Orientierung und Einführung in das Thema alternative Medizin
Ich habe mich hier in Pivizeil zunächst etwas verlaufen. Der Ort ist zwar nicht sehr groß, aber ich war eine Zeit lang nicht hier und wusste nur noch ungefähr, wo es langgeht. Da es noch dunkel war, bin ich dann auch noch den falschen Weg abgebogen. Jetzt freue ich mich aber, hier zu sein, damit wir uns gemeinsam Gedanken über alternative Medizin machen können.
Heute spricht man im medizinischen Bereich manchmal nicht mehr von alternativer, sondern von komplementärer Medizin. Das soll einen etwas anderen Aspekt in den Vordergrund rücken. Bei alternativer Medizin geht es darum, dass sie eine Alternative zu der bis dahin allgemein gültigen Medizin darstellt.
Bei der Bezeichnung „allgemein gültige Medizin“ winde ich mich ein wenig, wie viele andere auch, denn man kann nicht ganz genau sagen, was das eigentlich ist. Die Medizin, die wir oft als materialistische, chemisch-biologische oder wie auch immer wir sie nennen wollen, bezeichnen, ist die Medizin, die sich in den letzten 150 Jahren in Europa als Normalmedizin entwickelt hat.
Diese Definition ist allerdings schon sehr einschränkend. Wenn wir vor 150 Jahren die medizinische Situation in Europa betrachten, dann war sie sehr, sehr unterschiedlich zu dem, was wir heute haben. Die meisten Medikamente, die wir heute kennen, gab es damals noch nicht. Krebs war unheilbar, ebenso wie Lungenentzündung, weil Antibiotika noch unbekannt waren. Solche Krankheiten waren in der Regel tödlich.
Vor etwa 150 Jahren, also zur Zeit der industriellen Revolution, erreichte nur etwa die Hälfte der geborenen Kinder das Erwachsenenalter. Viele Kinder starben schon als Säuglinge oder kurz danach an sogenannten Kinderkrankheiten, weil man keine Möglichkeit hatte, ihnen zu helfen.
Die heute allgemein gängige Medizin, also die materialistische Medizin, erforscht die biochemischen Zusammenhänge des Menschen und versucht, diese auszugleichen. Das ist der Standard. Von diesem Standard aus betrachtet war man seit den 1960er Jahren zunehmend unzufrieden.
Die Entwicklung und Enttäuschungen der materialistischen Medizin
Zum Teil ist dies auch begründet, weil die Medizin von Mitte des 19. Jahrhunderts bis Mitte des 20. Jahrhunderts einen radikalen Aufschwung erlebt hat. Sie konnte sehr viele Probleme lösen, die man bis dahin für unlösbar hielt. Danach wuchsen die Erwartungen immer stärker.
Die Menschen gingen davon aus – und Mediziner versprachen es manchmal auch –, dass in wenigen Jahren alle Probleme gelöst sein würden und es keine Krankheiten mehr geben würde. In den fünfziger und sechziger Jahren träumte man davon, bald alles in der Hand zu haben.
In dieser Zeit kamen sogar die Psychopharmaka auf. Das sind Mittel, die nicht nur körperliche Leiden beheben sollten, sondern auch seelische Leiden. Diese seelischen Leiden sollten nicht mehr durch Seelsorge, Vergebung der Sünden oder Ähnliches geheilt werden, sondern allein durch chemische Substanzen. Man glaubte, dass der Mensch durch diese Mittel wieder glücklich und zufrieden werde, auch wenn er vorher depressiv und niedergedrückt war, etwa aufgrund seiner Schuld.
Man träumte davon, dass es in wenigen Jahren für alle Menschen vielleicht sogar nur noch Glückspillen geben würde. Alois Haxli beschreibt das in seinem Buch „Schöne neue Welt“ so: Die Menschen bekämen regelmäßig eine Glückspille verabreicht, würden dann strahlen, zufrieden und gesund sein und bräuchten nichts anderes mehr.
Das war eine Art übertriebener Fortschrittsglaube in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Er zeigte sich auch in Zeitschriften aus dieser Zeit. Dort wurde beschrieben, wie die Menschen im Jahr 2000 in Raumanzügen herumlaufen würden, der Urlaub irgendwo auf dem Mond stattfinden könne, und man dort hinfliegen könne. Man würde nur noch so genannte Astronautennahrung essen, die damals als Plastikfolien bekannt war, zusammengesetzt aus Vitaminen, Stärke und weiteren Nährstoffen.
Heute sehen wir, dass wir uns nicht genau so entwickelt haben, wie man vor fünfzig oder sechzig Jahren dachte.
Eine der Entwicklungen in der Zwischenzeit war eine Reihe von Enttäuschungen über diese materialistische Medizin – und zwar in mehrfacher Hinsicht.
Manchmal halfen Medikamente, von denen man sich viel versprach, nicht nur nicht, sondern sie fügten den Menschen sogar Schaden zu. Denken wir etwa an Contergan. Dieses Schmerzmittel wurde Frauen verabreicht und als vollkommen harmlos und sehr gut geeignet beworben. Im Laufe der Zeit wurden jedoch immer mehr verkrüppelte Kinder geboren. Schließlich wurde das Medikament abgesetzt. Das geschah aber erst Jahre später, da die Firma immer wieder bestritt, dass das Medikament damit zusammenhänge.
Contergan ist nur ein Beispiel. Zahlreiche weitere Fälle zeigten, dass die materialistische Medizin zwar gut ist, aber auch ihre Grenzen hat.
Aufgrund der hohen Versprechungen und der geweckten Erwartungen wollten die Menschen sich nicht mehr damit zufriedengeben, einfach krank zu werden und zu sterben. Stattdessen suchten sie nach anderen, alternativen Heilmethoden, die eine Ergänzung und Hilfe zur schulmedizinischen Medizin bieten konnten.
Die Anfänge und Entwicklung der alternativen Medizin
Und das fing so an: In den späten Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre war das eher noch eine Sache für Außenseiter. Es waren Leute, die das verlachten, und die normalen Ärzte kümmerten sich nicht darum. Es waren eher Menschen, die Kräuterbücher lasen. Manche beschäftigten sich auch mit indischer Medizin.
In dieser Zeit gab es eine erste Welle der chinesischen Medizin und der Akupunktur, die dann populär wurden. Auch die Homöopathie kam langsam wieder in den Vordergrund. Sie ist bis heute einer der Stützpfeiler der alternativen Medizin. Das war also in den späten Sechziger-, Siebziger- bis Anfang der Achtzigerjahre.
Alternativ bedeutete damals eben alternativ zu diesem materialistischen Medizinkonzept. Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass es gut war, vom Allmachtsglauben der Medizin wegzukommen.
Wer sich daran erinnert: Ende der Neunzigerjahre gab es noch mal einen Schwung dieser Allmachtsfantasien. Das hing mit dem Aufblühen der Biotechnologie und Gentechnik zusammen. Wenn man sich daran erinnert, Ende der Neunzigerjahre und Anfang des neuen Jahrtausends, gab es viele Versprechungen. Man konnte das in Interviews von Gentechnologen im Spiegel nachlesen. Einige nannten Ziele, die klangen, als seien sie besser als Gott. Warum? Weil alle Krankheiten ja an den Genen lägen. Man müsse nur die Gene umstellen, und dann würden alle Krankheiten beseitigt sein.
Zwischenzeitlich sind wir einige Jahre später und müssen feststellen: Ganz so hat sich dieses Versprechen nicht erfüllt. Es gab keinen großen Durchbruch. Der letzte große Durchbruch war die Herstellung von gentechnischem Insulin – doch das liegt schon lange zurück.
In der Zwischenzeit gibt es nicht viel Neues von der Gentechnologie. Auch hier herrscht eher Enttäuschung: große Erwartungen, große Versprechungen, wenig, was tatsächlich eingelöst wurde. Dann entdeckte man plötzlich, dass es nur noch ganz andere Möglichkeiten gibt.
Gleichzeitig wuchs in Europa die Sehnsucht nach religiösen Inhalten. Man beschäftigte sich stärker mit Religion, insbesondere mit asiatischer Religion und Esoterik. Das ist bis heute die boomende „Religion“ in Deutschland. Sie braucht keine Kirchen, keine Gebäude und keine Glaubensbekenntnisse. Jeder sagt: Ich habe Gott in mir, Gott spricht zu mir – wie auch immer. Zu dir sagt Gott etwas anderes als zu mir, und zu jemand anderem noch etwas anderes. Jeder hat seine persönliche Gottesoffenbarung.
So ähnlich ist es auch in der alternativen Medizin. Plötzlich hängt das nicht mehr mit Überprüfbarkeit zusammen. Es ist nicht wichtig, ob es überprüfbar ist oder ob es irgendwo chemisch oder biologisch wirkt. Die Hauptsache ist: Ich werde gesund.
Wenn da irgendwelche Energien und Kräfte auf mich einwirken, wer weiß schon, was es für Kräfte gibt? Es gibt ja viel mehr unter der Sonne, als man sich träumen lässt. Offen zu sein für all diese Angebote ist wichtig.
Insbesondere in den letzten zehn Jahren blüht diese Medizin stark auf. Viele Ärzte, deren Budget von einer Gesundheitsreform zur nächsten zusammengestrichen wird, öffnen sich dem gegenüber. Sie bieten diese Methoden an, werben dafür und machen Wochenendkurse, um als Therapeut für x und y anerkannt zu sein.
Diese Methoden werden meist über die Krankenkassen abgerechnet und bieten dem Arzt somit auch ein gewisses Einkommen.
Bewertung und theologische Perspektive auf alternative Heilmethoden
Ist eine alternative Heilmethode deshalb gut oder schlecht? Grundsätzlich glaube ich, dass alternative Heilmethoden erst einmal gut sind. Das liegt daran, dass das Bild der klassischen Medizin, die den Menschen lediglich als eine biochemische Maschine betrachtet, viel zu eng ist.
Der Mensch ist meiner Ansicht nach, gerade als Christ, mehr als nur der Körper. Er ist gleichzeitig Seele und Geist. In der Bibel lesen wir, dass eine Erkrankung der Seele und auch des Geistes Auswirkungen auf den Körper haben kann. Das finden wir an verschiedenen Stellen. Zum Beispiel König David, der Ehebruch beging und dadurch ein geistliches Problem hatte – in der Beziehung zu Gott. In einem Psalm schreibt er: „Alle meine Gebeine verdorren mir im Körper, und kein heiles Glied ist mehr an mir.“ Das zeigt, dass geistliche Probleme körperliche Auswirkungen haben können.
Auch in der heutigen Medizin wird das zunehmend erkannt. Es wird immer bewusster, dass psychosomatische Wirkungen nicht nur bei der Heilung eine Rolle spielen, sondern auch beim Krankwerden. Bei immer mehr Erkrankungen stellt man fest, dass psychische Phänomene eine Rolle spielen.
Ein Beispiel ist eine Untersuchung der Universität Freiburg, die ein ganzes Institut für Psychosomatik eingerichtet hat. Dort wurden Vergleichsstudien bei Menschen zwischen 40 und 50 Jahren mit bestimmten Rückenproblemen durchgeführt. Dabei ging es um Abnutzungserscheinungen an der Wirbelsäule. Einige Menschen klagten über starke Schmerzen, andere nicht – obwohl sie denselben Vorfall hatten.
Woran lag das? Es zeigte sich, dass viele Menschen, die über diese Erkrankung klagten, gleichzeitig psychische oder Lebensprobleme hatten. Zum Beispiel litten sie unter Arbeitslosigkeit. Ein ganzer Bereich der Medizin beschäftigt sich damit, dass Menschen, die unfreiwillig arbeitslos sind, häufig schnell in ein psychisches Tief geraten. Daraus entstehen dann auffällig häufig Krankheiten.
Besonders häufig treten Kopfschmerzen, verschiedene Formen von Rückenschmerzen, Magenschmerzen und ähnliche Beschwerden auf. Natürlich kann man feststellen, dass diese Krankheiten keine reine Einbildung sind. Dennoch löst die Psyche – das heißt die Seele – diese körperlichen Entwicklungen aus. Die Seele hat also eine Auswirkung auf unser körperliches Wohlbefinden.
Das ist eine Erkenntnis, die die Bibel schon lange vermittelt und die heute auch in der Medizin Stück für Stück erforscht wird. Daraus folgt, dass seelisch verursachte körperliche Erkrankungen nicht allein mit chemischen Substanzen geheilt werden können. Diese können zwar die Symptome behandeln, also das, was sich äußert, aber nicht die eigentliche Ursache.
Man hat beispielsweise festgestellt, dass eine auffällig hohe Zahl von Krebserkrankungen sehr wahrscheinlich mit psychischen Ursachen zusammenhängt. Natürlich spielen auch genetische Anlagen eine Rolle, und Umweltbedingungen wie Ernährung, Luftqualität oder Schadstoffe können das Risiko erhöhen. Aber nicht jeder, der genetisch anfällig ist, bekommt auch Krebs.
Auffällig ist, dass häufig eine psychische Komponente hinzukommt. Zum Beispiel erleidet jemand einen schweren Lebenseinschnitt – etwa eine familiäre Krise, eine Trennung, Arbeitslosigkeit oder die Pensionierung. Viele fragen sich dann: „Was mache ich jetzt? Wofür bin ich da?“ Kurz darauf tritt oft eine schwere Erkrankung auf, manchmal schon ein bis zwei Jahre nach dem Ereignis.
Das deutet darauf hin, dass unser Körper nicht nur biochemisch funktioniert. Die Seele – und, wie die Bibel sagt, auch der Geist, also die Beziehung zu Gott – spielt eine Rolle bei Erkrankungen.
Geistliche Dimension von Krankheit und Heilung
Dieses psychosomatische Geschehen weist die Medizin auf das Geistliche hin. Das ist beispielsweise etwas, das wir mit Sünde in Verbindung bringen.
Ich habe König David erwähnt. Im Neuen Testament finden wir auch verschiedene andere Personen, die sündigen, das heißt, die eine Schuld gegenüber Gott auf sich laden. Diese Menschen erleiden dann körperliche Krankheiten. Die Bibel spricht sogar davon, dass Geister von Menschen Besitz ergreifen können – das, was sie Besessenheit nennt.
Das ist ebenfalls ein geistlicher Zustand. Wenn Jesus beispielsweise Menschen heilt, sind es oft solche, die besessen sind. Jesus macht sie frei. Häufig verschwinden mit diesem Freiwerden auch körperliche Probleme.
Das ist selbstverständlich etwas, das man mit der Medizin nicht untersuchen kann. Ein Geist, sei es der Geist Gottes oder, wenn wir davon überzeugt sind, dass es ihn gibt, auch ein Dämon, ist nicht greifbar. Wir können ihn nicht ins Labor einsperren oder anfassen.
