Eröffnung im Gebet und Dankbarkeit für Gottes Liebe
Darf ich bitten, dass wir uns zum Gebet erheben.
Vater im Himmel, wir danken dir, dass du uns so liebst. Wir kommen nicht vor dich in unserer Schlauheit, denn schlaue Köpfe sind wir nicht. Wir kommen auch nicht vor dich in unserer Stärke, denn wir sind erbärmlich schwach.
Wir kommen vor dich, dankend für deine Größe und dankend für deine großartige Liebe – trotz unserer Unzulänglichkeit, trotz unserer Schwäche, trotz unseres vielen Versagens. Wir schämen uns, Herr, dass wir so oft versagen. Das bringt uns immer wieder zurück zu deinem Vaterherz, das voller Liebe und voller Zuneigung ist. Du bist so voller Verständnis für uns.
Jesus Christus lebte hier in einem menschlichen Leib. Als unser hoher Priester hat er Mitleid und Verständnis mit uns, denn er weiß, wie schwer es ist auf dieser Welt.
Wir kommen mit Herzen voller großer Erwartung, dass du uns begegnest – auch in dieser Stunde. Wir beten dich darüber an und danken dir, dass du deine Gemeinde baust, mit solchen Menschen, durch solche Menschen, wie wir es sind. Welch ein unerklärbares Wunder deiner Gnade!
In Jesu Namen, Amen.
Wir nehmen wieder Platz.
Die Bedeutung eines geistlichen Kinderzimmers in der Gemeinde
Wir haben vier Kinder, und meine Frau wurde viermal schwanger. Gegen Ende jeder Schwangerschaft passiert bei uns etwas Bestimmtes: In fast jedem Haushalt wird irgendwo ein Raum hergerichtet, oft eine Ecke eines Zimmers oder ein eigenes Zimmer, das als Kinderzimmer dient. Dort werden ein Wickeltisch, Puder, Salben, Windeln und andere Dinge bereitgestellt, die notwendig sind, um ein Kind willkommen zu heißen.
Wenn man das Glück hat, Zwillinge zu bekommen, sind es vielleicht zwei Kinder, und Drillinge wären noch aufregender. Wir bleiben hier aber bei drei. In unserem Fall kamen die Kinder immer einzeln, und es war jedes Mal eine große, freudige Aufregung: Ein Kind kommt. Beim ersten Kind wird das Kinderzimmer vielleicht schon im sechsten Monat der Schwangerschaft eingerichtet. Beim dritten Kind kann das auch erst zwei Wochen oder sogar nur eine Woche vor der Geburt passieren. Manchmal richtet man das Zimmer sogar im Krankenhaus ein, je nach Situation.
Wenn ich Gott wäre, würde ich mich vielleicht fragen, warum ich der Gemeinde geistliche Babys geben soll, wenn sie kein Kinderzimmer haben. Was ist das geistliche Kinderzimmer oder Babyzimmer einer Gemeinde? Es ist die Bereitschaft, diese neuen geistlichen Babys nicht in eine volle Bibelstunde einzuladen, in der schweres geistliches „Fleisch“ behandelt wird. Babys brauchen Milch, keine feste Kost.
In der Gemeinde Jesu, zumindest nach meiner Erfahrung, kommen Menschen durch Evangelisation oder im häuslichen Umfeld zum Glauben. Dann wird die Einladung ausgesprochen: „Komm in unsere Stunden, setz dich hin und höre zu.“
Es gibt eine Familie in Stuttgart, die wir beide kennen. Dort kam einmal eine junge Mutter, die gerade entbunden hatte, mit ihrem Neugeborenen nach Hause. Am ersten Tag, als das Kind vom Krankenhaus nach Hause gebracht wurde, kam die junge Mutter zu einer Schwester, die wir beide kennen, und sagte: „Das Kind ist kein Brot.“ Die deutsche Frau war darüber sehr bestürzt. Natürlich ist ein Kind kein Brot. Wir lachen heute darüber, schütteln den Kopf – aber genau das erwarten wir in unseren Gemeinden.
Die Verantwortung der Gemeinde für geistliche Säuglinge
In den meisten Gemeinden wird es so praktiziert wie auf diesem Bild: Ein Kind, ein geistliches Kind, kommt in die geistliche Familie Gottes. Wir treten in die Nachfolge ein und stellen das geistliche Kind bildlich gesprochen in einen Korb, einen Säugling in einen Korb. Diesen Korb stellen wir auf den Gehweg und hoffen, dass vorbeipassierende Christen dem Kind ein bisschen Brot zuschmeißen. Vielleicht kommt jemand auf die Idee, dem Kind ein Fläschchen zu geben.
Wir erwarten, dass die allgemeine Christenheit das Kind füttert. Nun, was bedeutet das nach deutschem Recht? Wenn eine Familie ein Kind in einen Korb stellt und auf den Gehweg stellt, und darauf hofft, dass die deutsche Gesellschaft – diese lieben Deutschen, so viele gute Menschen, wie es in Deutschland gibt – vorbeilaufen, den Säugling sehen und sagen: „Ah, hier ist ein Säugling zu versorgen“, und dann dem Säugling etwas zu essen geben, oder jemand auf die Idee kommt, anzuhalten und das Kind vielleicht trockenzulegen, dann ist das nach deutschem Recht strafbar.
Es handelt sich um Vernachlässigung der Sorgepflicht, oder? Die Frage heute ist meines Erachtens, ob die Gemeinde Jesu nicht schuldig ist, Sorgepflichtverletzung bei geistlichen Säuglingen zu begehen.
Beispiel einer erfolgreichen Gemeindegründung und Schulung in Honduras
Während ich an meiner Doktorarbeit arbeitete, musste ich eine Forschungsarbeit durchführen. Dabei erhielt ich einen vielversprechenden Vorschlag. Meine Frau, unsere Tochter und ich – wir sind zu dritt nach Tegucigalpa, Honduras, geflogen.
Dort hörten wir von einer Gemeinde, die von einem Absolventen geleitet wird. Beide, der Leiter und seine Frau, haben an Grace studiert. Er ist jetzt Missionar in Tegucigalpa. Ursprünglich ist er in Spanien aufgewachsen. Zunächst war das Ehepaar in Kolumbien, doch dort war es zu gefährlich, da es viele Entführungen und ähnliche Gefahren gab. Deshalb zogen sie von Bogotá, Kolumbien, nach Tegucigalpa.
Ich spreche gerne den Namen Tegucigalpa aus, denn er klingt irgendwie positiv. Nun sind sie seit etwa dreieinhalb Jahren in Tegucigalpa. Sie begannen mit etwa 40 Gläubigen, und nach dieser Zeit hat die Gemeinde auf 350 Gläubige zugenommen. Etwa 200 davon sind seit der Gründung der Gemeinde vor dreieinhalb Jahren zum Glauben gekommen.
Das fand ich so interessant, dass ich beschloss, dies näher zu erforschen. Als europäischer Missionar, als ehemaliger deutscher Missionar, war ich beeindruckt und dachte: „Wow, das ist wirklich etwas Besonderes.“
Folgendes habe ich in dieser Gemeinde entdeckt: Sie führen eine Schulung durch, sobald neue Menschen zum Glauben kommen. Zunächst bildet das Leitungsteam die neuen Gläubigen aus. Sie nennen das in Spanisch „Uno Uno“, also eins zu eins. Das ist ja logisch – „Uno Uno“.
Wenn jemand zum Glauben kommt, wird er sofort in einen „Uno Uno“-Kurs aufgenommen, der acht Wochen dauert. Wir waren dort nach dreieinhalb Jahren seit der Gründung der Gemeinde. „Uno Uno“ läuft so, dass praktisch jede Woche neue Gläubige zum Kurs kommen. Der Kurs beginnt jeden Mittwochabend. Man muss also nicht warten, bis eine neue Gruppe startet – es startet jede Woche eine neue Gruppe.
Das bedeutet, dass sie viele Geschwister schulen mussten, die bereit waren, die neuen Gläubigen im „Uno Uno“-Kurs zu begleiten. Die bestehenden achtwöchigen Kurse fanden in den Häusern statt, und an einem Abend liefen mehrere Kurse parallel. Neue Gläubige kamen hinzu, und jede Woche begann ein neuer Kurs.
Ihr Ziel war es, genügend „Uno Uno“-Leiter auszubilden, sodass sie jede Woche Platz für fünf neue Gläubige haben. Das ist beeindruckend. Ich dachte: „Boah, das ist wirklich gut durchdacht.“
Nach den acht Wochen „Uno Uno“ gibt es einen anschließenden Kurs, der einige weitere Wochen Schulung umfasst. Nach diesem zweiten Kurs können die Absolventen – wenn man das so sagen darf – selbst „Uno Uno“ durchführen. Sie kommen also zurück und sind bereit, neue Gläubige anzuleiten.
Das klingt sehr reproduktiv, nicht wahr? Ein großartiges Konzept, ein tolles Wort.
Grundlegende Inhalte für neue Christen in der Jüngerschaft
Was sind die Dinge, die man in einem solchen Uno-Uno-Kurs machen würde? Was braucht ein Säugling im Glauben, welche geistliche Milch benötigt er?
Zunächst einmal denke ich, ein Säugling braucht Gewissheit darüber, wer er ist. Er muss wissen: Bin ich wirklich ein Kind Gottes? Dazu gehören einige Ausarbeitungen, Bibelstellen und Schulungen. Man sollte das gemeinsam durchsprechen, damit die Teilnehmer verstehen, was es bedeutet, wenn sie ihr Leben Jesus übergeben haben. Ebenso wichtig ist es, Fragen zu beantworten, die die Gewissheit stärken, wirklich Kinder Gottes zu sein, und was das bedeutet.
Das ist bestimmt eines der ersten Dinge, die man klären muss: die Identität, die wir in Jesus Christus haben.
Eine Geschichte möchte ich hier erzählen. Ich hörte sie vor etwa 15 bis 17 Jahren von einem schwarzen amerikanischen Prediger, der bei uns in der Andacht sprach. Er war ein gewaltiger Redner und erzählte eine Geschichte über die Identitätsfrage: Wer bin ich?
Die meisten Christen – und das würde uns alle einschließen – haben Identitätsprobleme. Mehr als fünfzig Prozent wissen nicht, wer sie wirklich sind. Weil sie das nicht wissen, beugen sie sich oft den Versuchungen des Feindes. Diese Geschichte illustriert das sehr gut.
Der afrikanisch-amerikanische Pastor erzählte: Meine Vorfahren kamen mit Sklavenschiffen in dieses Land. Auf dem Schiff wurden sie schwer gedemütigt und geschlagen. Sie waren in ihrem Raum eingesperrt, standen im eigenen Kot, wurden bei kleinster Regung mit der Peitsche geschlagen und gedemütigt. Viele starben auf dem Weg, und die Leichen lagen auf dem Boden des Schiffs.
Als sie in den damaligen Kolonien ankamen, waren sie ganz bedrückte, kaputte und geknickte Menschen. Sie konnten den Kopf nicht heben, schauten niemanden an. Wenn sie angeschrien wurden, senkten sie sofort den Kopf.
Ein Schiff kam an, die Sklaven wurden verkauft. Einige Tage oder eine Woche später kam ein Käufer zurück zum Verkäufer mit einer Frage: „Du hast mir den und den verkauft. Was ist mit dem?“
„Ich schlage ihn, und er steht stramm und schaut mich an. Ich schreie ihn an, und er steht stramm und schaut mich an. Was ist mit dem? Er ist nicht wie die anderen.“
Der Verkäufer antwortete: „Oh, ich habe vergessen zu sagen, das ist der Sohn eines afrikanischen Königs. Er hat nie vergessen, wer er ist.“
Der schließende Satz in der Predigt war: „Junge Menschen, vergesst nie, wer ihr seid und wessen ihr seid. Beugt euch niemals vor dem Feind.“
Das Problem vieler Christen ist, dass sie nicht wissen, ob sie wirklich Kinder Gottes sind. Ihnen fehlt oft die Gewissheit. Wenn Versuchungen kommen, geben sie nach und kapitulieren.
Deshalb ist es so wichtig, zu wissen, wer wir sind und was es bedeutet, wirklich Gewissheit im Glauben zu haben.
Umgang mit Sünde in der Anfangszeit des Glaubens
Ein zweites Thema, das ich hier ansprechen möchte, ist für manche neue Christen eine Überraschung. Sie nehmen Jesus auf, und es kommt darauf an, wie das Evangelium ihnen präsentiert wurde. Oft kommen sie zum Glauben und denken, plötzlich seien alle ihre Probleme gelöst.
Doch welch eine Enttäuschung, wenn eine Woche nach der Bekehrung plötzlich Fluchwörter aus dem Mund rutschen und sie sich in einem erhitzten Gespräch genauso wütend zeigen wie früher. Dann denken sie: „Ich dachte, ich wäre Christ, und hier sündige ich.“ Was macht ein neuer Christ, ein neues Kind Gottes, mit der Sünde?
Man erfährt Gottes Liebe und Vergebung, bekennt die Sünde und sucht die Versöhnung. Nach dem Rat von Bill Bright von Campus für Christus habe ich das persönlich ausprobiert und vielen anderen als Ratschlag gegeben: Setze dich irgendwo in eine stille Ecke und sage: „Herr, hier habe ich vor mir ein leeres Blatt. Zeige mir, welche Sünden ich bekennen soll.“ Bitte ihn, das nicht fünf Tage lang, sondern für eine Stunde oder zwei zu tun.
Bitte den Herrn, dir zu zeigen, was du bekennen musst, was an dir fehlt, und schreibe die Dinge auf. Wenn du fertig bist, schreibe darüber 1. Johannes 1,9: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Untugend.“
Letztes oder vorletztes Jahr habe ich einem jungen Studenten diesen Rat gegeben. Wir waren gerade in der Jüngerschaft, und ich schlug ihm das vor. Er sagte: „Oh Roger, das ist eine gute Idee.“ Dann fügte ich hinzu: „Noch ein Vorschlag: Wenn du fertig bist und 1. Johannes 1,9 darüber geschrieben hast, dann verbrenne das Blatt. Zünde es einfach an und verbrenne es.“
So hat er es getan. Er setzte sich hin, machte seine Liste. Zuerst schrieb er 1. Johannes 1,9 darüber und dann ging er draußen, außerhalb des Studentenwohnheims, um das Papier zu verbrennen. Der Wind wehte ein wenig, und als er das Blatt anzündete, kam die Flamme seiner Hand gefährlich nahe. Plötzlich dachte er: „Hui, hier werde ich verbrannt!“ und ließ das brennende Blatt fallen. Es flog in eine Mülltonne.
Die Mülltonne fing Feuer, und die Feuerwehr musste gerufen werden. Die Polizei kam zum Verhör, und der Name des Seelsorgers, der den Vorschlag gemacht hatte, stand im polizeilichen Bericht. Er erzählte mir davon, und ich hatte schon davon gehört. Wir beide haben uns köstlich darüber amüsiert. Die Geschichte verbreitete sich natürlich in der ganzen Schule.
Der Polizist meinte, vielleicht sollte er das nächste Mal sagen, das Papier in einem Metalleimer zu entsorgen. Wisst ihr, ein verbranntes Blatt hat keine Aussage mehr. Es ist verkohlt und weg, genau wie unsere Sünde.
Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, und er vergibt sie uns und reinigt uns von aller Untugend (1. Johannes 1,9).
Die Herausforderung der Schuld- und Sündenbekenntnis in der Gemeinde
Hier habe ich ein großes Problem. In meiner Gebetsklasse habe ich vor vielleicht acht Jahren entdeckt, dass viele der Studenten ihre Schuld nicht bekennen. Deshalb gebe ich jede Woche ein Blatt aus, das mehr oder weniger ein Brief an mich ist. Ich sage den Studenten, sie sollen es als einen kleinen Brief an mich betrachten. Oben steht die Aufforderung, ein paar Zeilen oder Sätze über ihre Beziehung zum Herrn zu schreiben – im Wort, im Gebet, wie es in der Beziehung läuft. Zum Beispiel: "Ja, diese Woche die Bibel gut gelesen", oder "nicht so gut" und Ähnliches.
Jede Woche bekomme ich etwa 65 bis 68 dieser Blätter von einer Klasse und fast 30 von der anderen. Das sind fast 100 pro Woche. Ich schaue sie mir immer an, lese sie, bete über die Dinge und gebe sie allen zurück. Das ist natürlich viel Arbeit, aber es ist meine Kommunikation mit ihnen und ihre mit mir.
Ich stellte fest, dass bis zur Mitte des Semesters die meisten Studenten ihre Schuld nicht bekennen. Deshalb schrieb ich eine Frage auf das Blatt: "Hast du diese Woche dem Herrn deine Schuld bekannt?" Die Antwort war fast immer "Nein", jede Woche "Nein". Da dachte ich: Entweder habe ich phantastische Studenten, die nie sündigen – was kaum möglich ist –, oder sie vertuschen es, beschuldigen andere oder erklären es um. Sie sagen dann zum Beispiel: "Es ist kein Sündenfall, sondern nur ein Fehler." Viele Christen machen das. Sie redefinieren Sünde, anstatt demütig zu bekennen, dass sie gesündigt haben.
Geschwister, die Gemeinde Jesu hat hier etwas ganz Schwerwiegendes vernachlässigt. Wir schulen besser darin, die Zähne zu putzen, als die Sünde zu bekennen. Haben wir täglich Sünde? Mindestens an ein paar Tagen gehen wir mit dem Gedanken vorbei: "Ich habe gesündigt, ich muss die Sünde bekennen." Gedanken- und Wortsünden.
Ich beobachte, dass es ein schwerwiegendes Problem ist, dass viele Christen grobe Dinge mitschleppen – also offensichtliche Sünden, die man nicht übersehen sollte.
Ich saß in der Seelsorge im ersten vorehelichen Gespräch mit einem Paar. Das Paar hat ein Kind, das im Oktober geboren wurde. Ihre freundschaftliche Beziehung begann im Januar darauf, und die Hochzeit sollte im September stattfinden. Es war Anfang August. Der Bruder des Mannes hatte mich ständig gedrängt: "Roger, du musst voreheliche Seelsorge mit meinem Bruder machen." Ich sagte immer, ich hätte keine Zeit. Er nötigte und nötigte und trat mir sogar auf die Zehen, sodass es weh tat. Schließlich willigte ich ein.
Im ersten Gespräch erfuhr ich vom Werdegang: Kind, Freundschaftsbeginn, Hochzeit in einigen Wochen. Am Ende des Gesprächs fragte ich: "Ihr seid Pastorentochter und Sohn von Gläubigen. Habt ihr eure Sünde dem Herrn und einander bekannt?" Die Antwort war: "Nein." Ich fiel fast vom Stuhl. Ich fragte weiter: "Habt ihr Interesse, es jetzt dem Herrn und einander zu bekennen?" Sie sagten: "Ja."
Normalerweise bitte ich die Leute, zuerst dem Herrn zu sagen, dass sie seine Vergebung erfahren, und dann einander zu bekennen. An diesem Tag sagte ich jedoch zu ihm: "Beginne du." Es war keine Vergewaltigung, beide waren freiwillig an der Sünde beteiligt. Ich bat ihn, sie um Vergebung zu bitten, und dann sie ihn.
Er fiel auf die Knie, fing an zu weinen, nahm ihre Hand und bat sie um Vergebung. Sie zog ihn zu sich, umarmte ihn und sprach ihre Vergebung aus. Dann bat sie ihn um seine Vergebung. Danach begann er, es dem Herrn zu bekennen und weinte erneut. Sie betete.
Anschließend sagte er: "Ich habe seit zehn Jahren nicht geweint, und hier habe ich in zehn Minuten zweimal geweint." Seht ihr nicht, dass hier ein Problem vorliegt? Warum kamen sie nicht auf die Idee, die Sünde loszuwerden?
Die Kraft des Schuldbekenntnisses und Erweckung
Die herrliche Geschichte vom verlorenen Sohn, die uns allen bekannt ist: Der verlorene Sohn, was tut er in der Ferne? Er kommt zu sich, sagt der Text. Bevor er aufsteht, um nach Hause zu laufen, übt er ein Bekenntnis ein. Er sagt: „Ich habe gegen den Himmel und dich gesündigt, ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen.“ Das war eigentlich sein Bekenntnis.
Er kommt nach Hause, und wenige Verse später geschieht Folgendes: Der Vater sieht ihn, rennt auf ihn zu, und der Sohn bekennt sofort seine Schuld. Aufgrund dieses Schuldbekenntnisses sagt der Vater – was mir vor ein paar Jahren neu aufgegangen ist, ich dachte, das gibt es nicht, dass ich das all die Jahre übersehen habe –: „Ring her, Gewand her, geschlachtetes gemästetes Kalb her, wir feiern, mein Sohn ist wieder daheim.“
Woher wusste der Vater, dass sein Sohn wirklich wieder daheim war? Es gibt viele Söhne, die daheim sind, deren Herzen aber in der Ferne sind, nicht wahr? Er wusste, dass das Herz seines Sohnes wieder da war, am Bekenntnis, am Schuldbekenntnis. „Mein Sohn ist da.“
Jedes Mal, wenn wir unsere Sünde bekennen, bestätigen und würdigen wir das Kreuz. Und jedes Mal, wenn wir die Sünde nicht bekennen, sagen wir, das Kreuz war nicht notwendig, das Kreuz war unwichtig, ich brauche es nicht.
Die Gemeinde Jesu weltweit braucht Erweckung. Wenn Erweckung kommt – wir haben alle Erweckungsgeschichten gelesen –, dann wird Sünde bekannt. Dinge, die verheimlicht wurden, kommen ans Licht, Zerbrochenheit zeigt sich.
In Kanada, in Saskatchewan, gab es in den Siebzigerjahren eine Erweckung. Die Zwillinge Souterres aus Mansfield, Ohio, gingen dorthin und wollten in einer kleinen Baptistengemeinde mit zweihundert Personen eine Woche lang predigen.
Eine Frau betete: „Herr, tue etwas.“ Sie wollte nicht unbedingt hingehen, denn sie dachte, sie brauche keine neuen Veranstaltungen. Am ersten Abend sprach Gott sie an. Am zweiten Abend wirkte der Herr in einem Bruder, dessen Bruder ebenfalls in der Gemeinde war.
Diese zwei Brüder, leibliche Geschwister, hatten seit zehn Jahren nicht miteinander gesprochen, obwohl sie in der gleichen Gemeinde waren. Der eine kam herein, schaute hinauf und ging wieder hinaus. Zehn Jahre lang hatten sie in der gleichen Gemeinde einander nicht gesprochen, obwohl sie vorher Duette gesungen hatten.
An diesem Abend brach der eine Bruder vor Gott zusammen und war bereit, sich mit seinem Bruder zu versöhnen. Gott tat das große Wunder, dass an diesem Abend beide Brüder sich vor Gott versöhnen konnten.
Am nächsten Abend standen sie auf, gaben Zeugnis und sangen ein Duett. Das entfachte eine Erweckung wie ein Lauffeuer. Die Gemeindehalle wurde zu klein, sie wechselten zu einer Gemeinde mit sechshundert Plätzen, dann zu einer mit fünfzehnhundert Plätzen, dann zu einer noch größeren Gemeinde.
Dann fuhren Autos von dieser Erweckung aus in alle Himmelsrichtungen von der Gemeinde weg, um in anderen Gemeinden zu erzählen, was Gott getan hatte. Und das alles geschah durch die Aufdeckung der Sünde – verheimlichte, geduldete, mitgeschleppte, unbekannte Sünde.
Das sollte eigentlich in den Anfangsschritten eines Christen geklärt sein: Sobald uns klar wird, dass wir gesündigt haben, müssen wir das bekennen. Wir schieben es nicht vor uns her, sagen nicht „irgendwann am Morgen“, denn das ist nicht notwendig.
Warum das? Weil der Feind glücklich ist, wenn wir belastet sind und die Sünde mit uns herumschleppen – auch Gedankensünden.
Herr, hilf uns, dass wir in unseren Gemeinden bereit sind, Sünde zu bekennen, und dass wir in unserem Leben, in unserer Ehe bereit sind, Sünde zu bekennen.
Die Bedeutung von Vergebung und Demut in der Gemeinde
Ich kenne eine Ehe, in der siebzehn Jahre lang verheiratet waren, bis die Frau sich einmal für irgendetwas entschuldigte. Entweder war sie eine sehr perfekte Frau oder eine sehr imperfekte Frau.
Wir kennen das deutsche Wort, das oft wie eine Seuche in diesem Land verbreitet ist: Rechthaberei.
Ich kenne auch eine Frau, die in Amerika gelebt hat, die zur Schule ging und mit der Lehrerin vor der ganzen Klasse stritt. Sie behauptete, Florida läge gleich neben New Jersey. New York ist jedoch weit im Norden, während Florida ganz unten liegt. Sie stritt unermüdlich mit der Lehrerin – reine Rechthaberei.
Rechthaberei hat keinen Platz im Leben einer christlichen Gemeinde oder in einer christlichen Ehe. Rechthaberei verdirbt und zerstört zwischenmenschliche Beziehungen.
Ein Seelsorger sagte zu diesem Mädchen: „Ich könnte mir nur schrecklich vorstellen, mit dir verheiratet zu sein.“ Rechthaberei verdirbt jede Beziehung.
Nein, in Gottes Gemeinde ist es anders: Wenn wir versagen, erkennen wir es und bekennen es. Wenn ein anderer zu uns kommt und den Finger darauf legt, geben wir es zu. Wir sagen: „Vergib mir, Herr, vergib mir, meine Schwester, mein Bruder, vergib mir. Ich bekenne, ich habe gesündigt.“ Dabei wird die Schuld nicht geschmälert oder gemindert.
Nehemia betete so in Nehemia 1. Auch Daniel betete: „Wir sind sündig, ich und mein Vaterhaus. Wir sind sündig, wir haben schrecklich gesündigt, groß gesündigt.“ Sie schmälerte oder minderten die Schuld nicht, noch schoben sie sie auf andere. Stattdessen umarmten sie ihre Schuld und stellten sich dazu.
Gemeinde Jesu, das ist Erweckung, wenn wir so handeln.
Die Bedeutung der Erfüllung mit dem Heiligen Geist
Ein Drittes sollten wir beibringen: Wie wird man erfüllt? Was bedeutet es, erfüllt zu sein vom Heiligen Geist?
Dies ist eine der am meisten vernachlässigten Lehren unter Christen. Ich bin in einer nichtcharismatischen Gemeinde aufgewachsen, in einer Nicht-Pfingstgemeinde, und heute gehöre ich auch keiner solchen Gemeinde an. Dennoch bin ich fest davon überzeugt. Manchmal sprechen wir in unseren Kreisen bewusst nicht über den Heiligen Geist, weil wir nicht den Eindruck erwecken wollen, als wollten wir etwas überbetonen. Dabei vernachlässigen wir die Wirkung des Heiligen Geistes.
Der Geist Gottes überführt von Sünde. Er befähigt zum Dienst und ist unser Leiter im Dienst. Der Geist Gottes verbindet uns in Einheit. Alles wird bewirkt und verwirklicht – Gottes ganzer Plan in seiner Gemeinde – allein durch den Heiligen Geist.
Wir Menschen sind wie ein Handschuh. Ein Handschuh hat die richtige Form für eine Hand, ist aber kraftlos ohne die Hand darin. Du kannst einen Handschuh auf den Tisch legen und lange Zeit anschreien: „Tu was, heb etwas!“ Ein Handschuh ist nicht fähig, etwas zu tun. Erst wenn die Hand hineinkommt, wird der Handschuh fähig zu allem, wozu die Hand fähig ist.
Wenn eine Hand ein Klavier heben kann – ich mache das jetzt nicht –, aber wenn meine Hand dazu fähig wäre und ich Handschuhe trüge, dann wären auch die Handschuhe dazu fähig.
Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht: Christus, durch den in uns wohnenden Heiligen Geist.
Das bedeutet nicht, dass wir mehr vom Heiligen Geist bekommen, sondern dass er mehr von uns bekommt. Wir liefern uns ihm aus.
Es war meine Bitte vor dieser Stunde: Herr, ich gebe dir meinen Verstand, ich gebe dir meine Augen, meine Ohren, meine Lippen, meine Hände, meine Füße. Ich gebe mich dir. Wirke du, Heiliger Geist, durch mich in dieser Stunde, damit wir auf Christus gelenkt werden.
Wo Christus verherrlicht wird, da wird der Heilige Geist wirksam. Der Heilige Geist lenkt nicht die Aufmerksamkeit auf sich, sondern verherrlicht Christus. Und wo Christus im Mittelpunkt steht, da ist der Heilige Geist mächtig am Wirken.
Die meisten Christen – mehr als 50 Prozent – wissen nicht, was es bedeutet, in der Fülle des Heiligen Geistes zu wandeln. Sie versuchen, diese Last abzuschütteln, die aus einer gesetzlichen Gemeinde stammt. Ein Bruder im dritten Studienjahr kommt erst allmählich frei von seinem gesetzlichen Denken. „Ich muss leisten, Roger, ich muss leisten“, sagt er immer wieder.
Ich habe ihm gesagt: „Du musst dem Geist Gottes dein Leben übertragen. Gib ihm die Leitung.“ Aber er antwortet: „Oh, Roger, ich muss, ich muss, ich muss!“ Das Wort „muss“ kommt in jedem zweiten Satz vor.
Endlich, im dritten Studienjahr, beginnt er zu begreifen, dass es Jesus in ihm ist.
Wir haben im Bild von vorgestern, gestern und morgen das Bild vom Weinstock und der Rebe. Wie viel Leistung muss die Rebe bringen, damit Frucht kommt? Null und nochmals null. Sie muss nur am Weinstock bleiben.
Wenn die Rebe am Weinstock bleibt, kommt automatisch die Frucht von der Rebe. Am Weinstock bleiben bedeutet, in der Fülle des Geistes zu wandeln – nicht nach eigenem Denken, nicht in eigener Kraft, nicht in eigener Regie, sondern: Herr, übernimm du alles! Führe und leite du mich, leite du mich zu den Gesprächen für heute.
Dann kommt das wirksame Zeugnis aus uns heraus. Wenn wir in der Fülle des Geistes leben, wollen wir von Jesus erzählen.
Zeugnis eines Kindes und die Bedeutung des einfachen Glaubenszeugnisses
Unser jüngster Sohn Lamar war fünf Jahre alt, als er das Gebet gesprochen hat. Er war bei seinem Bruder und sagte zu Phil: „Eve Christ!“ Der Vierjährige antwortete: „Geh zum Papa!“
Ein paar Minuten später, genauer gesagt Sekunden später, saß ich im Wohnzimmer auf meinem Stuhl und er klopfte an meine Hand. „Papa, Papa, Ewe Christ, haben wir meine Zeitung weggeschmissen?“ Ich holte ihn auf meinen Schoß und sagte: „Ja, erzähl mal. Du wirst Christ? Meinst du, du wirst Christ werden?“ Er antwortete: „Ja, ja!“
Dann erklärte er noch einmal den Heilsweg. Ich fragte ihn: „Möchtest du Jesus jetzt annehmen? Brauchst du Hilfe? Soll ich für dich beten, oder willst du alleine beten?“ Er sagte: „Hilf mir, hilf mir!“ So half ich ihm, das Gebet zu sprechen.
Nachdem er das Gebet gesprochen hatte, sagte ich zu Lamar: „Willkommen in der Familie Gottes, herzlich willkommen. Du bist nicht nur mein Kind, sondern auch mein Bruder.“ Dann forderte ich ihn auf: „Jetzt solltest du etwas tun.“
Es wurde mucksmäuschenstill, fünf Sekunden, vielleicht zehn Sekunden vergingen, kein Wort. Plötzlich kamen alle Muskeln in Bewegung und er sagte: „Ich gehe und sag’s der Mama.“ Genau das wollte ich. Er hatte die Idee, es seiner Mutter zu erzählen.
Er rannte in die Küche und sagte es der Mama. Danach lief er zu seinem Bruder Phil, der damals Klavier spielte, und sagte: „Phil, ich bin eben Christ geworden.“
Am nächsten Morgen kam Julia die Treppe herunter, er öffnete die Tür und rief: „Julia, ich bin Christ geworden!“ Er lief in den Kindergarten. Die Erzieher und andere Gläubige berichteten uns später, dass er allen im Kindergarten erzählt hat, dass er Christ geworden ist.
Es ist schade, dass wir als Erwachsene oft nicht mehr so ungehemmt und ungeniert von Jesus erzählen. Preis sei dem Herrn für ein so wirksames Zeugnis! Manchmal denken wir, wir müssten zwanzig Kurse belegen, bevor wir Zeugnis geben können. Doch Jesus sagte: „Ihr werdet meine Zeugen sein, in Jerusalem, Judäa, Samarien und bis an das Ende der Erde.“ Zeugnis geben heißt einfach: „Ich bin Christ geworden, er hat mich gerettet.“
Das ist ein wirksames Zeugnis. Oft aber hemmen wir neue Christen. Sie sind bereit zu erzählen, aber man sagt ihnen: „Sei nicht so frei, rede nicht so viel, sei nicht so ungeniert.“ Dabei wollen die neuen Christen nur anderen wissen lassen, dass sie Kinder Gottes geworden sind und andere zu Jesus führen.
Wie macht man das? Das ist eine wichtige Sache in den Anfangsschritten, die wir gehen müssen. Außerdem gehört die Mitarbeit am Missionsauftrag dazu: Andere durch den Glauben zu gewinnen. Wie wir heute Morgen gesehen haben, gibt es Feinde und Freunde. Wir sollen andere durch den Glauben lieben, auch die Gegner des Evangeliums.
Die Praxis des Gebets und gemeinsames Beten als Lernprozess
Wirksames Gebet – wie bietet man es an, und was bedeutet Gebet?
Gebet – wisst ihr, wie ich Deutsch gelernt habe? Ich sprach mit Deutschen. Genauso ist es mit dem Beten: Weiß man, wie man anderen das Gebet beibringt? Indem man mit ihnen betet.
In meiner Gebetsklasse gibt es eine Aufgabe: Die Teilnehmer sollen eine Stunde pro Woche am Stück mit jemandem beten, einem Gebetspartner. Eine Frau kam auf mich zu, nachdem ich das erklärt hatte. Sie sagte: „Roger, dürfte ich mit eurer Tochter beten?“ Zu diesem Zeitpunkt war unsere Tochter zwölf Jahre alt.
Hier ist eine zwanzigjährige Studentin, die mit unserer zwölfjährigen Tochter wöchentlich eine Stunde beten wollte. Natürlich beteten wir zuhause ständig. Aber ich habe die Studentin fast sofort umarmt und gesagt: „Natürlich kannst du mit unserer Tochter beten.“
Unsere Tochter verließ jede Woche die Wohnung, lief zum Frauenwohnheim und ging in das Zimmer dieser Studentinnen. Nun, denkt euch: Sie ist zwölf Jahre alt, und das sind zwanzigjährige Studentinnen. Wie denkt eine Zwölfjährige über zwanzigjährige Studentinnen? „Oh, die sind groß“, sagt sie.
Und die Kleine wurde durch das Beten mit dieser Freundin total geprägt. Heute sind sie beste Freundinnen. Die Studentin ist inzwischen Missionarin in Argentinien. Unsere Tochter lernte in diesem Jahr tief das Beten.
Man lernt Beten, indem man mit anderen betet. Eine Frage: Wem bringst du das Beten bei? Wir bringen es bei durch das Tun.
Die Bedeutung der Gemeinde und Jüngerschaft in den Anfangsschritten
Auch am Anfang sollten neue Kinder Gottes vom Stellenwert der Gemeinde, von der Schönheit und von der Herrlichkeit der Gemeinde Jesu hören. Sie sollten über die Taufe und das Abendmahl aufgeklärt werden. Viele Dinge gilt es zu vermitteln.
Eine Frage an uns, Gottes Frage an uns lautet: Wen leiten wir an? Ich persönlich bin zu der tiefen Überzeugung gekommen, dass ich, solange ich noch atme, mein Herz schlägt und ich lebe, jemanden anleiten soll. Ich soll immer dabei sein.
In der Pause wurde ich gefragt, wie man das macht. Manche kommen zu mir und bitten mich, sie anzuleiten. In solchen Momenten habe ich oft viel zu tun, denn ich arbeite wieder Vollzeit. Meine Kapazität und Fähigkeit sind dann oft erschöpft.
Im Normalfall möchte ich mich einmal pro Woche mit der betreffenden Person treffen, aber das ist bei sehr vielen nicht möglich. Deshalb habe ich gesagt: Okay, ich treffe mich mit einigen einmal pro Woche, mit zwei vielleicht, andere sehe ich einmal alle zwei oder drei Wochen. Diese Treffen dauern etwa eine Stunde.
Manchmal treffen wir uns bei einer Mahlzeit, manchmal machen wir Spaziergänge. Wir gehen auch Gebetsspaziergänge oder tun verschiedene Dinge, um wach zu bleiben. Oft sind wir nachmittags müde, wenn wir uns treffen. Dann sage ich: Komm, wir machen einen Spaziergang und beten dabei. So bleiben wir aktiv.
In manchen dieser Gesprächsrunden, die wir hatten, wurden Dinge im Gebet bewegt. Auch Ehebeziehungen wurden geklärt, Freundschaftsbeziehungen besprochen und Lebensfragen geteilt.
Seit der Spaltung in der Gemeinde 1980 habe ich unaufhörlich Anleitung gegeben. In manchen Semestern waren es bis zu fünf oder sechs Männer, in anderen Zeiten vier oder fünf. Viele von ihnen sind zu meinen besten Freunden geworden.
Ich sehe meine Aufgabe darin, ständig ein Vorbild der geistlichen Multiplikation zu sein.
Man könnte sagen: Gut, Roger, du kannst das, du weißt, wie es geht. Am Anfang wusste ich jedoch gar nichts. Ich hatte keine Ahnung, niemand hat es mir gezeigt. Ich musste lernen, was ich hier mache. Ich folge keinem festen Schema.
Oft nehme ich Unterlagen mit. Im ersten Gespräch bitte ich die Person, ihr Zeugnis zu erzählen: Wie bist du zum Glauben gekommen? Dann frage ich, welche Nöte sie hat. Die Person erklärt ihre Schwierigkeiten, und wir setzen genau dort an, wo es bei ihr brennt.
Hat jemand zum Beispiel ein Problem mit Pornografie, beginnen wir genau dort und arbeiten daran. Wenn das gelöst ist, tauchen automatisch andere Themen auf. Wir beginnen also dort, wo es weh tut und wo Not ist.
Daraufhin wächst oft eine lange Beziehung. Man muss auch lernen, geduldig zu sein, denn alle Menschen sind unterschiedlich.
Ein Mann, mit dem ich arbeite, ist sehr nachdenklich. Das Wasser läuft bei ihm tief. Er setzt sich hin, ich bete und frage: Wie war die Woche? Mehrmals passierte es, dass er kaum antwortete.
Einmal habe ich meinen Sekundenzeiger beobachtet und gewartet. Nach 90 Sekunden kam eine kurze Antwort: „Gut.“ Dann fragte ich, welche Herausforderungen er erlebt habe. Wieder wartete ich eine längere Zeit, bis er anfing zu sprechen.
Da wurde mir bewusst, wie tief er in sich ist. Aber er musste erst nachdenken. Ich selbst bin eher jemand, der viel redet und Dinge durch den Mund verhandelt. Er hingegen denkt erst nach.
Sei bereit, auf die Person einzugehen, die vor dir sitzt. Frage nicht: Warum redest du bloß nicht? Das hätte ihn verschreckt. Sei bereit, Rücksicht auf die Persönlichkeit zu nehmen, die vor dir ist.
Freue dich an dem, was Gott durch diese Begegnungen tut.
Zeugnis eines jungen Mannes und die Freude über Vergebung
Ich wünschte, ich könnte alle herholen. Es wäre eine große Gruppe. Einer von ihnen kam spät abends in Brake zum Glauben.
Wir kamen hier an, und er hatte ein paar Regeln an der Schule gebrochen. Als Strafe musste er sich mit mir treffen. Das war seine Strafe: einmal pro Woche mit Roger.
Am Anfang merkte ich, dass er sich nicht mit mir treffen wollte. Doch mit den Wochen wurde es anders. Dieser Roger, der ist vielleicht gar nicht so schlecht. Gegen Weihnachten wurde es ein bisschen wärmer zwischen uns.
Anfang Januar erzählte ich, dass ich im März nach Deutschland fahre. Ein paar Wochen später sagte Roger: „Wie wär’s, ich fliege mit.“ Ich sagte, wenn du ein Ticket bekommen kannst, hier sind die Flugbedingungen von meinem Ticket. Er bekam ein Ticket hundert Dollar billiger als meins.
Wir landeten am Freitagmorgen, Dienstagabend in Brake. Ich kam aufs Zimmer, total ausgelaugt von einem Tag Unterricht. Es war halb elf, ich wollte nur ins Bett. Doch Roger sagte: „Roger, ich grüble die ganze Zeit jetzt am Abend über meine Sünde.“
Ich fragte ihn: „Pete, hast du eine Ahnung, wie sehr Jesus dich liebt?“ Das ist ein ziemlich einfacher Satz, aber irgendwie gebrauchte der Heilige Geist diesen Satz, um sein Herz zu erreichen. Bis halb zwei waren wir wach.
Ich sah lange das Bett nicht, aber das Adrenalin lief. Bald nahm Jesus jemanden in seine Familie auf. Bis dahin musste er immer seinen MP3-Player laut einstellen, um einzuschlafen. So wollte er die Gedanken über seine Sünde übertönen.
In jener Nacht ließ er die Kopfhörer aus den Ohren und spielte den MP3-Player nicht. Er schlief die ganze Nacht durch – und seither niemals wieder mit Musik zum Einschlafen. Die Schuld war weg, Christus hatte ihm vergeben.
Er kam zurück, stand hinten im Raum und fragte mich: „Was ist mit Piet passiert?“ Piet hat sich ausbilden lassen für den Dienst des Herrn.
Ihr könnt euch vorstellen, welche Freude das bedeutet. Neulich war seine Frau bei mir im Büro, vor zwei Wochen. „Wir sind schwanger, wir erwarten“, sagte sie. Ich antwortete: „Herrlich, herrlich, herrlich, schon zwei oder drei Jahre verheiratet.“
Kaum eine größere Freude gibt es, sagte der Apostel Johannes, als zu wissen, dass meine Kinder in der Wahrheit wandeln.
Jüngerschaft als geistliche Kindererziehung und Herausforderung für die Gemeinde
Wenn wir vor Gott stehen, bin ich überzeugt, dass es wahrscheinlich so ablaufen wird: Wir stehen ihm gegenüber, und er wird sagen – im Sendungsbefehl in Matthäus 28, den du vielfach markiert hast – „Hast du ihn unterschrieben? Hast du es gelesen? Hast du es gehört? Wo sind die Jünger, die du gemacht hast? Wo sind die Menschen, die durch dein Zeugnis von mir gehört haben? Wo sind sie?“
Ich möchte nicht mit leeren Händen und gesenktem Kopf dastehen, sondern sagen können: Herr, durch deine Gnade habe ich einigen von dir erzählt und sie angeleitet. Jüngerschaft richtig verstanden ist wie Kindererziehung. Es ist die Fortsetzung der ersten Schritte im Babykorb, am Wickeltisch, wenn das Kind die Hose vollmacht und wieder sauber gemacht werden muss. Es geht darum, dass sie heranwachsen zur vollen Mannesreife in Christus.
Das Ziel ist, dass sie selbst reproduktiv sind in Jesus und bereit, den Weg mit ihm alleine zu gehen – genauso, wie wir Kinder bekommen haben. Mein Ziel war es, dass sie mit achtzehn das Haus verlassen können, mit dem Wissen, wie man mit Christus umgeht, mit der eigenen Sexualität, mit Geld und mit der Zeit. Sie sollen wissen, wie man eine Familie leitet.
Diese Kinder sollen mit achtzehn all diese menschlichen und geistlichen Dinge kennen, sodass sie neu von sich selbst beginnen können. Der Grund, warum ich achtzehn als Zielalter gewählt habe, ist, dass ich selbst mit achtzehn das Haus verlassen habe. Ich bin ziemlich endgültig zum Studium weggezogen, 48 Autostunden entfernt – das war nicht der nächste Weg.
In der geistlichen Situation ist es interessant: Wenn ich der Teufel wäre, würde ich den Menschen einreden, dass sie so viele Gemeindeaktivitäten, Chorübungen und anderes machen müssten, dass sie keine Zeit mehr haben, Jünger zu machen. Ich denke, wir sollten alles überprüfen und uns die Frage stellen: Ist diese Arbeit der Gemeinde effektiv dabei, Jünger zu machen? Wie wird Jüngerschaft hier praktiziert?
Im Chor kann Jüngerschaft praktiziert werden, aber das muss bewusst gemacht werden. In jedem Bereich der Gemeinde sollten Jünger gemacht werden. Kann man wachsen? Willow Creek ist bekannt für jahrelange große Veranstaltungen. Ich war ein paarmal dort, es waren riesige Events.
Vor zwei Jahren hat jemand eine Untersuchung gemacht und festgestellt: Ups, hier wächst kaum jemand als Jünger. Wir machen viele Säuglinge, aber keine Jünger. Daraufhin sagten sie: Wir müssen lernen, jetzt Jünger zu machen. Das war ständig sein Befehl – nicht große Gottesdiensthäuser mit oberflächlichen Massen zu füllen, sondern tiefgehende Jünger zu machen.
Bevor wir Willow Creek zu sehr kritisieren, müssen wir uns an der eigenen Situation fragen: Herr, wie geschieht Jüngerschaft bei uns? In den meisten Gemeinden ist es kirchlich wenig vorhanden. Kirchlich wenig – Herr, hilf! Herr, hilf uns, dass wir Jüngerschaft mit Leidenschaft machen – dir zur Ehre.
Abschlussgebet und Bitte um Vergebung und Erneuerung
Darf ich bitten, dass wir uns zum Schlussgebet erheben.
Danke, Herr, dass wir wissen dürfen, dass du uns diesen Sendungsbefehl gegeben hast. Evangelisation bedeutet, den Herrn zu preisen und viele neue Kinder Gottes zu machen.
Dann folgt die Jüngerschaft, die Anleitung und die ersten Schritte. Oh Vater im Himmel, wir bitten dich um Vergebung, weil wir so viel Betonung auf Aktivität in der Gemeinde gelegt haben, dass wir keine Zeit für die neuen Babys hatten.
Vater, wir wollen ein geistliches Kinderzimmer einrichten. Wir wollen Schulungen anbieten, damit wir uno uno mit den neuen Kindern Gottes machen können, die du uns anvertraust.
Wir wollen, Herr, dass wir leidenschaftlich reproduktiv werden, dir zur Ehre. Danke für deine Gnade dazu und danke für deine Vergebung für unser Versagen. Danke, dass du so freundlich bist. Amen.
