Freude über lebendige Gemeindearbeit und die Herausforderung des Aufbaus
Wir sind froh, dass wir so viele Kinder in unserer Gemeinde haben und dass immer wieder neue dazukommen. Das freut uns wirklich von Herzen.
Liebe Gemeinde, ein langjähriger Freund unserer Gemeinde war immer davon beeindruckt, dass wir unsere Kirche gleichsam jeden Sonntagmorgen neu aufbauen müssen – ähnlich wie das Volk Israel, das mit der Stiftshütte durch die Lande zog. So müssen wir zurzeit jeden Morgen wieder neu aufbauen: jeden Sonntag die Kanzel, die Liederbücher und alles, was dazu gehört.
Dieser liebe Freund meinte das wirklich gut, als er sagte: „Ich wünsche euch, dass dieses Provisorium noch möglichst lange anhält.“ Nun gibt es bestimmt viele gute Gründe, warum eine Gemeinde irgendwann einmal in eigene Räume umziehen sollte. Wir arbeiten ja auch kräftig daran.
Was Gottfried Messkämper, den ich hier zitiere, meinte, war aber Folgendes: Es betrifft gar nicht so sehr die Räumlichkeiten, sondern vielmehr die Frage der inneren Haltung einer Gemeinde. Wie beweglich ist eine Gemeinde oder wie festgefahren? Oder man könnte auch sagen: Wie lebendig sind wir oder wie erstarrt?
Generationen in Gemeindeentwicklung und der Wunsch nach Pioniergeist
Was Bruder Messkämper dabei im Hinterkopf hatte, ist das typische sogenannte Problem der dritten Generation. Gottfried Messkämper hat selbst viele Organisationen gegründet oder ihnen vorgestanden. Er war jahrzehntelang Vorsitzender des Deutschen Christlichen Technikerbundes und wusste genau, wovon er redete.
Die erste Generation, das sind die Pioniere. Sie bringen ein Projekt auf den Weg, fangen voller Begeisterung an und setzen sich mit Leidenschaft ein. Sie wissen genau, was es kostet. Das ist in jedem Betrieb so. In jedem neuen Institut beginnt alles mit den Pionieren.
Dann kommt die zweite Generation. Diese kämpft jetzt um Stabilisierung. Sie hat noch den unmittelbaren Draht zu den Gründervätern, ahnt, was es gekostet hat, und setzt alles daran, als zweite Generation die Sache festzumachen, zu stabilisieren und weiter auszubauen. Das ist die zweite Generation.
Die dritte Generation hingegen sind oft die Leute, die alles, was sie vorfinden, als selbstverständlich voraussetzen. Sie kennen nicht mehr den Schweiß, die Tränen und die Mühen des Anfangs. In der Regel sind das die, die sich ins gemachte Nest setzen. In der dritten Generation beginnt meistens der Abstieg einer Firma, manchmal vielleicht auch einer Gemeinde.
Also: Die Pioniere sind die Ersten, die Stabilisierer die Zweiten und die, die sich ins gemachte Nest setzen, sind die dritte Generation. Daran dachte sicherlich der Freund unserer Gemeinde, als er sagte: Ich wünsche euch, dass euch das Provisorium noch lange erhalten bleibt. Ich wünsche euch, dass euch der Pioniergeist als Gemeinde erhalten bleibt.
Die aktuelle Phase unserer Gemeinde und das Lernen von Ephesus
Unsere Gemeinde ist noch sehr jung. Ich habe darüber nachgedacht, wo man uns einordnen müsste. Wahrscheinlich befinden wir uns irgendwo an der Grenze zwischen der Pionierphase und einer langsam beginnenden Stabilisierung. Das beschreibt in etwa unsere Situation.
Auch in solchen Phasen können bereits Ermüdungserscheinungen auftreten. Damit das möglichst vermieden wird, wollen wir von anderen Gemeinden lernen. Besonders von solchen, die schon älter sind und mehr Erfahrungen gemacht haben als wir.
Deshalb sitzen wir seit einem Jahr Seite an Seite mit der Gemeinde in Ephesus, die in Kleinasien liegt. Wir studieren den berühmten Brief, den Paulus um das Jahr 62 nach Christus an diese Gemeinde und darüber hinaus an die gesamte Region in Kleinasien geschickt hat – den Epheserbrief. Wir wollen von ihm lernen.
Vor 14 Tagen, an Pfingsten, dem Geburtstag der Gemeinde, haben wir diese Gemeinde in Ephesus besucht. Dabei haben wir erfahren, auf welchem Weg sie entstanden ist – in dieser multikulturellen Metropole. Wir haben erlebt, wie Paulus gepredigt hat und wie er den Ort seiner Predigten öfter wechselte. Zuerst predigte er in der Synagoge, später im Hörsaal des Tyrannus.
Irgendwann hatten sie dann auch eigene Gemeinderäume. Am Anfang war die Gemeinde noch unterwegs. Als Paulus den Epheserbrief schrieb, war die Gemeinde höchstens knapp zehn Jahre alt. Sie wurde etwa um 52 oder 53 gegründet. Wenn man den Epheserbrief auf etwa 62 datiert, ist die Gemeinde also noch nicht älter als zehn Jahre, als sie den Brief erhielt.
Die nachhaltige Wirkung des Epheserbriefes und die Offenbarung an Ephesus
Und dieser Brief hat offensichtlich dort eine nachhaltige Wirkung hinterlassen. Das gibt uns Hoffnung und ermutigt uns, ihn intensiv zu studieren.
Woher weiß ich, dass dieser Brief Wirkung gezeigt hat? Ganz einfach: Mehr als 30 Jahre später, also um 95 nach Christus, war diese Gemeinde immer noch auf Linie. Ich habe das mal für uns hochgerechnet. In 30 Jahren, also im Jahr 2036, wäre auch die bekannte evangelische Gemeinde Hannover noch auf Linie – das wäre großartig. Jeder kann sich ausrechnen, wie alt er dann sein wird.
Nun fragen Sie sich vielleicht, woher wir das über Ephesus wissen. Das wissen wir aus einem ganz besonderen Brief, den diese Gemeinde um 95 nach Christus erhalten hat. Dieser Brief gehört wirklich zu den kostbarsten, die jemals geschrieben wurden. Sie haben das Privileg, diesen Brief vor sich auf Ihrem Zettel zu finden: Offenbarung 2,1-7.
Dieser Brief ist eines von sieben Sendschreiben, die der auferstandene, erhöhte Jesus Christus mehr als 60 Jahre nach seiner Himmelfahrt dem Apostel Johannes diktiert hat. Johannes war zu dieser Zeit schon sehr alt und im Exil auf der Insel Patmos. Dort spricht Jesus ihn auf einzigartige Weise an. Jesus diktiert ihm Wort für Wort Briefe an Gemeinden.
Normalerweise hat Johannes die Bücher, die wir von ihm im Neuen Testament haben, anders geschrieben. Auch da wurde er vom Geist Gottes geleitet, als er das Evangelium und seine drei Briefe verfasste. Aber hier in der Offenbarung ist das eine absolute Ausnahmesituation. Jesus diktiert ihm genau, was er aufschreiben soll.
So empfängt Johannes sieben Briefe aus dem Himmel für sieben verschiedene Gemeinden in jener Region um Ephesus in Kleinasien. Von Anfang an macht Jesus deutlich: Diese Briefe richten sich an die jeweiligen Gemeinden, aber auch an alle Christen. Sie sollen weitergegeben werden und als offene Briefe auch in anderen Gemeinden zirkulieren.
Der Brief, den wir jetzt vor uns haben, wendet sich zunächst an die ganz spezielle Gemeinde in Ephesus. Aber wir können mit viel Hoffnung und Erwartung sagen, dass dieser Brief auch zu unserer Situation und unseren Bedürfnissen viel zu sagen hat.
Es ist eine Chance für unsere Gemeinde, wenn wir heute Morgen unsere eigene Situation im Licht dieses Briefes an Ephesus überprüfen. Wir wollen fragen: Was trifft davon auf uns zu? Worüber können wir uns freuen? Und an welchen Stellen müssen wir besonders aufpassen?
Die Einleitung des Briefes an die Gemeinde in Ephesus
Lesen wir also diesen ganz besonderen Brief aus dem Himmel: Offenbarung 2, die Verse 1 bis 7, geschrieben an den Engel der Gemeinde in Ephesus.
Mit dem Engel ist hier der Bote der Gemeinde gemeint. Dieser Bote hat den Brief auf Patmos von Johannes erhalten, um ihn dann mitzunehmen. Etwa hundert Kilometer weiter hat er den Brief zurück nach Ephesus gebracht und dort der Gemeinde übergeben. So ist hier mit dem Engel der Bote der Gemeinde in Ephesus gemeint.
Es heißt: Schreibe dem Engel der Gemeinde in Ephesus: „Das sagt der, der die sieben Sterne in seiner Rechten hält und der inmitten der sieben goldenen Leuchter wandelt: Ich kenne deine Werke, deine Mühsal und deine Geduld. Ich weiß, dass du die Bösen nicht ertragen kannst. Du hast diejenigen geprüft, die behaupten, Apostel zu sein und es doch nicht sind, und hast sie als Lügner erkannt. Du hast Geduld bewiesen und um meines Namens willen die Last getragen. Du bist nicht müde geworden.
Aber ich habe gegen dich, dass du deine erste Liebe verlassen hast. So denke nun daran, wovon du abgefallen bist, und tue Buße. Tue die ersten Werke wieder. Wenn du das nicht tust, werde ich über dich kommen und deinen Leuchter von seiner Stätte wegstoßen, wenn du nicht Buße tust.
Doch das hast du für dich: Du hasst die Werke der Nikolaiten, die auch ich hasse. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt. Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von dem Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist.“
Herr Jesus Christus, nun bitten wir dich, dass du auch uns verstehen lässt, was du mit diesem Brief sagen willst – in unsere Situation hier in Hannover hinein. Hilf jedem von uns, dass er deine Stimme in diesen Worten heraushört. Amen!
Die Selbstvorstellung Jesu und seine Nähe zur Gemeinde
Jesus beginnt diesen Brief mit einer Selbstvorstellung. Er sagt: „Der da hält die sieben Sterne in seiner Rechten, der da wandelt mitten unter den sieben goldenen Leuchtern.“
Das lässt sich schnell klären, denn in den Versen davor wird erklärt, was damit gemeint ist. Die sieben Sterne stehen für die sieben Gemeindeleiter der sieben verschiedenen Gemeinden, an die der Brief gerichtet ist.
Damit sagt Jesus: Ich habe diese Gemeindeleiter in meiner Hand. Auch sie müssen mir gehorchen, auch sie sind mir verpflichtet und werden von mir getragen. Ich kümmere mich um die Gemeinden, und das wird stellvertretend an den Gemeindeleitern festgemacht, die in ganz besonderer Weise dem Herrn Rechenschaft schulden.
Jesus erinnert also an seine Autorität: Ich habe sie in meiner Hand. Gleichzeitig betont er seine Nähe zu diesen Gemeinden. Er bezeichnet sich als den, der mitten unter den sieben goldenen Leuchtern wandelt.
Die sieben Leuchter sind ein Bild für die sieben Gemeinden. Jesus sagt: Ich bin mitten unter den sieben goldenen Leuchtern, ich bin da, ich bin unter euch. Ihr seht mich seit Himmelfahrt nicht mehr mit euren Augen, aber ich bin da, ich bin präsent in eurer Gemeinde, ich bin euch nahe.
Als derjenige, der alle Autorität hat und euch als Gemeinde sowie in eurem ganz persönlichen Leben nahe ist, spricht er jetzt zu euch. Das, was er sagt, ist völlig vertrauenswürdig und realistisch.
Die vorbildliche Haltung der Gemeinde Ephesus
Jesus kommt sofort ohne Umschweife auf die Situation der Gemeinde zu sprechen. Das Erste, was er hier zeigt, ist die vorbildliche Haltung. Wer mitschreiben möchte: Erstens die vorbildliche Haltung.
Jesus sagt: „Ich kenne deine Werke.“ Das ist wie eine Überschrift für alles, was dann folgt. Damit meint Jesus nicht nur die Taten, die diese Gemeinde vollbringt, sondern er sagt: „Ich kenne deine Situation, ich weiß, was bei dir los ist, ich kenne deine Werke.“
Dann folgt, und das müssen wir sehr deutlich hören, zunächst ein ganz dickes und ausführliches Lob für diese Gemeinde. Jesus nennt erstmals die Bereiche, in denen die Gemeinde offenkundig gesund ist, die Bereiche, in denen sie uns ein Vorbild sein kann.
Erstens also diese vorbildliche Haltung. Das Erste, was Jesus an dieser Gemeinde lobt, ist, dass sie einsatzbereit ist. Er sagt: „Ich kenne deine Mühsal.“ Das griechische Wort, das hier steht, bedeutet harte Arbeit, harte Arbeit bis an den Rand der Belastbarkeit.
Überlegen Sie: Wir haben uns vor zwei Wochen angesehen, unter welch schwierigen Umständen diese Gemeinde durchhalten musste. Sie musste sich in einer knallharten multikulturellen, heidnischen Umgebung bewähren. Das war ihre Ausgangssituation.
Diese Umgebung war geprägt von Gier nach Geld und Genussstreben. Sie war verseucht vom Okkultismus. Das haben wir ausführlich behandelt. Und mitten in diesem Gebiet setzte sich die Gemeinde voll ein.
Seit 55 waren jetzt 40 Jahre vergangen, seit dem Empfang des Epheserbriefs mehr als 30 Jahre. Und immer noch kann Jesus sagen: „Ich kenne deine Mühsal, du kämpfst, du bist einsatzbereit.“ Das ist wirklich vorbildlich.
Ich kann mir vorstellen, dass diese Gemeinde viele Mitarbeiter hatte, die sich wirklich engagierten in der Evangelisation. Dass sie öffentlich Stellung nahm zu den ethischen Missständen, die dort herrschten, das haben sie getan. Und Jesus würdigt das ausdrücklich.
Wissen Sie, was wir daran sehen? Daran sehen wir, dass das nicht einfach nur blinder Aktionismus war, der diese Gemeinde trieb. Das war nicht einfach nur viel heißer Dampf, bei dem nichts dahintersteckte, sondern das war wirklich echte Arbeit für den Herrn. Das war okay. Jesus würdigt das, er lobt das.
Die, die sich einsetzten, machten das auch nicht, um sich aufzuspielen oder um sich wichtig zu tun, sondern um Jesus zu dienen. Auf die meisten Mitarbeiter passte eben nicht jene Anekdote, die man vor Jahren über einen Politiker erzählte, damals noch in Bonn. Die ging so: Der Herr X springt in sein Dienstauto und ruft seinem Chauffeur zu: „Schnell, fahren Sie los!“
Der Chauffeur fragt zurück: „Chef, wo soll ich Sie denn hinfahren?“ Und der Herr X sagt: „Egal, fahren Sie wohin Sie wollen, ich werde überall gebraucht.“ Das ist ja auch die Haltung, die einen schnell überkommen kann: „Egal wo, ich werde überall gebraucht, ohne mich geht gar nichts.“
Das war nicht die Haltung der Epheser. Sie haben sich wirklich für Christus eingesetzt und bescheiden ihre Arbeit dort gemacht, wo sie von ihm eingesetzt waren. Warum? Sie waren nicht nur einsatzbereit, sondern auch geduldig.
Die Gemeinde hat wirklich eine Menge ausgehalten. Jesus sagt: „Ich kenne deine Mühsal und deine Geduld.“ In Vers 3 steht nochmals: „Und du hast Geduld und hast meines Namens willen die Last getragen und bist nicht müde geworden.“
Wer in Ephesus den Kopf rausstreckte, der setzte sich ganz schönem Druck aus. Wer sich da nicht anpasste, war gefährdet. Die Gemeinde war offensichtlich dazu bereit, diesen Druck auszuhalten.
Sie haben auch in der Öffentlichkeit Position bezogen. Das kann man sehr deutlich in der Apostelgeschichte sehen, dass diese Gemeinde immer wieder auch in die Öffentlichkeit ging.
Jesus nennt nochmals den Grund, warum sie so viel Druck bekam. Er sagt: „Du hast Geduld wegen meines Namens.“ Das heißt, wegen meiner Botschaft, die du ausbreitest, dass Jesus der einzige Retter ist. Du hast Geduld und lässt dich das etwas kosten, du lässt dich dafür auch prügeln.
Warum riskieren sie das? Warum halten sie so viel aus? Warum nehmen sie so viel auf sich? Jetzt kommt ein weiteres Kennzeichen: Sie sind wahrheitsliebend.
Sie sind nicht nur einsatzbereit, sie sind nicht nur geduldig, sie sind auch wahrheitsliebend. Jesus sagt in Vers 2: „Und ich weiß, dass du die Bösen nicht ertragen kannst, und du hast sie geprüft, die da sagen, sie seien Apostel und sind’s gar nicht.“
Jesus meint mit den „Bösen“ hier diejenigen, die falsche Lehren verbreiten und versuchen, die Substanz der Gemeinde von innen heraus auszuhöhlen.
Jesus diagnostiziert bei dieser Gemeinde in Ephesus: Ihr habt ein sensibles Gewissen. Euch ist die Wahrheit, die Gott euch in seinem Wort offenbart hat, wirklich lieb. Ihr spielt nicht damit, ihr lasst nicht fünf gerade sein.
Wir müssen uns Folgendes klar machen: In der ersten Generation dieser Gemeinde waren viele Menschen, die aus einer dunklen Vergangenheit kamen. Als sie sich bekehrten, gab es nach einiger Zeit ein großes Feuer, bei dem Zauberbücher verbrannt wurden – im Wert von etwa drei Millionen Euro.
Das zeigt, was in der Vergangenheit vieler Leute aus dieser Gemeinde los war. Sie wussten um den Unterschied zwischen Licht und Finsternis. Sie wussten, dass es keinen Mittelweg geben kann zwischen Licht und Finsternis. Deshalb verabscheuten sie alle vollen Kompromisse.
Ich denke, hier zahlte sich aus, dass Paulus drei Jahre in Ephesus gepredigt hatte. Überlegen Sie mal: Die damals 20-Jährigen, die vor 40 Jahren 20 waren, die waren jetzt 60 und mit dieser Gemeinde mitgewachsen. Sie hatten 40 Jahre lang das Wort Gottes studiert.
Sie waren immer mehr bereit gewesen, Verantwortung zu übernehmen und den Rücken krumm zu machen für die Sache des Herrn. So lange, so viel Erfahrung. Und sie haben sicherlich oft hinnehmen müssen, dass man sie wegen ihrer Wahrheitsliebe als fanatisch bezeichnete.
Aber sie wussten: Wir werden bestimmte Dinge nur durchkämpfen, wenn unser Gewissen uns treibt. Verstehen Sie: Wenn es hart auf hart geht, dann werden wir nur richtig handeln, wenn unser Gewissen uns Beine macht.
Sonst werden wir immer wieder den Weg des geringsten Widerstandes suchen. Darum ist es so wichtig, auch für uns als Gemeinde: Achten wir bitte auf unser Gewissen!
Es gibt Christen, die haben ihr Gewissen systematisch ausgeleiert. Es gibt Christen, die können mit Bierruhe zusehen, wenn Gottes Wort in den Dreck gezogen wird, und sie halten ihre Gleichgültigkeit oft auch noch für christliche Gelassenheit.
In Ephesus war das anders. Darum konnte diese Gemeinde standhaft sein – nicht nur gegen die Verfolgung von außen, sondern auch gegen die Verführung von innen, weil sie die Wahrheit um Christi willen liebten.
Warnung vor innerer Verführung und falschen Lehren
Das ist schon dramatisch. Vierzig Jahre zuvor hatte Paulus die Gemeinde in Ephesus genau vor dieser Verführung gewarnt. Er spricht davon in Apostelgeschichte 20, Verse 28 bis 30. Dort gibt es diese bewegende Abschiedsszene, in der Paulus sagt, dass er die Gemeinde in dieser Welt nicht mehr wiedersehen wird. Alle fallen sich um den Hals und weinen. Paulus zieht noch einmal eine Bilanz seines Dienstes.
Er warnt die Gemeinde: Es wird etwas passieren. Aus eurer Mitte werden Männer aufstehen, die verkehrtes lehren, um Jünger an sich zu ziehen. Das sagt er ihnen voraus. Diese Männer werden aus euren eigenen Reihen kommen. Deshalb sollen sie aufpassen.
Diese Situation war spätestens im Jahr 95 nach Christus eingetreten. Nun fragen wir: Worin bestand diese Verführung? Jesus sagt, diese Männer treten als Apostel auf, obwohl sie es nicht sind. Sie geben sich als Menschen mit besonderen geistlichen Botschaften aus, obwohl sie diese nicht besitzen.
In Vers 6 sehen wir genauer, um was für Leute es sich handelte: die Nikolaiten. Jesus sagt, dass die Gemeinde die Werke der Nikolaiten gehasst hat. Wer waren diese Nikolaiten? Nach allem, was wir wissen, predigten sie vor allem eines: Anpassung.
Mit unserem heutigen Sprachgebrauch ausgedrückt, forderten sie, dass man sich besser in das multireligiöse Umfeld integrieren solle. So ähnlich predigten diese Apostel. Die Christen sollten mit der heidnischen Umwelt besser zusammenarbeiten und sich nicht so stark von den heidnischen Denkweisen, der heidnischen Ethik und Religion abgrenzen.
Es ist gut denkbar, dass die Nikolaiten sagten: Ein gelegentlicher Besuch im heidnischen Tempel der Diana sei nicht so schlimm. Zeigt euren guten Willen, ihr seid kommunikativ. Danach forderten sie Kompromisse in Lehre und Ethik.
Vielleicht sagten sie: Wenn ihr schon im Tempel der Diana seid, ist es auch nicht schlimm, wenn ihr bei einer der Tempelprostituierten kurz Station macht. Was ist schon ein kleiner Seitensprung? Das machen doch viele heute. Partnerwechsel und Ehebruch darf man nicht so verbissen sehen.
Es ist auch gut denkbar, dass die Nikolaiten praktizierte Homosexualität für akzeptabel hielten. Ihre Botschaft lautete Anpassung. Heute laufen, denke ich, viele Nikolaiten in unserem Land herum, die Ähnliches einflüstern wollen.
Die Epheser haben das durchschaut und einen Riegel vorgeschoben. Sie sagten: Nein, um Christi willen, um seiner Wahrheit willen dürfen wir das nicht mitmachen. Sie waren nicht nur wahrheitsliebend, sondern zogen auch die Konsequenzen daraus. Sie waren also auch konsequent.
Jesus sagt hier: Du hast, wie man sagt, deine Apostel geprüft und sie als Lügner entlarvt. Das heißt, du hast Ross und Reiter beim Namen genannt. Du hast nicht zugelassen, dass sie sich ausbreiten konnten.
Die Gemeinde hat gehandelt, wenn falsche Lehrer auftraten. Sie haben nicht nur vornehm die Hände vor den Bauch gehalten und gesagt: Na ja, irgendwann werden sie schon wieder verschwinden. Man darf ja keinen verurteilen, sie sind nur eine Minderheit, und wenn wir freundlich zu ihnen sind, hören sie irgendwann von selbst auf.
Das haben die Epheser nicht gemacht. Sie konfrontierten die Lügner mit der Wahrheit des Wortes Gottes. Sie stellten Lüge und Wahrheit nebeneinander und sagten: Das muss Konsequenzen haben. Ihr könnt nicht weiter in dieser Gemeinde lehren. Ihr dürft euren Einfluss hier nicht ausweiten. Die Tür ist zu.
Diesen Mut hatten sie. Es ist vergleichsweise leicht, mit Hilfe der Bibel Irrlehre zu erkennen. Aber es ist vergleichsweise schwer, diese Erkenntnis konsequent umzusetzen. Die Epheser bemühten sich darum. Wo es an ihnen lag, ließen sie der Unwahrheit keinen Raum.
Hier sehen wir, und das ist eine große Freude und ein großer Trost für uns: Offensichtlich hat die Predigt des Paulus, die Predigt des Apollos und der Dienst, den Timotheus dort all die Jahre und Jahrzehnte getan hat, Früchte getragen. Es hat Wirkung gezeigt, nachhaltig.
Noch im Jahr 95 hinterließ das deutliche Spuren in der Gemeinde. Das sollte eine Ermutigung für jeden von uns sein, der andere Menschen in der Bibel unterweist – sei es in Kindergruppen, im Hauskreis, in der Bibelstunde oder im Zweiergespräch, wenn sie biblische geistliche Sachverhalte erklären.
Das sollte uns alle sehr ermutigen, wenn wir sehen, welche Wirkung das hier in Ephesus hatte.
Zusammenfassung der vorbildlichen Haltung und Einführung des Herzfehlers
Also, da ist die vorbildliche Haltung – das ist das Erste, was Jesus den Ephesern ins Stammbuch schreibt. Er sagt: Es ist gut, du bist einsatzbereit, du bist geduldig, du bist wahrheitsliebend und du bist konsequent. Du bist bereit, diese Wahrheitsliebe auch in Taten umzusetzen.
Allerdings ist die Diagnose damit noch nicht abgeschlossen. Jesus hat einen Krankheitsherd bei dieser Gemeinde entdeckt. Einen Herd, der, wenn er nicht behandelt wird, auf Dauer das andere nach und nach wieder kaputtmachen kann.
Jesus freut sich über all die positiven Entwicklungen in dieser Gemeinde. Er würdigt das ausdrücklich. Aber dann kommt er auf dieses Krankheitssymptom zu sprechen – und darum geht es zweitens um den versteckten Herzfehler.
Wir hatten gesagt: Erstens die vorbildliche Haltung, und zweitens geht es nun um den versteckten Herzfehler. Dieser steht in Vers 4. Da sagt Jesus, nachdem er all das Gute aufgezählt hat: „Aber ich habe gegen dich, dass du die erste Liebe verlässt.“
Das ist der einzige Schwachpunkt dieser Gemeinde – aber er ist wirklich ernst, sehr ernst.
Die Bedeutung der verlorenen ersten Liebe
Was ist die erste Liebe, und was haben die Epheser verloren?
Auf den ersten Blick könnte man denken, Jesus sagt, ihr ereifert euch so sehr wegen der Wahrheit, dass ihr gar nicht mehr liebevoll miteinander umgeht und euch nur noch die Argumente um die Ohren haut. Also seid mal in der Wahrheitsfrage etwas zurückhaltender, dann wird es mit der Liebe ein wenig besser. So ist das hier aber nicht gemeint. Jesus lobt ja ausdrücklich, dass sie sich für die Wahrheit einsetzen. Nein, es geht um etwas ganz anderes.
Was war die erste Liebe? Im Alten Testament finden wir die Antwort in Jeremia 2,2. Dort sagt Gott über sein Volk Israel: „Ich erinnere mich an die Treue deiner Jugendzeit, an die Liebe deiner Brautzeit, wie du hinter mir hergingst in der Wüste.“ Das ist also jene Zeit, als sie aus Ägypten freikam und Gott sie auf dem Weg durch die Wüste bewahrt hat. Auch da gab es manche Schwierigkeiten, aber es war oft so, dass sie wirklich im Vertrauen hinter Gott hergingen, in einer aufrichtigen Liebe zu dem lebendigen Gott.
Die erste Liebe, die Liebe der Brautzeit, ist für die Christen die Liebe zu dem lebendigen Jesus Christus und dem Vater im Himmel. Diese persönliche erste Liebe zu Jesus Christus verschwindet langsam aber sicher aus der Gemeinde.
Es war diese erste Liebe, die die Gemeinde in den ersten Jahren geprägt hat. Sie waren frisch gepackt von Jesus Christus, dankbar, dass er sie befreit hatte aus ihrer Schuld, aus ihrer Vergangenheit, aus ihrem Leben, das unweigerlich in den Tod und in die Verdammnis geschlingert wäre. Nein, sie waren von Jesus gerettet worden. Sie hatten ihm von ganzem Herzen geglaubt und die erste Liebe zu Jesus an die erste Stelle gesetzt.
Das war nicht nur ein Glücksgefühl oder eine erste Begeisterung oder Verliebtheit, sondern sie waren dankbar dafür, dass er am Kreuz für sie gestorben war. Sie staunten über seine Liebe und Großzügigkeit. Sie waren froh über das Wunder der eigenen Bekehrung und sagten: „Ich durfte ihn kennenlernen.“ So viele Menschen um mich herum sind nicht bereit, Jesus kennenzulernen und an ihn zu glauben. Er hat es mir geschenkt, dass ich mich wirklich zu ihm kehren durfte.
Da war die Bereitschaft, Jesus in allen großen und kleinen Dingen zu gehorchen. Man suchte das Gespräch mit Jesus über alle großen und kleinen Dinge des Lebens. Das war die erste Liebe.
Diese erste Liebe war der Gemeinde verloren gegangen. Sie hatte sich nach und nach davon entfernt, wahrscheinlich nicht alle, aber sehr viele, sodass es Auswirkungen auf die ganze Gemeinde hatte. Das war der versteckte Herzfehler.
Das fiel nicht allen gleich auf. Wahrscheinlich traten sie den Irrlehren noch entgegen, mehr oder weniger. Wahrscheinlich schlug ihr Wahrheitsgewissen noch aus. Mit großer Wahrscheinlichkeit gingen sie auch nicht zum Dhyana-Tempel, um dort bei den religiösen Ritualen mitzumachen. Im Großen und Ganzen stimmte es noch. Sie bemühten sich wahrscheinlich weiter, um ihre Gemeindeliebe am Leben zu erhalten. Es musste ja weitergehen.
Aber das Feuer war weg. Nicht die jugendliche Begeisterung, aber der Schmelz der ersten Liebe. Manche der Alten – bestimmt nicht alle, aber manche – waren müde geworden und routiniert. Vielleicht erzählten sie dann manchmal noch von der guten alten Zeit, damals, als sie den alten Paulus noch trainieren hörten. Das waren Gottesdienste, da war was los. Hätten sie sich mal an dem alten Paulus ein Beispiel genommen, der sich mit Feuer einsetzte bis in seine letzten Jahre, sogar im Gefängnis.
Nein, das Feuer war weg, es war nur noch müde Glut übrig geblieben. Früher hatten sie für Jesus gebrannt, und jetzt klagten sie vor allem über die viele Arbeit, dass alles so schwer sei und die Welt so schlecht.
Manche der Jungen – nicht alle, aber manche – wuchsen eben in diese Tradition hinein. Sie machten das mit, weil sie es kannten. Sie hielten sich so einigermaßen an die Regeln, fielen größtenteils nicht durch besondere Aufmüpfigkeit auf. Sie ließen es eben so mitlaufen, manchmal ein bisschen besser, manchmal ein bisschen schlechter, aber es ging so. Wenn man sie fragte: „Sag mal, liebst du Jesus?“ dann kamen viele von ihnen ins Stottern.
Das war der versteckte Herzfehler. Und es gab zu viele, die davon betroffen waren. So wurde diese immer noch fleißige, diese immer noch standfeste Gemeinde nach und nach von innen heraus ausgehöhlt. Das war das Problem.
Die Heiden merkten davon noch lange nichts. Sie sagten: „Ach, die sind fundamentalistisch wie seit Jahrzehnten, bei denen ändert sich nie was, die lernen nie was dazu.“ In der weltweiten Christenheit hatte diese Ephesus-Gemeinde zu dieser Zeit auch noch einen sehr guten Ruf. Das war eine Bekenntnissturmburg. Daran konnte man vieles lernen und sich ein Beispiel nehmen. Das stimmte ja auch.
Doch löste sich das alles von innen her auf. Darum brauchte diese Gemeinde jetzt Hilfe, dringend Hilfe. Sie brauchte einen neuen Aufbruch. Und Jesus war der Einzige, der ihr helfen konnte.
Deshalb lässt er dieser Gemeinde diesen Brief schreiben, persönlich von Jesus diktiert.
Das verordnete Heilmittel zur Wiederbelebung der ersten Liebe
Und das ist das Dritte und Letzte. Wir haben gesehen: erstens die vorbildliche Haltung, zweitens den versteckten Herzfehler und jetzt drittens das verordnete Heilmittel. Jesus verordnet dieser Gemeinde ein Heilmittel.
Und das beginnt in Vers 5. Er sagt: „So denke nun daran, wovon du abgefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke.“ Wie ein Arzt geht Jesus ganz systematisch vor.
Er sagt: Bedenke erst mal, wovon du abgefallen bist. Das heißt nicht, in guten alten Zeiten zu schwelgen, ein bisschen Nostalgie zu pflegen oder mal eine Konferenz von Zeit zu Zeit zu besuchen – das ist ganz schön, aber nicht gemeint. Nein, Jesus meint damit: Mach dir klar, was passiert ist. Bedenke, was du in Gefahr bist wegzuwerfen. Wie konnte das passieren?
Sie waren doch so engagiert, sie haben sich doch so für Jesus eingesetzt. Ja, aber es kann sein, dass irgendwann der Einsatz für Jesus die Liebe zu Jesus verdrängt hat. Das kann ganz schnell passieren. Man rackert, man rackert, man rackert, und irgendwann wird die Arbeit für die Gemeinde wichtiger als die Arbeit für Jesus persönlich und die Zeit mit ihm.
Man hat immer ein gutes Gewissen, weil man ja immer in Bewegung ist und sagen kann: Ich mache ja was, ich mache ja was, ich mache ja was. Ich tue ja genug, es ist ja alles in Ordnung, ich leiste ja meinen Beitrag.
Vielleicht kann man das mit einem Geschäftsmann vergleichen, der keine Zeit mehr hat, sich um seine Familie zu kümmern. Er steckt alles ins Geschäft, Tag und Nacht. Und wenn sich das Gewissen dann meldet, sagt er: Ich tue doch was für meine Familie, schließlich ist es doch ein Familienbetrieb, und meine Kinder sollen ihn ja ohne Schulden mal erben können. Ich tue es doch nur für die Kinder.
Und ich glaube, dass viele, die so sprechen, das auch wirklich ehrlich und von Herzen gut meinen. Der rackert für die Kinder, aber er hat direkt keine Zeit für sie selbst. So denke ich, kann es uns gehen: Wir rackern für Jesus, für den Betrieb von Jesus, wir rackern für seine Gemeinde. Und dabei rückt er selbst aber immer mehr aus dem Zentrum heraus.
Jesus sagt: Erkenne, was passiert ist, denke daran, was du verloren hast, erkenne den Unterschied zu früher. Und wenn wir das erkennen, ist schon ganz viel gewonnen.
Dann kommt der zweite Schritt. Er sagt: „Und tue Buße und kehre um.“ Bitte Jesus um Vergebung für deinen Mangel an Liebe, ändere deine Prioritäten, bring die Gewichte wieder ins Lot. Und wir können das Jesus doch sagen: Herr, ich bitte dich um Vergebung, dass vieles in meinem Herzen so kalt und routiniert und selbstverständlich geworden ist.
Verstehen Sie, es geht hier nicht um irgendwelche religiöse Gefühlsbelebung. Damit will er überhaupt nichts gewinnen, sondern es geht um die Grundhaltung unseres Herzens, darum geht es. Dass wir sagen: Jesus, vergib mir das, vergib mir das, dass ich im Grunde immer mehr nach meinen eigenen Vorstellungen, auf meinem eigenen Weg meine Sache mache, die ich für deine Sache halte, und dass ich selbst mir immer wichtiger werde.
„Tue Buße“, sagt Jesus.
Und dann das Dritte: „Und tue die ersten Werke.“ Das heißt auf Deutsch: Praktiziere die erste Liebe. Lebe wieder so bewusst mit Jesus, wie du es am Anfang getan hast. Die ersten Werke sind der Ausdruck der ersten Liebe. Also da steht nicht: Beleb die ersten Gefühle wieder. Da steht nicht: Mach ein bisschen religiöse Nostalgie.
Sondern die Gemeinde soll wieder so leben und so handeln, wie es der ersten Liebe zu Jesus entspricht. Und wie diese Liebe zwischen zwei jungen Menschen aussieht, hat Friedrich Schiller ja in seiner berühmten „Glocke“ beschrieben.
Nur ganz kurz zur Erinnerung:
„Errötend folgt er ihren Spuren und ist von ihrem Gruß beglückt,
Das Schönste sucht er auf den Fluren, womit er seine Liebe schmückt.
Oh zarte Sehnsucht, süßes Hoffen, der ersten Liebe goldene Zeit,
Das Auge sieht den Himmel offen, es schwelgt das Herz in Seligkeit.
Oh, dass sie ewig grünen bliebe, die schöne Zeit der jungen Liebe.“
So weit die „Glocke“. Ich habe das nur zitiert, weil da die erste Liebe vorkommt. Was Schiller hier eigentlich beschreibt, ist allerdings mehr die erste Verliebtheit. Das ist auch etwas Schönes.
Aber wenn daraus echte Liebe wächst, dann ist das noch schöner. Dann wird aus einer gehobenen Stimmung eine feste Verbindung und eine beglückende Geborgenheit. Man sehnt sich danach, mit dem anderen Menschen zusammen zu sein, nimmt sich Zeit füreinander, braucht die Nähe des Anderen und wird immer wieder dankbar dafür, dass man den Anderen hat.
Dann kann es auch in einer solchen echten Liebe natürlich Stimmungsschwankungen geben, aber das ist nicht schlimm, weil diese Liebe mehr ist als ein Gefühl. Diese Liebe überdauert schwankende Gefühle, weil sie tiefer geht. Der feste Wille, für den anderen da zu sein, Liebe ist ein Tun, Liebe hält durch, Liebe hält fest.
Und genau so ist es mit der ersten Liebe zu Jesus. Das ist nicht einfach nur ein religiöses Gefühl oder eine mystische Stimmung, sondern es ist die Dankbarkeit, dass ich ihm gehören darf. Ich bin froh, dass er mein Leben unter seine Regie genommen hat.
Ich möchte so gerne immer wieder die Verbindung mit ihm aufnehmen, zu ihm beten und in seinem Wort hören, wie er zu mir spricht. Und ich möchte wirklich, dass der Herr Jesus alle meine Schritte lenkt und dass mein Leben auf den Wegen geht, die ihm gefallen.
Was Reinhard Mey in seinem bekannten Lied besungen hat, das sollte eigentlich unsere Haltung Jesus gegenüber sein:
„Wie vor Jahr und Tag liebe ich dich, doch vielleicht weiser nur und bewusster noch.
Und noch immerfort ist ein Tag ohne dich ein verlorener Tag, verlorene Zeit für mich.
Wie vor Jahr und Tag ist noch immerfort das Glück und dein Name dasselbe Wort.
Allein was sich geändert haben mag, ich lieb dich noch mehr als vor Jahr und Tag.“
Manchmal singe ich das Lied meiner Frau vor, da passt es auch. Aber was hier beschrieben wird, das soll eigentlich und kann unsere Haltung zu Jesus Christus bestimmen: dass wirklich die persönliche Verbindung zu ihm das Wichtigste in unserem Leben ist und dass ein Tag ohne dich, ein Tag ohne Bibel, ohne Gebete ein verlorener Tag ist und verlorene Zeit für mich.
Wenn wir es so lernen, in der Liebe zu Jesus Christus zu wachsen, im Leben mit ihm, dann wird sich das auswirken. Dann werden wir anders in der Lage sein, unsere Mitchristen zu lieben. Dann werden wir ganz anders in der Lage sein, auch den Menschen mit Liebe zu begegnen, die mit Jesus und Glauben überhaupt nichts am Hut haben und ihn doch so sehr brauchen.
Dann werden wir auch merken, wie die Liebe zu seiner Wahrheit wächst. Das ist eine ganz interessante Beobachtung am Schluss. Jesus sagt jetzt nicht: „Also, wenn die Liebe zu mir wieder erwacht ist, dann kannst du die Wahrheitsfrage ruhig ein bisschen in den Hintergrund drängen.“ Genau das sagt Jesus nicht.
Keine falschen Alternativen, sondern was sagt er hier am Schluss? Nachdem er das mit der Liebe gesagt hat und dass diese umkehren soll, dann sagt er in Vers 6:
„Aber das hast du für dich, dass du die Werke der Nikolaiten hasst, die ich auch hasse.“
Die Werke, nicht die Menschen. Als wollte Jesus sagen: Bloß kein Missverständnis. Natürlich ist es wichtig, dass du dich für die Wahrheit einsetzt. Und wenn du mich in der rechten Weise liebst, dann wird das nicht heißen, dass dein Engagement für die Wahrheit dadurch nachlässt, ganz im Gegenteil.
Das, wie du dich denen gegenüber verhalten hast, das soll bleiben. Aber lass es eingebunden sein in die Liebe zu mir. Es geht nicht um Liebe statt Wahrheit, sondern es geht um Liebe und Wahrheit. Und je echter unsere Liebe zu Jesus ist – wir haben das vorhin in der Lesung gehört – umso fester ist unsere Bindung an sein Wort.
Damit ist die Behandlung gewissermaßen abgeschlossen. Jesus hat erst die vorbildliche Haltung gelobt, er hat dann zweitens auf den versteckten Herzfehler hingewiesen und drittens das verordnete Heilmittel ganz genau definiert:
Bedenke, was du verloren hast, tue Buße, bitte um Vergebung, kehre um, erkenne das und tue die Werke der ersten Liebe, praktiziere die erste Liebe wieder, wie du es früher getan hast.
Und dann schließt Jesus diesen Brief mit einer Prognose. Er macht deutlich: Dein Herzfehler muss behandelt werden. Und wenn das nicht geschieht, Vers 5, „wenn aber nicht“, sagt er ganz offen:
„Dann werde ich über dich kommen und deinen Leuchter wegstoßen von deiner Stätte, wenn du nicht Buße tust.“
Jesus sagt also ganz offen, was passieren wird. Wenn diese Gemeinde nicht umkehrt, dann wird sie nach und nach eingehen. Dann wird diese Gemeinde in Ephesus, sagt Jesus, ihre Zeugniskraft und ihre Leuchtkraft verlieren. Dann wird sie früher oder später in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, bis sie irgendwann ganz geschlossen wird.
Und wohlgemerkt: Die einzelnen echten Christen in dieser Gemeinde werden durchkommen. Deswegen sagt Jesus ja in Vers 7:
„Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von dem Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist.“
Also die echten Christen, wer überwindet, die Leute, die an der ersten Liebe zu Jesus festhalten oder wieder dahin zurückkehren oder die Leute, die ganz neu dazukommen, die verstehen, dass sie Jesus als ihren Retter und Herrn brauchen, die werden durchkommen.
Und denen öffnet Jesus auch diese Zielperspektive. Was sagt er hier in Vers 7?
„Ich will ihm zu essen geben von dem Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist.“
Das heißt, der wird freien Zugang haben zum ewigen Leben, zum ewigen Leben in seiner ganzen Fülle. Wer überwindet, der wird ewig bei Jesus zu Hause sein dürfen, der wird all das geschenkt bekommen, was der Himmel für uns bereithält. Wer überwindet, dem will ich geben zu essen von dem Baum des Lebens.
Und damit macht Jesus klar: Jeder ist für sich persönlich verantwortlich, jeder von uns ist für sich persönlich verantwortlich. Wir können uns nicht hinter einer Gemeinde verstecken, wir können uns nicht hinter anderen Menschen verstecken. Wir müssen diese Diagnose, die Jesus hier der Gemeinde ausstellt, auch auf uns persönlich beziehen und fragen: Wie steht es eigentlich um mein Herz?
Aber das ist auch klar: Je mehr Menschen persönlich aufwachen dort in Ephesus, umso größer wird die Chance, für die ganze Gemeinde dort zu überleben und noch für viele andere zum Segen zu werden.
Und so fragen wir am Ende: Wie ging es aus in Ephesus? Wir haben bei den Kirchenvätern einige Hinweise, dass diese Gemeinde wahrscheinlich eine positive Reaktion gezeigt hat. Das ist also auch ermutigend zu sehen, dass sie offensichtlich reagiert haben.
So konnte diese Gemeinde in Ephesus noch viele, viele Jahre weiterwirken. Es fand später dort noch ein wichtiges Konzil statt, im vierten Jahrhundert, und wahrscheinlich ist erst im fünften Jahrhundert die Stadt und die Gemeinde langsam eingegangen. Heute dominiert dort der Islam in vollen Zügen.
Diese Gemeinde hatte ihre Zeit, aber sie hat nach diesem Brief noch mehrere hundert Jahre wirken können. Dort haben Menschen zum Glauben finden können, dort sind Menschen begleitet worden, über einen langen Zeitraum hinweg im Glauben gestärkt worden, dort hat Gott noch sein Werk tun können, viele, viele Jahre lang.
Und das ist die Frage an unsere Gemeinde und an jeden einzelnen von uns: Wie steht es um meine erste Liebe zu Jesus? Diese Frage kann keiner für den anderen beantworten, weil keiner von uns dem anderen ins Herz guckt.
Aber Jesus stellt uns diese Frage heute ganz persönlich mit diesem Bibelvers. Und er stellt sie, um uns zurechtzubringen. Er stellt sie nicht, und selbst wenn er damit manches in unserem Herzen aufdecken sollte, was nicht in Ordnung ist, Jesus stellt diese Frage nicht, um uns niederzudrücken, um uns fertigzumachen, um uns mutlos zu machen, sondern er stellt uns diese Frage, damit wir genau diesen Weg gehen, den er uns hier zeigt: dass wir das erkennen, dass wir ihn um Vergebung bitten und dass wir ihn bitten, uns ganz neu mit dieser ersten Liebe auszustatten.
Diese erste Liebe ist kein Krampf, das ist einfach das normale Leben mit Jesus im Alltag.
Darum ist es für uns heute auch eine besondere Chance, wenn wir gemeinsam Abendmahl feiern dürfen. Denn da tun wir nämlich eines: Wir sehen auf den Herrn Jesus, wir sehen darauf, wie sehr er uns geliebt hat.
Im Abendmahl wird uns gerade durch Brot und Wein so deutlich, was der Herr für uns getan hat. Er hat sein Leib für uns geopfert, um uns zu retten. Er hat sein Blut für uns gegeben, damit wir Kinder Gottes werden können, damit wir Vergebung unserer Schuld bekommen, damit wir ewiges Leben bekommen können.
Das hat er getan, er hat sich ganz gegeben für uns. Und das ist wahrscheinlich das Wichtigste: dass wir auf seine Liebe blicken, dass wir uns wieder neu klarmachen, was er wirklich für uns getan hat.
Und das wird dann auch dazu führen, dass es unsere Liebe gewissermaßen wie ein Echo nach sich zieht und dass wir neu dankbar werden dafür, dass der Herr Jesus Christus uns zu sich gerufen hat. Amen!
Der weitere Verlauf der Gemeinde Ephesus und die Herausforderung für uns heute
Und so fragen wir am Ende: Wie ging es aus in Ephesus?
Wir haben bei den Kirchenvätern einige Hinweise, dass diese Gemeinde wahrscheinlich eine positive Reaktion gezeigt hat. Das ist also auch ermutigend zu sehen, dass sie offensichtlich reagiert haben. So konnte diese Gemeinde in Ephesus noch viele, viele Jahre weiterwirken.
Später fand dort im vierten Jahrhundert ein wichtiges Konzil statt. Wahrscheinlich ist erst im fünften Jahrhundert die Stadt und die Gemeinde langsam eingegangen. Heute dominiert dort der Islam in vollem Umfang.
Diese Gemeinde hatte ihre Zeit, aber sie konnte nach diesem Brief noch mehrere hundert Jahre wirken. Dort haben Menschen zum Glauben finden können, wurden begleitet und über einen langen Zeitraum hinweg im Glauben gestärkt. Gott konnte dort noch sein Werk tun, viele, viele Jahre lang.
Und das ist die Frage an unsere Gemeinde und an jeden Einzelnen von uns: Wie steht es um meine erste Liebe zu Jesus? Diese Frage kann keiner für den anderen beantworten, weil keiner von uns dem anderen ins Herz schaut.
Aber Jesus stellt uns diese Frage heute ganz persönlich mit diesem Bibelvers. Er stellt sie, um uns zurechtzubringen. Er tut dies nicht, und selbst wenn er damit manches in unserem Herzen aufdecken sollte, was nicht in Ordnung ist, um uns niederzudrücken, uns fertigzumachen oder mutlos zu machen.
Vielmehr stellt er uns diese Frage, damit wir genau den Weg gehen, den er uns hier zeigt: dass wir es erkennen, ihn um Vergebung bitten und ihn bitten, uns ganz neu mit dieser ersten Liebe auszustatten.
Diese erste Liebe ist kein Krampf, sondern einfach das normale Leben mit Jesus im Alltag. Darum ist es für uns heute auch eine besondere Chance, wenn wir gemeinsam Abendmahl feiern dürfen. Denn dabei tun wir eines: Wir sehen auf den Herrn Jesus, wir sehen darauf, wie sehr er uns geliebt hat.
Im Abendmahl wird uns gerade durch Brot und Wein so deutlich, was der Herr für uns getan hat. Er hat seinen Leib für uns geopfert, um uns zu retten. Er hat sein Blut für uns gegeben, damit wir Kinder Gottes werden können, Vergebung unserer Schuld erhalten und ewiges Leben bekommen.
Das hat er getan – er hat sich ganz gegeben für uns. Und das ist wahrscheinlich das Wichtigste: dass wir auf seine Liebe blicken, dass wir uns wieder neu klarmachen, was er wirklich für uns getan hat.
Das wird dann auch dazu führen, dass unsere Liebe gewissermaßen wie ein Echo nach sich zieht und wir neu dankbar werden dafür, dass der Herr Jesus Christus uns zu sich gerufen hat. Amen!
Lassen Sie uns jetzt...