
Herzlich willkommen zum Predigt-Podcast von Neuland. Wir freuen uns, dass du eingeschaltet hast und hoffen, dass du aus der folgenden Predigt viel für deine Beziehung zu Gott und für dein Leben mitnehmen kannst.
Schön, wir sind nun im vierten und damit letzten Teil unserer Reihe zum Thema Leiterschaft angekommen. Letzter Teil, letzte Worte – da sagt man oft noch einmal die wichtigsten Dinge. Vielleicht kennt ihr den Ausdruck „letzte Worte großer Männer“. Nicht, dass ich jetzt ein großer Mann wäre, aber es gibt solche Worte, die Leute am Ende ihres Lebens oder eines Abschnitts noch einmal sagen, weil sie ihnen besonders wichtig sind. Sie wollen damit ein Thema abschließen und ihren Leuten etwas mit auf den Weg geben.
Solche letzten Worte zum Thema Leitung und Leiterschaft wollen wir uns heute ebenfalls anschauen.
Zu diesem Thema gibt es noch so unglaublich viel zu sagen. Trotzdem hoffe ich, dass ihr aus den vier Einheiten, die wir bisher hatten, wirklich etwas mitnehmen konntet. Dabei ist es egal, ob ihr das Label „Leiter“ tragt oder nicht. Denn eigentlich steht jeder von uns immer in der Verantwortung, andere zu prägen.
Wir alle haben Einfluss aufeinander und auf die Menschen um uns herum. Diesen Einfluss können wir bewusst gut gestalten. Natürlich können wir ihn auch bewusst schlecht gestalten oder planlos damit umgehen. Dann ist es immer eine Frage, was dabei herauskommt.
Ich möchte euch ermutigen, darüber nachzudenken: Wo habe ich Einfluss? Wie gestalte ich diesen Einfluss? Und wie kann dadurch in meinem Umfeld ein Stück weit Leben entstehen?
Auf der anderen Seite wollten wir mit dieser Predigtreihe auch das Thema Leiterschaft innerhalb von Neuland begleiten und erklären, wie unser Verständnis von Leiterschaft ist. So sind wir alle auf einem gemeinsamen Level und haben eine Vorstellung davon, wie Leiterschaft eigentlich laufen soll und welche Denkweise dahintersteht.
Ich möchte heute abschließend noch mit euch über den Aspekt einer gesunden Balance bei Leitern sprechen. Es ist wichtig, dass in diesem Bereich, in dem du vielleicht Verantwortung für andere übernimmst oder bereits in Verantwortung stehst, eine gesunde Leitung vorhanden ist. Das gilt nicht nur für deine Aufgaben hier, sondern auch für dein Zuhause, deine Familie oder deine Arbeit. Überall dort, wo du Verantwortung trägst, sollte eine gesunde Balance herrschen.
Wir leben in einer Welt beziehungsweise in einer Zeit des Überproduktivismus. Es ist quasi eine Kultur des Produktivismus – und zwar im negativen Sinne. Alles, was wir tun, muss optimiert, verbessert und beschleunigt werden. Wir wollen immer mehr Aktivität in unseren ohnehin schon überfüllten Alltag packen.
Oft ziehen wir uns dann noch ein YouTube-Video rein, weil wir denken: "Ah, der hat jetzt den Trick, und wenn ich den lerne, kann ich plötzlich doppelt so viel schaffen wie bisher." Wenn ihr auf YouTube das Thema Produktivität eingibt, werdet ihr von Videos geradezu erschlagen.
Aus eigener, teilweise auch leidvoller Erfahrung kann ich euch sagen: Man kann sich darin vollkommen verlieren.
Weil du dir ein Video anschaust, bekommst du daneben schon wieder zwanzig neue Vorschläge mit Titeln wie „Siebzehn Tipps, um als Gründer die Produktivität zu steigern“. Wow, siebzehn Tipps – stell dir das mal vor! Das ist ja schon allein eine Herausforderung: Man muss erst mal 17 Tipps umsetzen. Aber dann kommen schon wieder die nächsten Videos: „Produktivität auf Autopilot“, „Nie wieder aufschieben“ – oh, das wäre ja schön, oder? „Effizienz und Effektivität steigern“, „Mehr Produktivität“ – ja, das wünschen wir uns.
Oder hier auch: „Mit der IBD-Methode gewaltige Produktivität erreichen, die vier Schritte“ – klingt mega, oder? Also, Produktivität ist in unserer Zeit so etwas wie ein Götze, ein falscher Gott, den wir anbeten und dem wir huldigen. Du dienst ihm, du betest ihn an, und deine To-do-Liste ist dabei so etwas wie deine Liturgie, die du durchspielst. Liturgie ist der Ablauf eines Gottesdienstes – und das ist deine To-do-Liste. Das ist tatsächlich einfach wieder ein echter Gottesdienst, twenty-four-seven.
Es ist nicht so, dass du mal sonntags oder vielleicht montagmorgens zwei Stunden nimmst und sagst: „Okay, jetzt bin ich mal wirklich produktiv.“ Nein, das geht die ganze Woche durch, bam, bam, bam, sieben Tage – du musst produktiv sein. Und das ist ja auch die Idee von richtigem Gottesdienst, die Paulus bringt. Er sagt: „Hey, dein Gottesdienst ist nicht nur, dass du hier morgens drin sitzt, sondern dein Gottesdienst ist twenty-four-seven.“ Du feierst jeden Tag, die ganze Zeit Gottesdienst.
Die Frage ist jetzt einfach: Wer ist dein Gott? Und das geht so schnell, dass die Produktivität unser Gott wird. Wenn ihr euch da ein bisschen auskennt in der Szene, dann gibt es die perfekte Morgenroutine – das ist so eines der Schlagwörter. Also, ich starte meinen Tag schon sowas von durchgetrimmt, minutiös. Ich weiß genau, wann ich welchen Eiweißdrink zu mir nehmen muss. Wenn du das alles richtig machst, ja, wenn du deinem Gott gut gedient hast, dann belohnt er dich mit einem guten Gefühl.
Dann fühlst du dich produktiv, fühlst dich gut: Wow, ich bin wer, ich habe etwas geschafft, ich stelle etwas dar in dieser Welt. Aber wehe dir, du hörst nicht auf deinen Gott, wehe dir, du schaffst es nicht. Dann geht es dir schlecht, weil du ein Versager bist, weil du versagt hast – und dann bist du eben niemand.
Und das ist das Opfer dieses Produktivismus.
Wir können das eher als einen Lifestyle bezeichnen, denn ich sehe das Christsein ebenfalls als einen Lifestyle an. Das bedeutet, ich lerne, Jesus nachzufolgen, indem ich mir bestimmte Dinge zu eigen mache. Diese werden so zu einer Routine in meinem Leben.
Das heißt, es ist in großem Maße ein Lifestyle. Der Lifestyle des Produktivismus fordert natürlich seine Opfer. Wenn du ihn richtig lebst, bringt er dir vielleicht kurzfristig ein gutes Gefühl. Langfristig führt er jedoch häufig zu Erschöpfung, Burnout, Depressionen und Ermüdungserscheinungen.
Wir leben in einer Zeit, in der du dich überall umschaust und Menschen zusammenbrechen siehst. Wahrscheinlich kennt jeder mindestens eine Person im Bekanntenkreis, die schon durch Burnout gegangen ist, vielleicht gerade mittendrin steckt oder an einer Depression leidet. Dieser Trend macht auch vor Christen keinen Halt. Es ist nicht so, dass wir ein Zeichen auf der Stirn tragen, das uns schützt.
Du kannst genauso in diese Falle tappen. Es gibt unzählige Geschichten, gerade von Leitern, die ausgebrannt in der Ecke sitzen und nicht mehr auf die Beine kommen. Einige haben sogar ihren Glauben deswegen aufgegeben. Deshalb ist eine gesunde Balance extrem wichtig.
Ich glaube, es war Voltaire, der französische Philosoph, der am Ende seines Lebens gesagt hat: „Ich bin gescheitert.“ Das waren seine letzten Worte, sehr tragisch. Wir wollen lieber woanders ankommen. Im Idealfall wollen wir mit Paulus sagen können: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet.“ Wir wollen durchhalten und nicht aufgeben.
Das Neue Testament ist total simpel und einfach. Es fordert nicht, dass du ein Glaubensheld bist, der sein Schwert zückt, sich in den Kampf stürzt und großartige Taten vollbringt. Es ist ganz einfach: Alles, was von dir verlangt wird, ist, stehen zu bleiben.
Du musst nicht einmal vorwärts gehen, bleib einfach stehen. Schaffe es, standzuhalten, wenn solche Wellen über dich hinwegrollen. Wenn du das schaffst, ist das schon sehr viel. Dann hast du schon viel erreicht.
Und das ist der Punkt: Wir sind auf einem Weg, Jesus nachzufolgen. Das ist das, was wir als Gemeinde tun. Wir gehen gemeinsam Jesus nach und überlegen, wie wir diesen Weg, den Jesus uns gezeigt hat, heute in unserer Zeit leben können.
Dieser Weg ist kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf. Deshalb müssen wir in einer ausgewogenen Balance leben. Einerseits aus Dienst und Einsatz und Fürsorge für andere. Andererseits aber auch aus gesunder Selbstfürsorge. Wir sollen aus Ruhe und Stille leben und aus einer tiefen Beziehung zu Gott.
Ich möchte diese Predigt, wie schon bei den vorherigen in dieser Reihe, gerne in zwei Teile aufteilen. Zum einen will ich über diese gesunde Balance sprechen. Zum anderen über unsere Aufgaben. Dabei geht es jetzt konkret um die Aufgaben von Leitern oder Ältesten hier in der Gemeinde.
Das ist sehr wichtig, wenn wir von gesunder Balance reden. Denn du musst wissen, was eigentlich dein Job ist. Sonst denkst du vielleicht, du müsstest alles machen, wenn du übereifrig bist. Oder du machst gar nichts, wenn du vom Pferd fällst. Es geht also genau um diese gesunde Balance.
Wir wollen uns berühmte letzte Worte anschauen, und zwar die letzten Worte von Paulus an die Gemeinde in Ephesus, die er ihnen mitgibt.
Ich möchte euch noch einmal kurz in den Kontext mitnehmen. Ihr könnt schon mal eure Bibeln aufschlagen, idealerweise habt ihr sie dabei, wie immer. Apostelgeschichte 20 könnt ihr aufschlagen, okay?
Kurz zum Kontext: Paulus ist auf seiner dritten Missionsreise unterwegs. Er ist durch Griechenland gereist und befindet sich jetzt auf dem Rückweg. Über die Türkei will er nach Jerusalem. Er hat es eilig und möchte rechtzeitig ankommen. Dennoch möchte er noch einmal in Ephesus vorbeischauen. Dort hat er lange gewohnt, viele Verbindungen, Freunde und Kontakte. Er will den Leitern der Gemeinde noch etwas Wichtiges mitgeben.
Weil er dort wahrscheinlich so viele Leute kennt, denkt er, wenn er einfach vorbeikommt, wird er nicht mehr wegkommen. Also organisiert er spontan ein Leadership-Meeting irgendwo am türkischen Strand. Er ist dort vorbeigezogen und sagt: „Hey, alle Leiter, alle Ältesten, kommt bitte zu mir.“
Es waren nicht nur zehn Leute, die da gekommen sind, höchstwahrscheinlich war es ein Riesenhaufen. Ihr müsst euch vorstellen: Forscher gehen davon aus, dass die Gemeinde in Ephesus, nur in der Stadt Ephesus, etwa 5000 Leute hatte. Ephesus war eine Metropole, nach Rom eine der wichtigsten Städte der Antike, also ein richtig großes Zentrum.
Wir sprechen hier von einer Art Mega-Church mit 5000 Leuten. Diese haben sich nicht an einem Ort versammelt, sondern in einzelnen Häusern, die groß genug waren, um ein paar Leute aufzunehmen. Das waren dann vielleicht Hausgemeinden mit etwa 50 Leuten.
Nehmen wir an, jede dieser Hausgemeinden hätte einen Leiter. Dann wären das bei 5000 Leuten schon etwa 100 Leiter. Paulus hat aber immer gesagt, dass Alleinleitung nicht gut ist. Deshalb waren es meistens mindestens zwei Leiter pro Gemeinde. Daraus können wir schließen, dass es wahrscheinlich etwa 200 Leiter waren. Oft waren es sogar mehr als zwei Leiter pro Gemeinde.
Deshalb kamen wahrscheinlich 200 bis 500 Leute zu diesem spontanen Leadership-Kongress, bei dem sie sich mit Paulus trafen und er ihnen seine letzten Worte mitgab. Ein wirklich großer Haufen.
Dann sagt Paulus zu ihnen: „Schaut mal, das haben wir alles zusammen erlebt, so sieht die Vergangenheit aus, das habe ich euch alles mitgegeben.“
Jetzt wollen wir noch ein paar Verse lesen von dem, was Paulus gesagt hat, und zwar Apostelgeschichte 20, Vers 28:
„Gebt Acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, wie Gemeinde Gottes, zu deren Leitern euch der Heilige Geist eingesetzt hat. Sorgt für sie als gute Hirten, Gott hat sie ja durch das Blut seines eigenen Sohnes erworben. Ich weiß, dass nach meinem Abschied reißende Wölfe bei euch eindringen und erbarmungslos unter der Herde wüten werden. Sogar aus euren eigenen Reihen werden Männer auftreten, die die Wahrheit verdrehen, um die Jünger des Herrn irrezuführen und auf ihre Seite zu ziehen. Seid also wachsam und denkt daran, dass ich drei Jahre lang unermüdlich Tag und Nacht jedem einzelnen von euch den rechten Weg gewiesen habe, und das oft genug unter Tränen. Nun vertraue ich euch Gott und der Botschaft von seiner Gnade an. Diese Botschaft hat die Macht, euch im Glauben zu festigen, sodass ihr zusammen mit allen anderen, die zu Gottes heiligem Volk gehören, das ewige Erbe erhaltet.“
In diesen Worten steckt sehr viel. Ihr müsst euch vorstellen, dass Lukas uns hier wahrscheinlich eine Zusammenfassung gibt. Dieses Meeting hat sicher nicht nur fünf Minuten gedauert, aber das war die Kernbotschaft dessen, was Paulus gesagt hat.
Wir wollen uns jetzt, obwohl so viel Inhalt vorhanden ist, nur auf zwei Aspekte konzentrieren – eigentlich nur den ersten Satz. Der reicht schon, oder?
Dort heißt es: „Gebt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, Gemeinde Gottes.“ Also passt auf euch selbst auf und passt auf die Herde Gottes auf.
Interessanterweise schreibt Paulus relativ das Gleiche auch seinem geistlichen Ziehsohn Timotheus, der, guess what, ebenfalls in Ephesus geleitet hat. Timotheus hatte wahrscheinlich so eine Art Supervisorfunktion inne. Paulus schreibt ihm: „Gib acht auf dich selbst“ – genau der gleiche Aspekt. Außerdem soll er auf das achten, was er lehrt. Halte dich treu an all diese Anweisungen. Wenn du das tust, wirst du sowohl dich selbst retten als auch die, die auf dich hören.
Das ist interessant, denn das sind sozusagen seine letzten Anweisungen an Leiter, an Älteste. Das war ihm wirklich wichtig.
Den zweiten Aspekt würden wir erwarten: „Pass auf die Gemeinde auf!“ Das ist klar. Irgendwie so: „Hey, gebt Gas, kommt, entwickelt etwas, macht was, hängt euch rein! Das soll wachsen, das soll blühen!“ Aber der erste Aspekt, „Gib acht auf dich selbst“, ist erst einmal ein bisschen überraschend. Ich hätte nicht erwartet, dass das der erste Gedanke ist, der Paulus kommt, wenn er an Leiter denkt.
Gerade im christlichen Kontext heutzutage wird ja eine gewisse Selbstverleumdung in manchen Kreisen sogar als sehr heilig angesehen. Ich habe euch von dem Buch von Thomas Herri erzählt, „Die Kunst, sich selbst zu führen“. Er bringt das ganz schön auf den Punkt. Er sagt, das ist ein Teil unseres protestantischen Erbes. Durch den Protestantismus ist das zu uns gekommen: Wir müssen uns den Himmel nicht mehr verdienen, den bekommen wir aus Gnade. Aber wir müssen beweisen, dass wir es wert sind, gerettet worden zu sein.
Das ist so ein bisschen nach hinten verschoben. Das Mantra, das durch den Protestantismus gekommen ist, lautet: Sei fleißig und verleumde dich selbst. Also gib Vollgas und denk nicht an dich.
So ticken dann viele von uns auch ganz häufig: Dienen, dienen und immer mehr dienen, weil das ja unsere heilige Aufgabe ist. Dazu sind wir schließlich berufen worden, und das macht man als guter Christ.
Wenn du dann noch zusätzlich von dieser Produktivitätskultur geprägt bist, bekommst du regelmäßig Produktivitätshacks, wie du noch mehr in weniger Zeit schaffen kannst. Irgendwann macht es dann „Knall“ – und dann brennt jemand aus.
Ich finde das echt erschreckend. Ich habe Angst davor. Ich kenne zwei junge Christen, die in ihren Zwanzigern ausgebrannt sind. Sie waren voll „on fire“, überall dabei, haben überall mitgemacht und gedient. Und irgendwann hat es „Knall“ gemacht. Danach sind sie erst einmal in der Ecke verschwunden. Und zwar richtig lange. Vollkommen erschöpft, ermüdet, kaputt.
Ich finde das so verrückt, weil das ein krasser Gegensatz ist, den man in Gemeinden erlebt. Man hat so zwei Gegenpole.
Wir wollen lernen, die gesunde Mitte zu finden. Wenn ihr euch erinnert: Christian hat uns beim letzten Mal diesen Graphen mit den verschiedenen Gemeindekulturen gezeigt. Es gab auch die „Egal-Kultur“. Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen in dieser Egal-Kultur sitzen. Ihnen ist wirklich alles egal. Sie haben keine Beziehungen und bringen sich nicht ein, weil sie denken: „Ey, Sonntagmorgen hier sitzen ist ja wohl Dienst genug.“
Dann gibt es das andere Extrem: Die packen überall an, bringen sich überall ein, reißen sich auf. Man muss ihnen fast sagen: „Mach mal langsam! Verausgab dich nicht!“ Das sind diese beiden Extreme.
Wir wollen das in einer gesunden Balance hinbekommen. Das ist hier das Stichwort.
Und diese Balance, die Paulus hier vorgibt, wollen wir uns jetzt genauer anschauen. Es geht um die zwei Aspekte: „Gib acht auf dich selbst“ und „Gib acht auf die Herde“. Wir starten einfach mit dem zweiten Aspekt, weil er irgendwie näherliegend ist. Den hätten wir jetzt erwartet: „Gib acht auf die Herde“ scheint so das naheliegende Thema zu sein. Also, mach deinen Job als Leiter und mach das gut.
Die Frage ist dann natürlich: Was ist eigentlich der Job des Leiters? Was hat er zu tun? Wir sind jetzt einmal mehr mit in unseren Prägungen drin. Wir haben da schon drüber geredet: Je nachdem, wo du herkommst, ob du überhaupt keinen Background mit Kirche hast und vielleicht sagst, es sind eh alles total seltsame Vögel, die da etwas leiden, oder ob du einen kirchlichen Background hast oder vielleicht auch so ein Pastoren-System. Du bringst also deine Erwartungen mit und denkst: So müssen die das machen! Und wenn sie das nicht so machen, dann sind sie doof oder wenigstens nicht gut.
Wir haben da schon drüber gesprochen. Ich will euch noch auf einen Aspekt hinweisen: Wisst ihr, es sind ja nur die Erwartungen, die von außen an Leiter getragen werden. Vielleicht erinnert ihr euch noch an „den perfekten Pastor“ vor zwei Mal. Ja, vielleicht sind es ja tatsächlich deine Erwartungen, die du hast. Ich finde das eigentlich gar nicht lustig, sondern es deckt eigentlich diese Seite ab. Aber das ist ja nur ein Satz an Erwartungen. Jeder Leiter, jeder, der in der Leitfunktion ist, hat auch seine eigenen Erwartungen an sich.
Es ist also nicht nur so, dass Erwartungen von außen an dich herangetragen werden, sondern du hast deine eigenen Erwartungen schon. Ihr merkt schon: Zusammen mit diesen Erwartungen, die von außen herangetragen werden, und denen, die von dir selbst kommen, ist das schon ein ganz heißes Ding. Du kommst ganz schnell an den Punkt, wo du merkst: Ich kann dem allen überhaupt nicht gerecht werden. Ich schaffe nicht, was die von mir wollen, und ich schaffe auch nicht, was ich von mir will.
Ganz schnell kommst du in so eine Ermüdung rein, in so ein depressives Ding, wo du festhängst. Und ganz ehrlich sage ich euch: Ich stoße für mich ganz häufig schon an diese Grenze, wo ich so viel sehe, was gemacht werden müsste, wo ich mir wünsche, dass etwas passiert, und ich es einfach nicht schaffe. Ich kriege es nicht hin. Ich weiß, euch geht es wahrscheinlich genauso, ja? Ihr habt Verantwortung in verschiedenen Bereichen, und ihr seht, da und da und da sollte man noch was machen, und das könnte man doch noch machen, und ihr schafft es nicht.
Dann sind wir ganz schnell frustriert, nicht von anderen, sondern von uns selbst, weil wir meinen: Okay, wir packen es irgendwie nicht, wir sind Lieder, wir sind schlechte Leiter. Und ich möchte, wenn es euch so geht, heute Morgen einfach kurz drei Sachen mitgeben.
Erster Aspekt: Wir sind keine Vollzeit-Leiter, okay? Das ist mal ganz wichtig. Wir vergleichen uns immer gern mit den großen Gemeinden, die vielleicht zehn oder zwanzig Leute am Start haben, die die ganze Woche nichts anderes machen und dafür bezahlt werden. Ich bin hier neben Linus der Einzige, der ein bisschen Geld dafür bekommt, was er macht, und sich Zeit rausnehmen kann. Alle anderen von euch müssen es neben eurem Leben machen. Deswegen bitte: Seid realistisch, was überhaupt geht und was nicht.
Das zweite: Selbst wenn wir Vollzeit-Leiter werden, gäbe es trotzdem immer mehr zu tun, als wir schaffen. Wir werden nie fertig werden. Das ist wie mit dem Haushalt: Wir werden nie fertig, es fängt immer wieder von vorne an. Es gibt immer mehr.
Drittens: Leute, lasst uns mal ganz simpel und einfach sehen: Wir retten die Welt nicht, okay? Wir retten die Welt nicht. Das hat schon jemand anderes getan. Wir dürfen in dieser Rettung leben, sie genießen und mitdienen, soweit wir es schaffen, mit all unseren Begrenzungen. Und diese wollen wir annehmen und umarmen und sagen: Alles klar, das ist alles, was ich tun kann zu diesem Zeitpunkt.
Das heißt: gesundes Maß und gesunde Erwartungen, sowohl die Erwartungen, die ihr an Leiter habt, als auch die Erwartungen, die ihr, wenn ihr Leiter seid, an euch selbst habt. Ja, es muss ein gesundes Maß sein.
Indem wir Aufgaben begrenzen beziehungsweise klar abstecken, zum Beispiel im Sinne einer Aufgabenbeschreibung, können wir hier einen guten Schutz einbauen. Denn leider sind wir einfach nicht für alles zuständig. Nur weil es so nette Leute sind, die immer mit anpacken, bedeutet das nicht, dass sie für jeden Pups hier zuständig sind.
Das heißt: Wenn du leitest, sei es hier in Neuland, beruflich oder in deiner Familie, Punkt eins: Du kannst nicht alles schaffen. Schau auf das, was wichtig ist, und das machst du. Eine klare Aufgabenbeschreibung hilft dir dabei.
Ich möchte mit euch ganz kurz so eine Aufgabenbeschreibung von uns als Ältesten-Team durchgehen. Ich mache das nur mal so, damit wir alle eine gleiche Vorstellung davon haben, was Johannes und ich tun werden und was nicht. Damit ihr dann nicht enttäuscht seid und sagt: Die machen ja gar nicht, was ich erwarte. Denn das ist dann dein Problem, wenn du Erwartungen hast, die wir nicht erfüllen, weil du sie dir in deinem eigenen Kopf gemacht hast.
Was sind unsere Aufgaben? Ihr könnt das alles noch mal sehr entspannt und tiefer nachlesen in unserem Leitungsprofil. Ich möchte nur einen ganz kurzen Überblick geben, damit ihr es mal gehört habt, für die, die nicht so gerne lesen, und damit wir alle so die gleichen Vorstellungen haben.
Erster Punkt eines Ältesten ist Gebet. Das ist eine der Hauptaufgaben von Ältesten: Beten. Vielleicht denkst du ja, das ist ja wohl voll lame. Ich meine, hallo, beten kann ja wohl jeder. Ja, absolut! Herzliche Einladung: Freitag- und Montagmorgen sind unsere Gebetskreise. Ansonsten bete voll mit für die Gemeinde, bete mit hier für die Region, bete mit, dass hier etwas passiert, dass etwas entsteht, dass es weiterwächst.
Wir sind davon überzeugt, ganz tief davon überzeugt, dass Gott der Handelnde ist und dass wir von ihm abhängig sind. Es heißt nicht, dass Gebet alles ist, aber ohne Gebet ist alles nichts. Deswegen suchen wir Gott in seiner Gnade, und das wollen wir als Leiter ernst nehmen.
Das geht sowohl die Ältesten an als auch alle Teamleiter. Wir wollen, dass Leiter beten, denn das ist eine der ersten Aufgaben. Und es wird auch deine Hauptaufgabe sein, wenn du Familie hast. Dann sollte es deine Priorität sein, kontinuierlich für deine Familie zu beten, für deinen Partner, für deine Kinder, dass du sie immer wieder vor Gott bringst, für sie betest.
Wir sind so begrenzt, wir denken immer, wir müssen tun und tun und tun. Gott ist unbegrenzt. Er lädt uns ein und sagt: Hey, fragt doch mich, ich bin da, ich helfe euch. Also ist es diese Reliance.
In dem Sinne ist es die Aufgabe von Ältesten, dass sie ganz nah dran sind an Gott, dass sie ihn suchen, ständig suchen, dass sie ihn fragen, dass sie auf ihn hören, die Gemeinde vor ihm bringen, für die Gemeinde beten. Es geht um dieses Suchen nach Gottes Willen, auch um Vision, um zu schauen: Was ist denn jetzt gerade dran für uns als Gemeinde?
An Ideen mangelt es nicht. Es ist nicht so, dass es uns langweilig ist und wir denken: Hm, was könnte man denn mal Neues machen? Es ist mehr dieses Abwägen: Alles klar, aus all diesen Ideen, die wir machen könnten, was ist dran? Wo merken wir, dass Gott uns vielleicht den Weg führt und wir ihm folgen sollen?
Zu diesem Aspekt von Gebet gehört auch ein weiterer wichtiger Punkt, den man im Jakobusbrief findet, nämlich das Krankengebet. Älteste haben den Job, mit und für kranke Gemeindeglieder zu beten. Petrus nennt Gebet als eine der Hauptaufgaben geistlicher Leiterschaft.
Die zweite Aufgabe ist Lehre. Älteste sind für die Lehre innerhalb der Gemeinde zuständig. Das heißt nicht, dass sie die besten Prediger sein müssen, und es heißt auch nicht, dass sie jedes theologische Konzept bis ins Detail verstanden haben müssen. Aber sie legen fest, was in der Gemeinde gepredigt wird und wie wir mit Glaubensträgern umgehen.
Wir legen nicht fest, was du persönlich für dich glaubst, das darfst du gerne machen, wie du willst. Aber was wir als Gemeinde als richtig und verbindlich ansehen, wird hier festgelegt.
In dem Sinne sind Älteste auch dafür zuständig, vor falschen Lehren zu schützen. Also vor Lehren, von denen wir sagen: So verstehen wir das aber überhaupt nicht, was in der Bibel steht. Und sie passen darauf auf, dass hier nicht jemand reinkommt und die Gemeinde falsch prägt.
Zum Beispiel: Wir sitzen in eurer Kleingruppe, und jemand sagt, Jesus hat am Kreuz gar nicht für unsere Schuld gesühnt. Das sei alles nur bildlich zu verstehen, weil Gott das gar nicht braucht, um uns vergeben zu können. Gott kann einfach so vergeben. Das ist gerade so ein gängiger Trend.
Jetzt ist natürlich zunächst der Hauskreis- oder Kleingruppenleiter gefragt, der sagt: Nö, stopp mal, falsch! Aber es gibt auch definitiv Punkte, bei denen du als Kleingruppenleiter gefragt bist und sagst: Keine Ahnung, da sollten die Ältesten mit eintreten und helfen. Sie sollen schauen, dass Irrlehre rausgehalten wird und auch der Irrlehrer, damit die Gemeinde gut geprägt wird und da ein Schutz besteht.
Der dritte Aspekt ist für mich einer der größten. Wir haben das schon beim vorletzten Mal angesprochen: Vorbild sein. Das ist für mich einer der Hauptaspekte von Leiterschaft. Bin ich das größte Vorbild für die Gemeinde?
Für mich ist das Bild: Wir gehen als Gemeinde einen Weg entlang, den Jesus uns gewiesen hat. Wenn ihr mal mit einer Gruppe unterwegs wart, merkt ihr, wie zäh das oft ist. Wenn da nicht jemand vorangeht, dann bewegt sich die Gruppe einfach nicht, dann bleiben alle stehen.
Du brauchst immer Leute, die vorangehen. Sonst wirst du verrückt und denkst: Lauf doch endlich! Also müssen immer welche vorangehen. Das ist in diesem Sinne das, was Älteste auch machen: Sie gehen voran.
Ich sage es nochmal, wer es nochmal nachhören will: Älteste sind niemals fehlerfrei. Sie bleiben irgendwie doch mit dieser Hingabe und Liebe zu Gott, zu Jesus und zu Menschen. Sie wollen das Leben, das sie verstanden haben, vorleben, so dass wir als ganze Gemeinde zusammen diesen Weg immer mehr gehen und immer mehr in die Reife kommen, zu der Jesus uns einlädt.
Vierter Aspekt: Ein Hirte sein. Das ist ein ganz häufig gebrauchtes Bild für Leiterschaft in der Bibel. Ein Hirte pflegt seine Herde, ernährt sie, schützt sie und führt sie. Es sind viele Aspekte, die da zusammenkommen. Er sucht nach guten Wiesen und Wasser, kümmert sich um lahme Schafe.
Alles in allem sorgt er dafür, dass es der Herde gut geht. Wenn sich zwei Schafe mal ein bisschen streiten, mit den Köpfen gegeneinander rennen, versucht er zu vermitteln und Frieden zu bringen, damit die Herde sich nicht gegenseitig auffrisst.
Das ist also der Gedanke eines Hirten: diese Fürsorge.
Als letzten Punkt noch die finanzielle Verantwortung. Die liegt auch bei den Ältesten. Das heißt nicht, dass die Ältesten alles spenden, aber die Frage ist, wie gehen wir mit dem Geld um, das uns zur Verfügung steht? Wie gehen wir mit den Ressourcen um? Was machen wir damit?
Das war jetzt ein ganz schneller Überblick. Ihr habt das auch noch mal in eurem kleinen Handout bekommen. Somit habt ihr eine realistische Vorstellung davon, womit ihr in Zukunft zu Johannes oder mir kommen dürft.
Das heißt: Wenn zum Beispiel eine Lampe hier oben nicht funktioniert, dann kommt bitte nicht zu mir, denn ich habe damit nichts zu tun. Kommt zu dem, der sich darum kümmert, dass das alles läuft.
Und das ist genau der nächste Aspekt, denn vielleicht denkt ihr jetzt: Das sind ja alles ganz nette Punkte, aber hier passiert doch viel, viel mehr drumherum. Wer macht denn bitteschön den Rest?
Willkommen im Team, liebe Freunde. Wer kümmert sich um den Rest?
Teil des Hirtendienstes ist es, dass wir sagen: Hey, wir lagern ja auf schönen Wiesen. Nehmt mal Psalm 23 als Beispiel. Dieses Bild vom Hirten zeigt saftige Wiesen, schöne Wasserbäche – alles ist toll. Darum geht es. Im Idealfall vermehrt sich die Herde ja auch. Nicht nur natürlich, sondern auch dadurch, dass von außen noch Schafe dazukommen. Das heißt, wir brauchen mehr Raum. Wir ziehen weiter, und weil wir wachsen, brauchen wir auch neue Hirten.
Wir brauchen also ständig Hirten, die mitarbeiten. Die Leute, die mitarbeiten, sind zusätzlich unsere Teamleiter. Im Neuen Testament werden Teamleiter als Diakone bezeichnet. Dieses Wort bedeutet einfach Diener, Helfer oder Mitarbeiter. In unserem Kontext sind es Teamleiter.
Ich möchte euch kurz zeigen, wie unser Wunsch von Neuland strukturell aussieht. Ich habe euch eine kleine Visualisierung mitgebracht. Unser Wunsch ist nicht, dass alles total hierarchisch aufgezogen ist, mit Befehlslinien und so weiter. Stattdessen dreht sich unsere Gemeinde, Neuland Church, um einen zentralen Punkt: Wir sind gemeinsam unterwegs auf dem Weg von Jesus. Das ist unser Zentrum, unser Ziel, das, was wir tun wollen. Jesus steht im Mittelpunkt, und wir folgen ihm nach.
Innerhalb von Neuland gibt es viele verschiedene Arbeitsbereiche. Zum Beispiel der Gottesdienst. Diejenigen, die dort mitarbeiten, wissen, wie viele Leute über zehn Stunden hinweg aktiv sind. Da ist eine Band, die vorher übt, Pläne werden geschrieben, Essen organisiert und später ausgegeben. Es gibt viele Aufgaben in diesem Bereich.
Dann gibt es unsere Kinder- und Jugendarbeit, in der viel passiert. Auch die Kleingruppen gehören dazu. Außerdem startet gerade die Männer- und Frauenarbeit. Und ihr seht noch leere Kreise, vielleicht kommen in Zukunft weitere Arbeitsbereiche dazu, je nachdem, was wir schaffen.
All diese Bereiche werden von Teamleitern geführt, den sogenannten Diakonen. Große Aufgabe unseres ältesten Teams ist es, diese Teamleiter und ihre Teams immer wieder an die Vision zu binden. Wir wollen ihnen sagen: Hey, das ist unser Ziel. Wir wollen gemeinsam Jesus folgen. Darum geht es.
Wir möchten vermeiden, dass sich Kleingruppen verselbstständigen und sagen: „Wir gehen jetzt mal unseren eigenen Weg.“ Nein, wir wollen nah an dem Weg Jesu bleiben und diesen Weg miteinander gehen. Das ist unser Gedanke von Gemeinde, wie wir sie leben wollen.
Dabei geht es auch darum, dass wir als Älteste euch unterstützen möchten, damit ihr euren Dienst gut tun könnt und die Gemeinde aufgebaut wird. Älteste allein können das nicht schaffen. Jeder Einzelne muss Verantwortung übernehmen, sich einbringen und schauen: Wo kann ich mithelfen?
Die Ältesten oder Leiter kommen dann immer wieder auf euch zu und fragen: Wie läuft es in deiner Aufgabe? Geht es gut? Was brauchst du? Wie können wir dich unterstützen? Wo hakt es?
Das ist unsere Idee von Gemeinde.
Dieser Gedanke entspricht dem zweiten Teil von Paulus’ letzten Worten an die Ältesten von Ephesus, die ihr in Apostelgeschichte 20,28 findet: „Gebt acht auf die Herde, die Gott euch anvertraut hat, und passt gut darauf auf.“
Und die restliche Zeit möchte ich gerne noch einmal mit euch diesen ersten Teil anschauen, nämlich den Aspekt von „Achtet auf euch selbst, achtet auf euch selbst“.
Es ist wirklich seltsam, ich weiß nicht, ob ihr schon einmal darüber gestolpert seid: Dieses Thema „Achtet auf euch selbst“. Vielleicht denkst du erst einmal: Hm, eigentlich klingt das nicht besonders christlich. Es klingt doch nicht so fromm, wenn ich zuerst auf mich selbst achten soll. Das kann ja ganz schnell egoistisch wirken. Ich soll doch die anderen höher achten als mich selbst, mich selbst verleugnen, mein Kreuz auf mich nehmen und sterben – und jetzt kommt hier so eine Ansage. Wie kriegen wir das zusammen?
Natürlich müssen wir darauf achten, dass das Thema Selbstfürsorge nicht zu einer Ego-Nummer wird oder missbraucht wird. So dass du nur noch in Egoismus oder Hedonismus lebst und sagst: Mein eigenes Glück ist das Wichtigste, alles andere ist dem untergeordnet. Wenn du in diese Richtung gehst, ist das nicht gesund. Da müssen wir uns immer selbst prüfen. Und wir haben auch einander, um uns Feedback zu geben: Wie erleben wir uns denn?
Wir haben es ja eingangs schon gesagt: Es kann ganz schnell passieren, dass wir heutzutage ausbrennen. Das geht irgendwie ruckzuck. Wenn du Verantwortung für andere übernimmst und dich um sie kümmerst, dann ist Selbstfürsorge ein ganz, ganz wichtiges Thema für dich.
Es gibt diesen katholischen Priester, ich glaube, er heißt Anselm Grün. Vielleicht habt ihr von ihm schon mal gehört. Er schreibt viel über Leiterschaft und hat es so formuliert: Nur wer sich selbst führen kann, kann andere führen.
Dieses Thema ist wirklich massiv wichtig, wenn du Verantwortung für andere übernimmst. Ein Freund von mir macht gerade „Regen“ in seiner Gemeinde durch – das ist quasi die Antwort auf ein Buch, das ein ehemaliger Pastor geschrieben hat. Dieser Pastor hat seinen Glauben an den Nagel gehängt und ein Buch darüber geschrieben, warum es vollkommener Unfug ist, auf dem Weg von Jesus unterwegs zu sein.
Das ist ziemlich crazy: Er hat erst andere angeleitet, diesen Weg zu gehen. Nach einigen Jahren kommt er an den Punkt, dass er sagen will, dass alles Schwachsinn ist. Und dann schreibt er ein Buch, um andere davon zu überzeugen, dass es Schwachsinn ist.
Wir wollen jetzt nicht über das Buch sprechen, das auch total interessant ist. Sondern wir wollen die Frage stellen: Wie kann es passieren, dass ein Pastor seinen Glauben aufgibt? Und wie kommt es, dass so viele Christen Schiffbruch erleben, ihren Glauben aufgeben, aufhören, diesem Weg von Jesus nachzugehen, ihn teilweise ganz bewusst verlassen und sich für einen anderen Weg entscheiden?
Das ist natürlich eine gewaltige Frage. Wir können hier nicht umfassend darauf eingehen. Ich möchte euch auch keine leichte, schnelle Antwort geben – das wäre nicht richtig. Ich möchte nur eine Gefahr ansprechen, die in unserem Kontext wichtig ist, wenn wir über Leitung sprechen.
Nämlich: Es besteht immer die Gefahr, dass du dich mit deiner Rolle mehr identifizierst als mit deiner Beziehung zu Gott. Das kann dir, egal in welcher Situation du dienst, ganz schnell passieren. Und das ist wahrscheinlich auch diesem Pastor ein Stück weit passiert.
Du sagst im Endeffekt: „Hey, ich bin ja Leiter.“ Aber die Frage ist: Was bist du, wenn du keine Leitung mehr hast? Was bist du dann noch?
Der Punkt ist: Wir wollen uns über unsere Rolle als Kinder Gottes identifizieren. Wir sind Kinder Gottes. Gott hat uns angenommen, unser Vater hat uns neu gemacht. Du darfst sein Kind sein. Das bedeutet zuerst einmal: Du darfst einfach sein. Das ist deine neue Identität, die dir gegeben wurde.
Deshalb spricht die Bibel so oft von Neugeburt. Da ist etwas Neues entstanden. Du warst vorher nicht sein Kind, jetzt bist du sein Kind. Du warst vorher Feind Gottes, jetzt bist du ein Kind Gottes. Wie abgefahren ist das bitte schön? Das ist grandios, das ist großartig!
Aber es kann ganz schnell passieren, dass du deine Identität nur noch darüber siehst, dass du der tolle Sänger bist oder gut Gitarre spielst. Oder: „Ich bin der tolle Leiter“ oder „der tolle Techniker“ oder „meine Kleingruppe blüht voll auf“.
Wenn du das zu deiner primären Identität machst, wird das zum Problem. Denn wenn du das nicht mehr bist, stehst du plötzlich vor dem Nichts.
Du bist in erster Linie ein geliebtes Kind Gottes und danach erst einmal nichts anderes. Du magst ein total begabter Redner, Bibellehrer, Techniker oder was auch immer sein – das ist super. Aber das ist nicht deine Identität. Du bist nicht deine Aufgabe. Du darfst das nie verwechseln.
Das Problem beginnt dort, wo du dich nicht mehr über deine Beziehung zu Gott definierst, sondern über deine Leistung, was du alles schaffst. Wie viel du schaffst und was unter deiner Leitung alles Tolles passiert.
Wenn es dann nicht mehr so läuft, wie du es dir vorstellst, beginnt das Selbstzweifeln. Oder jemand kritisiert deine Arbeit, und du verstehst das gleich als Kritik an deiner Person. Dann wird es problematisch.
Ich möchte hierzu einen wichtigen Punkt nennen: Deine Bühne darf nie größer sein als dein Charakter. Deine Bühne darf nie größer sein als dein Charakter.
Das heißt: Der Einfluss, den du hast, sollte nie größer sein als das, was du innerlich darstellst.
Das ist ein riesiges Problem heute, weil jeder sich seine eigene Bühne schaffen kann. Du hast dein Handy, Social-Media-Accounts. Du schaffst dir deine Bühne, deine Follower. Du bist davon abhängig, was sie über dich denken, was sie sagen und was du ihnen regelmäßig gibst.
Auch im Influencer-Dasein sind schon unzählige Leute ausgebrannt. Sie sagen: „Ich schaffe es nicht mehr, ich ertrage es nicht mehr, ich komme dem nicht mehr hinterher.“
Wenn dein Charakter damit nicht klarkommt, weil du dich davon abhängig machst, wird das früher oder später zum Crash führen. Das passiert. Und im christlichen Bereich ist das kein bisschen anders.
Deshalb darf deine Bühne nie größer sein als dein Charakter. Und deshalb ist Selbstfürsorge so wichtig.
Zum Abschluss möchte ich noch vier Aspekte mit euch anschauen. Ihr habt sie auf eurem kleinen Handout, weil wir sonst zu schnell darüber hinweggehen müssten. Es tut mir leid, dass wir nicht tiefer darauf eingehen können. Diese vier Aspekte könnt ihr in euren Kleingruppen gerne noch vertiefen.
Selbstfürsorge stellt die wichtige Frage: Wie kann ich mein eigenes Leben gut pflegen? Dabei geht es nicht nur um das geistliche Leben, sondern um einen ganzheitlichen Ansatz. Wir sind schließlich ganzheitliche Wesen, und deshalb wollen wir nicht nur einen Teil herausgreifen.
Der erste Aspekt ist geistliche Selbstfürsorge. Hier geht es tatsächlich um das Geistliche, also um das klassische Feld der geistlichen Disziplinen. Das klingt für manche vielleicht abschreckend, aber es umfasst Dinge wie Gebet, Bibellesen und das tiefe Nachdenken über Gottes Wort, das Meditieren darüber. Du hast zum Beispiel einen Vers und denkst ihn beim Spaziergang immer wieder durch: „Okay, Gott, was willst du mir damit sagen?“ Diese Praxis kultiviert und pflegt deine persönliche Beziehung zu Gott. Sie hilft dir zu wachsen, indem du Gottes Geist Raum gibst. Du schaffst bewusst einen Raum, in dem eine Begegnung allein zwischen dir und Gott möglich ist.
Doch auch hier kann schnell der Perfektionismus-Teufel zuschlagen: „Ich habe jetzt meine Bibel gelesen, gebetet und fünf Minuten still gesessen – jetzt ist alles erledigt.“ Nein, so ist das nicht gemeint. Es geht darum, Gott zu genießen und diese Zeit als Quelle der Freude und Kraft in der Beziehung zu ihm zu erleben. Wenn euch das noch tiefer interessiert: Wir haben schon viel darüber gesprochen, zum Beispiel im letzten Jahr zum Thema Freude oder 2022 in der Predigtreihe „Slow Down“, wo es ebenfalls um geistliche Disziplinen ging.
Es ist ein sehr wichtiger Aspekt, auf sich selbst zu achten – gerade im Hinblick auf geistliche Selbstfürsorge. Nicht zu sagen: „Ich habe gerade zu viel zu tun, deshalb keine Zeit für Gott.“ Oder: „Ich habe gerade so viele Sorgen, da habe ich keine Zeit für Gott.“ Das ist ein falsches Denken. Gerade in solchen Zeiten ist Gott unser Heil. Wie Nadine vorhin gesagt hat: Er ist unser Fels, unsere Burg, unser Schutz. Wenn du dich von diesem Schutz entfernst und sagst: „Sorry, keine Zeit für Schutz, ich muss mich meinen Feinden stellen“, dann ist das problematisch.
Leiter haben oft genau dasselbe Problem. Sie sind ständig beschäftigt, jeder will etwas von ihnen, es gibt Meetings und Treffen. Dann denkt man schnell: „Meine Vorbereitungszeit ist auch meine Zeit mit Gott.“ Nein, das ist sie nicht. Es ist schön, wenn du aus der Vorbereitungszeit etwas mitnimmst, aber es ersetzt nicht die bewusste Zeit mit Gott. Du wirst früher oder später merken, dass deine Kraft versiegt, wenn du dich nur auf das Tun konzentrierst und die Beziehung zu Gott vernachlässigst.
Der zweite Punkt ist emotionale Selbstfürsorge. Das bedeutet, dass du lernst, deine Emotionen und deine emotionale Gesundheit in den Griff zu bekommen. In unserer von Angst geprägten Zeit ist das besonders wichtig. Du musst verstehen, warum du fühlst, wie du fühlst, und lernen, mit Stress, Angst und anderen emotionalen Herausforderungen gesund umzugehen.
Ich schätze mal, wenn ich 80 von euch frage „Wie geht es dir?“, werden viele keine klare Antwort geben können. Oft nehmen wir uns nicht die Zeit, darüber nachzudenken, was in uns vorgeht: Warum bin ich gerade so? Wovor fürchte ich mich? Was passiert in mir? Wie fühle ich mich? Warum handle oder reagiere ich so? Es geht darum, diese Fragen zu reflektieren und emotionale Resilienz, also Widerstandsfähigkeit, zu entwickeln. Gute Gemeinschaft und ein sicherer Ort sind wunderbar, um darüber nachzudenken.
Letzte Woche habe ich mir bewusst Zeit genommen, weil ich gemerkt habe, dass Ängste in mir sind. Ich könnte einfach weitermachen und sie ignorieren, aber ich wollte wissen, was das eigentlich ist. Ich habe die Ängste vor Gott gebracht und gesagt: „Gott, du bist mein Vater, du hast mir den Geist der Liebe gegeben. Ich will diese Angst nicht.“ Es braucht Zeit, diese Ängste zu erkennen und vor Gott zu bringen, sonst werden sie verdrängt.
Der dritte Punkt ist physische Selbstfürsorge. Viele von euch kümmern sich bereits um ihren Körper. Dieser Körper gehört zu dir, und die Bibel sagt, dass dein Körper ein Tempel des Heiligen Geistes ist. Körperliche Gesundheit ist also auch eine Möglichkeit, Gott zu ehren.
Natürlich kann das auch missbraucht werden, wenn es nur noch um Leistung und Körperkult geht. Darum soll es aber nicht gehen. Es geht um achtsamen Umgang mit deinem Körper: ausreichend Ruhe, gute Ernährung und so weiter.
Der letzte Aspekt ist soziale Selbstfürsorge. Das ist ein sehr wichtiges Thema. In mir blutet das Herz, wenn ich sehe, wie wenig Zeit wir für Freundschaften haben. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Wenn ich euch fragen würde, wer von euch einen richtig guten, engen Freund hat, mit dem er sich regelmäßig trifft und austauscht, würden viele sagen: „Nein, den habe ich nicht.“ Viele dieser Beziehungen gibt es nicht mehr. Nach Corona ist das noch stärker geworden: „Komm nicht zu nah, das ist meins. Lass mich nur so weit an dich heran.“
Darum: Habt gute Freunde um euch herum! Gerade als Leiter, die immer geben und geben, ist Freundschaft so wichtig. Freundschaft darf ziellos sein. Wenn ich mich mit Freunden treffe, habe ich keine Agenda. Ich genieße sie, und sie genießen mich. Das macht Freundschaft wertvoll. Habt Menschen um euch, die ihr einfach um ihrer selbst willen genießt und die dich genießen, bei denen du einfach sein darfst, ohne leisten zu müssen.
Diese soziale Selbstfürsorge braucht unsere Seele. Sich selbst zu achten bedeutet, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Dafür ist niemand sonst verantwortlich. Du bist für dein Leben verantwortlich. Schiebe es nicht auf mich, Johannes oder andere Leiter. Wir sind verantwortlich, ein gutes Umfeld zu schaffen, aber dein Leben liegt bei dir.
Petrus sagt es so: „Denn ihr seid irregegangen wie Schafe, aber jetzt seid ihr zurückgekehrt zu dem Hirten und Aufseher eurer Seelen.“ Wenn ich auf mich selbst aufpasse, dann bedeutet das, dass ich zu meinem Hirten gehe – zu dem Hirten meiner Seele, der mich nährt, pflegt, mir gibt, was ich brauche, der mich auf grüne und saftige Weiden führt und mich durch dunkle Täler begleitet. Er ehrt mich mit seiner Freundschaft.
Ist es nicht großartig, dass Jesus zu dir sagt: „Ich will Freundschaft mit dir!“ Jesus genießt dich, er will nicht deine Leistung, sondern dich. Er freut sich über dich und wünscht sich, dass du dich genauso über ihn freust und ihn genießen kannst.
Wir haben es schon oft gesagt: Die Gnade kommt vor dem Werk. Ich möchte es mit den Worten von Silas sagen, der uns einen kleinen Input für die Mitarbeit in den Kinderstunden gegeben hat: „Das Sein kommt vor dem Tun.“ Nimm das mit: Das Sein kommt vor dem Tun. Ich darf und muss erst einmal vor Gott sein und mich von ihm füllen lassen, bevor ich andere füllen kann.
Jesus sagt: „Wenn jemand an mich glaubt, werden Ströme von lebendigem Wasser aus seinem Innern fließen“ (Johannes 7,38). Wir wollen diese sprudelnden Quellen sein, die überall Leben bringen und Menschen mit dem Geist Gottes erfüllen.
Aber bevor wir andere füllen können, müssen wir selbst gefüllt sein. Das gilt für uns alle. Wir wollen keine gestresste Gemeinde sein, die nur noch funktioniert und ihre Seele vernachlässigt. Nein, wir wollen bewegen, erleben, wie Reichweite aufgebaut wird, wie Menschen heil werden und dem Weg von Jesus folgen.
Wir haben eine Mission und wollen Vollgas geben – aber niemals auf Kosten unserer Seele. Niemals.
Deshalb: Hab Acht auf dich! Dein Sein kommt vor deinem Tun. Ganz, ganz wichtig.
Ich möchte euch einladen, genau das für euch zu reflektieren, wenn wir gleich das Abendmahl feiern. Es ist nicht eure Leistung oder euer Verdienst, dass ihr mit Gott leben dürft. Wir dürfen allein aus seiner Gnade und Freundlichkeit mit ihm leben. Es ist seine Einladung, an seinen Tisch zu kommen. Wir brauchen ihn in allem und sind abhängig von ihm, dem Hirten unserer Seelen.
Das war der Predigt-Podcast von Neuland. Wir hoffen, du konntest etwas mitnehmen und einen Schritt in dein eigenes Neuland machen, um Gott mehr zu entdecken. Wenn du Fragen hast oder einfach Kontakt zu uns aufnehmen möchtest, schreib uns gern eine Mail an hallo@neuland-church.de. Bis zum nächsten Mal!