Einführung in das Thema Ärgernis an Jesus
Es ist schön, dass wir gemeinsam an diesem wichtigen Stichwort arbeiten: das Sich-Ärgern an Jesus, beziehungsweise die Frage, ob Jesus uns ärgerlich ist oder sein könnte. Frau Schäfer hat bereits erwähnt, dass dieses Stichwort in Matthäus 11 vorkommt. Dort lässt Jesus dem Johannes, dem Täufer, ausrichten: „Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.“ Es wird deutlich, dass es eine Ausnahme ist, sich nicht an Jesus aufzuregen und ihn nicht zum Ärgernis zu nehmen.
Dieses Stichwort taucht schon bei den Propheten auf. Gott setzt sozusagen einen Fels in die Welt- und Menschheitsgeschichte hinein. An diesem Fels werden sich viele stoßen. Er wird zum „Fels des Ärgernisses“, was sich dann in Jesus erfüllt hat. Jesus hat seinen Jüngern schon gesagt, dass sich viele an ihm ärgern und ihm den Rücken kehren werden. Es wird ein Weglaufen geben.
Petrus hingegen sagte daraufhin: „Es ist durchaus möglich, dass sich viele ärgern, aber ich werde da sein wie ein Fels. Ich werde mich nicht an dir ärgern.“ Dieses Wort des Herrn Jesus, als Antwort an Johannes den Täufer, ist in Matthäus 11 überliefert. Es wird von vielen Auslegern so interpretiert, dass ich selbst immer gedacht habe, es könne eigentlich nicht so sein. Vielleicht ist meine Sicht der Dinge falsch.
Als Johannes von den Werken Jesu hörte – dass Lahme gehen, Blinde sehen, Tote auferstehen und Tausende sich zu seinen Predigten versammeln –, dachte er: „Also, Entschuldigung, den habe ich doch nicht angekündigt.“ Johannes hatte offenbar einen anderen Erwartungshorizont. Er hatte nicht erwartet, dass Jesus auf den Wogen der Begeisterung kommt, der heilt und unser Leben froh macht, der unserem Leben einen neuen Horizont gibt.
Das Ärgernis Jesu in der biblischen Tradition
Ich habe doch gesagt: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt. Ich habe doch den bekannt gemacht, von dem schon Jesaja 52 spricht: „Wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, aber er wird die Sünden der vielen tragen.“
Im Eingang zu diesem großen Lied vom Gottesknecht Jesus, dem Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt, steht in Jesaja 52, Vers 14: „Das war bis vor wenigen Zeiten in der Lutherbibel übersetzt mit ‚weil sich viele an dir ärgern werden‘.“ Heute lautet die Übersetzung: „weil sich viele über dich entsetzen werden.“
Da haben sie das Stichwort vom Ärgern. Johannes der Täufer hat gesagt: „Ich habe doch dich angekündigt.“ Er meint den, von dem Menschen sagen: „Mit dem möchte ich nichts zu tun haben.“ Und jetzt heilt Jesus, predigt und macht Menschen fröhlich und gesund. Jesus macht deutlich: Ja, ja, das tue ich, damit Menschen begreifen, dass ich der von Gott Beauftragte und der von Gott Gesegnete bin.
Aber das Entscheidende kommt noch: Sie werden alle sagen: „Weg mit dem, mit dem möchte ich nichts zu tun haben.“ Das große Ärgernis kommt. Uns selig macht, dass es ein paar Leute gibt, die sich nicht an mir ärgern. Wenn Johannes gesagt würde: „Keine Angst, das kommt, was du angekündigt hast“, so verstehe ich den Zusammenhang bei Johannes.
Aber jetzt lasse mich über das Ärgernis reden.
Herausforderungen und Impulse im Glaubensleben
Ich habe mein ganzes Leben lang in der Kirche gearbeitet, unter anderem in Synoden. Deshalb, wenn wir schon das Zeitgeschehen betrachten, darf ich auch ein bisschen davon erzählen.
Die katholische Kirche hat vor der Reformation in unseren Landen flächendeckend eine Versorgung aufgebaut – von Flensburg bis Oberammergau. Jeder Quadratmeter gehörte zu einem Parochus, also einem Pfarrer. Man wusste genau, wer zuständig war für Seelsorge, Predigt, Bibelauslegung, Beerdigungen, Hochzeiten und Taufen.
Schon die frühkatholische Kirche vor der Reformation erkannte, dass das nicht ausreichte. Es gab viele Getaufte, die ihren Glauben überhaupt nicht ernst nahmen. Deshalb mussten Impulse zum Glauben gegeben werden. Hier begannen die Predigermönche, wie die Dominikaner und die Prämonstratenser. Das, was es bis heute in der katholischen Kirche gibt, nennt man Volksmission. Es braucht immer wieder neue Anstöße im Glauben.
Es genügt nicht, einmal getauft zu sein und irgendwo zu einer Parochie oder Gemeinde zu gehören. Doch auch das reichte nicht aus. Martin Luther erkannte, dass er die Bibel zum Volk bringen und neue Glaubensimpulse setzen musste. Damals verbreitete sich die Freude am Wort Gottes und an der Vergebung wie ein Buschfeuer durch unser Land. Doch bald schlief diese Begeisterung wieder ein.
Routine ist der Normalfall im Leben eines Menschen und erst recht im Christenleben. Routine und Gewohnheit zeigen sich auch beim Bibellesen und Beten. Immer wieder gab es neue Impulse. Später sagte man, wenn wir die Konfirmation einführen, genügt die Kindertaufe nicht mehr. Die Säuglingstaufe allein reicht nicht aus. Wenn die Jugendlichen, bevor sie ins Berufsleben eintreten, noch einmal bekennen: „Ja, dir lebe ich, dir leide ich, dir sterbe ich, dein bin ich“, dann wird das Leben mit Gott bewusst bejaht.
Doch auch das wurde zur Routine. Vieles im Pietismus wurde zur Gewohnheit. Man sagte, die Volkskirche sei ein Einschläferungssystem. Die Kinder werden getauft, dann konfirmiert, und danach sieht man den Pastor höchstens noch bei der Trauung oder bei der eigenen Beerdigung – falls man ihn dort überhaupt noch zu Gesicht bekommt.
Die biblische Herausforderung des Ärgernisses heute
1934, als die Synode der Bekennenden Kirche in Barmen tagte, wurde das Barmer Bekenntnis beschlossen. Darin heißt es, dass man eine Gemeinschaft von Brüdern sein wolle, wenn man noch einmal wirklich Kirche bauen könne – nachdem die Nationalsozialisten versucht hatten, die Kirche zu zerstören.
Man wollte nicht mehr mit der Volkskirche anfangen, zu der alle gehören, die irgendwo evangelisch getauft sind. Stattdessen sollten nur noch diejenigen dazugehören, die ernsthaft dazugehören wollen – die Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern.
Es war der heilige Entschluss, nur noch diejenigen aufzunehmen, die wirklich dazugehören wollen. Nicht diejenigen, die nur dann zum Gottesdienst gehen, wenn es ihnen gerade passt oder wenn sie Lust haben. Auch nicht diejenigen, die nur dann Opfer geben, wenn sie denken, dass es jetzt einmal dran sei. Sondern diejenigen, die die Gemeinde mittragen, mitbeten, mit unterstützen und mitwirken wollen – die zu Jesus gehören wollen.
So wollte man anfangen. Dann kam 1945, und plötzlich waren unsere Kirchen überall bis zum letzten Emporenplatz gefüllt. In den Kriegsgefangenenlagern gingen Hunderte und Tausende zum Gottesdienst und zu den Abendmahlsfeiern.
Da wusste man: Jetzt kann man nicht mehr sortieren, wer wirklich dazugehört und wer nicht. Wir haben eine Aufgabe am Volk – so haben wir uns nach 1945 einen Auftrag geben lassen. Aber jetzt müssen wir das Volk mit dem Evangelium durchdringen, wenn die Menschen schon interessiert sind.
Moderne Herausforderungen und theologische Reaktionen
Ein Professor in Marburg, vielleicht haben Sie seinen Namen schon gehört: Bultmann, sagte, man könne mit einem modernen Menschen nicht mehr über die Auferstehung, die Himmelfahrt, die Wiederkunft oder die Rechtfertigung des Sünders sprechen. Er meinte, wir lebten in einer Welt, in der es Radio und Kühlschränke gibt – und hätte er gewusst, was wir heute mit dem Internet haben, hätte er es erst recht gesagt.
Seiner Ansicht nach könne man den modernen Menschen nicht mit diesen alten Geschichten erreichen. Man wolle zwar Jesus lieben, aber ohne diese fast märchenhaften Dinge wie Vergebung der Sünden, Auferstehung, Himmelfahrt und die Wiederkunft Jesu. Viele Theologen meiner Generation waren begeistert von dieser Haltung. Das sei dann das Evangelium für die breite Masse. Das andere Evangelium, so sagten sie, sei für die Frommen, die es noch behandeln wollten.
Für die breite Masse könne man jetzt einen Jesus anbieten, der tröstet, der zu uns kommt, der Verständnis für uns hat und uns begleitet. Wenn man die Artikel in vielen evangelischen Zeitschriften liest, merkt man deutlich den Ton, der durchgängig ist: Jesus macht Freude, Jesus eröffnet weite Horizonte, Jesus löst alle Deine Probleme.
Man hat bemerkt, dass die Emporenplätze wieder frei werden und die Kirchen sich immer mehr leeren, obwohl die Pfarrer sich angestrengt haben, so ein verdünntes Evangelium zu bringen – ein Evangelium ohne Kraft und Saft. Daraufhin sagte man: Vielleicht dürfen wir gar nicht so viel predigen, wir müssen Gutes tun. Wir dürfen den Menschen nicht die Bibel um die Ohren schlagen wie ein nasses Handtuch.
Man hat sich immer gefragt, was die Leute mit ihren Handtüchern zu Hause machen. Dieser Ausdruck „nicht wie ein nasses Handtuch um die Ohren schlagen“ wurde oft gebraucht. Ich weiß nicht, wie die Menschen untereinander, besonders mit ihren Ehepartnern, umgegangen sind. Also: Gutes tun überzeugt!
Diese Haltung reichte sogar bis nach Uppsala, zur großen Weltkirchenkonferenz. Dort wurde gesagt: Wir müssen uns in die sozialen Verhältnisse einmischen, wir müssen die Welt verändern.
Soziale Herausforderungen und Grenzen kirchlichen Engagements
Wie Sie gemerkt haben, haben sich die Finger bei der Südafrika-Frage verbrannt, und das zieht auch nicht.
Als ich mitverantwortlich im Jungmännerwerk war, haben wir an den Standorten, damals, als die Bundeswehr neu aufgebaut wurde, Soldatenheime betrieben. Diese dienten der Unterhaltung und Geselligkeit, damit die Soldaten nicht in Kaschemmen gehen mussten und stattdessen basteln konnten.
Wir haben also Soldatenheime mit großer Betreuung aufgebaut. Damit sind Soldatenheim-Großengstigen und Siegmarinnen sowie Stätten am Kalten Markt gekommen. Dort haben wir das Abendessen, bestehend aus Schnitzel und gemischtem Salat, für zwei Mark vierzig angeboten. Wir dachten, die jungen Leute würden sagen, es ist toll, wie die Christen für uns sorgen.
Wissen Sie, was die Wehrpflichtigen gesagt haben? Sie sagten: „Ich weiß nicht, welchen Trick die Christen haben, dass sie zwei Mark vierzig verlangen und trotzdem noch etwas dabei verdienen.“ Manche haben sogar unterstellt, dass es gar kein echtes Schnitzel sei, sondern Pferdefleisch.
Man hat gemerkt, dass man noch so viel Gutes tun kann, es überzeugt trotzdem nicht. Denken Sie nur an die vielen Sozialdienste, die wir heute haben, wo sich Frauen und Männer einsetzen. Wenn man sie dann zu den gepflegten Fragen bittet, sagen sie, sie sollten auch noch länger bleiben und mit mir länger reden.
Es geht immer so hoppla hopp. Es wird immer noch kritisiert, auch wenn Menschen im Dienst für Jesus brennen.
Neue Wege und Gottesdienstformen
Als dritte Rezeptanweisung kam: Wir brauchen neue Gottesdienstformen, neue Gottesdienstzeiten, neue Gottesdienstlieder und neue Gottesdienstmusik. Dann wäre die Kirche attraktiv. Wenn wir nicht mehr die Choräle von Paul Gerhardt singen lassen würden, versteht das niemand mehr. Auch nicht die Glocken, nicht die Orgel, und der Pfarrer darf nicht mehr mit dem Talasern auftreten. Er muss wie ein Conférencier auftreten, wie Thomas Gottschalk sich benehmen.
Jetzt merken wir, dass wir uns noch so sehr anstrengen können, aber nichts schaffen. Es reicht nicht, nur ein bisschen wie Thomas Gottschalk zu sein. Nach drei, vier modernen Gottesdiensten gehen uns die Ideen aus. Und das mit dem Beamer an der Wand ist auch nicht immer so attraktiv – zum Beispiel in der schönen, freien evangelischen Gemeinde nördlich von Heidelberg.
Haben Sie so ein Lied gesungen: „Ich liebe Jesus lalalalalala lalalalalala“? Da musste man immer mit dem Liederbuch nachlesen. Ach so, ja, das kann es doch auch nicht sein. Man wollte jetzt, am Stichwort Ärgernis an Jesus, vermeiden, schon von der Bultmannschen Theologie geprägt, alles wegzunehmen, was den Leuten etwas hart aufstoßen könnte. Wir wollen gefällig sein, wir wollen das, was den Menschen richtig gut runtergeht.
Und Jesus macht uns Mut zum Ärgernis: „Selig ist, wer sich an mir nicht ärgert.“ Herrlich, wenn einem das geschenkt ist, dass auch das, was bei Jesus eckig, kantig und nicht so leicht hinuntergeht, angenommen wird und man dankbar dafür ist.
Das Ärgernis des Kreuzes und der Mut zum Alleingang
Sie wissen vielleicht noch, dass der Apostel Paulus besonders vom Ärgernis des Kreuzes gesprochen hat. Die Griechen fordern Weisheit – sie wollen etwas Kluges hören. Die Juden ärgern sich an der Botschaft des Kreuzes.
Wir verkündigen Jesus als göttliche Weisheit und als göttliche Kraft, auch wenn sich viele daran ärgern werden. Heute Abend werden wir die Gelegenheit haben, noch etwas mehr diesem Thema nachzugehen.
Das Ärgernis, dass man in Jesus gerecht wird, hat Paulus als Pharisäer immer bewegt (Römer 9). Viele stoßen sich an diesem Fels des Ärgernisses, weil sie selbst gerecht werden wollen – das ist bis heute so.
Bei vielen Beerdigungsvorbereitungen, wenn ich zu den Angehörigen komme und frage, ob die Oma oder der Opa im Glauben gestanden haben und eine Verbindung mit Jesus hatten, höre ich oft: „Die waren anständig, haben ein Leben lang gearbeitet und gespart. Sie haben kaum etwas für sich selbst ausgegeben.“
Man merkt: Gerechtigkeit wird hier verstanden als das, was man selbst geleistet hat. Es ist schön, wenn Angehörige wohltuend von ihren Großeltern erzählen. Doch die Not unserer Zeit ist, dass wir selbst durch unsere Leistungen gerecht werden wollen und nicht durch das Ärgernis, dass Gott uns Sünder mit all unseren Ecken und Kanten und vielen Fehlern aus Gnade gerecht macht.
Noch ein größeres Wunder als das, dass ein kleiner Säugling vollkommen vom Schöpfer geschaffen wird – ein Wunder, vor dem wir stehen, wenn wir in jedes Säuglingsbettchen blicken –, ist, dass Gott mich als Sünder gerecht macht.
Das heißt: Vieles brauche ich nicht. Ich bin nicht perfekt, aber ich bin okay – zwar nicht ganz ein Engel, aber beinahe.
Das Ärgernis des Kreuzes zeigt sich auch in den Worten Jesu: „Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.“ Hier wird nicht davon ausgegangen, dass viele so sein werden. Viele werden hinter ihm hergehen und sich an ihm ärgern.
Man braucht schon Mut zum Alleingang.
Mut zum Alleingang und die Herausforderung der Mission
Ich möchte etwas einschieben. Auch in der Mission gab es immer wieder die Versuchung zu sagen, wir können doch von den Indern oder den Menschen in Papua-Neuguinea nicht erwarten, dass sie sich taufen lassen. Schließlich würden sie danach von der Dorfgemeinschaft ausgestoßen.
Die ersten Basler Missionare jedoch sagten: Doch, das müssen wir eben tun. Dann sollen sie zu uns auf den Missionshügel ziehen. In ihrem Dorf dürfen sie nicht einmal mehr Wasser am Brunnen holen, wenn sie den Glauben verlassen haben und plötzlich Jesus nachfolgen.
Es gab aber auch einen anderen Missionar aus Neuendettelsau, den Missionar Kaiser. Er sagte, er möchte in Papua-Neuguinea Volksbekehrungen versuchen – also das, was wir in Europa mit der Volkskirche hatten. Es müsse ein ganzer Stamm sich bekehren, dann werde es leichter, Christ zu sein. Man könne von niemandem verlangen, dass er als Christ Einzelgänger sei.
Das war anders als das, was uns Helmut Lampard, der langjährige Vorsitzende unseres württembergischen Jungmännerwerks, immer wieder den jungen Leuten gesagt hat. Er sprach aus seiner Erfahrung als Offizier im Zweiten Weltkrieg zu den jungen Wehrpflichtigen: Wenn ihr in die Kaserne einrückt, müsst ihr euch klar sein, dass ihr wahrscheinlich der einzige Christ sein werdet.
Wenn Gott Gnade gibt, findet ihr vielleicht noch einen zweiten oder dritten, aber normalerweise steht ihr ganz allein da. Dann dürft ihr euch nicht von der Menge mitreißen lassen, sondern müsst Mut zum Alleinsein haben.
Wir werden später den Vers von Friedrich Spitta singen: "Gib Elias heilgestrenge das den Götzen dieser Zeit, wenn die verführte Menge Götze und Altäre weiht, dass wir nie vor ihnen beugen, Herz und Knie auch nur zum Schein, sondern treu als deine Zeugen dastehen, wenn auch ganz allein, ganz allein."
Mut zum Alleinsein! Wenn sich alle an dir ärgern, kannst du sagen: Jesus, ich nicht, ich bin bereit, allein den Weg zu gehen. Im Lateinischen gibt es den schönen Satz: Si omnes ego non – Wenn sie alle auch marschieren in eine falsche Richtung, ich nicht!
Wir wissen, wie lange Petrus mit diesem schönen Bekenntnis durchgehalten hat: "Ich nicht." Vielleicht dachte er, wenn man ihn vor Kaiphas und Pilatus bringen würde, würde er ein feuriges Bekenntnis ablegen – aber doch nicht vor der Magd. Vielleicht hatte er seine Gründe. Doch bei der ersten Gelegenheit scheiterte er daran, mit seinem Bekenntnis allein einen klaren Weg des Bekennens zu gehen.
Das ist schwierig. Darüber müssen wir beim Seniorentag noch sprechen: Wie ist es, den Alleingang zu wagen?
Persönliche Erfahrungen und Ermutigung zum Standhalten
Der Gründer der württembergischen Ludwig-Hofacker-Vereinigung, der ich dann auch einige Zeit vorstehen durfte, war Studiendirektor Emil Schäff. Er wurde im Dritten Reich als Direktor einer Oberschule aus dem Dienst entlassen, weil er Christ war und man ihn nicht mehr haben wollte. Später wurde er ein mutiger Bekenner, auch in Zeiten der bultmannschen Theologie, und war dabei ein bisschen kantig.
Ich als junger Mann habe gesagt, ich möchte mal nicht werden wie Emil Schäff. Vielleicht bin ich jetzt doppelt so geworden – ohne Humor, ohne Freude, nur ein bisschen kritisieren. Da hat mein Vater mich auf die Seite genommen und gesagt: „Weißt du, im Zweifelsfall kann einer den Alleingang nur wagen, auch den Alleingang für Jesus, wenn er schon vom Schöpfer ein bisschen Sturheit mitbekommen hat.“
Er hat mich überzeugt, dass das dazugehört, dass es eine schöpfungsgemäße Gnade ist, wenn man sich nicht einfach mitreißen lässt. So sage ich das auch gestern aufnehmend: Ich ziehe daraus, dass Jesus sagt, man solle auf ihn hören, einige Felder abschreiten und mit ihnen durchdenken, wo das deutlich werden könnte, wo wir wie Jesus Fremdlinge sind.
Im Alleingang sagt Jesus: „Wer mir nachfolgen will, verleugnet sich selbst.“ Da verleugnet er sich und sagt, er möchte nicht auf die Stimme in sich hören, die sagt: „Das braucht er doch nicht zu machen, also Entschuldigung, so, geh doch ein bisschen mit den Leuten.“
Dankbarkeit in einer undankbaren Welt
Wo sind so einige Felder? Ich stelle eben fest, dass wir heute in einer Zeit großer Undankbarkeit leben, obwohl wir so viel Anlass hätten, dankbar zu sein.
Noch keiner Generation vor uns seit Adam und Eva ist es so gut gegangen wie uns – vom Frühstück angefangen, über die Kleidung, die Heizung, das Gesundheitssystem bis hin zu unserem Arzt, Bruder Doktor Meiergerber. Bei meinen Enkeln sehe ich, dass manche Schwierigkeiten haben, im normalen Schulwesen mitzuhalten. Doch es gibt zahlreiche Sonderabteilungen, in denen sie gefördert werden, bis hin zur Fachhochschulreife. Wie viele Arzneien, wie viele Versicherungen stehen uns zur Verfügung! Wir könnten Gott jeden Tag einfach nur danken.
Früher war es so, wenn in der Kirche verkündet wurde: „Aus diesem Leben ist unser Gemeindeglied im Alter von 63 Jahren abgeschieden“, dachte ich als junger Mann, er habe doch ein hohes Alter erreicht. Heute heißt es nach Gottes unerforschlichem Ratsschluss, unser Uropa, Opa und Vater sei im Alter von 94 Jahren ganz plötzlich aus dieser Welt gerufen worden.
Ich verstehe gar nicht, warum die Leute immer sagen, bei uns gebe es so viele alte Menschen. Wir Alten sind doch noch ganz frisch! Wir haben natürlich eine ganze Generation dazugewonnen. Und wenn manche Leute sagen, bei uns im Gottesdienst und in unserem Kreis „60 plus“ – sie nennen sich ja nicht mehr Seniorenkreis, sondern ganz vorne „Sechzig plus“ oder so – seien so viele alte Leute, dann sagen wir: Ja, ja, unsere ganze Gesellschaft ist alt.
In Korntal haben wir gerade zwölf Konfirmanden, wo früher vierzig waren. Wir müssen sehen, dass sich da Veränderung vollzieht. Aber wir hätten viel Anlass zum Dank, auch dafür, dass wir so lange leben dürfen und unsere Erfahrungen weitergeben können. Es geht uns gut.
Und doch gibt es ein Jammern: Die da oben in Bonn wissen nicht mehr, was sie mit unserem Geld anfangen sollen. Der Arzt versorgt mich nicht richtig, ich habe jetzt einen anderen gefunden. Ein Murren geht durch unsere Gesellschaft.
Fragen Sie mal Mütter, wenn sie zur Elternversammlung gehen! Wir Väter wagen uns ja schon gar nicht mehr zur Elternversammlung in der Schule, wir schicken die Frauen. Was da für ein Murren losgeht! Der Englischlehrer ist nicht gut, und warum gibt es eine sechste Stunde? Warum gibt es kein Mittagessen? Ein Murren durch unsere Gesellschaft.
Wenn alle murren – ich nicht. Mein Bruder Kurt, als er bei Standard Electric anfing, sagte er: Beim ersten Mittagessen habe ich einen Mitchristen gefunden. Da kam einer, der still gebetet hat, man hat es kaum bemerkt, dass er gebetet hat. Aber als jemand sagte: „Heute schon wieder Spinat“, antwortete der Christ: „Wir können doch dankbar sein, dass wir so ein gutes Essen haben.“
Diese Dankbarkeit war ein Signal: Ich will nicht mit dem Strom des Murrens mitschwimmen.
Dankbarkeit als Gegenpol zum Weglaufen von Jesus
Als die Tausenden, die Jesus gespeist hatte, von ihm weggelaufen waren, heißt es in Matthäus 11: Jesus hob seine Augen auf und jubelte im Heiligen Geist. Er sprach: „Ich danke dir, Herr Gott, Gott des Himmels und der Erde, dass du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und es den Unmündigen offenbart hast. Ja, Vater, so war es wohlgefällig vor dir.“
Diesen einfachen Fischern vom See Genezareth, diesem ehemaligen Zöllner, dieser randständigen Gesellschaft – Vater, großartig, was du gemacht hast. Perfekte Spezialarbeit, Halleluja!
Am Grab des Lazarus liegt Verwesungsgeruch über dem Friedhof. Jesus hob seine Augen auf und sprach: „Vater, ich danke dir, dass du mich allezeit hörst, auch jetzt.“
Als er die fünf Brote und zwei Fische in der Hand hielt – es waren nicht einfach Brote wie beim Lidl, keine Halbpfünder, so wie unsere Brötchen heute Morgen, Schrippen – und dort standen fünftausend hungrige Leute, da hob Jesus seine Augen auf und dankte über das Wenige.
Ich glaube, dass ein Weg mit Jesus uns in einer Welt der Undankbarkeit Hoffnung geben kann: die Hoffnung auf Dankbarkeit.
Die Stundisten als Beispiel für gelebte Dankbarkeit
Die ersten Stundisten sollen ja immer auch ein bisschen von der Welt der Mission erzählen: Die ersten Russlanddeutschen in Russland und der Ukraine, die durch die deutschen Kolonisten erreicht wurden, haben gesehen, was ein geordnetes Familienleben sein kann und wie es wirkt, die Bibel zu lesen. Als die Petersburger Bibelgesellschaft gegründet wurde, haben sie sich vom mühsam erarbeiteten Geld Bibeln gekauft.
Man hat sie dann bei den Russen abwertend „die Stundisten“ genannt. Das waren die, die bei den deutschen Stundenleuten das gelernt hatten und das imitieren wollten. Die orthodoxe Kirche hat diese Stundisten in Südrussland verfolgt, bis einige Gouverneure sagten: „Moment mal, die Dörfer, in denen Stundisten leben, sind anders. Dort gibt es keine Rebellion, sondern dankbare Menschen. Wir können die Stundisten zu besonderen Aufgaben in der bürgerlichen Gesellschaft heranziehen.“
Sie stellen sich dafür bereit, ihre Familien sind intakt, sie trinken keinen Alkohol, und sie lassen niemanden ungetröstet sterben. In einer Welt, die einen anderen Geist hat, sollen wir auffallen wie Jesus. Auch wenn sich viele daran ärgern und sagen: „Die wollen etwas besser sein.“ Ilse, Frau Meier, du weißt, bei uns heißt es immer Korntal, aha Heiligskorntal, ihr wollt heiliger sein als die anderen. Dieses Ärgernis muss man tragen, wenn man zu Jesus gehört, dass man allein stehen kann.
Manche sind natürlich Spezialisten darin und verstehen es falsch, dass Gott diesen Jesus zu einem Fels des Ärgernisses gesetzt hat. Sie meinen, sie müssten Jesus besonders treu sein, indem sie jedem anderen Menschen auf die Füße treten. Das ist nicht gemeint. Vielmehr sollten sie in Dankbarkeit gegenüber Jesus leben, in einer Welt des Murrens dankbar sein, in einer Welt der Trunkenheit und Verschlafenheit.
Ich weiß noch, beim Irankrieg: In der Nacht sind die schweren amerikanischen Transportmaschinen auch über Europa geflogen, mit den Einsatzkräften Richtung Bagdad. Da hat unser englischer Freund, Doktor Tom Houston, gesagt: „Es wird ein kurzer Krieg werden, und nach zehn Tagen werden die Menschen kaum mehr wissen, dass sie Angst vor einem Weltkrieg hatten. Sie werden zurückkehren zu Business as usual. Es geht wieder weiter!“
Ich weiß noch, wie die Dekane in der Region Ulm sich aufgeregt haben, dass da ein Engländer sagt: „Dieser furchtbare Krieg und nach acht Tagen wird er vergessen sein, das ist unmöglich!“ Aber nach acht Tagen war es vergessen. Und wenn wir heute fragen, wann war denn das mit Bagdad, Iran und Irak, können wir es kaum aus der Erinnerung rufen. Ich weiß es auch nicht mehr genau.
Wissen Sie, was Jesus gesagt hat? Es wird sein wie zur Zeit Lots: Sie essen, sie trinken, sie heiraten, sie lassen sich heiraten, aber keiner ist wach. Der Herr Jesus hat gesagt, ihr sollt wach sein. Auch wenn die zehn Jungfrauen, er benutzt das Gleichnis, alle auf den Bräutigam gewartet haben, waren fünf töricht und sind eingeschlafen, und nur fünf blieben wach. Oder wie war's? Als der Bräutigam verzog, schliefen sie alle ein.
Als Jesus seinen Jüngern im Garten Gethsemane sagte: „Bleibt doch wach und betet mit mir bitte!“, erfuhren sie ihn schlafend. Die Gefahr der Christenheit ist das Einschlafen. Bei Jesus können wir lernen, wach zu bleiben und nüchtern zu sein.
Es werden viele kommen und mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tisch sitzen im Reich Gottes, und Gottes eigenes Volk wird ausgestoßen sein, so hat Jesus gesagt. Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf hat diese Nüchternheit aufgenommen. Er meinte nicht, wir christlichen Europäer müssten jetzt den Indianern und Afrikanern das Evangelium bringen und ihnen den rechten Lebensstil beibringen.
Er sagte, man könne fast zittern bei dem Gedanken, dass die Länder, in die das Evangelium zuerst gekommen ist, wie zu uns, das Evangelium ganz vergessen werden. Und dass dann Gott Menschen in Amerika und Afrika erweckt, um uns wieder an das Evangelium zu erinnern. Als Zinzendorf das sagte, dachte man, er spinnt.
Ich habe wieder daran denken müssen, wenn etwa Bischof Vestocki Vengere uns das Evangelium gesagt hat, um Mut zu machen, schlicht, wenn Ajit Fernando aus Sri Lanka das gesagt hat: Sie kommen aus Asien und Afrika und sagen uns wieder, sie wecken uns wieder. Es kann ein fastes Schauder ankommen, hat Zinzendorf gesagt, wenn man daran denkt. Das war Wachheit.
In einer Welt der Trunkenheit und Verschlafenheit heißt es oft: „Ach, der Islam ist doch nicht schlimm, das sind doch nur ein paar evangelikale Verrückte, die dagegen sind. Das sind doch alles fromme Leute, die beten doch auch und glauben irgendwie an Gott.“ Jesus lehrt uns aber, in einer Welt der Trunkenheit ernst zu nehmen, was er gesagt hat: „Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt auch den Vater nicht.“
Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt nicht einen Allah. Wer den Sohn nicht ehrt, ist die Wachheit mitten in einer Welt der Verharmlosung. „Wird schon werden, keine Sorge.“ Es gibt Dinge in unserem Volk bis hin zur Sexualisierung, wo man sagt: „Ah, die jungen Leute meinen es doch auch ernst, das ist doch alles nicht so schlimm.“
Der Herr Jesus hat uns die Ehe wichtig gemacht. Als die Jünger sagten: „Wenn es so ist, dann ist es nicht gut, ehelich zu werden“, hat Jesus gesagt: „Es sind manche Menschen von Geburt an nicht zur Ehe bestimmt, und manche sind so verstümmelt, dass sie nicht zur Ehe fähig sind.“ Für ihn ist die Ehe das Hochziel, dass wir in einer Welt der Trunkenheit und Verschwommenheit wieder eintreten, auch wenn es ärgerlich ist und manche Menschen aufregen, für diesen einsamen Weg das zu bekommen.
Zwei Dinge noch: Die Jünger kamen und sprachen zu Jesus: „Herr, lehre uns beten“, wie Johannes seine Jünger zu beten gelehrt hat. Stellen Sie sich vor, im Volk Gottes, in dem Beten fast vom ersten Lallen der Kinder an üblich war, haben die Jünger des Herrn Jesus ehrlich gewusst: Vielleicht ist Routine, was wir machen, aber gar kein wichtiges Gebet. „Lehre uns beten.“ Johannes hat seine Jünger beten gelehrt.
Jesus sprach: „Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, erlöse uns vom Bösen.“ Und wir beten: „Lieber Heiland, leite die Ärzte recht bei der Operation meiner Frau, und danke, dass du bei der Operation von unserem Sohn so schnell geholfen hast, und mach doch auch die schwermütige Nachbarin fröhlich.“ Nein, wir haben es mit dem Teufel zu tun.
Jesus hat vor seinem Leiden gesagt: „Kommt der Fürst dieser Welt zu Jesus?“ Der hat ihn doch schon abgewiesen bei der Versuchungsgeschichte. „Es kommt der Fürst, der kommt erst richtig und möchte mich von Gott wegziehen.“ Je älter wir im Glauben werden, desto mehr kommt der Teufel. Sie, die mit mir älter sind, wir haben doch Versuchungen, von denen wir in unserer Jugend gar keine Vorstellung hatten.
Bis hin zur Versuchung: Ist das nicht alles bloß Einbildung, religiöse Einbildung? Stimmt das wirklich? Hat das Beten einen Wert? Wird der Herr Jesus mich durch den Tod hindurchreißen? Gibt es eine ewige Herrlichkeit? Plötzlich sind Fragen da, die wir noch gar nicht kannten.
Und Jesus lehrte uns, ihr dürft nur sagen: „Erlöse uns vom Bösen, hol uns aus der Versuchung heraus, du hast doch Kraft und Macht.“ Da geht es gar nicht um Gesundheit, Heilung und Fröhlichkeit, sondern darum, dass wir an ihm bleiben, dem treuen Heiland.
Es ist vielleicht mehr Durchblick im Zeitgeschehen gewesen aus meiner Erfahrung und was mich von der Seelsorge her bewegt, als dass der Text ausgelegt ist. Aber trotzdem: Die Welt ist voll mit Ärgernissen, die uns von Jesus wegziehen wollen. Und das schlimmste Ärgernis ist, dass Jesus uns nicht so bedient, wie wir es gern hätten.
Wir stellen uns einen Jesus vor, der uns Freude macht, der uns durchträgt, gibt ein Bibelwort, auf das heute oft der ganze Gottesglauben reduziert wird. Und das heißt: „Der Herr hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich auf den Händen tragen, dass dein Fuß nicht an einen Stein stößt.“ Wunderbar, Mendelssohn Bartholdy vertont das zum Heulen schön.
Aber dieses Psalmwort hat der Teufel zitiert in der Versuchung Jesu. Das war ein Wort, das ihm passte: „Gott wird dich immer tragen.“ Wer mir nachfolgen will, hat Jesus gesagt, der verleugne sich selbst mit seiner Lebensehnsucht, mit seiner Gier nach Wundern, dass alles gut geht, und nehme das Kreuz auf sich, sein Kreuz, das ihm von Gott zugeteilt ist, und folge mir nach.
Es ist für viele ärgerlich: „Mit dem kannst du heute nicht kommen, da wirst du niemand gewinnen.“ Jesus sagt: „Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert, dass ich so anderes sage, als ihr erwartet habt, dass ich so anders bin, als ihr hofft.“ Selig werdet ihr leben, ihr seid in die ganze Herrlichkeit Gottes hineingenommen.
Es ist manchmal schon in unserer Welt atemberaubend schön, wenn Menschen den Alleingang wagen, wenn sie das Ärgernis auf sich nehmen, anders zu reden als die anderen. Mir imponierte es immer: Als Napoleon 1812 in Berlin einzog, hat der Magistrat ihm einen feierlichen Empfang gemacht, der Kaiser der Franzosen in Berlin.
Man hat die große Niederlage umgespritzt, eigentlich so: Der Beginn des vereinten Europas, jetzt geht es noch nach Russland, und dann haben wir ganz Europa unter einer Herrschaft. Die Spitzen der Behörden haben Napoleon damals begrüßt. Es gab noch kein Brandenburger Tor, aber in der Gegend.
Der Dekan der französisch reformierten Gemeinde – es gibt ja bis heute in Berlin den französischen Dom am Gendarmenmarkt, nach dem der Soldatenkönig sehr viele Hugenotten aufgenommen hatte – hat seinen Talar angezogen, ist vor Napoleon getreten, hat sein Barett abgenommen und gesagt: „Eure Exzellenz, Eure Kaiserliche Hoheit, ich würde dem Amt, das mir anvertraut ist, und der Wahrheit, die ich verkündigen darf, untreu werden, wenn ich hier nicht aussprechen würde, dass ich die Gegenwart eurer Majestät nur mit höchstem Bedauern sehe.“
Man kann sich vorstellen, die festliche Versammlung ist erstarrt. Aber bis heute wird die Geschichte in Preußen erzählt, weil sie sagen: Das war ein Mann. Das war ein Mann allein. Da stehen wir auch ganz allein.
Also schon in unserer Welt kann es imponierend sein, nicht bloß starrsinnig und eckig, sondern wenn jemand für seine Meinung eintritt. Wir reden heute mit Hochachtung von den Männern vom 20. Juli, die gewagt haben, aufzutreten. Also schon in unserer Welt kann es großartig sein, dass Jesus etwas ganz anderes sagt: Selig ist, wer bereit ist zum Alleingang.
Er ist in die ganze Gottesgegenwart hineingenommen. Das ist wie wenn der Vater über den Sohn sagt: „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Die Freude Gottes über uns.
Selig, wenn wir bereit sind, mit Jesus auch Alleingänge zu machen, allein dazustehen. Herr Jesus, dass du das haben willst, dass wir so eng bei dir, mit dir sind, verbunden mit dir und deinem Geist, der du so allein durch diese Welt gegangen bist, so anders als alle Menschen und doch für uns da warst.
Es gibt, dass wir es nicht als Befremdung empfinden, als harte Auflage, wenn wir den Weg mit dir allein gehen. Zeig uns, was vor dir angemessen ist, woran du Freude hast. Zeig uns, wo wir unnötig eckig abstossen sind, und mach uns empfindsam dafür, dass wir wissen, wo es wichtig ist, allein zu stehen, allein dich zu bekennen.
Sei mit denen, die in ihren Familien und Nachbarschaften allein ihren Weg gehen müssen, schon menschlich, aber auch erst recht im Glauben. Stärke du sie. Sei du bei den Missionaren, bei denen, die im diakonischen Dienst tätig sind und oft kaum noch ein Wort der Ermutigung haben, sondern nur Herausforderungen, die sie fast nicht mehr bewältigen können.
Stärke du sie auf ihren einsamen Posten. Danke, dass wir dir Sinn legen dürfen. Mach uns erfüllt von deinem guten Geist, deinem Wohlgefallen. Hülle uns ein! Amen.
Das Gebet als Ausdruck der Wachheit und des Vertrauens
Zwei Dinge noch: Die Jünger kamen zu Jesus und sprachen: „Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger zu beten gelehrt hat.“
Stellen Sie sich vor, im Volk Gottes, in dem Beten fast vom ersten Lallen der Kinder an üblich war und man es gelernt hatte, haben die Jünger des Herrn Jesus ehrlich erkannt: Vielleicht ist das, was wir tun, nur Routine, aber kein wirklich wichtiges Gebet. „Lehre uns beten.“ Johannes hat seine Jünger beten gelehrt.
Und Jesus sprach: „Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, erlöse uns vom Bösen.“
Und wir beten: Lieber Heiland, leite die Ärzte recht bei der Operation meiner Frau, und danke, dass du bei der Operation unseres Sohnes so schnell geholfen hast. Mach doch auch die schwermütige Nachbarin fröhlich.
Nein, wir haben es mit dem Teufel zu tun. Jesus hat vor seinem Leiden gesagt: „Kommt der Fürst dieser Welt zu Jesus?“ Der hat ihn doch schon bei der Versuchungsgeschichte abgewiesen. „Es kommt der Fürst, der kommt erst richtig und möchte mich von Gott wegziehen.“
Je älter wir im Glauben werden, desto mehr begegnet uns der Teufel. Sie, die mit mir älter sind, wissen: Wir haben Versuchungen, von denen wir in unserer Jugend gar keine Vorstellung hatten. Bis hin zur Versuchung: Ist das nicht alles bloße Einbildung, religiöse Einbildung? Stimmt das wirklich? Hat das Beten einen Wert? Wird der Herr Jesus mich durch den Tod hindurchreißen? Gibt es eine ewige Herrlichkeit? Plötzlich tauchen Fragen auf, die wir vorher gar nicht kannten.
Und Jesus lehrte uns: Ihr dürft nur sagen „erlöse uns vom Bösen“, hol uns aus der Versuchung heraus. Du hast doch Kraft und Macht.
Dabei geht es gar nicht um Gesundheit, Heilung oder Fröhlichkeit, sondern darum, dass wir an ihm bleiben, dem treuen Heiland.
Abschließende Gedanken zum Ärgernis Jesu und Mut zum Glauben
Es ist vielleicht mehr Durchblick im Zeitgeschehen gewesen aus meiner Erfahrung und was mich von der Seelsorge her bewegt, als dass der Text ausgelegt ist. Trotzdem ist die Welt voll mit Ärgernissen, die uns von Jesus wegziehen wollen. Das schlimmste Ärgernis ist, dass Jesus uns nicht so bedient, wie wir es gern hätten.
Wir stellen uns einen Jesus vor, der uns Freude macht und der uns durchträgt. Daraus entsteht oft ein Bibelwort, auf das heute der ganze Gottesglauben reduziert wird. Es heißt: „Der Herr hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich auf den Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.“ Ein wunderbares Wort, das Mendelssohn Bartholdy zum Weinen schön vertont hat.
Aber dieses Psalmwort hat der Teufel in der Versuchung Jesu zitiert. Es war ein Wort, das ihm passte: Gott wird dich immer tragen. Jesus aber sagt: „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst mit seiner Lebensehnsucht, mit seiner Gier nach Wundern, dass alles gut geht, und nehme das Kreuz auf sich, sein Kreuz, das ihm von Gott zugeteilt ist, und folge mir nach.“
Für viele ist das ärgerlich. „Mit dem kannst du heute nicht kommen“, heißt es, „da wirst du niemand gewinnen.“ Jesus sagt: „Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert, weil ich so anderes sage, als ihr erwartet habt, weil ich so anders bin, als ihr hofft.“ Selig werdet ihr leben, denn ihr seid in die ganze Herrlichkeit Gottes hineingenommen.
Es ist manchmal schon in unserer Welt atemberaubend schön, wenn Menschen den Alleingang wagen und das Ärgernis auf sich nehmen, anders zu reden als die anderen. Mich hat es immer beeindruckt, als Napoleon 1812 in Berlin einzog. Der Magistrat gab ihm einen feierlichen Empfang – der Kaiser der Franzosen in Berlin.
Man hat die große Niederlage umgedeutet, eigentlich so: Der Beginn des vereinten Europas. „Jetzt geht es noch nach Russland, und dann haben wir ganz Europa unter einer Herrschaft.“ Die Spitzen der Behörden haben Napoleon begrüßt. Damals gab es noch kein Brandenburger Tor, aber in der Gegend stand der französisch-reformierte Dom am Gendarmenmarkt. Der Soldatenkönig hatte viele Hugenotten aufgenommen, und es gab eine französisch-reformierte Gemeinde.
Der Dekan dieser Gemeinde trat vor Napoleon, nahm sein Barett ab und sagte: „Eure Exzellenz, Eure Kaiserliche Hoheit, ich würde dem Amt, das mir anvertraut ist, und der Wahrheit, die ich verkündigen darf, untreu werden, wenn ich hier nicht aussprechen würde, dass ich die Gegenwart Eurer Majestät nur mit höchstem Bedauern sehe.“ Man kann sich vorstellen, wie die festliche Versammlung erstarrte. Doch bis heute wird diese Geschichte in Preußen erzählt, weil man sagt: Das war ein Mann. Das war ein Mann allein. Da stehen wir auch ganz allein.
Schon in unserer Welt kann es imponierend sein, nicht bloß starrsinnig oder eckig zu sein, sondern für seine Meinung einzutreten. Wir sprechen heute mit Hochachtung von den Männern vom 20. Juli, die den Mut hatten, aufzutreten. Schon in unserer Welt kann es großartig sein, dass Jesus etwas ganz anderes sagt: Selig ist, wer bereit ist zum Alleingang. Er ist in die ganze Gottesgegenwart hineingenommen.
Das ist wie, wenn der Vater über den Sohn sagt: „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Die Freude Gottes über uns! Selig, wenn wir bereit sind, mit Jesus auch Alleingänge zu machen und allein dazustehen. Herr Jesus, dass du das haben willst, dass wir so eng bei dir sind, mit dir verbunden und deinem Geist.
Du bist so allein durch diese Welt gegangen, so anders als alle Menschen und doch für uns da gewesen. Es gibt keinen Grund, das als Befremdung oder harte Auflage zu empfinden, wenn wir den Weg mit dir allein gehen. Zeig uns, was vor dir angemessen ist, woran du Freude hast. Zeig uns, wo wir unnötig eckig und abstoßend sind.
Mach uns empfindsam dafür, dass wir wissen, wo es wichtig ist, allein zu stehen und allein dich zu bekennen. Sei bei denen, die in ihren Familien und Nachbarschaften allein ihren Weg gehen müssen – schon menschlich, aber erst recht im Glauben. Stärke du sie!
Sei du bei den Missionaren, bei denen, die in der Diakonie den Dienst tun und oft kaum mehr ein Wort der Ermutigung erhalten, sondern nur Herausforderungen haben und fast nicht mehr können. Stärke du sie auf ihren einsamen Posten.
Danke, dass wir dir Sinn legen dürfen. Mach uns erfüllt von deinem guten Geist und deinem Wohlgefallen. Hülle uns ein! Amen.
