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Schweizer und Christ sein

08.03.1996

Einleitung

Das erste Mal in meiner Zeit als Prediger fällt der Sonntagsgottesdienst auf den 1. August - auf unsern Nationalfeiertag. Bei einem so bedeutenden Tag kommt man fast nicht drum herum, zu diesem besonderen Tag einige Gedanken zu äussern. Ich werde heute Morgen die erste Augustrede meines Lebens halten. Ich halte sie bewusst für uns als Christen, die Jesus lieben und ihm nachfolgen. Andere Ansprachen werden heute landauf landab genügend gehalten. Unsere Situation als Bürger eines Staates und als Christen soll uns im Lichte der Bibel heute Morgen beschäftigen. Drei Aspekte werden wir genauer Betrachten.

I. Das Schicksal Schweizer zu sein

Schweizer zu sein ist ein Schicksal. Keiner von uns kann weder etwas dafür noch etwas dagegen, dass er Schweizer ist. Wir wurden in der Regel in diese Nation hineingeboren. Niemand fragte uns, ob es uns gefallen würde oder nicht. Jeder von uns hätte theoretisch genausgut in Thailand, in Jugoslawien, in Amerika, in Südafrika, im Irak oder in Deutschland zur Welt kommen können. Dann hätte uns das Schicksal getroffen zu diesen Nationen zu gehören. Wären wir z.B. in Bosnien geboren, so hätten wir ein schweres Schicksal zu tragen. Nun sind wir aber hier in der Schweiz und wir haben im Moment noch ein gutes Schicksal zu tragen. Aber dass es uns so gut geht ist nicht unser Verdienst, sondern es ist unser Schicksal, in diesem Land leben zu können.

Paulus sagt im Bezug auf den Besitz: Denn wir haben nichts in die Welt gebracht; darum werden wir auch nichts hinausbringen. 1.Tim.6,7. So kann man durchaus sagen, wir haben kein schweizer Bürgerrecht in die Welt gebracht - wir haben nichts in die Welt gebracht und wir bekam das Bürgerrecht der Schweiz. Jedes Volk wird immer wieder von einem Nationalstolz befallen. Was schon schreckliche Folgen nach sich zog. Auch der Schweizer lebt davon, dass es zu Hause immer noch am schönsten ist. Aber nicht nur der Schweizer ist dieser Überzeugung. Viele Völker finden es bei sich zu Hause am schönsten. Vor allem die Völker, denen es gut geht.

Wir Schweizer und ich meine auch schweizer Christen verfallen gerne einem Nationalstolz. Wir sind stolz Schweizer zu sein, als ob wir dazu einen Beitrag geleistet hätten. Wir tun so, als ob es uns so gut geht, weil wir Schweizer eben gute Menschen sind. Oder gar wegen unserer Präambel in der Bundesverfassung. Bei alledem vergessen wir zu schnell, dass es in der Schweiz nicht immer angenehm zu leben war, wie wir meinen. Wir vergessen, dass es Zeiten gab, wo viele Schweizer aus wirtschaftlichen Gründen auswandern mussten und die schweizer Regierung dies finanziell förderte. Wir vergessen, dass die Täufer, die wohlbemerkt das schweizerische Bürgerrecht innehatten, in der Schweiz verfolgt wurden, weil sie ihren Glauben ausleben wollten. usw.

Auf was wollen wir denn eigentlich Stolz sein? Wir sind doch nur in diese Nation hineingeboren. Wir leben zwischen 60 bis 90 Jahren in ihr und das nur in einem bestimmten Zeitabschnitt der schweizer Geschichte. Und wir haben bis jetzt noch einen der besseren Abschnitte getroffen. Wer will sich da etwas darauf einbilden Schweizer zu sein? Vielleicht wegen Willhelm Tell, der von Schiller geschrieben, und von uns als Nationalheld gefeiert wird, ohne zu wissen ob er wirklich so gelebt hat.

Anwendung

Paulus sagt den Athenern auf dem Areopag: Und er (Gott) hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, und er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen, Apg.17,26.

Gott hat alles geordnet. Er hat das Menschengeschlecht, die Nationen gemacht. Er hat festgesetz in welchen Grenzen die Nationen leben sollen. Wir haben einfach keinen Grund Stolz zu sein. Nebukadnezar liess sich zu einem Nationalstolz hinreissen, alles was er erreicht hatte schrieb er seiner Person zu, so lesen wir im Buch Daniel: Dan.4,25-28.

Wir haben keinen Grund auf uns als Schweizer und auf unsere Schweiz stolz zu sein. Als Christen sollte dies uns eigentlich völlig klar sein. Uns hat einfach das Schicksal getroffen, dass wir in der Schweiz leben. In einem Land, wo es uns im Vergleich zu anderen Ländern sehr gut geht. Uns hat das Schicksal getroffen, dass wir nicht - noch nicht - in einen Krieg verwickelt sind. Uns hat das Schicksal getroffen, dass wir nicht in den Krisengebieten von Somalia leben müssen, dass wir nicht in den Philippinen am Fusse des Vulkans Pinatubo wohnen, dass wir nicht in einem Gebiet der Hungersnot leben usw. Dieses Schicksal hätte jeden von uns treffen können, wäre er nicht als Schweizer in diese Zeit geboren, und uns Schweizer kann noch manches Schicksal treffen.

Aber nun hat uns das Schicksal getroffen, dass wir die beiden Weltkriege mehr oder weniger unbeschadet überstanden haben, dass wir in einem unbeschreiblichen Überfluss und Reichtum leben, dass wir eine fast optimale medizinische Versorgung geniessen, dass wir unseren Glauben frei ausleben dürfen usw. Als Schweizer befinden wir uns, im Vergleich mit der Welt, auf der Sonnenseite des Lebens. Darüber können wir nicht Stolz sein. Wir haben wirklich keinen Grund uns darauf etwas einzubilden. Die richtige Einstellung von uns heisst einzig und allein: Dankbarkeit!

Wir sollten einzig und allein dankbar sein. Dankbar, dass wir in diesem Land leben dürfen. Dankbar, dass es uns so gut geht. Dankbar für all die Möglichkeiten, die sich uns bieten. Wir wissen nicht wie lang Gott die Zeit für die Schweiz bemessen hat. Wie lange wir noch in unseren Grenzen wohnen. Das Schicksal Schweizer zu sein ist im Moment ein gutes ja gar angenehmes Schicksal, aber es können noch Zeiten kommen, in denen es ein unangenehmes Schicksal ist Schweizer zu sein. Aber auch dann sind wir Schweizer. Der 1. August soll uns Anlass sein, Gott zu danken für den freien und vielfältigen Lebensraum, den er uns gewährt. Wir sollten uns aber dafür hüten, die Schweiz und unsere Nation zu verherrlichen.

II. Der Schweiz gestorben sein

Als Christen sind wir zusätzlich in einer besonderen Stellung zu unserem Staat. Wir sind nämlich gar keine richtigen Schweizer mehr. Jesus macht dies in seinem Gebet zum Vater deutlich wenn er betet: Ich habe ihnen dein Wort gegeben, und die Welt hat sie gehaßt; denn sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin. / Ich bitte dich nicht, daß du sie aus der Welt nimmst, sondern daß du sie bewahrst vor dem Bösen. / Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin. Joh.17,14-16. Wenn man die Welt durch Schweiz ersetzt heisst es: sie sind nicht von der Schweiz, wie auch ich nicht von der Schweiz bin.

Jesus war weder Schweizer noch Weltenbürger. Er war der Sohn Gottes, der als Jude in diese Welt gekommen ist. Aber er passte nicht in diese Welt. Er wurde von seinem eigenen Volk verstossen und hingerichtet.

Petrus spricht davon, dass wir Fremdlinge und Pilger sind: Liebe Brüder, ich ermahne euch als Fremdlinge und Pilger: Enthaltet euch von fleischlichen Begierden, die gegen die Seele streiten, 1.Petr.2,11.

Und Paulus macht es ganz klar, dass es für ihn nur noch eines gibt, was wirklich zählt, wenn er sagt: Es sei aber fern von mir, mich zu rühmen als allein des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch den mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt. / Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern eine neue Kreatur. Gal.6,14-15.

durch den mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt. Damit sagt Paulus, dass er der Welt gestorben ist. Er rühmt sich nur noch des Kreuzes Jesu, denn durch diesen Tod Jesu am Kreuz, hat er alles gewonnen, was man überhaupt gewinnen kann: Er wurde ein neue Mensch - eine neue Kreatur.

Wenn wir der Welt gestorben sind, so sind wir auch der Schweiz gestorben. Unser Bürgerrecht ist im Himmel. Dieses Bürgerrecht hat nun Bedeutung für uns. Durch unseren Glauben haben wir uns der Welt entfremdet. Wir haben uns auch der Schweiz entfremdet. Dies fällt uns nur nicht mehr so auf, weil wir noch in Freiheit unseren Glauben leben können. Aber gerade die Täufer mussten erleben, dass sie in der Schweiz keine Heimat mehr hatten, obgleich sie Bürger dieses Landes waren. Weil ihnen aber das Bürgerrecht im Himmel wichtiger war als das der Schweiz, haben sie viel Schmerz und Leid auf sich genommen. Paulus hatte selbst einen ausgezeichneten jüdischen Hintergrund. Er war Pharisäer aus dem Stamm Benjamin und hätte viel vorzuweisen gehabt, aber er sagt über seine Vergangenheit: Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. / Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwenglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden, und ich erachte es für Dreck, damit ich Christus gewinne. Phil.3,7-8.

Jetzt gibt uns der Staat noch einen gewissen Schutz, den wir in Anspruch nehmen dürfen, so wie es Paulus tat, als er sich auf sein römischen Bürgerrecht berufen hatte. Aber trotzdem, sind und bleiben wir in einer Sonderstellung. Unser Bürgerrecht ist im Himmel und wir sind auch in der Schweiz als Schweizer in Wirklichkeit Fremdlinge.

Evangelisation

Wo ist Dein Bürgerort. Bist Du sicher, dass Du zum Schöpfer dieser Welt gehörst. Das ist eine sehr zentrale Frage, denn Jesus sagt: Denn wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden. / Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse? Mt.16,25-26.

Das ist nämlich die zentrale Frage: Was geschieht mit meiner Seele? Die Antwort kann nur Jesus geben. Er ist am Kreuz um unserer Sünde willen gestorben. Durch den Glauben an ihn bekommen wir ewiges Leben. Aber wir verlieren auch etwas, wir müssen unser altes Leben loslassen. Vergängliches müssen wir preisgeben. Verlieren um Jesu willen, damit wir alles Gewinnen, nämlich das ewige Leben, das über unser Sterben hinaus Bestand hat. Gerne zeige ich wie wir dieses ewige Leben bekommen können. Und wie man praktisch sein Leben um Jesu willen verlieren kann.

III. Der Schweiz verpflichtet bleiben

Wir sind der Schweiz abgestorben und unser eigentlichen Bürgerrecht ist im Himmel. Das heisst aber noch nicht, dass wir nicht Schweizer bleiben. Auf dieser Erde bleiben wir Schweizer und wir bleiben auch der Schweiz verpflichtet. Christen stellen sich aufgrund ihrer Bürgerschaft nicht über den Staat, sondern sie ordnen sich dem Staat unter. Sie sind sozusagen Doppelbürger, wobei das schweizer Bürgerrecht mit dem Tode erlischt, aber das himmlische Bürgerrecht mit dem Tode erst recht zum Zuge kommt.

Christen ordnen sich dem Staat unter und bilden innerhalb vom Staat keine Opositionsgruppen. Sie wissen, dass Gott die Geschicke dieser Welt lenkt, ob sie das immer verstehen oder nicht ist nicht von grosser Bedeutung. Daniel bezeugt über Gott: Er ändert Zeit und Stunde; er setzt Könige ab und setzt Könige ein; er gibt den Weisen ihre Weisheit und den Verständigen ihren Verstand. Dan.2,21.

Sie fügen sich der Obrigkeit, denn sie ist von Gott gegeben. Petrus und Paulus machen in ihren Briefen den Gemeinden sehr deutlich, dass sie sich hüten sollen, gegen den Staat zu oponieren, denn Grund genug hätte es wohl in jener Zeit gegeben. Aber Paulus sagt beispielsweise: Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet.

Was unsere Aufgabe anbelangt, die wir im Staat bestimmt wahrnehmen sollten, beschreibt Paulus dem Timotheus: So ermahne ich nun, daß man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit. 1.Tim.2,1-2.

Anwendung

Gemeinde bildet nie ein Staat im Staat, sondern sie ordnet sich immer dem gegebenen Staat unter. Solange der Glaube an Jesus durch das Leben nicht genleugnet werden muss, halten sich Christen an die staatlichen Ordnungen. Erst wenn der Glaube an Jesus verleugnet werden müsste, weigern sich Christen der Obrigkeit Gehorsam zu leisten. So z.B. als sie aufgefordert wurden dem Kaiser zu opfern.

Unsere Aufgabe im Staat ist die, dass wir für die Obrigkeit beten und ein vorbildliches Leben führen. Es ist nicht unsere Aufgabe den andern zu zeigen, dass wir in jeder politischen Frage die einzig richtige Antwort zu bieten haben. Wir können in der ganzen Drogenpolitik unsere Meinung haben, aber ob wir wirklich immer die Richtige Lösung haben, einfach weil wir Christen sind ist sehr fraglich. Im unserem Staatssystem dürfen wir mitdenken und mitgestalten, aber bitte mit der nötigen Vorsicht und Bescheidenheiten. Unsere Aufgabe bleibt auch in der Demokratie, dass wir der Obrigkeit untertan sind. Auch in der Demokratie gilt, dass wir für die Obrigkeit beten.

Schluß

Feiern wir heute ruhig unseren 1. August. Aber achten wir darauf, dass wir nicht der Schweiz, sondern Gott die gebührende Ehre erweisen. Denn er allein setzt Grenzen und Zeit für eine jede Nation, auch für unsere Schweiz. Amen