Gaben in der Gemeinde Teil 3
In diesem Abschnitt wollen wir uns weiterhin mit den geistlichen Gaben beschäftigen, die in der Gemeinde wirksam sind. Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Gaben nicht dazu dienen, persönliche Vorteile zu erlangen, sondern dem Aufbau der Gemeinschaft und der Stärkung des Glaubens aller Mitglieder dienen.
Eine der zentralen Gaben ist die Gabe der Weisheit. Sie ermöglicht es den Gläubigen, schwierige Situationen richtig einzuschätzen und im Einklang mit Gottes Willen zu handeln. Diese Gabe ist besonders wertvoll, wenn es darum geht, Konflikte zu lösen oder wichtige Entscheidungen zu treffen.
Ebenso wichtig ist die Gabe der Erkenntnis. Sie hilft dabei, verborgene Wahrheiten zu erkennen und geistliche Zusammenhänge zu verstehen. Mit dieser Gabe können Gläubige anderen helfen, den Sinn von biblischen Texten besser zu erfassen und im Alltag anzuwenden.
Die Gabe des Glaubens ist eine weitere wichtige Gabe in der Gemeinde. Sie verleiht den Gläubigen die Kraft, auch in schwierigen Zeiten fest an Gottes Verheißungen festzuhalten und mutig voranzugehen. Diese Gabe inspiriert andere und stärkt das Vertrauen in Gottes Führung.
Nicht zu vergessen ist die Gabe der Heilung. Sie zeigt sich darin, dass Gott durch Gläubige körperliche oder seelische Krankheiten heilt. Diese Gabe ist ein sichtbares Zeichen seiner Gegenwart und seines Wirkens in der Gemeinde.
Die Gabe der Wunder wirkt oft Hand in Hand mit der Gabe der Heilung. Sie umfasst außergewöhnliche Ereignisse, die Gottes Macht demonstrieren und den Glauben der Menschen stärken. Solche Wunder können dazu beitragen, Menschen zum Glauben zu führen und die Gemeinde zu ermutigen.
Schließlich ist die Gabe der Unterscheidung der Geister von großer Bedeutung. Sie befähigt die Gläubigen, zwischen wahrer und falscher Lehre zu unterscheiden und so die Gemeinde vor Irrlehren zu schützen. Diese Gabe trägt dazu bei, die Reinheit des Glaubens zu bewahren.
Alle diese Gaben sind dazu bestimmt, einander zu ergänzen und gemeinsam zum Wohl der Gemeinde eingesetzt zu werden. Kein Gläubiger besitzt alle Gaben, aber jeder ist eingeladen, seine Gaben zu entdecken und zum Dienst an der Gemeinschaft einzusetzen.
Die Bibel betont immer wieder, wie wichtig es ist, dass die Gaben in Liebe und Demut gebraucht werden. Nur so können sie ihre volle Wirkung entfalten und die Gemeinde wachsen lassen (1. Korinther 13,1-13).
Die Vielfalt der Gaben zeigt die reiche Vielfalt der Gemeinde und spiegelt die Weisheit Gottes wider. Sie erinnert uns daran, dass jeder Mensch einen wertvollen Beitrag leisten kann, unabhängig von seiner Rolle oder seinem Status.
Es lohnt sich, die eigenen Gaben zu erforschen und im Gebet um Führung zu bitten. So kann jeder Gläubige seinen Platz in der Gemeinde finden und dazu beitragen, dass Gottes Reich auf Erden sichtbar wird.
Es geht jetzt um Hindernisse, die der Entfaltung von Gaben in der Gemeinde im Wege stehen. Das wird das große Thema sein. Aber wie immer zunächst ein Blick zurück.
Dieser Blick zurück geht so: Wir haben gestern Abend festgestellt, dass Gott Christen durch seinen Geist begabt, weil er sich wünscht, dass die Gemeinde Gottes wie ein Körper funktioniert. Wir sind, wenn man das so will, berufen, Rädchen im Getriebe zu sein. Das könnt ihr euch merken: Wir sind berufen, Rädchen zu sein.
Die Gemeinde ist wie ein Organismus. Habt ihr mal in eine große Uhr hineingeschaut, mit all den kleinen Zahnrädchen? Da wird wirklich jedes einzelne gebraucht, das kann man sich gar nicht vorstellen. Wenn du an der richtigen Stelle ein Rädchen ausbaust, bleibt das ganze Ding stehen. Genau so ist es bei der Gemeinde.
Auch die kleinen Rädchen sind total wichtig, obwohl man eigentlich denkt, die sieht doch keiner. Sie sind irgendwo hinten eingebaut, man kommt gar nicht so richtig ran, aber man braucht sie trotzdem. So ist das in Gemeinden: Jeder ist begabt, jeder wird gebraucht.
Die großen Rädchen können nicht einfach sagen: „Na, ich drehe mich weiter, auch ohne dich.“ Mag sein, dass du noch eine Weile Schwung hast, aber das hört irgendwann von alleine wieder auf. Vor allem, wenn du denkst, dass eine Uhr, bei der du dein Rädchen ausbaust, trotzdem noch die richtige Uhrzeit anzeigt – das wird einfach nicht passieren.
Deshalb kann Gemeinde nur funktionieren, wenn wir uns dessen voll bewusst sind: Wir sind berufen, Rädchen zu sein. Wir sind dazu berufen, ganz unterschiedlich zu sein.
Das war dann der letzte Vortrag. Ich habe euch bei den Gaben nur kurz einen Überblick geben wollen, nur eine Idee von der Unterschiedlichkeit. Manche haben Gaben des Redens, andere haben Gaben im Umgang mit Menschen. Dann gibt es Leute, die sind fürs Spenden da, andere für Leitung. Manche sind vielleicht auch ein bisschen übergemeindlich unterwegs. Und es gibt noch ganz, ganz viele andere Gaben.
Mir ging es nur darum, euch zu zeigen, wie unterschiedlich Gaben im ersten Jahrhundert gedacht wurden. Damit keiner von euch auf den Gedanken kommt: „Ich werde nicht gebraucht, weil ich ja so ein komischer Kauz bin. Ich habe nichts, was man gleich sieht, also muss ich mich auch nicht einbringen. Wahrscheinlich läuft Gemeinde auch ohne mich.“
Es kann sein, dass Gemeinde ohne dich läuft, aber sie läuft schlechter. Das muss dir klar sein. Gemeinde läuft immer dann gut, wenn alle sich gemäß ihrer Gaben einbringen.
Wenn wir glauben, dass wir alle berufen sind, dass wir alle unterschiedlich berufen sind und dass jeder Einzelne gebraucht wird, dann habe ich euch vor einem Gabentest gewarnt. Ich habe euch aber nicht davor gewarnt, euch mit den Gaben des Neuen Testaments zu beschäftigen und zu schauen, ob die, die dort beschrieben sind, vielleicht auf euch zutreffen oder zumindest teilweise.
Vielleicht sagst du: „Hey, dieser Aspekt, das bin genau ich, super! Ich bin vielleicht ein halbes davon, ein Viertel davon, und dann habe ich noch zwei Drittel von dem plus zwei Sachen, die da nicht stehen.“
Ich sage das deshalb, weil es eine Tendenz gibt – ich glaube, die ebbt gerade wieder ab – aber vor zehn Jahren war es ganz groß in Mode, Gabentests zu machen. Je wundersamer die Gaben, umso besser. Dahinter stand aber die Idee, es gäbe nur die Gaben, die im Neuen Testament stehen.
Ihr merkt, ich fahre einen komplett anderen Ansatz. Mein Ansatz ist, dass die Gaben im Neuen Testament für die Gemeinde zur Zeit des Neuen Testaments gedacht sind, um in der Kirchengeschichte ganz am Anfang eine bestimmte Funktion zu erfüllen, nämlich die Starterfunktion.
Wir stehen im 21. Jahrhundert, haben ganz andere Herausforderungen und müssen andere Aufgabenfelder abdecken. Vor allem, wenn wir ehrlich sind, haben wir ganz praktisch betrachtet ganz andere Gaben.
Man muss ja nur mal umschauen: Wie viele von euch haben denn die Gabe, Wunder zu wirken? Wahrscheinlich eher nicht so viele. Das wäre mir jetzt nicht aufgefallen. Vielleicht meldet sich jemand und sagt: „Ich schon, ich mache das jeden Tag.“ Wunderbar, ich freue mich. Aber du wärst die Ausnahme – das kann ich dir weltweit schon mal sagen.
Ich habe Freunde, die aus der Ecke kommen, wo Wunder mehr gewünscht sind. Auch das, was dort an Wundern produziert wird, hat selten Ähnlichkeit mit dem, was im Neuen Testament unter Wundern verstanden wird.
Von daher schaue ich mir einfach Gemeinde an und stelle fest: Wenn es stimmt, dass der Geist Gottes begabt, wie er will – Achtung, das ist sein Job, nicht deiner – dann überlegt der Geist Gottes, die Gemeinde braucht dich und dich, und du bekommst die Gaben, und du die, und zusammen wird das funktionieren.
Dann habe ich nicht den Eindruck, dass wir in unseren heutigen, modernen Gemeinden genau diese Gaben abgebildet haben, die dort stehen. Das liegt nicht daran, dass wir zu wenig Glauben haben, denn wir haben alle Glauben, und wir haben auch viel Glauben. Es liegt auch nicht daran, dass wir dem Heiligen Geist zu wenig zutrauen würden.
Nein, ich traue dem Heiligen Geist alles zu, ganz ehrlich. Ich habe da überhaupt keine Not mit. Ich kenne viele Geschwister, die dem Geist Gottes glaubensmäßig alles zutrauen. Trotzdem sehen die Gaben heute ganz anders aus.
Unterschiedlichkeit ist Trumpf, das war die Botschaft vom letzten Vortrag. Von daher ein kurzer Mini-Exkurs zu einem Ansatz, der gerne mal formuliert wird – zumindest seit ungefähr hundert Jahren. Dieser Ansatz lautet: Wenn du Christ bist, dann gibt es ein paar Gaben, die du haben musst.
Du kannst nicht von neuem geboren sein und den Heiligen Geist haben, ohne dass du diese Gaben besitzt. Meistens hat das mit Sprachenrede oder Prophetie zu tun.
Da wird gesagt: Wenn du Christ bist, dann gibt es Gaben, die du haben musst – quasi als Erkennungszeichen dafür, dass du von neuem geboren bist.
Das widerspricht allem, was wir bisher gesagt haben, und das ist auch falsch. Aber für den Fall, dass euch das mal über den Weg läuft, möchte ich euch zeigen, wo die Stelle steht, mit der man das widerlegt. Denn es ist eine Stelle, die man einfach kennen muss.
Man muss sie kennen, weil Menschen oder Geschwister – ich nenne sie so – die das glauben, manchmal sehr euphorisch auftreten. Sie sind sehr überzeugt von dem, was sie denken, und man kann schwerlich gegen Erfahrungen argumentieren.
Das werdet ihr noch merken: Es gibt auf der einen Seite Theologie, und dann gibt es Erfahrungen. Erfahrung schlägt leider immer Theologie.
Deshalb muss man an dieser Stelle auch gar nicht groß diskutieren. Man muss nur für sich selbst wissen: Wenn jemand kommt und sagt, bestimmte Gaben muss jeder Christ haben, das sei das Zeichen dafür, dass er den Heiligen Geist hat – hä, nee.
Die Stelle dazu ist 1. Korinther 12, wo es um genau das Gegenteil geht. Dort wird erklärt, dass gerade nicht jeder alle Gaben hat oder dieselben, sondern dass es Unterschiedlichkeit gibt.
Dort heißt es ganz explizit, 1. Korinther 12, und ich lese ab Vers 8...
Und die einen hat Gott in der Gemeinde gesetzt: erstens zu Aposteln, zweitens andere zu Propheten, drittens zu Lehrern, sodann Wunderkräfte, sodann Gnadengaben der Heilungen, Hilfeleistungen, Leitungen und Arten von Sprachen.
Und jetzt kommt's: Sind etwa alle Apostel? Die Antwort lautet Nein. Das kann man im Griechischen sogar noch besser zeigen als im Deutschen, weil man im Griechischen eine Frage so stellen kann, dass die Antwort klar ist. Man kann also eine Frage so formulieren, dass man weiß, die Antwort lautet nein. So ist das hier gestellt: Sind etwa alle Apostel? Nein. Alle Propheten? Nein. Alle Lehrer? Nein. Haben alle Wunderkräfte? Nein. Haben alle Gnadengaben der Heilungen? Nein. Reden alle in Sprachen? Nein.
Und da gibt es jetzt Leute, die sagen ja, ja, ja, ja, ja. Da muss ich sagen: Nein, ist einfach nicht so. Legen alle aus? Nein. Also wenn ihr jemals damit konfrontiert werdet, dass Leute sagen, es gibt da eine Gabe, nehmt den Vers, dann wisst ihr, es stimmt einfach nicht.
Und wenn wir bei dem Vers sind, dann eine Anmerkung für Bibelleser: Zumindest ich weiß jetzt gar nicht, ob bei den neueren Übersetzungen vielleicht eine Fußnote dran ist. Es geht weiter mit: „Eifert aber um die größeren Gnadengaben.“ Ich weiß nicht, wie das bei euch übersetzt ist. Falls ihr an der Stelle das so dastehen habt und keine Fußnote, dann macht euch mindestens eine Fußnote ran.
Ich habe hier Elberfelder 1985: „Eifert aber um die größeren Gnadengaben.“ Das ist eine unglückliche Übersetzung. Es ist deshalb eine unglückliche Übersetzung, weil ich ein ganzes Kapitel lang eine Gabe nach der anderen feiere, in ihrer Unterschiedlichkeit und im Zusammenwirken. Dabei wird gezeigt, dass der Geist gibt, wie er will, dass jeder gebraucht wird und dass keiner autark ist.
Und der Satz „Eifert aber um die größeren Gnadengaben“ macht so gar keinen Sinn. Ich hoffe, ihr versteht das. Ja, ich feiere ein Kapitel lang, dass jeder mit seiner Gabe ein Unikum ist, das wir genau so brauchen, wie Gott ihn geschaffen hat. Und dann heißt es am Ende: „Eifert aber um die größeren Gnadengaben.“ Hm, komischer Vers.
Deswegen macht euch vielleicht eine Fußnote dran. Im Griechischen ist es so, dass man diesen Vers auch anders übersetzen könnte. Das liegt daran, dass die Zeitformen im Griechischen gar nicht so viele sind und manchmal zwei Bedeutungen haben können. Hier gibt es eine zweite Bedeutung: Man kann diesen Vers übersetzen statt mit „Eifert aber“ – das wäre ein Gebot – auch mit „Ihr eifert aber um die größeren Gnadengaben.“ Dann ist das kein Gebot, sondern ein Vorwurf.
Und das ist der Vorwurf an die Korinther, dass sie nämlich den Wert der Gaben und vor allem die Unterschiedlichkeit der Gaben im Zusammenspiel miteinander nicht erkannt haben. Die Korinther haben angefangen, ein Gabenranking zu machen. Da gibt es welche, die sind oben, die größeren.
Das Dumme bei den Korinthern ist, dass das diejenigen sind, mit denen man mehr auffällt, die wundersamer sind, mit denen man mehr glänzen kann, die sich so ein bisschen herausstellen als besonders geistbegabt. Und das ist der Vorwurf, den Paulus macht.
Also er zeigt das auf und sagt am Ende: Euer Problem ist, ihr eifert um „größere“ Gnadengaben – mit Anführungs- und Schlusszeichen. Und das ist tatsächlich falsch. Wenn überhaupt solltet ihr eifern, dann aber um Gaben, die der Gemeinschaft mehr nutzen.
Das heißt: Du darfst um Gaben eifern, das ist nicht der Punkt. Du darfst Gott bitten, dass er dich mehr begabt. Du darfst Gott darum bitten, dass du deine Gaben mehr auslegst. Aber wenn, dann bitte nicht im Kopf so ein Ranking, am besten noch eins, bei dem ich besonders herauskomme und alle sehen, wie toll ich bin.
Sondern dann bitte mach in deinem Kopf ein Ranking und ordne die Gaben nach dem, wie du nützlich sein kannst für die Geschwister, wie du mehr dienen, mehr lieben und die Gemeinschaft, in der du steckst, mehr aufbauen kannst.
Deswegen heißt es dann in Kapitel 14, Vers 1: „Strebt nach der Liebe, eifert aber nach den geistlichen Gaben, besonders aber, dass ihr weiss...“ Achtung! Ich weiß, es ist jetzt schwer, weil wir gerade gegessen haben. Ihr müsst trotzdem jetzt kurz konzentriert sein.
Achtung, Brieftext!
Es gibt unterschiedliche Literaturformen in der Bibel, und zu jeder Literaturform gibt es bestimmte Regeln in der Auslegung. Man nennt das Hermeneutik. Dieser Text ist ein Brieftext.
Brieftexte sind situativ. Das bedeutet, es gibt einen Hintergrund. Hier schreibt nicht jemand einen Lexikonartikel zum Thema Geistesgaben, sondern jemand antwortet aufgrund konkreter Fragen und Probleme in einer Gemeinde auf diese Fragen und Probleme.
Wenn es also hier heißt: „Strebt nach der Liebe, eifert aber nach den geistlichen Gaben, besonders aber, dass ihr weiss“, dann ist das nicht die Aufforderung des Apostels Paulus an jede Gemeinde weltweit für die nächsten zweitausend Jahre. Es ist ein Text, der in die konkrete Situation der Korinther hineinspricht.
Die Korinther messen der Sprachenrede, vor allem auch der Sprachenrede ohne Auslegung, ein sehr hohes Gewicht bei. Doch wenn jemand in der Fremdsprache redet und es keinen Ausleger gibt, versteht einfach niemand etwas. Folglich hat auch niemand wirklich etwas davon.
Jetzt kommt der Apostel und sagt: Wenn ihr schon nach Gaben streben wollt, dann strebt nach Gaben, die euch in eurer Situation jetzt besonders wichtig und wertvoll sind. Und das ist in dieser Situation die Weissagung. Das dürft ihr nicht vergessen.
Ein situativer Text!
Bitte seid vorsichtig, wenn ihr diesen Text nehmt und dann sagt, das sei normativ für alle Gemeinden zu jeder Zeit der Kirchengeschichte. Das steht nicht drin. Es ist eine Antwort auf eine konkrete Problematik.
Wir müssten uns jetzt die Frage stellen: Okay, wenn wir das auf uns übertragen, welche Gaben würden uns in der Gemeinde jetzt im Moment am besten tun? Was brauchen wir jetzt im Miteinander, damit wir als Gemeinschaft möglichst gut funktionieren? Und genau hier setzt ihr bitte an.
Okay, das nur so weit dazu.
Die größeren Gaben sind immer die Gaben, die dienender sind und mehr der Liebe und dem Miteinander Ausdruck verleihen.
So viel als Vorbemerkung.
Jetzt aber zu unseren sieben Hindernissen für das Thema Gaben.
Ja, ich habe jetzt also Gaben, ich weiß, ich bin begabt, und ich möchte das gerne ausleben. Wo kann es dabei zu Problemen kommen?
Bitte versteht diese sieben Hindernisse nicht als Vorwurf. Es folgen nun sieben kritische Punkte. Ich behaupte weder, dass jeder von euch diese sieben Punkte als Problem in seinem Leben hat, noch dass irgendjemand diese Hindernisse persönlich erlebt. Ich habe einfach sieben Dinge aufgeschrieben, bei denen ich denke: Wenn sie vorhanden sind, könnten sie dazu führen, dass ich das Thema Gaben in meinem Leben nicht mit dem nötigen Nachdruck verfolge. Das ist eigentlich notwendig, wie es in 1. Petrus 4,10 heißt.
Wir haben das Gebot, dass jeder seine Gaben hat und damit dienen soll. Trotzdem machen das manche Christen nicht. Es ist sogar ein Stück weit normal geworden, dass es in einer Gemeinde zwei Gruppen gibt: einen Flügel der Arbeiter und einen Flügel, den man wohlwollend Konsumenten nennen kann. Das ist in Gemeinden üblich.
Die Arbeiter stöhnen meistens über zu viel Arbeit, während die Konsumenten vielleicht über etwas anderes klagen, aber zumindest nicht über zu viel Arbeit. Weil es diese zwei Flügel in Gemeinden gibt und ich das in fast jeder Gemeinde, in der ich bin, auch höre, möchte ich nun die Punkte nennen, an denen das liegen könnte.
Ich möchte also ganz grundsätzlich zeigen, wo im Denken und Verhalten von Geschwistern, aber auch in der Organisation von Gemeinden Fallstricke liegen, die dazu führen, dass sich Gaben nicht in dem Maß entfalten, wie es gut wäre.
Fangen wir ganz vorne an. Der erste Punkt ist ganz banal ein Mangel an Bruderliebe.
Ich möchte dazu Folgendes zeigen: Wir hatten das gestern, 1. Korinther 12, dort wird dieser Organismus beschrieben. Dann lesen wir in 1. Korinther 12, Vers 25, dass dieser Organismus von Gott als ein funktionales Miteinander eingerichtet wird. Es folgt die Begründung: Was wünscht sich Gott für die Gemeinde?
Da heißt es in 1. Korinther 12, Vers 25: „Damit keine Spaltung im Leib sei, sondern die Glieder dieselbe Sorge füreinander hätten.“
Hier merken wir: Fürsorge ist etwas, das in der Gemeinde ganz tief, quasi in der Gemeindedna, verankert sein muss. Es bedeutet, dass ich mich für den anderen interessiere, mit dem ich in der Gemeinde bin.
Das wird noch deutlicher: „Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, oder wenn ein Glied verherrlicht wird, so freuen sich alle Glieder mit.“
Ein wichtiger Punkt ist, dass in dem Moment, in dem wir Symptome wahrnehmen, dass in einer Gemeinde diese Fürsorge ein Stück auf der Strecke bleibt oder auch das Miteinander-Freuen fehlt, dann ist das ein Hinweis darauf, dass Bruderliebe in der Gemeinde nicht stark ausgeprägt ist.
Ihr könnt das für euch selbst einmal kurz hinterfragen: Ein Mangel an Bruderliebe beginnt meistens damit, dass man aufhört, für die Geschwister zu beten. Das absolute Minimum unseres Gebetslebens in einer Gemeinde ist, dass wir für die Geschwister beten, die zu unserer Gemeinde gehören.
Wenn das aufhört und dazu ein Desinteresse am Leben des Anderen kommt, wenn ich mich nicht um den anderen kümmern möchte, wenn ich mich auch nicht mit dem anderen mitfreuen will, wenn der andere mir so ein Stückchen egal wird, dann ist das das, was ich einen Mangel an Bruderliebe nenne.
Dieser Mangel führt schnell dazu, dass ich mich natürlich auch nicht in die Gemeinschaft einbringe. Denn was ich nicht liebe, warum sollte ich das unterstützen?
Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, der dazu führt, dass man seine Gabe in der Gemeinde nicht entfaltet. Denn eigentlich sind wir ein Geschenk an die anderen. Aber wenn die anderen mir egal sind, dann brauche ich auch kein Geschenk an die anderen sein. Dann habe ich nichts davon.
Das ist ein wichtiger Punkt.
Zweiter Punkt:
Der zweite Punkt heißt: Ich kenne meine Gabe nicht. Das bedeutet, ich mache nichts, weil ich nicht weiß, welche Gaben ich habe und wer ich bin.
Das stimmt natürlich nicht, denn jeder von euch hat eine Vorstellung davon, wer er ist und was er kann. Davon bin ich überzeugt. Jeder von euch könnte, wenn ich ihm ein Blatt Papier hinlegen würde und sagen würde: „Schreib mal fünf Sachen auf, die du richtig gut kannst“, sofort fünf Dinge aufschreiben. Nach dem, was wir schon gesagt haben, würden euch wahrscheinlich noch mehr einfallen.
Ihr könnt Dinge – sei es organisieren, backen, putzen oder eine Einleitung halten. Ihr könnt etwas, davon bin ich überzeugt. Trotzdem kommt schnell der Einwand: „Jürgen, ich würde mich ja gerne mehr in der Gemeinde einbringen, aber ich weiß gar nicht, welche Gabe ich habe.“
Was kann man da tun? Man kann Folgendes tun: Schau dir an, was du gut kannst. Schreibe einfach mal auf, was dir einfällt. Und das klingt zwar sehr ungeistlich, ist aber ein ganz wichtiger Punkt: Was macht dir Spaß? Oft ist das, was einem Spaß macht, genau das, was man gut kann.
Wenn dir nicht genug einfällt, dann frag doch mal die Leute um dich herum: Wie nehmen sie dich wahr? Was würden sie über dich sagen? Und natürlich kannst du drittens auch darüber beten.
Wenn du meine Frau fragen würdest, wie man herausfindet, welche Begabung man hat, würde sie sagen – oder sie würde dich fragen: „Sag mal, wo siehst du in der Gemeinde einen Mangel?“ Das ist eine ganz spannende Frage: Wo erlebst du Gemeinde mangelhaft?
Wenn man nämlich mal weiterdenkt, dann erlebt man Gemeinde häufig genau dort mangelhaft, wo man sich selbst wünscht, dass etwas anders wäre. Warum wünscht man sich das? Na ja, weil man selbst dafür ein Gespür hat, weil einem das etwas bedeutet.
Ganz banal: Wenn du denkst, die Gemeinde ist viel zu dreckig, dann bist du wahrscheinlich jemand, der gut putzen kann. Entschuldige, wenn ich das so sage, aber ich, der ich nicht gut putzen kann und auch nicht gut putzen will, würde eine Gemeinde nie als dreckig empfinden. Das wäre mir einfach egal.
Ich bin aber jemand, der im Auditorium sitzt, wenn jemand eine Predigt hält, und denkt: „Wo alle begeistert sind, würde nur ich sagen: ‚Ja, er hat den Text fast verstanden, und er hat etwas gesagt, was sicherlich nicht ganz falsch war, aber nicht aus dem Text kommt.‘“ Da leide ich. Da leide ich wie ein Hund, wenn ich das erlebe.
Andere sind total begeistert, aber ich bin eben der, der viel mit Texten umgeht – und das ist meins. Das heißt: Wenn du einen Mangel erlebst, dann denk mal darüber nach, ob du den Mangel vielleicht nur deshalb erlebst, weil du an der Stelle eine Begabung hast. Denk bitte in diese Richtung weiter.
Ganz grundsätzlich gilt: Man entdeckt seine Gabe nicht dadurch, dass man irgendwo rumsitzt und so lange betet, bis man eine himmlische Erleuchtung hat. Im Allgemeinen entdeckt man sie dadurch, dass man mitarbeitet, sich ausprobiert und Feedback bekommt zu dem, was man ausprobiert hat.
Gerne auch, indem man sich weiterbildet. Mal eine Fortbildung zu machen, ist keine Sünde. Bei bestimmten Diensten, wie dem Lehrdienst, sagt die Bibel sogar, dass man sich richtig reinhängen muss.
Ein guter Lehrer ist häufig jemand, der auch ein bisschen was von Sprachen versteht und gut mit Texten umgehen kann. Ich würde heute denken, dass ein Lehrer auch gut Englisch kann, weil viele Kommentare auf Englisch sind. Das schadet alles nicht.
Probier dich aus und höre auch auf geistliche Leiter. Wenn sie auf dich zukommen und sagen: „Hey, wir als Leiterschaft sehen da etwas in dir, lass das ruhig mal zu“, dann lass es zu. Lass auch durchaus Leiterschaft für dich beten, wenn du dir nicht ganz sicher bist, ob das dein Dienst ist. Dazu kann man gerne auch die Ältesten zu sich rufen.
Ganz besonders will ich an dieser Stelle noch einmal betonen: Bitte suche nicht das Besondere, sondern suche dein Eigenes. Ich kann das nur immer und immer wieder betonen: Du bist ein Original.
Vielleicht kannst du dich in der einen oder anderen Beschreibung von Geistesgaben wiederfinden, aber vor allem suche bitte dich selbst. Hab Freude daran, dass du du selbst sein darfst mit deinen besonderen Gaben.
Das kann eine Inselbegabung sein oder etwas sehr Breites – das spielt keine Rolle. Bitte hab Freude an deinen Gaben.
So, das war der zweite Punkt: Ich kenne meine Gabe nicht. Jetzt wisst ihr, wie man seine Gabe herausfindet.
Ein dritter Punkt, der mir über die letzten Jahre immer negativer auffällt, ist der Individualismus beziehungsweise der Mangel an Unterordnung. Ich stoße immer öfter auf Menschen, die ich als Solochristen bezeichne.
Das kann manchmal daher rühren, dass sie sich durch ein Internetformat bekehren. Zum Beispiel hören sie eine Predigt online und kommen zum lebendigen Glauben. Doch den Sprung in eine Gemeinde schaffen sie kaum oder gar nicht. So sind sie dann alleine unterwegs – eben als Solochristen.
Es gibt diesen modernen Trend zur Selbstdarstellung. Wir hatten das schon: Man muss immer zeigen, wie toll man ist. Dieser Trend zur Selbstdarstellung geht Hand in Hand mit einem Trend zum Individualismus. Man muss zeigen, wie besonders man ist.
Dieser Trend ist im Grunde Weltlichkeit. Die Welt möchte uns einreden, jeder sei etwas ganz Besonderes. Und irgendwie stimmt das ja auch. Aber manchmal sind wir eben doch nicht ganz so besonders, sondern auch ganz schön durchschnittlich. Trotzdem muss jeder immer zeigen, dass er noch ein bisschen besonderer ist und noch mehr herausragt. Das macht Seelen kaputt.
Im Herzen kommst du dann in eine Gemeinschaft hinein, und du hast gar nicht verstanden, wo das Problem liegt. Du merkst nur: Ich will nicht Teil sein. Stattdessen steckt ganz laut etwas in dir, das die ganze Zeit sagt: Ich will über mich selbst bestimmen.
Versteht ihr? Die Welt sagt: Mach deins! Und jetzt wirst du Teil von Gemeinde. Und die Gemeinde sagt: Jetzt werde mal Teil einer Gemeinschaft. Jetzt ordne dich mal unter. Jetzt werde mal ein Rädchen im Uhrwerk, nicht der Zeiger oder das ganze Uhrwerk.
Werde mal ein Rädchen! Da stimmt etwas nicht, das muss man verstehen. Wir kommen aus einer falschen Gesellschaftsform heraus.
Dieser Mangel an Unterordnung, dieser Hang zum Individualismus, führt dazu, dass Leute sagen: Ich will mich nicht zurücknehmen müssen. Ich bin so gewohnt, mein Ding durchzuziehen. Ich bin nicht bereit, Teil einer Gemeinschaft zu werden. Ich will nicht verzichten. Ich will keine Lebensqualität verlieren, nur weil ich nicht mehr frei über meine Zeit entscheiden kann.
Ich will womöglich auch keine Kompromisse eingehen. Und das geht manchmal so weit, dass Leute sagen: Ich möchte mich auch nicht mit den Nöten anderer Menschen belasten.
Das ist für mich ganz traurig. Da sind wir wieder bei der Bruderliebe, auch ein Stück weit. Ja, ich habe meins, und ich will da nicht zurück. Wie gesagt, das ist Weltlichkeit.
Da habe ich nicht verstanden, was passiert, wenn Jesus sich auf den Thron meines Lebens setzt und König wird. Wenn er mir sagt: Ich hätte dich jetzt gerne als Teil meiner Gemeinschaft.
Das Problem ist oft, dass wir uns dessen nicht bewusst sind. Individualismus, der Wunsch nach Selbstdarstellung, nach Eigenständigkeit und auch Eigenwilligkeit – wenn das gelebt wird, dann haben wir tatsächlich das Problem, dass Gaben sich schlecht entfalten.
Es ist logisch: Wenn man sagt, bring dich in die Gemeinschaft ein, dann kommt oft die Antwort: Warum sollte ich das tun? Da muss ich ja plötzlich auf meine Lieblingsserie verzichten, weil da Bibelstunde ist. Das mache ich nicht. Oder ich muss Sonntag früher aufstehen, weil Gottesdienst ist. Das mache ich nicht.
Oder ich komme immer wieder zu xy, und die schaut mich immer so schräg an. Das will ich nicht.
Das ist für mich ein großes Problem. Also, dritter Punkt: Individualismus.
Vierter Punkt: ganz banal – unglaublich banal – Faulheit. Faulheit oder ein Mangel an Disziplin.
Woran erkennt man den Faulen? Man erkennt ihn daran, dass er immer die besten Ausreden hat. Wirklich, das steht in den Sprüchen, Sprüche 22,13. Immer wenn ich daran vorbeikomme, muss ich schmunzeln.
Sprüche 22,13: Der Faule sagt – und jetzt kommt einfach eine Geschichte, bei der du denkst: „Nee, Freund, das ist nicht wahr.“ Der Faule sagt: „Ein Löwe ist draußen, mitten auf den Plätzen, könnte ich getötet werden?“ Nein, nein, Entschuldigung, das ist ein großes Märchen, das ist nicht so. Aber das wirst du ganz oft erleben. Wenn Leute einfach faul sind, erzählen sie Sachen, bei denen du manchmal danebenstehst und sagst: „Nee, Freund, das ist nicht dein Problem. Das nicht. Du hast ein Problem, aber das ist es nicht.“ Der Löwe ist es nicht, glaub mir, das ist etwas ganz anderes.
Das führt natürlich dazu, dass man seine Gaben nicht entfaltet. Wenn du einen Mangel an Disziplin hast – und das kann ja sein – ist Disziplin nicht umsonst eine Gabe des Geistes, des Heiligen Geistes. Sie ist eine Frucht des Geistes oder gehört andersherum zur Frucht des Geistes. Wir haben diesen Fruchtkomplex in Galater 5, und da gehört Disziplin dazu.
Es kann sein, dass du zum Glauben kommst und sagst: „Disziplin oder Selbstbeherrschung ist einfach nicht mein Ding. Habe ich nie gelernt, habe ich zu Hause nicht gelernt, habe ich in der Schule nicht gebraucht, habe immer so ein bisschen meins gemacht.“ Ja, dann willkommen im Club derer, die Disziplin lernen dürfen, fleißig werden dürfen, Treue lernen dürfen – das gehört alles dazu.
Wir können nicht Christ sein und faul sein, das geht einfach nicht. Aber wenn wir es sind, ist das natürlich ein großes Hindernis.
Ein fünfter Punkt, der die Entfaltung von Gaben behindert, betrifft die Gemeinde. Davor hatten wir viele Dinge betrachtet, die den Einzelnen betreffen. Jetzt geht es um ein Thema, das die Gemeinde als Ganzes betrifft.
Eine Gemeinde kann tatsächlich eine mangelnde Sicht auf die Aufgabenteilung haben. Das ist häufig dann der Fall, wenn man die Gemeindeleiter als eierlegende Wollmilchsäue versteht. Also als solche, die, weil sie Leiter sind, bitte auch alles machen sollen. Dahinter steckt oft ein mangelndes Verständnis vom Wert der Aufgabenteilung oder Aufgabenverteilung.
Ich möchte dazu einen bekannten Abschnitt aus der Apostelgeschichte vorlesen, Apostelgeschichte 6. Dort gibt es einen Moment, in dem ein Problem entsteht, das gelöst werden muss. Die Frage ist: Wer macht es? Typisches Gemeindethema. Man hat ein Projekt, eine Aufgabe, und die Antwort lautet oft: Na, die Ältesten, wer denn sonst? Die machen doch eh alles. So könnte man denken, aber hier wird es anders gehandhabt.
Die Apostel, die hier auch ältestenähnliche Funktionen in der Gemeinde übernehmen, weigern sich, den Job zu übernehmen. Es geht nicht um eine Kleinigkeit, sondern darum, dass Witwen, die von weit her nach Jerusalem gekommen sind, bestenfalls wenig Bekanntschaft, aber keine Verwandtschaft haben, beim Verteilen von Essen übersehen werden. Alte Frauen hungern – das ist das Problem.
Wir lesen Apostelgeschichte 6,1-6:
"In diesen Tagen aber, als die Jünger sich mehrten, entstand ein Murren der Hellinisten gegen die Hebräer, weil ihre Witwen bei der täglichen Bedienung übersehen wurden. Die Zwölf aber beriefen die Menge der Jünger und sprachen: Es ist nicht gut, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen und die Tische bedienen."
Das ist ein ganz wichtiger Vers: Es ist nicht gut, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen, also das, wozu wir eigentlich da sind, nicht mehr tun, sondern stattdessen die Tische bedienen – uns also darum kümmern, dass auch die vernachlässigten Witwen versorgt werden.
Die Apostel machen nun einen Vorschlag, der eine Leitungsaufgabe ist. Leitungsaufgabe besteht nicht darin, alles selbst zu machen, sondern der Gemeinde zu sagen, was getan werden muss. Wenn die Gemeinde dann nichts tut, ist das nicht mehr die Verantwortung der Leiter.
Wenn eine Gemeinde ein Problem nicht aus den eigenen Reihen heraus angeht, weil Gott Herzen nicht berührt und Lösungen, die schon mal vorgedacht wurden, nicht umgesetzt werden, dann muss man sagen: Die Gemeinde ist tot. Sie hat kein Recht, weiter zu bestehen. Niemand muss dann einspringen, denn wo Gott Herzen nicht mehr berühren und erwecken darf, liegt ein viel tiefer liegendes, ganz anderes Problem vor.
Hier aber ist die Situation noch gut. Die Apostel sagen:
"So seht euch nun um, Brüder, nach sieben Männern unter euch von gutem Zeugnis, voll Geist und Weisheit, die wir über dieses Geschäft bestellen wollen. Wir aber werden im Gebet und im Dienst des Wortes verharren."
Die Rede gefiel der ganzen Menge, und sie erwählten Stephanus, einen Mann voll Glaubens und Heiligen Geistes, und Philippus, Prochorus, Nicanor, Timon, Parmenas und Nikolaus, einen Proselyten aus Antiochien. Diese stellten sie vor die Apostel, und als sie gebetet hatten, legten sie ihnen die Hände auf.
Ihr seht, wie das läuft: Da ist ein Problem. Die Apostel sagen: Ja, wir könnten es jetzt lösen, wir könnten uns verantwortlich machen für den Dienst an den Tischen. Aber sie tun es nicht. Sie haben einen anderen Schwerpunkt. Sie werden nicht erlauben, dass das Dringliche das Wichtige erschlägt.
Das wäre hier nämlich passiert. Es ist wichtig, dass sie im Wort und im Gebet dienen. Das ist ihr Job. Es ist dringend, sich darum zu kümmern, dass die Witwen nicht verhungern – logisch. Aber sie übernehmen das nicht selbst. Stattdessen sagen sie der Gemeinde, wie das Problem gelöst wird, und die Gemeinde löst es.
Ist das spannend? Die Gemeinde sucht Stellenausschreibungen, schaut, wo sie die Leute findet, und bringt diese dann zu den Aposteln. Die werden dann eingesetzt. So kann es funktionieren.
Wenn du aber in einer Gemeinde bist, wo dieses Konzept nicht gelebt wird, wo die Aufgabenverteilung nicht wirklich umgesetzt wird, führt das dazu, dass nur ganz wenige Leute sich für alles verantwortlich fühlen. Viele, die Gaben hätten, kommen dann nicht zum Zuge.
Wenn die Apostel gesagt hätten: Wir übernehmen den Tischdienst, dann wären Philippus, Prochorus, Nicanor und die anderen nie in ihren Dienst eingesetzt worden, obwohl sie genau das Zeug dazu hatten. Warum auch? Braucht ja keiner, machen doch die anderen.
Deshalb führt eine fehlende Aufgabenteilung in der Gemeinde dazu, dass Gaben nicht zur Entfaltung kommen. Die Entfaltung von Gaben bleibt auf der Strecke – ganz logisch.
Und wenn wir schon bei der Gemeinde sind, dann nehmen wir uns mal ein großes Thema vor: schlechte Organisation. Schlechte Organisation bedeutet, dass Gaben sich nicht entfalten können, weil in der Gemeinde Aufgaben grundsätzlich nicht sauber delegiert werden.
Ein gutes Beispiel dafür, auch wenn es aus dem Alten Testament stammt und wenig angreift, findet sich in 2. Mose 18. Ihr kennt die Geschichte sicherlich: Mose und sein Schwiegervater Jethro. Jethro besucht Mose in der Wüste. Mose war gerade mit dem Volk aus Ägypten ausgezogen. Und wie das so ist: Plötzlich hat man von null auf zwei Millionen Menschen, die geführt werden wollen. Alle freuen sich, dass Mose vorangeht. Das funktioniert auch hervorragend, muss man sagen. Spätestens da, wo es durchs Schilfmeer geht, war klar, wer der Chef ist.
Aber wenn du erst mal Chef bist, kommen die Leute mit allen möglichen Fragen. Ich lese euch das mal vor aus 2. Mose 18: „Und das geschah am Tag darauf, da setzte Mose sich nieder, um dem Volk Recht zu sprechen, und das Volk stand bei Mose von morgens bis zum Abend.“
Spätestens an dieser Stelle denkt man sich: Den Job möchte ich nicht haben. Zumindest geht es mir so. Als aber der Schwiegervater des Mose alles sah, was er mit dem Volk tat, fragte er: „Was ist das, das du mit dem Volk tust? Warum sitzt du allein da, während das ganze Volk von morgens bis zum Abend bei dir steht?“
Eine gute Frage! Er kommt von außen, und manchmal braucht man jemanden von außen, der draufschaut und sagt: Was machst du hier eigentlich? Ich wollte eigentlich mal mit dir einen Kaffee trinken gehen, aber du hast nie Zeit. Und immer wenn ich komme, ist die Schlange genauso lang wie vorher. Das ist logisch: Du kommst hin, siehst eine Schlange von zweihundert Leuten vor dir und gehst erst mal wieder Ziegen hüten. Am Abend schaust du, ob die Schlange kürzer geworden ist. So geht das nicht!
Mose antwortete seinem Schwiegervater: „Weil das Volk zu mir kommt, um Gott zu befragen. Wenn sie eine Rechtssache haben, dann kommt es zu mir, und ich richte zwischen dem einen und dem anderen und gebe ihnen die Ordnungen Gottes und seine Weisungen bekannt.“
Wenn du jemanden fragst, der viel zu viel in der Gemeinde macht, also alles selbst übernimmt, und du fragst, warum er das tut, wird er oft sagen: „Na ja, die Leute sind da, die Aufgaben müssen gemacht werden.“ Ein beliebtes Argument: „Das sind Aufgaben, die müssen halt gemacht werden.“ Also macht er es, weil kein anderer da ist.
Du kannst das so denken, bis jemand von außen kommt und fragt: „Sag mal, wie kommt es, dass du da alleine bist?“ Und der, der in dem Prozess drinsteckt, ist oft so betriebsblind, dass er nicht merkt, dass das System darauf angelegt ist, heißzulaufen und ihn kaputtzumachen.
Mose hätte das nicht gemerkt. Wahrscheinlich hätte er die nächsten vierzig Jahre versucht, alleine dieses Volk als Richter zu begleiten und alles zu regeln. Nun kommt Jethro von außen und sagt: „Das geht nicht, das geht nicht.“
Wie er hier sagt, in Vers 17: „Da sagte Moses Schwiegervater zu ihm: Die Sache ist nicht gut, die du tust. Du reibst dich auf, sowohl du als auch dieses Volk, das bei dir ist. Die Aufgabe ist zu schwer für dich, du kannst sie nicht allein bewältigen.“
Dann macht er ihm einen Vorschlag und sagt: „Du kannst das runterbrechen. Du kannst Leute einsetzen. Du kannst Aufgaben delegieren.“ Klar, du musst dann loslassen. Das ist manchmal ganz schwierig für Leiter. Aber du musst loslassen. Dann wirst du die schwierigen Fälle haben, und unter dir gibt es genug Leute, die mit dir zusammen diese Last tragen.
Er merkt, hier sind wieder Leute, die auch als Richter begabt waren. Vielleicht nicht als Oberrichter, aber doch Leute, die über 50, über 100 oder über 1000 so leiten und richten konnten. Sie sind nicht zum Zuge gekommen. Warum nicht? Weil einer nicht gesehen hat, dass er sich viel zu viel zumutet.
Ein großes Problem ist schlechte Organisation in Gemeinden. Was es in Gemeinden gibt, nämlich dass dort nicht sauber delegiert und verteilt wird, das gibt es natürlich auch im eigenen Leben.
Es kann auch sein, dass Gaben sich nicht entfalten, weil Geschwister ganz grundsätzlich, wenn es darum geht, ihr eigenes Leben zu leben, keinen vernünftigen Ausgleich zwischen Arbeit und Ruhe haben. Logisch, ich werde mich nicht in Aufgaben in der Gemeinde einlassen, wenn ich mein Leben sonst nicht auf die Reihe kriege.
Die meisten Menschen bekommen ihr Leben nicht auf die Reihe, wenn sie nicht einen Ruhetag in der Woche haben, der ihnen Kraft gibt. Dann kannst du auch sechs Tage arbeiten. Aber ich kenne genug Christen, die keinen Ruhetag haben und sich dann wundern, dass irgendwann die Kraft fehlt. Mit der Kraft geht auch die Lust verloren, in der Gemeinde zu dienen.
Wenn es zu viel wird, wird das Leben so anstrengend, dass für die Entfaltung von Gaben keine Kraft mehr bleibt. Das kann daran liegen, dass man den grundlegenden Kräftehaushalt des eigenen Lebens nicht im Blick hat und einem der Ruhetag fehlt.
Ich sage nicht, dass es ein Gebot gibt, einen Ruhetag einzuhalten. Aber ich sage, ich mache einen, und er gibt mir Woche für Woche die Kraft, sechs Tage zu arbeiten.
Ein weiteres Problem kann falsche Prioritätensetzung im Leben sein. Schlechte Organisation kann auch darin bestehen, dass man unnütze Dinge tut und sein Leben mit Zeitfressern füllt, die niemand braucht. Diese hindern einen daran, Zeit für die Gemeinde zu haben.
Lebe ein gesundes, verantwortliches Leben vor Gott, und du wirst auch die Zeit haben, deine Gaben zu entfalten. Tu das nicht, bleiben die Gaben auf der Strecke.
Ein weiterer Punkt ist, dass Gaben sich nicht entfalten, wenn in einer Gemeinde keine Transparenz bezüglich der offenen Aufgaben herrscht. Es ist logisch: Man muss in einer Gemeinde wissen, welche Aufgaben noch offen sind und wo man sich einbringen kann. Wenn das nicht der Fall ist und nur zwei oder drei Personen wissen, wo noch offene Stellen sind und wo Menschen gebraucht werden, trägt das nicht dazu bei, dass Gaben in der Gemeinde zur Entfaltung kommen.
Ein weiterer Grund, warum sich Gaben in Gemeinden nicht entfalten, ist die Angst vor Veränderung. Es gibt Gemeinden, die kaum bereit sind, Neues auszuprobieren. Das ist problematisch, weil manche Gaben von Gott kommen. Gott fragt nicht: "Zeig mir mal deine Gemeindeordnung, was darf ich dir noch an Gaben geben? Was hättest du gern? Was passt in deine Vorstellung von Gemeinde?" Gott sagt vielmehr: "Hier hast du einen Neubekehrten, und er bringt eine ganz neue Gabe mit. Mach mal etwas daraus."
Jetzt trifft dieser Neubekehrte auf eine Gemeinde, die ein Prinzip hat, das wie ein Leitmotiv über ihr steht: "Wir haben das immer schon so gemacht, und so bleibt es auch." Versuche mal, Gaben zu entfalten, wenn dieses Prinzip über allem steht. Natürlich steht dort oft ein Bibelvers, aber wenn so ein starkes Traditionsdenken im Hintergrund mitläuft, wird es schwierig.
Ich bin grundsätzlich für Tradition, und das muss ich an dieser Stelle betonen. Es gibt ja auch die Tendenz, Jugendkirchen zu gründen und ganz moderne Kirchen zu schaffen. Darauf schaue ich auch kritisch, denn ich wünsche mir zwei Dinge. Erstens haben wir sogenannte psychohistorische Bedürfnisse. Das bedeutet: In Gemeinden gibt es eine Generation, die noch den Krieg erlebt hat. Diese Menschen sind mit bestimmten seelischen Bedürfnissen in die Welt gestartet. Wer als Kind den Krieg erlebt hat, trägt seelisch eine Last. Man kann verschiedene Generationen nach dem Zweiten Weltkrieg betrachten und feststellen, dass sie psychohistorisch unterschiedlich geprägt sind.
Die ältere Generation hat ein starkes Sicherheitsbedürfnis. Das zeigt sich in der Einrichtung, in den Lebensläufen und auch darin, dass die Bereitschaft zur Veränderung nicht sehr ausgeprägt ist. Das liegt nicht daran, dass die Älteren einfach verbohrt sind, sondern daran, dass sie – entschuldigt den Ausdruck – durch den Krieg eine „Klatsche“ bekommen haben. Meine Generation hat durch die Eltern eine „Klatsche“ erfahren, und die nächste Generation hat wieder ihre eigenen Belastungen. Psychohistorisch sind diese Generationen tatsächlich voneinander unterscheidbar.
Wir müssen also aufpassen, wenn wir sagen: "Schmeiß alle Traditionen raus." Das darf nicht bedeuten, dass wir die Bedürfnisse der Älteren nach Sicherheit ignorieren oder übergehen. Sie haben ein Recht darauf, in einer Gemeinde Gemeinschaft zu erleben, die ihre Sicherheitsbedürfnisse ernst nimmt.
Gleichzeitig darf es aber nicht so weit kommen, dass aus Rücksichtnahme auf die Älteren und ihre Liebe zur Tradition jede Veränderung blockiert wird. Es darf nicht sein, dass die Älteren das gesamte Gemeindeleben diktieren. Wir brauchen also auf der einen Seite eine liebevolle Haltung gegenüber den älteren Geschwistern mit ihren Bedürfnissen nach Tradition und Sicherheit. Auf der anderen Seite brauchen wir den Blick nach vorne, damit Tradition und Sicherheit nicht zum Totschlagargument für jede Veränderung werden.
Das erfordert Fingerspitzengefühl. Ich bin dagegen zu sagen, wir exportieren die Jugend in Jugendkirchen, wo sie ihr eigenes Ding machen, und lassen die Älteren in ihren Gemeinden „vermodern“. Das erscheint mir nicht biblisch.
Ich glaube, wir müssen in Liebe sehen, wo die Bedürfnisse liegen, und lernen, diese miteinander zu leben. So entsteht eine Gemeinschaft, die sich liebt, gerne Rücksicht nimmt und auch bereit ist, etwas zu wagen.
Das erinnert mich an den Ehekurs, den wir letzte Woche hatten, basierend auf dem Hohen Lied. Wenn man das zweite Kapitel liest, ist das spannend. Das Liebeslied beschreibt die Zeit vor der Hochzeit, was wir als Verlobungszeit bezeichnen würden. Dort werden zwei Charaktere vorgestellt: Er ist der Hirsch, der über die Hügel springt, und sie die Taube, die sich in der Kluft des Felsens versteckt. Er ruft: „Komm raus!“ und lädt sie ein.
Diese beiden Charaktere finden wir auch in Gemeinden wieder. Es gibt die, die sich in den Klüften verstecken und sich nicht so recht trauen, herauszukommen. Sie fürchten sich vor Veränderungen und fragen sich, was wohl passiert, wenn wir zum Beispiel ein neues Liederbuch einführen oder andere Neuerungen in der Gemeinde stattfinden.
Und es gibt die anderen, die immer weiter voranschreiten wollen: „Das ist noch lange nicht genug, es muss noch moderner sein.“ Diese beiden Gruppen müssen sich gegenseitig werbend begegnen.
In der Ehe bedeutet das: Ich nehme meinen Charakter wahr und erkenne, dass ich mit ihm eine Gefährdung für die Beziehung sein kann. Ich weiß, dass ich mit meinem Charakter etwas kaputt machen kann, weil ich entweder zu vorsichtig oder zu forsch bin.
So ist es auch in Gemeinden. Wir brauchen ein Miteinander, das weder zu einer Diktatur der Vorsichtigen führt, die immer sagen: „Wenn du das machst, wirst du mir zum Anstoß.“ Dieses Argument wird oft benutzt, aber in der Bibel bedeutet „Anstoß“ etwas anderes. Es meint einen Anstoß zur Sünde, der dazu führt, dass jemand den Glauben verliert. Das ist viel mehr als nur ein Unwohlsein oder „Das habe ich noch nie so gemacht und möchte es auch nicht.“
Deshalb sollten wir vorsichtig mit solchen Totschlagargumenten umgehen. Gleichzeitig müssen wir auch vorsichtig sein, wenn wir Bedürfnisse leichtfertig übergehen.
Wir brauchen Fingerspitzengefühl im Umgang miteinander, damit sich Gemeinde weiterentwickelt und alle Freude daran haben. Gerade die Jugend, die jungen Hirsche, die immer nach vorne wollen und Neues ausprobieren möchten, brauchen ihren Raum. Gleichzeitig dürfen wir nicht sagen, dass die Gemeinde nicht mehr die der Älteren ist.
Versteht ihr das? Ich will nicht sagen, dass das einfach ist. Aber ich glaube, dass man es in Liebe miteinander leben kann. Die Vorsichtigeren müssen Raum geben, und die Forscherinnen sollten sich auch mal einen Schritt zurücknehmen und etwas länger werben. So schafft man es gemeinsam.
Wenn das nicht gelingt, wenn also Traditionsdenken vorherrscht und Totschlagargumente jeden Schritt nach vorne im Keim ersticken, dann werden sich Gaben in der Gemeinde nicht entfalten. Das ist ja logisch.
Und ein letzter Punkt zum Thema schlechte Organisation: Überzogene Qualitätsstandards.
Ich weiß nicht, ob ihr hier unten in Süddeutschland ein Problem mit Qualität habt. Ihr seid bekannt dafür, dass ihr alles, was ihr macht, richtig macht. Ihr wisst immer genau, wie die Standards einzuhalten sind, und strebt nach Perfektion.
Wie soll ich das formulieren? Ich wünsche euch, dass ihr glauben könnt, dass perfektionistisches Denken Sünde ist. Das ist jetzt ein schwieriger Satz, vor allem für Schwaben, oder? Seid ihr Schwaben? Trifft das zu? Ja, also: Überzogene Qualitätsstandards machen Gemeinde kaputt.
Warum? Wenn du von vornherein sagst, es gibt hier keine Fehlertoleranz – entweder machst du es richtig oder gar nicht –, und wenn jeder weiß, dass so in der Gemeinde gedacht wird, dann ist das problematisch. Das steht zwar nirgends geschrieben, aber jeder weiß: Wenn ich mich hier ausprobiere und es nur halb gut mache, dann bekomme ich so viel Kritik, dass ich das nicht will. Das will ich einfach nicht.
Wenn es also keine Kultur der Wertschätzung gibt, sondern eher eine Kultur der Kritik, und das gepaart mit einem unglaublich hohen Standard, dann macht ihr euch als Gemeinde kaputt. Dann werdet ihr von vornherein Leute davon abhalten, ihre Gaben auszuprobieren. Denn warum sollte ich mir in so einer Gemeinde die Finger verbrennen, wenn ich von allen Seiten höre, wie schlimm das war, wie das überhaupt nicht zum Gottesdienst gepasst hat und warum ich das überhaupt gemacht habe? Jemand anders könnte das doch viel besser – spart euch das.
Wenn ich euch etwas sagen darf: Ich komme aus einem Berliner Hintergrund. Wir haben nicht die Manpower, wir haben nicht die Perfektion. Aber wir haben irgendwann mal gesagt: Es ist uns auch egal. Wenn bei uns jemand eine Moderation macht und sie ist fast gelungen, dann ist das okay.
Wisst ihr, warum das okay ist? Weil er sie gemacht hat. Und vielleicht hat derjenige, der eine fast gelungene Moderation gemacht hat, länger dafür gebetet, dass Gott durch ihn zu Herzen spricht, als der, der das sowieso einfach so aus dem Ärmel schüttelt.
Es gibt diese Typen, die gehen nach vorne, sagen „Haha“ und brennen ein Feuerwerk ab, und du denkst dir: Boah! Dann gibt es Leute, die gehen nach vorne, und du bist dir nach drei Minuten nicht ganz sicher, was sie wollten. Du ahnst, das war die Moderation. Aber wenn sie gebetet haben – glaub mir – dann kann Gott durch die dusseligste Moderation, durch die schlechteste Predigt, durch das grottigste Lied Herzen berühren.
Wir sind doch kein Show-Act, wir sind keine Varieté, in der Leute auftreten und zeigen, was sie gelernt haben. Wir sind eine Gemeinschaft von Gläubigen, die gemeinschaftlich Gott anbeten will. Und wenn du du bist und es nicht so dolle machst, weil du einfach nicht so dolle bist, dann bist du das. Das ist deine authentische Anbetung und dein authentischer Beitrag.
Deshalb mein Wunsch an alle, die sich vom Trend verführen lassen, Gemeinde wie eine Varieté oder Show zu leben, wo nur die Besten nach vorne dürfen – nur die mit Ausstrahlung, die ihre Instrumente beherrschen und Predigten halten, bei denen man von der ersten bis zur letzten Minute an den Lippen des Predigers hängt – vergesst das! Das ist nicht Gottesdienst, das ist Show!
Und wie viel von dem, was du da siehst, in den Herzen der Leute authentisch ist? Wisst ihr, ich möchte Authentizität. Gott will das übrigens auch. Und ich verspreche euch: Bekehrungen haben nichts mit der Qualität eurer Gottesdienste zu tun. Das garantiere ich euch. Ich habe Bekehrungen bei Gottesdiensten erlebt, die gar nicht auf Bekehrung ausgerichtet waren. Aber Gott macht das einfach.
Deswegen scheitert Authentizität häufig an überzogenen Qualitätsstandards, an perfektionistischem Denken in der Gemeinde. Weil man nicht wirklich mit dem Wirken Gottes rechnet oder glaubt, Gott könne nur wirken, wenn bei uns auch alles perfekt läuft. Vergesst es!
Ich finde es nach wie vor toll: Wir hatten manchmal, jetzt während Corona war alles anders, Open Worship. Jeder bringt sein Musikinstrument mit. Die Lieder werden vorgegeben, sodass jeder üben kann, wenn er will. Dann hast du einfach eine Gemeinde voller Leute, die ihre Instrumente dabei haben, und wir singen und spielen miteinander. Du hast halt alles dabei.
Ich finde das so schön. Natürlich klingt das an manchen Ecken im Raum ein bisschen gruselig, das ist mir klar. Ja, logisch, wenn jemand gerade dabei ist, ein Instrument zu lernen und seine Ukulele zum gefühlt fünften Mal spielt, dann ist das neben ihm bestimmt nicht immer ganz harmonisch.
Aber weißt du was? Das Herz von jemandem zu erleben, der sagt: „Weil ich meinen Gott liebe, will ich ihm spielen“ – unbezahlbar. Unbezahlbar!
Und das geht kaputt, wenn wir uns Standards auferlegen und sagen: Solange du nicht an unseren Perfektionismus rankommst, hast du hier nichts verloren. Vergesst es!
Unter dem Stichwort „schlechte Organisation“ wurden bereits einige Punkte genannt, bei denen sich vielleicht der eine oder andere wiedererkannt hat und an denen gearbeitet werden kann.
Ein ganz letzter, siebter Punkt trägt ebenfalls dazu bei, dass Gaben sich in Gemeinden nicht entfalten können. Dieser Punkt betrifft Menschen, die überhaupt nicht gläubig sind – das ist auch logisch. Wenn jemand religiös ist, aber nicht wiedergeboren, wenn jemand nicht mitarbeitet und sich nicht in die Gemeinde einbringt, dann kann dies ein Symptom dafür sein, dass diese Person gar nicht den Heiligen Geist hat.
Das kann immer der Fall sein. Wenn Leute sich so raushalten, kann es im günstigsten Fall nur an einem Mangel an Bruderliebe liegen. Vielleicht ist auch zu viel Weltlichkeit und Individualismus vorhanden oder es gibt ein bisschen schlechte Organisation. Aber leider kann es auch immer ein Zeichen dafür sein, dass jemand noch nicht wirklich zum Glauben durchgedrungen ist. Stattdessen ist die Person nur ein Stück weit religiös geworden, findet Gott grundsätzlich gut, aber wagt nicht den letzten Schritt.
Der Apostel Paulus sagt einmal, dass es einen Prediger braucht, damit jemand das Evangelium versteht. Wenn ich das Evangelium verstanden habe, weiß ich, woran ich glauben soll. Manche Menschen bleiben jedoch auf der Ebene stehen, dass sie das Evangelium verstanden haben und wissen, woran sie glauben sollen, ohne den letzten Schritt zu tun.
Der letzte Schritt lautet: Ich rufe den Herrn Jesus an, dass er mich rettet. Es reicht nicht, einfach nur zu glauben und das Evangelium für wahr zu halten. Wir müssen auch die logische Konsequenz wagen und den Herrn Jesus anrufen und sagen: Herr Jesus, ich habe das Evangelium verstanden, bitte rette mich, komm in mein Leben, werde in meinem Leben Herr. Schenke mir, dass ich von Neuem geboren werde, dass dein Geist bei mir einzieht und dass ich von innen heraus neu gemacht werde, um den Geschwistern zu dienen.
Ich möchte das mit zwei Bibelstellen abschließend unterlegen. Zum einen Apostelgeschichte 2. Das sind die ersten Gläubigen nach der Pfingstpredigt und die erste Gemeinde, die entsteht. Das bedeutet, es ist das erste Mal, dass Menschen vom Heiligen Geist erfüllt werden – und zwar in großem Maßstab. Es kommen einige Tausend Menschen zum Glauben.
Schaut euch an, was der Geist Gottes macht. In Apostelgeschichte 2, Vers 42 heißt es, direkt nach der Taufe von dreitausend Menschen: „Sie verharrten aber in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten.“ Sie verharren darin.
Das bedeutet: Der Geist Gottes kommt, und sofort werden Menschen Teil einer Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft will miteinander lernen, Gemeinschaft haben, zusammen sein, Abendmahl feiern und beten. Das sind alles Dinge, die man schlecht allein machen kann, sondern die gemeinschaftliche Aspekte sind.
Der Geist Gottes kommt, und die Menschen werden Teil einer Gemeinschaft. Warum? Weil mit dem Geist Gottes das Herz des Messias in unsere Herzen kommt. Wenn man den Messias fragt, wie er über die Gläubigen denkt, dann kenne ich keine schönere Stelle als Psalm 16. Dieser Psalm ist ein messianischer Psalm, in dem von der Auferstehung des Herrn Jesus gesprochen wird.
In diesem messianischen Psalm heißt es über die Gläubigen, in Psalm 16, Vers 3 – ich lese das für mich immer als „Das ist das Herz des Messias“ – so denkt der Herr Jesus im Himmel über die Person, die in der Gemeinde neben dir sitzt: „An den Heiligen, die auf Erden sind, an den Herrlichen ist all mein Wohlgefallen.“
Wenn das unser Herz ist, wenn die Heiligen, die Herrlichen diejenigen sind, an denen ich mich freue, weil der Herr Jesus sich an den Geschwistern in meiner Gemeinde so unendlich freut, dann will ich das auch tun. Stellt euch vor, das wäre da.
Mit dem Heiligen Geist kommt eine Liebe zu den Geschwistern, eine Bewunderung der Geschwister, die Fähigkeit, in der Schwester oder dem Bruder neben mir das Wunder zu sehen, dass er oder sie in Gottes Augen wertvoll ist. Wenn ich das sehen kann, dann bin ich gerne bereit, mich von Gott mit meinen Gaben als Geschenk an dieses Wunder einzusetzen.
Das ist es, was ich euch wünsche.
Zusammenfassend möchte ich die sieben Hindernisse noch einmal kurz wiederholen: Ein Mangel an Bruderliebe, der Punkt „Ich kenne meine Gabe nicht“, überzogener Individualismus oder eine gewisse Weltlichkeit, Faulheit, also die fehlende Wertschätzung der Aufgabenteilung in der Gemeinde, verschiedene Aspekte schlechter Organisation und zum Schluss Unglaube oder bloße Religiosität.
Diese Dinge können in einer Gemeinde dafür sorgen, dass Gaben sich nicht entfalten. Das führt letztlich dazu, dass wir als Gemeinde nicht so als Team funktionieren, wie Gott es ursprünglich gedacht hat.
Amen!
Vielen Dank an Jürgen Fischer, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!
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