Ich denke an einen Mann, den ich vor vielen Jahren kennengelernt habe, als er noch jung war. Inzwischen ist er nicht mehr ganz jung. Wahrscheinlich habe ich ihn etwa zu Beginn seines Studiums etwas besser kennengelernt, aber ich weiß es nicht genau, denn es ist schon lange her.
Er hat studiert, war gläubig und ging in eine Gemeinde. Während seines Studiums heiratete er ein hübsches Mädchen, das ebenfalls aus einem gläubigen Elternhaus stammt. Das Studium kam jedoch nicht richtig voran. Ich weiß nicht, woran es lag. Vielleicht fehlte ihm ein bisschen der Biss, oder er war in mancher Hinsicht zu perfektionistisch, sodass nie etwas wirklich fertig wurde.
Nun war er verheiratet und brauchte mehr Geld. Deshalb jobbte er mehr neben dem Studium als zuvor. Irgendwann arbeitete er eigentlich nur noch, aber das Studium schloss er nie ab. Ob es daran lag, dass er den Eindruck hatte, mit dem Leben nicht richtig zurechtzukommen, weiß ich nicht genau. Vielleicht war das der Grund.
Auf jeden Fall ist er im Laufe vieler Jahre immer mehr aus dem realen Leben, da wo es wirklich stattfand, in virtuelle Welten geflüchtet. Das geschah über eine sehr lange Zeit. Die Beziehung zu seiner Frau wurde dadurch etwas oberflächlicher. Jeder machte so ein bisschen sein eigenes Ding.
Erst richtig aufgewacht ist er, so würde ich sagen, als seine Frau ausgezogen ist. Heute sind sie geschieden, soweit ich das aus der Ferne beurteilen kann, denn ich habe keinen engen Kontakt. Die Frau lebt meines Wissens ohne ihn, und er ist in vielerlei Hinsicht kaputt.
Vielleicht wäre er mit manchen meiner Analysen nicht einverstanden, falls er diesen Vortrag jemals hören sollte. Aber das ist eigentlich egal, denn er kennt ihn nicht. Und ich hätte ihn mir auch ausdenken können. Die Geschichte wäre trotzdem hundertfach wahr gewesen.
Weckruf zur Wachsamkeit und bewussten Lebensführung
Ein Thema in Epheser Kapitel 5 ist: Wache auf, du, der du schläfst! Steh auf von den Toten!
Das muss man schon laut sagen, damit Menschen aus den Toten aufstehen. Und Christus wird dir leuchten. Wach auf! Das ist ein zentraler Satz in diesem Abschnitt. Wach auf!
Dieser Weckruf kann auch für dich gelten, selbst wenn du kein Problem mit Computern hast. Die Geschwister in Ephesus hatten ebenfalls keine Probleme mit Computern. Trotzdem hat Paulus ihnen zugerufen: Wacht auf! Lebt euer Leben bewusst und denkt darüber nach, worum es wirklich geht.
Lasst euch nicht vom täglichen Trott einlullen.
(Epheser 5,14)Rückblick auf Epheser Kapitel 4: Die Gemeinde als ein Leib
Bevor wir zum Text kommen, möchte ich noch einige Bemerkungen zu dem machen, was beim letzten Mal behandelt wurde. Eine Stunde vergeht so schnell, und oft bleibt etwas ungesagt. Deshalb hier ganz kurz ein paar Gedanken und eine Zusammenfassung einiger Punkte aus Epheser 4.
Paulus verwendet im Epheserbrief immer wieder das Bild der Gemeinde als eines Leibes. Zum ersten Mal begegnet uns dieses Bild ganz kurz angedeutet in Epheser 1,22: "Er hat alles seinen Füßen unterworfen und ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben, die sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt."
Dieses Bild sehen wir erneut in Epheser 4, wo es vom Anfang des Kapitels an eine zentrale Rolle spielt. In Vers 15 heißt es: "In Liebe lasst uns in allem zu dem Herrn heranwachsen, zu ihm hin, der das Haupt ist, Christus, aus dem der ganze Leib wohl zusammengefügt und verbunden durch jedes Gelenk der Darreichung, nach der Wirksamkeit in dem Maß jedes einzelnen Teiles für sich das Wachstum des Leibes bewirkt zu seiner Selbstauferbauung in Liebe."
Auch in Kapitel 4, Vers 25, finden wir eine Anspielung darauf: "Deshalb, da ihr die Lüge abgelegt habt, redet Wahrheit, jeder mit seinem Nächsten; denn wir sind Glieder voneinander."
Immer wieder kehrt Paulus in diesem Brief auf dieses Bild zurück: Wir sind ein Leib, wir gehören fest zusammen, wir funktionieren gemeinsam und sind voneinander abhängig.
Ich möchte, dass wir dieses Bild vor Augen haben, auch wenn wir nun in Kapitel 5 einsteigen. Denn auch dort geht es Paulus sehr viel um diese Gemeinschaft. Das Bild des Leibes verändert sich zwar ein wenig, aber es bleibt die Verantwortung, die wir in dieser Gemeinschaft tragen – insbesondere durch unser Verhalten.
Praktische Anwendungen aus Epheser 4: Wahrheit, Vergebung und Arbeit
Ganz kleine Anmerkung für Leute, die ein bisschen Bibel studieren: Wir haben in Vers 32 gelesen: „Seid aber zueinander gütig, mitleidig, einander vergebend, wie auch Gott in Christus euch vergeben hat.“
Genau diese Aufzählung steht auch in Kolosser 3,12-13. Interessanterweise ist sie dort kombiniert mit einer anderen Aufzählung, die wir schon in Epheser 4,2 gelesen haben: „mit aller Demut und Sanftmut und Langmut einander ertragend in Liebe.“ Im Kolosserbrief ist dies ein Vers. Im Epheserbrief rahmt diese Kombination sozusagen alles ein, was wir von Kapitel 4, Vers 1 bis 32 gelesen haben.
Schon hier sehen wir, dass es für Paulus, obwohl er zwischendurch ausholt und von der Gesellschaft spricht, aus der die Geschwister kommen und in der sie leben – genauso wie wir –, wichtig ist, dass sie anders leben als ihre Eltern oder ihre Umgebung. Er fordert sie heraus, anders zu leben, als sie es früher getan haben. Wir haben gesehen, dass er immer wieder zu dem Punkt zurückkommt, dass sie ein Leib sind und wie sie miteinander leben sollen.
Seine Beispiele für das Andersleben sind viele praktische Beispiele, fast 25 bis 27 Verse lang, die zeigen, dass sie zusammengehören und füreinander da sind. So sagt er zum Beispiel: „Redet Wahrheit an jedem mit seinem Nächsten, denn wir sind Glieder voneinander.“
Ich habe versucht zu betonen, dass „mit“ hier nicht nur bedeutet, dass ich jemandem die Wahrheit sage, sondern dass ich die Wahrheit für den anderen sage, weil ich mit ihm solidarisch bin.
Ich hatte angedeutet, aber dann nicht ausgeführt, dass das eine Anlehnung an die Zehn Gebote ist. In 2. Mose 20 heißt es: „Du sollst nicht falsches Zeugnis reden gegen deinen Nächsten.“ Ganz streng genommen ist das kein Gebot, niemals die Unwahrheit zu sagen. Es heißt nur, dass ich es nicht tun soll, wenn es gegen den anderen ist. Das heißt, von den Zehn Geboten dürfte ich die Unwahrheit sagen, wenn ich mir ganz sicher bin, dass es niemandem schadet.
Ganz streng genommen.
Mein Raab hat das getan, oder? In den Geschichten von David werden Leute versteckt, und wenn jemand fragt: „Sind Sie hier?“ sagt man „Nein“. Das ist eigentlich eine Lüge, aber sie dient dem Schutz.
Darüber will ich nicht philosophieren. Es ist immer problematisch, Unwahrheit zu sagen, weil wir nie ehrlich zu uns sind und die Grenze, wo es niemandem schadet, meistens überschreiten.
Was ich nur zeigen wollte, ist, dass Paulus genau diesen Satz nimmt: „Du sollst nicht falsches Zeugnis reden gegen deinen Nächsten.“ Er dreht ihn in der Formulierung um, behält aber den gleichen Sinn: „Redet Wahrheit an jedem mit seinem Nächsten.“ Also nicht lügen gegen den Nächsten, sondern die Wahrheit mit dem Nächsten reden.
Er nimmt wirklich dieses Gebot aus den Zehn Geboten und gibt es den Geschwistern weiter.
Wir sollen die Sonne nicht untergehen lassen über unserem Zorn.
Ich habe gesagt, dass ich da vielleicht zu schnell drüber weggegangen bin. Heute mache ich es wieder – ich gehe ganz schnell drüber weg, weil es nur eine Zusammenfassung ist, aber immerhin habe ich es wiederholt.
Ich glaube, es war keine versehentliche Bemerkung. Ich denke, dass hier die bildhafte Bedeutung im Vordergrund steht. Klar ist es eine gute Angewohnheit, sich abends zu überlegen: Bin ich noch zornig auf jemanden? Sollte ich jemandem vergeben in meinem Herzen? Man schläft einfach auch besser.
Aber eigentlich verwendet Paulus hier ein Bild: Die Sonne meines Wohlwollens soll nicht untergehen über meinen Geschwistern oder irgendjemandem, meinen Brüdern oder Schwestern. Ich soll mein Wohlwollen, selbst wenn jemand komisch ist oder mir wehgetan hat, nicht dauerhaft entziehen – so wie Gott uns die Sonne nicht dauerhaft entzieht.
Entziehen wir uns gegenseitig unser Wohlwollen nicht dauerhaft.
Dann kam dieser provozierende Satz, auf den Paulus heute noch ein bisschen zurückkommen wird, zumindest pauschal: „Wenn ihr zusammengehört, wenn ihr füreinander seid, wenn ihr vielleicht früher gestohlen habt oder auch nicht, arbeitet vielmehr! Und wirkt mit euren Händen das Gute, damit ihr dem Bedürftigen etwas zu geben habt.“
Wir haben beim letzten Mal kurz über die Motivation zur Arbeit gesprochen. Paulus sagt: Wie wäre es, wenn ihr mehr arbeitet, als ihr eigentlich müsst? Nicht damit ihr euch mehr leisten könnt oder einen tolleren Urlaub, sondern wie wäre es, wenn ihr Überstunden macht, weil ihr jemanden kennt, der das Geld braucht und momentan nicht selbst in der Lage ist, es zu verdienen? Wie wäre es, wenn ihr arbeitet, damit ihr den Bedürftigen etwas geben könnt?
Auch dazu gibt es eine Bemerkung: Habt ihr gemerkt, an wen Paulus das schreibt? An die Epheser!
Es steht nämlich im Epheserbrief.
In Apostelgeschichte 20,33 sehen wir die Szene, in der Paulus die Ältesten von Ephesus ein paar Monate nachdem er Ephesus verlassen hat, nach Milet ruft. Er ist sozusagen auf der Durchreise und will nicht nach Ephesus zurück, weil er weiß, dass sie dort so gastfreundlich sind, dass er nicht rechtzeitig wieder wegkommt.
Er ruft nur die Ältesten von Ephesus nach Milet und gibt ihnen wesentliche Dinge mit. In einem Abschnitt blickt er zurück auf seine Zeit in Ephesus, die drei Jahre, die er dort verbracht hat.
Er sagt in Vers 33: „Ich habe niemandes Silber oder Gold oder Kleidung begehrt. Ihr selbst wisst, dass meine Bedürfnisse und die derer, die bei mir waren, diese Hände gedient haben.“
Er fährt fort: „Ich habe euch in allem gezeigt, dass man so arbeitend sich der Schwachen annehmen und der Worte des Herrn Jesus gedenken müsse, der selbst gesagt hat: Geben ist seliger als nehmen.“
Wisst ihr, er schreibt den Ephesern hier nichts Beliebiges. Er schreibt ihnen etwas, von dem er sagen kann: So habe ich bei euch gelebt, ich habe gearbeitet, um den Schwachen etwas mitgeben zu können – meinen Mitarbeitern und, wenn er von Schwachen redet, wahrscheinlich auch anderen.
Er hat so gelebt als Missionar, arbeitend, um dem Bedürftigen etwas geben zu können.
Und er sagt es den Ältesten, damit sie Vorbilder sind und es weitergeben.
Es ist besser, wenn man etwas zu geben hat, als wenn man darauf angewiesen ist, sich für seinen Dienst bezahlen zu lassen.
Ja, ich weiß, es gibt Bibelstellen, in denen steht, dass die Ältesten auch würdig sind, finanziell unterstützt zu werden. Aber Paulus sagt: Wenn die Möglichkeit besteht, ist es besser, etwas zum Geben zu haben. Und er hat selbst so gelebt.
Ich vermute, die Gemeinde hat das nicht vergessen.
Die Aufforderung zur Nachahmung Gottes in Liebe
Letzten Endes schließt Paulus diesen Abschnitt mit den Versen in Kapitel 5, Vers 1 und 2 ab.
Er sagt: „Und plötzlich, bei all diesen praktischen Dingen, wisst ihr, lügt nicht, seid nicht zornig, stehlt nicht mehr, lasst alle Bitterkeit, alle Wut, allen Zorn, alles Geschrei, alle Lästerung und alle Bosheit weg sein. Entfernt sie aus eurem Leben und aus eurem Reden!“
Seid nun Nachahmer Gottes als geliebte Kinder und wandelt in Liebe, wie auch Christus uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat. Christus hat sich für uns hingegeben.
Was bedeutet es, dass wir zusammengehören? Wie viel Hingabe an andere hätten wir, wenn wir dem Vorbild Jesu folgen würden? Plötzlich geht es nicht mehr nur um all die kleinen Dinge, die wichtig sind, um mal darüber nachzudenken. Stattdessen sind wir, wie gesagt, in einer anderen Dimension der Hingabe.
Wir sind eine Darbringung und ein Schlachtopfer für Gott zu einem duftenden Wohlgeruch. Weil Christus sich für uns hingegeben hat und damit letztlich in seinem Herzen, weil er sich seinem Vater hingegeben hat, ist ein Wohlgeruch durch die Zeiten hindurch entstanden.
Wenn wir Hingabe leben, wenn wir diese schwierigen Dinge tun – uns miteinander solidarisieren, zusammenarbeiten, etwas abgeben von dem, was wir uns verdient haben, gütig sein, milde sein, vergeben und als Glieder miteinander funktionieren – dann können wir ein Stück weit auch ein Wohlgeruch sein. Sozusagen ein angenehmer Duft.
Praktische Hingabe als Wohlgeruch vor Gott
Es gibt ein Beispiel aus genau dieser Zeit. Ein paar Monate später oder ein paar Monate früher – ich weiß es nicht genau – hat Paulus den Philipperbrief geschrieben und dabei eine ganz praktische Sache bemerkt.
In Philipper 4,18 heißt es: „Ich habe aber alles empfangen und habe Überfluss, ich bin erfüllt, da ich von Epaphroditus, dem von euch Gesandten, empfangen habe, einen duftenden Wohlgeruch, ein angenehmes Opfer, Gott wohlgefällig.“
Die Philipper hatten sich etwas abgespart und jemanden durch Gefahren geschickt, um diese Gabe zu Paulus zu bringen. Paulus saß im Gefängnis, und sie hatten den Eindruck, dass er materielle und finanzielle Unterstützung brauchte.
Paulus sagt ganz einfach: Dieses Praktische, was ihr getan habt, hat euch wahrscheinlich schwergefallen – vor allem Epaphroditus, der bis an den Rand seiner Kräfte und seiner Gesundheit gegangen ist, aber auch denen, die etwas gegeben haben. Er beschreibt es als einen Wohlgeruch, ähnlich wie das Opfer Christi.
Natürlich ist das auf einer anderen Dimension, aber letzten Endes war auch das Opfer Christi ein Wohlgeruch – die Hingabe Jesu. So ist auch diese ganz praktische Hingabe.
Ob sie finanzieller Natur ist, mit Zeiteinsatz verbunden, durch Gebet, Gedanken oder Freundlichkeit gezeigt wird – egal, was für uns ein Opfer bedeutet, es ist ein Wohlgeruch, nicht nur für Gott.
Beginn von Epheser Kapitel 5: Heiligkeit und Gemeinschaft
Und jetzt können wir zu Kapitel 5, Vers 3 kommen. Paulus hatte in Kapitel 4, Verse 17 bis 19 gesagt: „Dies sage und bezeuge ich dem Herrn, dass ihr von nun an nicht lebt wie die Nationen. Unterscheidet euch von eurer Umgebung!“
Dann hatte er in den Versen 20 bis 24 weiter ausgeführt: „Das war euer altes Leben, das ihr abgelegt habt und ablegen sollt wie ein altes Kleid, das nicht mehr zu euch passt.“
Wir haben gerade gesehen, dass er diese Beispiele aus dem Zusammenleben der Gemeinde genommen hatte. Wie gehen wir miteinander um? Sind wir füreinander da? Sind wir bereit, einander zu unterstützen? Sind wir bereit, uns Gedanken darüber zu machen, wie wir den anderen mit unseren Worten ermutigen oder ihm helfen können?
Er war zurückgekommen auf das Bild vom einen Leib. Natürlich ist ihm bewusst, dass es nicht ausreicht, einfach nicht mehr so zu leben wie die Gesellschaft, nicht mehr so wie unsere Eltern oder wie wir vielleicht vor unserer Bekehrung gelebt haben. Oder bevor wir zum Herrn zurückgekehrt sind. Es ist mehr als das.
Er hat dieses große Bild in Kapitel 4, Verse 17 bis 19 und diese große Aufforderung in den Versen 20 bis 24 bewusst breit angelegt. Er weiß, dass er darauf zurückkommen muss – und das tut er jetzt.
Hurerei aber und alle Unreinheit oder Habsucht sollen nicht einmal unter euch genannt werden, wie es Heiligen geziemt. Auch Schändlichkeit und albernes Geschwätz oder Witzelei sollen sich nicht geziemen, sondern vielmehr Danksagung.
Die Bedeutung von Heiligkeit und moralischer Reinheit in der Gemeinschaft
Ich stelle mir Paulus vor, wie er immer wieder betont, dass diejenigen, die aus den Heiden kommen, dazugehören. Sie sind Miterben, Kinder Gottes, Söhne Gottes. Sie befinden sich in seinem Thronsaal, sind eingebaut in sein Haus und sind eigentlich das Haus Gottes geworden. Sie haben Zugang zu seinem unsichtbaren Tempel durch denselben Geist wie jeder, der sich aus den Juden bekehrt hat.
Das war damals keine selbstverständliche Botschaft. Ich glaube, Paulus hatte manchmal Bauchschmerzen damit. Im Alten Testament war es verboten, dass Heiden so nahe an den Tempel herankamen. Sie durften nur bis zu einem bestimmten Vorhof gehen, der verschlossen war. In Jerusalem gab es eine Schranke, hinter der niemand, der nicht Jude war, weitergehen durfte.
Wisst ihr noch, warum Paulus verhaftet wurde? Es wurde das Gerücht verbreitet, dass er jemanden, einen Christen aus den Nationen, aus Ephesus, mit in den Tempel gebracht hätte. Er hat es nicht getan, aber aufgrund dieses Vorwurfs saß er letztlich schon drei bis dreieinhalb Jahre im Gefängnis. Ich glaube, er hat sich viele Gedanken darüber gemacht: Warum war es verboten, dass Heiden in den Tempel gehen? Wie ist es, wenn Menschen mit einem solchen Hintergrund, aus einer solchen Gesellschaft, die vieles als selbstverständlich ansehen, in die heilige Gemeinschaft Gottes kommen?
Warum durften sie im Alten Testament nicht weiter in den Tempel hineingehen? Weil die Angst bestand: Was bringen sie mit? Was bringen sie hinein? Deshalb glaube ich, dass Paulus trotz allem manchmal Bauchschmerzen hatte. Diese ganzen Leute, die ohne geistlichen Hintergrund oder ohne christliches Elternhaus sich bekehren und in die heilige Gemeinschaft Gottes kommen – was bringen sie eigentlich mit?
Nun spricht Paulus darüber. Auffällig ist das Wort „Unreinheit“ in Vers 3. Genau das durfte man nicht mitbringen. Man durfte den Tempel nicht unrein machen. Ich glaube, Paulus hat dieses Bild vor Augen und kommt dann zurück auf die Basics, auf die Grundlagen von Moral und Ethik im Alten Testament.
Was waren die Knackpunkte im Alten Testament? Wenn man die Geschichte Israels liest, gab es immer zwei Hauptpunkte: Hurerei, also unerlaubte Sexualität, und Götzendienst. Das waren die zentralen Themen im ganzen Alten Testament.
Wie auch im Kolosserbrief, so auch hier: Paulus nennt diese zwei Punkte und sagt, dass ihr sie nicht mitnehmen dürft. Ihr dürft sie nicht in die heilige Gemeinschaft Gottes hineintragen. Das ist ihm sehr wichtig. Er sagt: „Hurerei, aber auch alle Unreinheit oder Habsucht sollen nicht einmal unter euch genannt werden.“
Merkt ihr das? Im Kolosserbrief, Kapitel 3, Vers 5, stehen dieselben Dinge, dieselben drei Worte, ergänzt um zwei weitere. Dort heißt es: „Tötet eure Glieder, die auf der Erde sind!“ Dort ist es etwas ganz Individuelles. Paulus sagt, diese Dinge hängen euch als Menschen an, sie gehören zu euch wie ein Teil eures Körpers. Es ist schwer, sie loszuwerden, diese Begierden nach Gewinn und verbotener Sexualität. Es ist total schwer, sie abzulegen. Und ihr müsst radikal damit Schluss machen.
Hier, in diesem Brief, hat Paulus eine andere Sichtweise. Er sagt nicht „Tötet das“, sondern: Diese Dinge sollen nicht einmal unter euch erwähnt werden. Ihr sollt sie nicht tun, nicht planen und nicht darüber reden. Ihr sollt sie nicht in die Gemeinschaft der Heiligen hineintragen, weil sie sich nicht für Heilige gehören.
Ende von Vers 3, Vers 4 spricht von Dingen, die sich nicht gehören. Genau darum geht es hier: Was trage ich in die Gemeinschaft hinein? Welche Verantwortung habe ich?
Er beginnt mit ganz klaren Dingen: keine Hurerei. Man soll sie nicht tun, nicht planen und nicht darüber reden. Keine Männergespräche über die Vorzüge anderer Frauen, keine Frauengespräche über die Vorzüge anderer Männer. Hurerei bedeutet unerlaubte Sexualität, also Sexualität außerhalb der Ehe.
Er nimmt das zweite Wort bewusst dazu. Wir haben es in Kapitel 4, Vers 19, gelesen, wo Paulus durch eine andere Wortverknüpfung einen weiteren Rahmen gibt. Hier jedoch kommt er zurück zur ursprünglichen Bedeutung, zu dem, was ihm spontan in den Sinn kommt.
Er sagt: Keine Sexualität außerhalb der Ehe, keine Unreinheit. Dabei denkt er, glaube ich, auch an Moral und Sexualität. Mit diesem zweiten Wort möchte Paulus allen den Boden entziehen, die sagen: „Ja, aber wir haben ja nicht miteinander geschlafen.“ Das Problem fängt nicht erst mit dem Geschlechtsverkehr an.
Unreinheit umfasst auch unanständige Berührungen, unmoralische Bilder oder Filme, ungebremste Selbstbefriedigung und Ähnliches. Hurerei und Unreinheit passen nicht zu Heiligen. Wir sollen sie nicht tun, nicht durch unser Reden legitimieren und nicht in die Gemeinschaft hineintragen.
Die andere Seite ist Habsucht. Habsucht bedeutet das Bedürfnis, mehr zu besitzen, als man hat, und dass dieses Verlangen eine Priorität im Leben bekommt. Es beeinflusst, was ich tue, worüber ich nachdenke und rede. Vielleicht führt es sogar dazu, dass ich andere für meinen Gewinn nicht mehr beachte.
Unsere Gesellschaft ist auf Materialismus und Gewinn ausgerichtet. Aber Gott hasst das. Paulus macht ab Vers 5 einen Einschub: „Denn wisst und erkennt ihr, dass kein Hurer oder Unreiner oder Habsüchtiger, der ein Götzendiener ist...“
Habsucht ist Götzendienst. Im Alten Testament war Götzendienst das Anbeten von Statuen. Auch wenn wir heute keine Statuen anbeten, ist Habsucht Götzendienst.
Hier sind die beiden Begriffe Hurerei und Götzendienst wieder präsent, wie im Alten Testament: Hurerei und Habsucht. Keiner, dessen Leben von unerlaubter Sexualität und Streben nach Gewinn geprägt ist, hat Anteil am Reich Gottes. Unreinheit passt nicht ins Reich Gottes.
Wenn ich mein Herz darauf ausgerichtet habe, mein Reich hier auf der Erde zu gründen, dann habe ich offensichtlich keinen Anteil am Reich Gottes, denn das Reich Gottes ist anderswo.
Das muss mir etwas bedeuten. Niemand soll euch mit leeren Worten verführen. Es ist nicht egal, wofür ich lebe. Es ist nicht egal, wie ich lebe, egal was Leute euch erzählen.
Wegen dieser Dinge kommt der Zorn Gottes über die Söhne des Ungehorsams. Diese Dinge machen Gott zornig.
Und dann sagst du als Christ: „Ich lebe unter der Gnade und kann das alles einfach leben.“ Nein! Seid nicht ihre Mitgenossen. Lebt nicht, wie sie leben.
Die Verantwortung für das, was wir in die Gemeinschaft einbringen
Und dazwischen steht Vers 4, ein interessanter Vers, fast ein bisschen lustig, weil Paulus noch weiter auf das eingeht, was wir sagen. Vieles, was wir in die Gemeinschaft einbringen, ist das, was wir sagen, was wir in Gesprächen beitragen, worüber wir gerne reden und was uns begeistert.
Hier sagt er, es ist nicht nur das, was wir tun, es ist nicht nur das, worüber wir reden – das ist nicht gut. Auch viele Dinge, die man vielleicht nicht hundertprozentig ernst meint, führen trotzdem in diese Richtung und machen solche Dinge normal.
Ich weiß nicht, welche Vokabeln in eurer Übersetzung in Vers 4 stehen. Bei mir steht „Schändlichkeit“, „albernes Geschwätz“, „Witzelei, die sich nicht geziemt“. Diese Dinge passen nicht in die Gemeinschaft Gottes, und wir sollen sie dort nicht hineintragen.
Wenn man sich diese Vokabeln genau anschaut, sieht man, dass das, was bei mir mit „Schändlichkeit“ übersetzt ist, so etwas wie proletarisches Reden ist. Also eine Art von Redeweise, die verletzend ist. Wir reden hässlich über Dinge, die eigentlich schön sein könnten. Wir verwenden Ausdrücke, die Grenzen überschreiten und nicht schön sind. Es ist eine sehr derbe Sprache, die hier gemeint ist.
Zum Beispiel ist Sexualität etwas sehr Schönes am richtigen Platz. Aber man kann sie mit Worten hässlich machen. Das ist in vielen anderen Bereichen auch möglich. Ich kann über Menschen reden. Natürlich kann ich sie liebevoll kritisieren, manchmal im richtigen Rahmen. Aber ich kann auch sehr hässlich über sie reden, mit sehr herabwürdigenden Worten – schändliches Reden.
Die dritte Vokabel hier heißt wörtlich übersetzt „Geschicklichkeiten“. Wir können uns darunter etwas vorstellen, oder: Ich rede sehr geschickt. Es gibt Leute, die können keinem guten Wortspiel widerstehen. Sie finden immer eine Anknüpfung, um etwas Lustiges oder Groteskes daraus zu machen. Dabei werden oft Grenzen überschritten, nur um des Spiels willen – Geschicklichkeiten.
Am Vortag: Pass auf, was du sagst! Das ist kein Verbot für Humor, aber pass auf, was dabei herauskommt. Ob du Grenzen überschreitest, nur weil es gerade so gut passt, so lustig ist oder so geschickt ist. Das gehört nicht in unsere Gespräche.
Und dazwischen stehen leere Worte. Ja, darunter kann sich, glaube ich, jeder etwas vorstellen.
Ich fand es interessant, weil auf diese Weise ein typischer Rahmen über verschiedene Gesellschaftsschichten gespannt wird. Es ist sehr derbe Sprache, die man schwerpunktmäßig oft in einfachen sozialen Schichten findet. Geschickte Wortspiele dagegen sind meistens für Intellektuelle.
Paulus sagt: Egal wie derb oder wie geschickt es verpackt ist – wenn es Grenzen überschreitet, gehört es nicht in die Gemeinde Gottes.
Das war sein erster Punkt – und mein erster Punkt: Was trage ich in die Gemeinde hinein?
Der Gegensatz dazu ist Danksagung. Es gibt so viele Möglichkeiten, Danksagung in die Gemeinde hineinzutragen, selbst bei den Dingen, die man hässlich machen und verdrehen kann.
Dankbar sein für meinen Partner, wenn ich einen habe, dankbar für meine Lebensumstände, auch die materiellen, wenn sie ausreichen, um mich zu ernähren. Anstatt hässliche Dinge zu tun und darüber zu reden, anstatt hässlich über Dinge zu reden, die ich vielleicht nicht tue, kann man so viel Dankbarkeit einbringen.
Übrigens kommt Paulus am Ende des Abschnitts in Vers 20 darauf zurück: „Danksagend allezeit für alles dem Gott und Vater im Namen unseres Herrn Jesus Christus.“ Das ist das Ende des Abschnitts und zugleich der Anfang.
Was trage ich in die Gemeinde hinein? Wir kommen darauf zurück.
Das Bild von Licht und Finsternis als Leitmotiv
An dieser Stelle des Textes nimmt Paulus ein großes Bild zur Hand – sozusagen ein Bild, das er in seinen anderen Briefen aus dieser Zeit nicht in diesem Maße verwendet. Offensichtlich hat er es oft bei jungen Gemeinden und jungen Christen genutzt. Zumindest kennen wir das gleiche Bild von Licht und Finsternis, von Schlafen und Wachen aus dem ersten Thessalonicherbrief, der Jahre zuvor geschrieben wurde.
Wenn ihr in den nächsten Tagen Zeit habt, schaut euch einmal die Verse 8 bis 16 in diesem Brief an und lest parallel dazu 1. Thessalonicher 5. Dort, in einem Brief an eine ganz junge Gemeinde, in der die Menschen gerade erst gläubig geworden sind, findet ihr die gleichen Gedanken. Paulus war es wichtig, dass junge Christen diese Botschaft mitbekommen.
In Vers 8 heißt es: „Denn einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht in dem Herrn; lebt als Kinder des Lichts, denn die Frucht des Lichts besteht in aller Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit, indem ihr prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist.“
Zuvor wart ihr also Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht. Paulus sagt nicht einfach: „Jetzt seid ihr im Licht.“ Er betont: „Ihr seid Licht.“ Gott gibt uns Orientierung, Werte und zeigt uns, wer wir wirklich sind. Er öffnet uns die Augen für das, was wir bisher übersehen haben. Er zeigt uns, worauf es ankommt und was die Zukunft bringt.
Paulus hat guten Grund zu sagen: „Ihr seid im Licht.“ Aber er belässt es nicht dabei. Er sagt: „Ihr seid Licht.“ Ihr, die ihr früher Heiden wart, entfremdet vom Leben Gottes und verfinstert im Verstand, seid jetzt Licht.
Der Mensch ist eigentlich dazu gemacht, das Bild Gottes zu sein – so dass man an ihm erkennen kann, wie Gott ist, und an der menschlichen Gemeinschaft, wie Gott denkt. Paulus sagt: Ihr wart Finsternis. Wenn man euch angeschaut hat, habt ihr so verdreht gelebt, dass man nichts mehr von Gott erkennen konnte. Aber jetzt seid ihr Licht! Wenn Menschen euch ansehen, sehen sie etwas von Gott, etwas von seinen Gedanken.
Wir haben bereits gesehen, dass die Fürstentümer und Gewalten in der Gemeinde die vielfältige Weisheit Gottes erkennen. Hier bringt Paulus das Bild auf eine viel persönlichere Ebene. Ihr seid Licht. Menschen können in eurem Leben etwas von Gott entdecken.
Ihr seid Kinder des Lichts, und die Frucht des Lichts zeigt sich in aller Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. Warum ist die Frucht des Lichts Güte? Wir haben ja gesehen, wie wir selbst sind. Hoffentlich hilft uns das, gütig mit anderen umzugehen. Gott zeigt uns manchmal, woher Menschen kommen, und das hilft uns, gütig zu sein. Manchmal erkennen wir, was wirklich hilft, und das macht uns gütig, weil Güte oft mehr bewirkt als Strenge.
Aber die Frucht des Lichts ist nicht nur Güte, sondern auch Gerechtigkeit und Wahrheit. Warum? Weil wir nicht nur wissen, wo Dinge herkommen, sondern auch, wohin sie führen. Weil wir wissen, wohin Beziehungen ohne Verantwortung führen, sind wir nicht nur gütig, sondern legen auch Wert auf Wahrheit und Gerechtigkeit.
Weil wir wissen, wohin ein Wirtschaftssystem führt, das auf Lüge und Halbwahrheiten aufgebaut ist, suchen wir Gerechtigkeit und Wahrheit. Weil wir erkennen, wie Gott ist und was er will, wünschen wir uns Gerechtigkeit und Wahrheit. Es passt zu ihm, und er hat uns in seinem Licht gezeigt, dass es ein zukünftiges Gericht geben wird.
Wenn wir darauf Wert legen, Wahrheit zu sagen und Menschen zu warnen – manchmal auch uns selbst –, dann ist das Frucht des Lichts. Die Frucht besteht darin, dass Gott uns Dinge zeigt, dass wir sie im Licht Gottes sehen und danach beurteilen.
Die Frucht ist also Güte auf der einen Seite und Gerechtigkeit und Wahrheit auf der anderen. Gerechtigkeit und Wahrheit sind etwas nachhaltiger als Güte. Ich glaube, deshalb verwendet Paulus zwei Begriffe für das eine und nur einen für das andere. Aber beides ist wichtig und gehört zusammen. Güte und Wahrheit haben sich geküsst – wie es im Alten Testament heißt.
Im Johannes-Evangelium, Kapitel 1, Vers 14, steht: „Voller Güte und Wahrheit.“ Es gehört zusammen und ist die Frucht davon, dass Gott uns zeigt, wie die Dinge in seinem Licht wirklich sind.
Dann steht da in Vers 8: „Denn einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht in dem Herrn; lebt als Kinder des Lichts.“ Die Klammer „indem ihr prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist“ lässt Paulus hier weg. Wir sollen also prüfen, was Gott wirklich will. Darauf kommen wir gleich noch einmal zurück.
Die Aufforderung zur Abgrenzung von den Werken der Finsternis
Vers 11: Und habt keine Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis. Habt ihr bemerkt, hier wird von der Frucht des Lichts und den unfruchtbaren Werken der Finsternis gesprochen. Dabei geht es darum, ob das, was unser Leben hervorbringt, genießbar ist. Das ist hier ganz interessant.
Man könnte sagen, wir haben gute oder schlechte Früchte, süße oder bittere Früchte. Wenn es nur um Menschen ginge, wäre das ein passender Vergleich. Von außen sieht man es nicht. Der unbedarfte Mensch beißt hinein, und es ist eklig und gesundheitsschädlich. Aber hier geht es um Gott. Gott ist nicht dumm.
Für Gott zählt nicht, ob wir gute oder schlechte Früchte haben, sondern ob wir überhaupt Früchte tragen. Alles, was schlechte Früchte sind, das beißt er nicht an. Für ihn ist das keine Frucht. Sind wir fruchtbar oder unfruchtbar?
Nun steht hier: „Habt keine Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, vielmehr straft sie auch, denn das, was heimlich von ihnen geschieht, ist schändlich, auch nur zu sagen.“ Paulus verwendet hier einen interessanten Ausdruck: „straft sie auch“.
Ich glaube, es geht hier nicht in erster Linie darum, dass etwas in der Gemeinschaft vorgefallen ist, das man jetzt ansprechen muss. Darum geht es zwar auch, aber vor allem darum, dass wir Dinge beim Namen nennen – unabhängig davon, ob sie in unserer Gemeinschaft geschehen sind oder nicht.
Paulus fordert uns auf, Dinge explizit zu benennen. Habt den Mut, zu sagen, dass etwas nicht gut ist – auch wenn die Gesellschaft solche Dinge schon als normal ansieht. Oft haben wir Angst davor, weil wir uns fürchten vor gesetzlichen Vorschriften oder vor Menschen, die alles schlechtmachen und an allem etwas auszusetzen haben.
Wir haben so viel Angst, zu sagen: Das ist schlecht. Paulus sagt aber, ihr müsst Dinge beim Namen nennen, damit sie sich nicht in eurer Gemeinschaft ausbreiten. Ihr könnt sie erst bekämpfen, wenn sie schon überall drin sind. Ihr müsst den Mut haben, schlechte Dinge auch als schlecht zu benennen und sie gelegentlich auch anzusprechen.
Dabei geht es nicht darum, ständig nur über negative Dinge zu reden oder dauernd Gefahren an die Wand zu malen, sodass wir alle nur noch resigniert dasitzen. Paulus sagt: „Straft sie auch! Habt keine Gemeinschaft damit, sondern sprecht es offen aus, warum das nicht zu Gott passt, warum das nicht zu einer heiligen Gemeinschaft passt und warum wir das hier nicht haben wollen.“
Es ist wichtig, dass Menschen, die in diese Gemeinschaft kommen oder in ihr aufwachsen, wissen, was die Maßstäbe dieser Gemeinschaft sind, was die Maßstäbe Gottes sind und warum wir daran glauben.
Ich erinnere mich, dass ich vor vielen Jahren mit einem jungen Mann gesprochen habe. Irgendwann sagte ich zu ihm: „Es wäre einfach gut, wenn mal jemand aus der Gemeinde ausgeschlossen würde.“ Damit meine ich nicht, dass ich mir wünsche, dass Leute ausgeschlossen werden. Aber ich hatte den Eindruck, dass so viel am Rand passiert – am Rand der Legalität, am Rand dessen, was noch gut ist. Die Maßstäbe verschwimmen so sehr, dass ich sagte: Eigentlich muss es mal wieder klar werden, wo die Grenzen sind, was Gott noch tolerieren kann.
Es ist besser, wenn das klar wird, indem wir es ab und zu aussprechen, anstatt dass wir gleich Leute ausschließen müssen, die angefangen haben, so zu leben. Wir sind Licht, und je mehr Grauzonen wir in unserer Gemeinschaft zulassen, desto grauer werden wir.
„Straft sie auch“ könnte man mit „beschimpfen“ übersetzen, aber das ist im Deutschen zu negativ für dieses Wort.
Die Bedeutung von Offenbarung und Klarheit in der Gemeinschaft
Und dann steht etwas ganz Seltsames, nur ganz kurz, in Vers 14. In meiner Übersetzung steht: „Denn das Licht ist es, das alles offenbar macht.“ Aber eigentlich, ich hoffe, in deiner Übersetzung ist es besser, stimmt das nicht ganz. Wörtlich steht hier: „Alles, was offenbar gemacht wird, wird Licht.“
Ein ganz schwieriger Satz, aber ich denke, es geht wirklich um die Offenbarung Gottes. Was Paulus und der Heilige Geist uns sagen möchten, ist: Wenn wir Dinge klar haben, wenn wir bestimmte Prinzipien eindeutig erkannt haben, wenn Punkte für uns klar sind – man kann sie in negativer Weise abhaken und nie mehr darüber nachdenken, aber man kann sie auch in positiver Weise abhaken und sagen: Das ist einfach der Grund, auf dem wir stehen. Das ist ein Prinzip, das wir in der Bibel sehen, das wir glauben. Da müssen wir nicht jedes Mal von vorne anfangen, darüber zu diskutieren.
Paulus sagt, wenn er Dinge, sowohl positive als auch negative, klar benennt, wenn jedem klar ist, dass das gilt, wenn jedem klar ist, dass das ein biblisches Prinzip ist, dann kann dieser Punkt ein Licht werden für alle möglichen Situationen, für alle möglichen praktischen Lebenslagen. Denn ein Punkt, der einfach klar ist für alle, kann von dort aus Dinge, die damit zu tun haben, viel leichter beurteilen lassen.
Ein klarer Punkt kann Licht auf viele andere Situationen werfen. Darum ist es wichtig. Vielleicht ist es einfach wichtig, manchmal, wenn dir etwas wirklich klar ist, es prinzipiell aufzuschreiben: So ist es, das glaube ich aus diesem Grund, das halte ich für gut, aus diesem Grund, das halte ich für schlecht, ich glaube nicht, dass das in eine christliche Gemeinschaft passt, aus diesem Grund.
Wir hatten das im Kolosserbrief mit Liedern, dass bestimmte Prinzipien damals weitergegeben wurden – in dieser einfachen Form von Liedern, von Verszeilen. Einfach Dinge, an denen man sich festhalten kann, die einem immer wieder ins Gedächtnis kamen und die geholfen haben, viele andere ganz praktische, sehr differenzierte Situationen im Leben zu beurteilen.
Paulus sagt: Alles, was klar ist, alles, was beleuchtet ist, selbst wenn es ein negativer Punkt ist, wird Licht und beleuchtet weiter die Umgebung.
Aufruf zum wachen und bewussten Leben
Und dann kommt der Aufruf: „Wache auf, der du schläfst, stehe auf aus den Toten, und Christus wird dir leuchten.“ Oft nehmen wir schlechte Gewohnheiten oder Sünden kaum wahr, als würden wir schlafen, weil sie so selbstverständlich in unserer Umgebung sind. Manchmal sind wir so unempfindlich in unseren Empfindungen und in unserem Gewissen, als wären wir tot. Genau das möchte Gott uns hier mitgeben: Seid wach, denkt über Dinge nach, macht euch bewusst, nehmt euch Zeit.
Wenn ihr das tut, wenn ihr vor Gott steht und wirklich Fragen über euer Leben stellt, über Dinge, die euch vielleicht selbstverständlich vorkommen – Dinge, die in eurer Familie, in eurer Schulklasse oder an eurem Arbeitsplatz selbstverständlich sind – dann stellt ihr die Frage: Ist das wirklich gut? Ist das wirklich selbstverständlich? Dann gibt es eine Verheißung, ein Zitat, von dem jemand weiß, wo es steht: „Der Christus wird dir leuchten.“ Wenn du Fragen stellst, wird er dir Dinge zeigen und offenbaren.
Genau so heißt es in Vers 15: „Gebt sorgfältig acht, wie ihr lebt, nicht als Unweise, sondern als Weise.“ Wache auf, der du schläfst, stehe auf aus den Toten, gib sorgfältig acht, wie du lebst. Wir haben viel darüber gelesen, wie wir leben und wandeln sollen: Wandelt würdig, wandelt nicht wie die Nation, wandelt in Liebe, wandelt als Kinder des Lichts und überlegt sorgfältig, wie ihr lebt.
Computersucht ist nicht das Einzige, was uns zudröhnt und daran hindert, über unser Leben nachzudenken. Sie gibt uns einen Fluchtpunkt aus der realen Welt. Das war nicht das Problem der Epheser – sie hatten noch keinen Computer. Für die Jüngeren, denen das nicht klar ist: Die Epheser hatten damals noch keinen Computer. Trotzdem bekommen sie diesen Weckruf, weil es viele Dinge gibt, die uns betäuben können.
Manchmal sind es die Medien – Computer, Gaming, Fernsehen, Filme –, die uns so sehr beschäftigen, dass wir nicht mehr über unser Leben nachdenken. Aber wir können auch so viel arbeiten, dass wir nur noch für Freizeit und Urlaub Zeit und Kraft haben – und dann wieder arbeiten, ohne wirklich über unser Leben nachzudenken. Paulus sagt: Denkt sorgfältig darüber nach, wie ihr lebt, sonst lebt ihr automatisch so wie eure Umgebung.
Wache auf, der du schläfst, stehe auf aus den Toten! Christus möchte dir etwas zeigen. Wie willst du leben? Wie schaffst du es, dir Zeit zu nehmen, über deine Prioritäten nachzudenken, Bilanz zu ziehen und zu überlegen, was du eigentlich willst im Leben? Gott sagt: Nimm dir dafür Zeit! Egal, ob du das in deiner Mittagspause machst, bei einem Spaziergang, an einem fernsehfreien Abend oder ob du dich einfach mal ein paar Stunden auf dein Bett legst, um alles zu verarbeiten und in klaren Gedanken zu fassen, was du wirklich willst.
Paulus sagt: Macht es! Denkt sorgfältig darüber nach, wie ihr leben wollt. Wach auf! Egal, was dich einlullt, denn nur dann kannst du ein wertvolles Mitglied der Gemeinschaft sein. Nur dann kannst du etwas in die Gemeinschaft hineintragen, das wirklich gut ist – weil dein Leben Prioritäten und Werte hat.
„Gebt sorgfältig acht, wie ihr lebt, nicht als Unweise, sondern als Weise. Die gelegene Zeit auskaufend, denn die Tage sind böse.“ Paulus sagt, es wird nicht einfacher. Er hat das Bild von Tagen Anfang November vor Augen: Es wird immer dunkler, die Tage werden immer kürzer, und du weißt, das geht noch einen Monat so weiter. Das ist das Bild: Die Tage sind böse. Es ist schon schwierig, als Christ in dieser Gesellschaft zu leben, sagt Paulus, und es wird nicht einfacher.
Du musst dir jetzt überlegen, wofür du leben willst und wo du dich unterscheiden möchtest. Du brauchst jetzt die Zeit, um gute Gewohnheiten einzuüben. Du brauchst vielleicht jetzt die Kraft, Dinge zu tun, die in deiner Umgebung nicht üblich sind, um dir ein Gewohnheitsrecht zu erarbeiten. So dass Menschen sagen: „Ja, der tickt halt so.“ Und auch wenn die Abneigung in der Gesellschaft gegen Christen stärker wird, hat sich deine direkte Umgebung schon an manches bei dir gewöhnt. Das fällt dann gar nicht mehr auf, dass du an der Stelle anders bist – und das ist nicht negativ gemeint.
Nutze die Zeit, denn die Tage sind böse, sagt Paulus. Nehmt euch Zeit und überlegt wirklich, was der Wille des Herrn ist. Wenn ihr die Gebete betrachtet, die Paulus den Geschwistern geschrieben hat – leider haben wir jetzt keine Zeit, darauf einzugehen, aber wir werden später darauf zurückkommen –, zum Beispiel im Philipperbrief 1,9-10, wo es heißt: „Auf dass eure Liebe mehr und mehr überströme in Erkenntnis und Einsicht, auf dass ihr prüfen möget, was das Vorzüglichere ist.“ Das ist das Gleiche, was hier steht.
Im Kolosserbrief 1,9 betet er für die Kolosser ähnlich: Er bittet darum, dass sie Weisheit und Einsicht haben, um den Willen Gottes zu erkennen und Frucht zu bringen in jedem guten Werk. Ihm ist ganz wichtig, dass Menschen den Willen Gottes erkennen. Ich glaube nicht, dass er meint, wir sollen plötzlich wissen, wohin wir ziehen sollen. Vielmehr sagt er: Nehmt euch Zeit, prüft vor Gott, betet um Licht, um zu erkennen, was Gott prinzipiell will, was seine Prioritäten sind.
Er spricht immer von Weisheit und Einsicht. Nicht davon, dass wir einen Blitz vom Himmel sehen oder die Bibel aufschlagen und sofort den richtigen Vers finden. Ihr sollt lernen, Gott zu verstehen und so wissen, was er will. Das schreibt er hier, das betet er für die Philipper und die Kolosser. Denkt darüber nach, wofür ihr leben wollt, und überlegt, was der Wille Gottes ist.
Wir haben gelesen, Vers 9 und 10: „Indem ihr prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist.“ Warum ist das so wichtig? Dann verändert sich der Ton plötzlich: Vers 18 sagt: „Und berauscht euch nicht mit Wein, in dem Ausschweifungen sind.“ Gerade eben ging es noch darum, den Willen Gottes zu erkennen, und jetzt sind wir plötzlich bei Trinkgelagen.
Offensichtlich hatte Paulus den Eindruck, dass das in dieser Gesellschaft sehr üblich war und für Christen eine Gefahr darstellte, sich dort hineinzubegeben und sich zu betrinken. Die Bibel verbietet keinen Alkohol, aber sie verbietet das Betrinken.
In diesem Zusammenhang kehrt Paulus zum Thema zurück, was wir in die Gemeinschaft hineinbringen. Er hatte damit angefangen, was wir nicht in die Gemeinschaft bringen sollten, und kurz Dankbarkeit erwähnt. Jetzt sagt er, was wir in die Gemeinschaft hineintragen sollen: „Werdet durch den Geist erfüllt.“
Das ist vielschichtig zu verstehen. Hier ist nicht nur gemeint, dass wir voll Geist sein sollen – vielleicht auch –, sondern dass der Geist uns erfüllt. Mit was? Schon in Kapitel 3, Vers 19 heißt es: „Damit ihr erfüllt sein mögt zu der ganzen Fülle Gottes.“ Der Geist will uns mit der ganzen Fülle Gottes erfüllen.
Seid nicht voll Alkohol, sondern lasst euch vom Geist füllen! Paulus betet in Epheser 3,16-17: „Dass er euch gebe, nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, mit Kraft gestärkt zu werden durch seinen Geist im inneren Menschen, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne, in Liebe gewurzelt und gegründet.“
Er möchte, dass wir erfüllt werden, indem wir Christus vor Augen haben. Dann geht es weiter: Er möchte, dass wir erfüllt werden, indem wir das Werk Gottes vor Augen haben. Und weiter: Er möchte, dass wir erfüllt werden, indem wir die Liebe erkennen, die jede Erkenntnis übersteigt. So sollen wir erfüllt sein mit der ganzen Fülle Gottes.
Ich glaube, darauf bezieht sich Paulus hier. Lasst euch vom Geist füllen! Er hat erst für die Gemeinde gebetet, und jetzt fordert er sie auf, mitzuarbeiten, damit diese Dinge vor ihren Augen stehen. Denn wenn das geschieht, könnt ihr genau das in die Gemeinschaft hineintragen – statt Reden über Hurerei, unreine Dinge, Habsucht.
Stattdessen sollen wir miteinander in Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern singen und spielen, dem Herrn in unseren Herzen. Das steht auch im Kolosserbrief. Dort ist „spielen“ nicht erwähnt, und dort steht es im Zusammenhang mit Lehren und geistlichen Prinzipien, die durch Lieder vermittelt werden. Wer mehr dazu wissen möchte, kann eine Predigt über Kolosser 3,15 hören.
Hier steht es mehr im Zusammenhang mit erfüllt sein, mit Singen und Spielen im Herzen. Es geht darum, Jesus vor Augen zu haben, sein Werk und seine Liebe vor Augen zu haben. Es geht um Inhalte. Paulus verwendet hier drei Wörter für Lieder, um zu betonen, dass es nicht um einfache Lieder geht, in denen zwei Sätze zwanzigmal wiederholt werden.
Es geht um Lieder mit Tiefgang, genauso wie im Kolosserbrief, aber hier zusätzlich um den Aspekt, dass Musik nicht nur trockene Inhalte vermittelt, sondern diese mit Begeisterung ausdrückt. Das ist ein wesentlicher Teil von Musik: Gute Inhalte mit Begeisterung auszudrücken.
Erfüllt sein mit der ganzen Fülle Gottes, singend und spielend im Herzen Dinge, für die ich dankbar bin – das kann ich in die Gemeinde mitbringen. So kann ich andere anstecken. Gemeinsam können wir Lieder singen, die neue Lieder in meinem Herzen entfachen.
Denn die Frage ist: Was bringst du in die Gemeinschaft mit? Manchmal findest du die Gemeinschaft der Christen vielleicht öde und langweilig. Aber weißt du, dass in der Gemeinschaft genau die Dinge sind, die jeder mitbringt? In der Gemeinschaft ist nichts drin, wenn niemand etwas mitbringt. Letztlich ist in der Gemeinschaft genau das drin, was wir alle zusammen mitgebracht haben.
„Danksagt allezeit für alles Gott und dem Vater im Namen unseres Herrn Jesus Christus.“ Hier geht es nicht darum, ständig für alles dankbar zu sein, auch nicht für Dinge, für die wir eigentlich nicht dankbar sind. Es geht darum, grundsätzlich dankbar zu sein und viele Gründe zu haben, Dankbarkeit in die Gemeinschaft einzubringen.
Was bringst du mit? Bist du wach? Denkst du über dein Leben nach? Nennst du das Gute gut und das Böse böse? Hast du den Mut, das zu tun? Dann bist du vielleicht fähig, etwas mitzubringen, wenn der Geist dich mit Dingen erfüllt, die er dir klar macht, mit dem Licht, das er dir gibt.
Wach auf! Lass dein Leben füllen! Setze alles daran, den Willen Gottes zu erkennen. Formuliere für dich selbst gute Prinzipien, positiv und negativ, und bring etwas in die Gemeinschaft mit – zumindest Dankbarkeit. Denn das braucht die Gemeinschaft, das braucht die christliche Gemeinde.
Und dann steht da: „Einander unterwürfig in der Furcht Christi.“ Ordnet euch einander unter – aber das ist Thema der nächsten Stunde.
