter in Christus. Und plötzlich sackten sie ab, ich weiß nicht warum, und es ist alles vorbei.
Gerade bei solchen Menschen, die besonders gut gestartet sind, tut es einem besonders weh, wenn man sieht, wie sie auf einmal wieder vergammeln. Mose vergammelt in der Wüste. Und die Frage ist: Wie konnte Gott das zulassen?
Gott ist ein großer und heiliger Gott. Er will ernst genommen werden, und er meint es auch ernst. Wenn seine Auserwählten eigensinnig werden und eigenmächtig handeln, dann lässt Gott sie ihren eigenen Weg gehen. Denn es geht dann meistens bergab.
Gott hatte Mose erwählt, dass er zum Befreier des Volkes Israel wird, aber er hatte ihn nicht als Guerillakrieger eingesetzt und als Totschläger. Selbstverständlich hatte Mose es gut gemeint. Sein Motiv war von der edelsten Sorte: Er stellte sich auf die Seite der Unterdrückten, protestierte gegen die Ungerechtigkeit, trat für die Freiheit ein und half einem Menschen in Not. Er handelte in bester Absicht.
Doch die beste Absicht nützt nichts, wenn er von Gott keinen Auftrag dazu hat. Als Mose sich in den Streit der beiden Hebräer einmischt, fragt ihn der eine: "Wer hat dich eigentlich zum Aufseher über uns bestellt?" Diese Frage enthüllt das ganze Problem. Hier geht es um den Angelpunkt der Geschichte: die Frage der Legitimation.
Wer hat dich beauftragt? Wer hat dich berufen? Wer steht eigentlich hinter dir? Wenn Mose ehrlich wäre, müsste er sagen: Hinter mir steht gar niemand, ich habe keinen Auftrag. Das war meine Idee, den Freiheitskampf mit Mord einzuleiten. Ich bin ein eigenmächtiger Mensch.
Das will er natürlich nicht sagen. Den Satz „Ich bin ein Totschläger von Gottes Gnaden“ kann er nicht sagen, denn dieser Satz ist Unsinn und ein Widerspruch in sich selbst. Totschläger von Gottes Gnaden gibt es gar nicht. Wer Menschen totschlägt, hinter dem steht niemals Gott.
Das gilt auch für jeden Moslem, der sich selbst und andere in die Luft sprengt. Mose kann die Frage, wer ihn überhaupt beauftragt hat, nicht beantworten. Er schweigt. Und das ist peinlich. Es ist peinlich, wenn ein erwachsener Mann dasteht wie ein dummer Schuljunge. Wenn sich das, was als Heldentat gedacht war, als Dummheit herausstellt.
Es ist peinlich, wenn ein erwachsener Mensch keine plausiblen Gründe für sein Handeln angeben kann. Es ist peinlich, wenn ein Kind sich nicht auf ein Wort Gottes berufen kann. Mose hatte keinen Auftrag von Gott, eine Theologie der Revolution auszuprobieren. Er hatte keinen Auftrag zur Gewaltanwendung. Er hatte keinen Auftrag, den Terroristen zu spielen. Er hatte keinen Auftrag, einen Menschen umzubringen.
Er handelte eigenmächtig, und das war sein Fehler. Mit so einem fehlerhaften Werkzeug kann Gott nicht mehr arbeiten. Deshalb legt Gott dieses unbrauchbar gewordene Werkzeug beiseite. Mose ist für Gottes Pläne unbrauchbar geworden. Gott legt ihn beiseite, und jetzt muss Mose warten, bis er vielleicht von Gott mal wieder grünes Licht bekommt.
Aber Mose war eben ein Typ, der nicht warten konnte. Er dachte, er müsste die Sache selbst in die Hand nehmen, sozusagen Gott mal ein bisschen unterstützen. Aber das hat Gott ja nicht nötig. Was den Zeitpunkt betrifft, wann etwas zu geschehen hat, lässt Gott sich von keinem Menschen vorschreiben.
Gottes Zeitplan und menschliche Ungeduld
Mose war der Ansicht, die Zeit zum Handeln sei reif. Es müsse sofort etwas geschehen, denn das Volk habe lange genug gelitten. Keine Sekunde dürfe mehr gezögert werden mit der Befreiungstat. Es sei höchste Zeit, loszuschlagen, und genau das habe er getan. So dachte Mose, aber er hatte nicht Gott gefragt.
Ich habe bei Ehepaaren beobachtet, wie sie beim Einchecken ins Hotel miteinander sprechen. Da sagte die Frau zu dem Mann: „Hast du auch den Koffer schon hochgetragen?“ Er antwortete: „Nein, habe ich nicht. Ich kann doch nicht an alles denken.“ Darauf sagte die Frau: „Du sollst nicht denken, du sollst auf mich hören.“ Mose hatte gedacht, aber nicht auf Gott gehört.
Gott denkt zum Beispiel in der Frage der Zeit ganz anders als wir. Wenn wir heute sehen, dass ein alter Mensch sich mit Schmerzen quält, denken wir oft: Warum warten, bis Gott ihn sterben lässt? Der hat lange genug ausgehalten. Gebt ihm eine barmherzige Spritze, damit er sterben kann. Das ist ein edles Motiv, denn man will den Leidenden von seinen Leiden bewahren und befreien.
Doch das Töten dieses Menschen geschieht ohne Gottes Auftrag und ohne Rücksicht auf seinen Zeitplan. Wie gesagt, Gott denkt in der Frage der Zeit ganz anders als wir. Während wir meinen, jetzt müsse etwas geschehen und Gott müsse endlich eingreifen, hat Gott oft noch viel Zeit. Manchmal ist es sogar umgekehrt: Wir denken, wir haben noch massenhaft Zeit, doch Gottes Uhr ist vielleicht schon längst abgelaufen.
Wenn Gott von uns zum Beispiel eine sofortige Bekehrung fordert, tun wir oft so, als hätten wir noch unendlich viel Zeit. Doch wie viel Zeit hast du wirklich noch? Vielleicht spricht Gott dich heute an, und du merkst, dass er dich haben will. Dir wird klar, dass Gott zu dir sagt: „Heute ist der Tag des Heils, deine Bekehrung ist heute dran.“ Und du sitzt da und behauptest, noch viel Zeit zu haben. Woher weißt du das?
Wer weiß, wie viele Menschen heute hier Predigten hören, die ihre Entscheidung bisher aufgeschoben haben und noch nicht bekehrt sind? Es ist möglich, dass Gott dir noch eine andere Chance gibt und dass dies nicht deine letzte Chance ist. Aber bedenke: Es gibt auch ein Zu-Spät.
Ob du morgen oder irgendwann noch einmal Gelegenheit hast, dich zu bekehren, weiß ich nicht. Darüber kann ich keine sicheren Aussagen machen. Aber eines weiß ich mit absoluter Sicherheit: Jetzt ist es für dich jedenfalls nicht zu spät. Oder, um es anders zu sagen: Komm und bleibe bei ihm.
Vom Revolutionär zum Wüstenhirten
Ich habe schon viele junge Menschen kennengelernt, die sich als junge Christen als gewaltige Revolutionäre gebärdet haben. Vollbart im Gesicht und voller Zuversicht haben sie die Welt mit veränderten Programmen gestaltet, solange sie jung waren.
Als sie sich später wieder trafen, war der Bart ab, die Gesichter meist platt und feistig wie Kinderpopo. Audi stand im Stall, Baby im Ställchen, Schrank, Wand – man traute seinen Augen kaum. Der einstige Revoluzzer saß vorm Fernseher, hing im Sessel, fraß Salzstangen und hielt den Komödienstadel für das größte kulturelle Ereignis des Jahres.
Auch unser Freund Mose ist bürgerlich geworden. Der Revolutionär, der politische Gegner zusammenhaute, widmet sich nun der friedlichen Schafzucht. Gott hatte ihm die rote Karte gezeigt, und dann ging es ab in die Wüste. Inzwischen sind vierzig Jahre vergangen.
Aus dem zornigen jungen Mann, der leidenschaftlich für die Freiheit kämpfen wollte, ist ein sesshafter Bürger geworden, der seine Ruhe haben will. Mose hat geheiratet. Mir hat mal jemand, der sich in der Wüste verlobt hat, eine Verlobungsanzeige geschickt. Darauf stand: „Wenn mancher an der Küste wüsste, wie gut sich’s in der Wüste küsst.“
Als ich mal im Stau stand, mit meinem Kumpel Wolfgang, habe ich ihm das erzählt. Das gefiel ihm natürlich auch. Wir hatten viel Zeit im Stau und haben uns ein bisschen an den Worten gedreht, sie hin und her gewendet und noch etwas dazu gemacht. So ist folgendes Gedicht entstanden:
„Also, wenn mancher an der Küste wüsste, wie gut sie es in der Wüste küsst, dann küsste er nicht an der Küste. Wenn er nichts von Wüsten wüsste, dann wären bei Wüstenküsserei die Küstenküsser auch dabei.“
Küstenküsser Mose ist zum Wüstenküsser geworden. Er hat einen Sohn bekommen, ihn aufgezogen und ihm seine Filzpattöffel angezogen. Jetzt bereitet er sich auf einen geruhsamen Lebensabend vor.
Mit der großen politischen Karriere war es also vorbei, und er hat sich ins Privatleben zurückgezogen. Außer der Runde Skat mit seinem Sohn und Schwiegervater war nichts mehr drin. Mose steht auf dem Abstellgleis, und Gott selbst hat ihn dort hingestellt – sozusagen zum Dampf ablassen. Damit der Hitzkopf, der anderen Leuten den Kopf abhaut, sich abkühlt und mal ruhig wird.
Vierzig Jahre Abstellgleis – das muss man sich mal vorstellen. Was das bedeutet und was das gerade für einen Mann wie Mose heißt: Einer der bedeutendsten und begabtesten Männer der Weltgeschichte, für den in Ägypten so viel zu tun wäre, für die Befreiung seines Volkes. Der versauert bei Hammelkotelett und Ziegenkäse, vergeudet seine besten Mannesjahre als Schafhüter.
Die weite Wüste hat einen engen Horizont. Wer dort vierzig Jahre lang Schafe gehütet hat, erwartet nicht mehr viel vom Leben – außer eben Hammelkotelett und Ziegenkäse.
Die Begegnung am brennenden Dornbusch
Und gerade in dem Moment, als er nichts mehr erwartet, holt Gott ihn aus der Versenkung. Eines Tages zieht Gott ihn wieder ins Licht der Weltgeschichte.
Der Tag beginnt wie jeder andere: Aufstehen, Frühstück, ein routiniertes Winkewinke zur Gattin, und dann marschiert er los. Vor sich liegt ein langer Arbeitstag, hinter sich die Schafherde seines Schwiegervaters, unter dem Arm der Frühstücksbeutel mit Hammelkotelett und Ziegenkäse. Öde, langweilig, eintönig – so geht das nun schon seit vierzig Jahren, jeden Tag dasselbe.
Doch dann passiert etwas. Etwas ganz Außergewöhnliches, Verrücktes, Irres, etwas, das er noch nie erlebt hat. Als er an den Berg Sinai kommt, sieht er einen Busch, einen Dornbusch, der brennt. Und jetzt kommt das Überraschende: Er brennt, aber er verbrennt nicht. Da sagt er sich: Das musst du dir näher anschauen. Aus purer Neugier geht er näher, macht einen Abstecher vom geplanten Weg und kraxelt zu dem Busch.
Und da passiert es: Er begegnet Gott. Das war das Letzte, was er erwartet hatte. Er war ja nicht ausgezogen, um Gott zu suchen, sondern um Grünfutter für seine Ziegen zu finden. Der brennende Dornbusch war für ihn zunächst nur eine Kuriosität am Wegesrand – genauso wie heute für viele die Kirche, die oft nur als eine solche Kuriosität wahrgenommen wird. Man geht höchstens mal aus Neugier hinein, um zu sehen, wie etwas stirbt, ohne abzusterben.
Denn dass die Kirche auf dem Aussterbeetat steht, ist ja allgemein bekannt. Nach der Theorie müsste die Kirche längst tot sein. Aber in der Praxis ist sie nicht totzukriegen. Im Gegenteil: Statt endlich an Altersschwäche zu sterben und abzutreten, wird die alte Dame immer lebendiger und attraktiver. Viele fragen sich: Warum gibt es die Kirche heute eigentlich noch?
Die Antwort liegt nicht an der Kirche selbst, sondern an Jesus. Weil Jesus lebt, stirbt die Kirche nicht ab. Auch wenn das oft prophezeit, provoziert, gewünscht oder als wissenschaftliche Tatsache dargestellt wird.
So viel verstand der Schafhirte Mose auch von Wissenschaft, dass ein Busch, der brennt, eigentlich verbrennen müsste. Als er aber sieht, dass der Busch nicht verbrennt, zieht er nicht einfach die Schlussfolgerung, dass das nicht sein kann, sondern er geht der Sache wissenschaftlich nach. Er prüft es, klopft auf den Busch.
Und wer steckt dahinter? Der lebendige Gott. Mose wäre stur seinen ausgetretenen Trampelpfad weitergegangen und glatt an Gott vorbeigelaufen, wenn er nicht den Abstecher zum Dornbusch gemacht hätte. Die Begegnung am Dornbusch ist der Moment, an dem Gott ihn vom Abstellgleis auf die Hauptschiene setzt.
Jetzt setzt Gott ihn auf die Hauptstrecke, Richtung Hauptstadt – damals die Metropole. Dort wird Mose mit vollem Einsatz hingeschickt. Für ihn beginnt ein neues Leben, ein neuer Auftrag. Er erhält seine eigentliche Berufung und Lebensaufgabe.
Gott hat Mose in all den vierzig Jahren nicht vergessen. Im Gegenteil: Er hat noch viel mit ihm vor und hat ihn darauf vorbereitet. Und dich hat Gott auch nicht vergessen. Auch mit dir hat er noch etwas vor – auch wenn du dich vielleicht fühlst, als wärst du auf dem Abstellgleis.
Vielleicht bist du wirklich auf dem Abstellgleis gelandet. Vielleicht hat Gott dich auch bewusst dorthin geschickt. Vielleicht hast du, wie Mose, in Gottes Plänen herumgepfuscht und musst erst lernen, wie Mose ruhig zu werden und nach Gottes Plänen zu fragen.
Denn Gott hat auch für dich einen Plan. Vielleicht ist diese Versammlung heute die Station in deinem Leben, an der du vom Abstellgleis wieder auf die Hauptstrecke kommst – zurück zur Hauptsache, zum Dienst für deinen Herrn.
Ich kann dir nur sagen: Jesus hat die Weiche für dich gestellt. Folge ihm nach, und du wirst erfahren, dass es für dich ein neues Leben gibt.
Gottes Ruf und die Antwort des Mose
Der Mose hatte mit dem Leben praktisch abgeschlossen und machte sich schon lange keine Zukunftspläne mehr. Den Hitzkopf, der darauf brannte, Unterdrücker totzuschlagen, hatte Gott auf Eis gelegt. Nachdem er ihn vierzig Jahre lang abgekühlt hatte, taut er ihn jetzt wieder auf und begegnet ihm mit Feuer.
Mose sieht den brennenden Dornbusch. Das Unheimliche und Unbegreifliche des Feuers wird zum Symbol für die Erscheinung Gottes. In 2. Mose 3 ruft Gott aus dem Busch: „Mose, Mose!“
Mose ist weit weg von zu Hause, in der grenzenlosen Einsamkeit des Berges Sinai. Um ihn herum ist nichts als Wüste, Sand, Wind und wilde Tiere. Und plötzlich ruft ihn jemand mit seinem Namen. Mose erschrickt: „Hier ist einer, der kennt mich!“
So geht es manchem, der weit weg von zu Hause in eine christliche Versammlung geht, zum Beispiel in Stuttgart, und zufällig einen Raum betritt, in dem von Gott gesprochen wird. Du sitzt in der anonymen Menge und fühlst dich plötzlich angesprochen. Du merkst, hier geht es nicht um alte Wüstengeschichten oder längst vergangene Zeiten, sondern um dich.
Die Leute um dich herum kennst du nicht. Aber Gott kennt dich. Er kennt deine Vergangenheit, deine jetzige Situation und deine Zukunft. Er kennt dich, liebt dich, braucht dich und ruft dich.
„Da rief Gott ihn aus dem Busch und sprach Mose.“ Und Mose antwortet: „Hier bin ich.“ Das ist die Antwort, die Gott auch von dir erwartet. Es ist egal, wie dein Leben aussieht. Es spielt keine Rolle, ob du wie Mose einen Mord begangen hast oder eine Abtreibung hinter dir hast. Es ist egal, ob du 40 Jahre lang nicht an Gott geglaubt hast, so wie es dir eingetrichtert wurde. Es ist egal, in welcher Wüste und in welchem wüsten Dasein du steckst.
Heute ruft er dich. Ich weiß nicht, wie oft er dich ruft. Ich weiß nicht, ob er dich heute zum letzten Mal ruft. Ich weiß nur: Er ruft dich. Komm raus aus deinem unordentlichen Wüstenleben und folge mir nach.
Möchtest du ihm nicht endlich antworten: „Ja, hier bin ich!“? Du kannst deine Versteckspiele aufgeben, deine Vorurteile ablegen, dein bisheriges Leben hinter dir lassen und deine Sünden abgeben. Du kannst ein neues Leben empfangen.
Wirf dich ihm einfach in die Arme und sage: „Ja, jetzt, Jesus, hier bin ich!“ So fängt Glaube an. Glaube heißt nicht, dass man alles, was mit Glauben zusammenhängt, schon versteht. Glaube heißt Vertrauen und Gehorsam.
Mose hatte keine Ahnung, was ihm bevorstand. Er wusste nicht, wohin der Weg führen würde. Er wusste nur: Hier geht es um mich, ich bin gemeint, Gott ruft mich. Und da meldet er sich: „Hier bin ich.“
Da sprach Gott: „Tritt jetzt nicht näher, zieh deine Schuhe von deinen Füßen, denn der Ort, auf dem du stehst, ist heiliges Land.“
Wenn du Gott begegnest, kannst du nicht einfach so weitermachen wie bisher. Du hebst dich aus deinen alten Latschen heraus und bekommst einen ganz neuen Standpunkt.
Als Mose die Gegenwart Gottes erfährt, verhüllte er sein Angesicht, denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen (2. Mose 3,6). Die Respektlosigkeit und Kumpelhaftigkeit, mit der viele heute von Gott reden, zeigen nur, dass sie überhaupt nicht wissen, von wem sie sprechen. Schon die Rede vom „lieben Gott“ ist mir äußerst verdächtig.
Als Mose zum ersten Mal wirklich begreift, wer Gott ist, erschrickt er. Wenn wir Gott erleben, erschrecken wir meistens nicht. Wir finden es eher schön: „Das war eine schöne Predigt, eine schöne Abendmahlsfeier, ein schöner Lobpreis-Gottesdienst.“
Eine Predigt, die nur schön ist, hat aber keinen Wert. Ich möchte hier nicht nur eine schöne Predigt halten. Ich möchte etwas ganz anderes: Ich möchte, dass ihr euer Leben Gott ausliefert, dass ihr vor der Majestät Gottes erschreckt, dass ihr Gottes Furcht empfindet – Ehrfurcht.
Ich möchte, dass ihr aufhört mit eurem oberflächlichen Jesusgetändel, dass ihr euch bekehrt und euch Gott in die Arme werft mit den Worten: „Hier bin ich.“
Ich leite daraus ab, dass viele Gottesdienste heute große Happenings sind. Alle sind so high, aber die wenigsten sagen: „Hier bin ich, ich folge dir, ich arbeite mit, ich will für dich arbeiten.“
Du missverstehst die ganze Sache, wenn du nicht begreifst, dass Gott etwas von dir will. Er will deine Entscheidung, deine Bekehrung, deine Mitarbeit. Er will dich, er will dein Herz und er will von dir hören: „Hier bin ich.“
Gottes Selbstvorstellung und die Berufung Moses
Gott stellt sich Mose mit folgenden Worten vor: „Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“
Wir alle kennen Gott zunächst als den Gott der Väter, bevor wir ihn selbst finden und an ihn glauben. Zuerst lernen wir andere kennen, die mit ihm gelebt haben. Doch dieses Wissen vom Glauben anderer ist noch kein persönlicher Glaube. Deshalb muss irgendwann im Leben für jeden von uns der Moment kommen, an dem wir begreifen: Dieser Gott, an den die Eltern oder andere geglaubt haben oder noch glauben, ist auch mein Gott. Irgendwann muss es sozusagen „klick“ machen, wenn aus dem Wissen, dass es Gott gibt, die Erkenntnis wird: Er gibt sich mit mir ab, er kennt mich und er will mich.
Mose war ja kein unbeschriebenes Blatt. Er stammte von frommen Eltern ab, hatte gläubige Eltern und viel von Gott gehört. Aber es ist ein enormer Unterschied, ob du viel von Gott gehört hast oder ob du ihm gehörst. Ob du sagst: „Ich weiß, dass es einen Gott gibt“ – das sagen die Teufel auch, sie wissen das auch – oder ob du sagst: „Mein Herr und mein Gott!“
Zwischen einem Christen und einem Nichtchristen, zwischen einem Bekehrten und einem Nichtbekehrten, zwischen einem toten Christen und einem Wiedergeborenen gibt es einen großen Unterschied. Auch wenn du dich seit deiner Taufe einen Christen nennst, bist du erst dann einer, wenn du Gott bewusst dein Leben auslieferst und dich bekehrst mit den Worten: „Hier bin ich.“
Als Mose diesen Satz sagte, eröffnet Gott ihm seinen Plan: „Weil denn das Geschrei der Kinder Israel vor mich gekommen ist und ich ihre Not gesehen habe.“ Auch Gott sieht die Not der Menschen. Gottes Befreiungsaktion der Menschheit beginnt mit dem Sehen.
„Da zu ihrer Not gesehen habe, wie die Ägypter sie bedrängen, so geh nun hin. Ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Kinder Israel, aus Ägypten führst.“
„Go down, Mose, tell all Pharao, let my people go.“ Vierzig Jahre früher hätte Mose in diesem Moment die Nase hochgehoben und gesagt: „Lieber Gott, ich gratuliere dir, klasse! Ich bin der geborene Retter der Menschheit, schön, dass du auf mich gesetzt hast. Jetzt geht’s los!“ Auch hätte er sagen können: „Das hättest du mir schon vor vierzig Jahren sagen können, ich war immer bereit, für dich einzutreten.“
Aber genau das sagt Mose nicht. Die vierzig Jahre Lehrzeit in der Schule Gottes sind nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Er ist nicht mehr der Revoluzzer, der glaubt, mit roher Gewalt die Freiheit erkämpfen zu können. Er ist nicht mehr der überhebliche Politiker, der meint, Weltpolitik machen zu können, ohne nach Gottes Willen zu fragen.
In 40 Jahren ist er ganz bescheiden geworden. Deshalb trompetet er jetzt nicht: „Ich bin der Mann, der das Volk in die Freiheit führt, gebt mir eine Fahne, reicht mir eine Kalaschnik auf!“ Stattdessen antwortet er: „Wer bin ich?“
Mose war nämlich Stotterer und konnte nicht mehr richtig reden. „Wer bin denn ich?“, sagt er. „Dass ich zum Pharao gehe und die Kinder Israel aus Ägypten führe? Ich bin der Falsche.“
Diese Antwort beweist, dass er der Richtige ist. Nur mit denen, die wissen, dass sie aus eigener Kraft nichts machen können, kann Gott etwas Großes tun.
Und deshalb gibt Gott ihm auf die Frage „Wer bin denn ich, dass ich zum Pharao gehen soll und das Volk Israel in die Freiheit führen soll?“ die kurze Antwort: „Ich werde mit dir sein.“
Das heißt: Du schaffst das mit deinen Kräften sowieso nicht. Ob du nach Mexiko, Afghanistan oder Afrika gehst – du alleine schaffst es nicht. Aber ich werde dir Kräfte geben, und dann schaffst du es. Ich will mit dir sein.
Ich bitte dich jetzt, dich nicht einzuschließen, sondern alle deine Antennen auszurichten, damit du die Signale Gottes empfangen kannst. Erlebe diesen Tag mit der Frage: Was will Gott von mir? Amen.