Ihr habt euch vorgestern durch Römer 9 bis 11 gearbeitet. Das war mit Sicherheit der schwierigste Teil im Römerbrief. Heute kommen wir zu dem Abschnitt, von dem ich denke, dass er am einfachsten ist. Nicht unbedingt in der Umsetzung, denn er enthält eine ganze Menge interessanter Aufforderungen. Aber er ist nicht so schwer zu verstehen, zumindest der größte Teil davon ist relativ einfach.
Ihr ahnt schon: Die einfachen Dinge sind oft nicht die, die uns im Alltag am leichtesten fallen. Wir befinden uns also im Römerbrief in den Kapiteln 12, 13, 14 und 15. Wir wollen den fünften Teil betrachten: Praktische Aspekte eines geheiligten Lebens. Paulus beginnt hier in Kapitel 12 mit dem Teil, den wir als Anwendung bezeichnen würden.
Hinter uns liegen elf Kapitel Theorie. In den Kapiteln davor haben wir uns damit beschäftigt, wie Gott zur Menschheit steht. Die Antwort lautet: Er offenbart den Menschen als Sünder. Gott und Mensch stehen im Krieg zueinander. Gott gießt seinen Zorn über den Menschen aus. Er lässt ihn gewähren und die Folgen seines Handelns auskosten. Gleichzeitig konfrontiert er ihn mit der Tatsache, dass er sich nicht aus eigener Kraft retten kann, dass er ein verlorener Sünder ist.
Das waren die ersten Kapitel bis etwa Kapitel 3, Vers 20. Der erste Teil zeigt, dass Gott den Sünder verdammt, weil er gerecht ist. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Errettung des Menschen. Wie wird der Mensch gerettet? Die Antwort lautet: Durch Glauben. Es ist ein Akt der Gnade. Rettung kann man sich nicht erarbeiten. Man muss sie im Glauben empfangen. Dieses Konzept zieht sich durch die ganze Bibel, sowohl im Alten als auch im Neuen Testament.
Beim letzten Mal haben wir uns mit der Frage beschäftigt: Wenn das stimmt, wenn das Evangelium sich darauf konzentriert, dass ein verlorener Mensch durch die Schuld seiner Sünde gerettet wird – hat das praktische Auswirkungen auf die Macht der Sünde und deren Gegenwart im Leben?
Der dritte Teil, überschrieben mit „Durch Gottes Gnade wird jedes Kind Gottes zum Überwinder“, zeigt uns kurz, wie das funktioniert. Ihr erinnert euch vielleicht an Römer 5, Verse 12 und folgende. Dort wird beschrieben, wie die Sünde als Macht in die Welt kommt und den Menschen versklavt. Doch durch das Evangelium werden die Ketten, die uns binden, zerbrochen. Plötzlich stehen wir unter einer neuen Macht – nicht mehr unter der Macht der Sünde, sondern unter der Macht der Gnade.
In unserem Leben sind nun beide Kräfte präsent: Zum einen die Erinnerung und teilweise auch Verhaltensmuster, die an unser altes Leben erinnern – die Sünde. Zum anderen die neue Macht, die Gnade. Paulus fordert uns auf, uns aktiv darauf einzulassen und diesen Kampf aufzunehmen. Wir sollen nicht mehr unsere Glieder der Sünde zur Verfügung stellen als Werkzeuge der Ungerechtigkeit.
Wir haben uns mit der Frage beschäftigt: Wenn Gott ein Gebot gibt, wie sollen wir dann mit diesem Gebot umgehen? Ist das Gebot an sich schlecht? Nein, natürlich nicht. Das Problem ist, dass wir es nicht halten können. Warum? Weil wir als Christen noch nicht vollständig erlöst sind. Wir warten auf die Vollendung der Erlösung, wenn unser Leib – dieser Stützpunkt, den die Sünde noch innehat – endgültig weggetan wird.
Dieser Körper ist der Brückenkopf, von dem aus ständig neue Angriffe der Versuchung und Unterwerfung in unser Leben starten. Wenn dieser Körper einmal erlöst ist, wird dieser Kampf enden. Ich hoffe, ihr erinnert euch an das Ende von Kapitel 8. Dieser Kampf fällt uns manchmal schwer. Es ist ein Kampf, den wir nicht immer gewinnen. Paulus sagt, solange wir auf die Erlösung des Leibes warten, seufzen wir.
Christsein bedeutet nicht, von Sieg zu Sieg zu gehen und ständig Halleluja zu rufen. Vielmehr heißt es, die eigene Schwäche zu erkennen, sie zu durchleben und zu durchleiden. Wir leben unter der Gnade – einer Gnade, die wir jeden Tag aufs Neue brauchen. Es gibt keinen Tag, an dem wir abends ins Bett gehen und sagen: „Heute habe ich deine Gnade nicht gebraucht, Herr, vielleicht morgen wieder.“ Diesen Tag wird es nicht geben.
Was wir brauchen, ist die sichere Gewissheit, dass die Liebe Gottes zu uns – die Liebe Christi, die sich darin zeigt, dass Christus für uns gestorben ist – so umfassend und stark ist, dass nichts uns aus dieser liebenden Hand Gottes reißen kann. Kein Versagen, das in unser Leben kommen kann, hat diese Kraft.
Die praktische Antwort auf Gottes Gnade
Wenn wir das verstanden haben, wenn wir begriffen haben, wie sehr Gott uns liebt, was bedeutet das nun für unser praktisches Leben?
In Kapitel 12, Vers 1 sagt Paulus – und das ist die Antwort auf Gottes Gnade: „Ich ermahne euch“ oder „Ich ermuntere euch“. Das Wort ist hier breit gefasst. Paulus sagt: „Ich ermahne euch nun, Brüder und Schwestern, durch die Erbarmungen Gottes.“ Wenn wir das ganze Handeln Gottes betrachten, was wir im Evangelium sehen, dann sagt Paulus hier Folgendes:
Er möchte jetzt nicht als Apostel auftreten. Er hätte sich mit seiner apostolischen Autorität hinstellen und sagen können: „Ich bin Apostel, und jetzt sage ich euch, wo es langgeht.“ Doch was er tut, ist etwas ganz anderes. Er fordert uns auf, noch einmal über das nachzudenken, was er uns eben erzählt hat – über Gottes Barmherzigkeit.
Er sagt: Denkt darüber nach, wie tief Gott dich liebt, wie sehr Gott investiert hat, um dich zu retten. Überlegt euch, wenn das stimmt, wenn Gott sich so sehr für dich eingesetzt hat, was die logische Folge oder die richtige Reaktion darauf sein sollte.
Wir machen das bei unseren Kindern ja auch so. Wenn wir Besuch bekommen und kleine Kinder da sind, sagen wir ihnen: „Hört zu! Wenn der Besuch reinkommt, dann ist das ein Gast. Geht hin, begrüßt ihn freundlich, schaut ihm in die Augen und stellt euch vor.“ Das ist einfach logisch. Ein Gast hat einen bestimmten Wert. Als Gast hat er das Recht, dass meine Kinder aus Höflichkeit hingehen und sich freundlich vorstellen. Dabei in die Augen zu schauen, ist ein Zeichen von Respekt.
Die meisten von uns haben ihren Kindern irgendwann beigebracht, dass es unhöflich ist, sich in eine Ecke zu verkrümeln, wenn Besuch da ist. Das macht man einfach nicht. Es ist logisch.
Jetzt die gleiche Frage: Gott kommt in mein Leben hinein, Gott beschenkt mich. Was ist die richtige Reaktion im Leben eines Menschen darauf?
Paulus sagt: „Ich ermahne euch nun durch die Erbarmungen Gottes.“ Was ist also die Motivation, die richtige Motivation für Gehorsam? Paulus antwortet: Gnade. Die Grundlage aller Ethik ist Dankbarkeit.
Noch einmal: Die Grundlage aller Ethik ist Dankbarkeit. Ich überlege mir, was Gott mir geschenkt hat. Deshalb lohnt es sich, über Römer 1-8 nachzudenken, um zu begreifen und zu sagen: „Wow!“
Deswegen dieser kleine Ausflug in die Hoffnung – sich einfach mal zurückzunehmen und zu fragen: Worauf hoffe ich eigentlich? Womit bin ich beschenkt? Was ist dieses Leben eigentlich im Vergleich zu dem, was noch kommt?
Erinnert euch nur an Römer 5, nur an die ersten elf Verse: Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott, Hoffnung. Selbst die Schwierigkeiten können uns nicht überwinden. Wir haben Sicherheit und freuen uns an Gott. Es ist einfach ein Blumenstrauß an Segnungen.
Das Leben als Opfer für Gott
Was mache ich mit diesem Blumenstrauß? Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, gottwohlgefälliges Opfer.
Wenn du sagst: „Ich habe wirklich verstanden, wie sehr Gott mich liebt“, oder „Ich habe angefangen zu verstehen“, denn das wird den Rest deines Lebens noch weitergehen, „Ich habe angefangen zu verstehen, wie sehr Gott mich liebt“, dann ist die richtige Reaktion, dass wir unsere Leiber – das ist der sichtbare Mensch, der Teil in uns, der die größten Schwierigkeiten damit hat, Gott zu gefallen, weil er nämlich in diesem Kampf mit der Sünde so ganz praktisch drinsteht – als ein Opfer darstellen. Dass wir damit anfangen, das endlich zu tun.
Also in dem Moment, wo ich anfange, über Gott nachzudenken und das begreife, soll ich innerlich eine Entscheidung fällen. Ich soll die Entscheidung fällen: Wenn Gott mich so sehr geliebt hat, dann werde ich jetzt aber Vollgas für ihn da sein. Und ich werde jeden Tag etwas opfern. Und das, was ich opfere, das ist mein Leib, und zwar zur Verherrlichung Gottes.
Ich werde meinen Leib, meinen Körper hingeben. Jetzt könnt ihr überlegen, was das für Elemente sind. Es ist ganz schön. Es gibt einen alten Kirchenvater, der hat die Frage gestellt: Wie kann mein Leib ein Opfer sein? Und dann hat er die Frage beantwortet. Das war Chrysostomos. Er sagt: „Lass dein Auge keine bösen Dinge anschauen, und schon ist es ein Opfer geworden. Lass die Zunge nichts Übles sagen, lass deine Hand nichts Böses tun!“ Und darüber hinaus braucht es gute Werke. Die Hände sollen Almosen geben, der Mund soll die segnen, die ihn verfluchen, und das Ohr soll Zeit finden, um auf das Lesen von Gottes Wort zu hören.
Ganz simpel, nicht kompliziert. Chrysostomos, paar hundert Jahre alt, also weit über tausend Jahre alt, so einfach.
Du sagst: Gott hat mich geliebt, und du hast das verstanden? Bitte, dann gib das, was du bist, gib dich, deinen Körper, das, was dich auszeichnet, hin als ein lebendiges, heiliges, gottwohlgefälliges Opfer. Lebendig – im Gegensatz zum Alten Testament, wo die Opfer danach tot waren. Also wir bleiben lebendig, heilig – heilig, wir trennen uns vom Bösen. Unser Gottesdienst ist ein moralischer Gottesdienst, und er ist Gott wohlgefällig.
Es stimmt eben nicht, dass man sagt, wir können Gott nichts geben. Das stimmt nicht. Gott sagt doch: Du kannst mir was geben, du kannst aus Dankbarkeit mir dein Leben schenken. Und Gott möchte das.
Die Bedeutung kleiner Zeichen der Liebe
Es ist ganz interessant, denn eigentlich würden wir denken: Das ist doch nichts. Gott kann irgendwie alles haben, Gott gehört alles. Warum will Gott mein Leben? Warum will er gerade diese kleinen Momente, in denen ich mich entscheide, ihm zu gehorchen? Warum sind ihm diese so wichtig?
Die Antwort lautet: Weil sie Ausdruck einer gelebten Beziehung sind. Warum ist es dir in deiner Beziehung wichtig, dass dein Freund oder dein Ehepartner sich an kleine Bedürfnisse erinnert? Oft sind das ja klitzekleine Belanglosigkeiten.
Ich zeige euch ein Beispiel für eine solche Kleinigkeit: Das ist ein gelber Leuchtmarker von einer bestimmten Firma. Diesen Leuchtmarker darf bei uns zuhause nur Papa benutzen. Jetzt lacht ihr vielleicht, aber das hat einen einfachen Grund: Papa braucht unendlich viele Leuchtmarker und sucht ständig danach, weil sie oft verschwinden. Deshalb haben wir beschlossen, dass es eine Sorte von Leuchtmarkern gibt, die für alle tabu ist.
Es gibt ja viele verschiedene Marken. Wenn du einen gelben Leuchtmarker willst, kauf dir einfach eine andere Firma. Aber diese Sorte, diese Form und Größe – das ist Papas Größe. Wenn der irgendwo rumliegt, ist er meiner. Nimm ihn nicht weg, tu ihn nicht in deine Stiftebox, benutze ihn nicht – er gehört mir.
Manche würden sagen, das sei übertrieben. Ja, das stimmt, wenn du nicht regelmäßig einen Leuchtmarker benutzt und noch nie durch eine Wohnung geirrt bist, um einen zu finden. Oder wenn du nicht schon oft erlebt hast, dass ein Leuchtmarker nach dem fünften Strich seine Leuchtkraft verliert, du aber noch zwanzig Seiten durchzuarbeiten und anzustreichen hast. Und das Ganze passiert bei mir immer kurz bevor ich predige. Dann verstehst du das nicht.
Aber es ist ein Ausdruck von Liebe, wenn diese Kleinigkeit von meiner Familie eingehalten wird. Ich freue mich darüber, dass meine Familie mich so lieb hat, dass wenn Bärbel sich einen gelben, großen Leuchtmarker kauft, sie sagt: „Ja, genau, das ist gut, dass du das hast.“
Seht ihr den Unterschied? Das ist einfach eine andere Firma. Es ist ein kleines Zeichen von Liebe. Und genau das ist es, was Gott sich wünscht.
Wir können ihm nicht viel geben. Wir können ihm nicht wirklich angemessen antworten auf das, was er uns geschenkt hat. Er vergibt uns die Schuld, schenkt uns ewiges Leben und macht uns zu Miterben Christi. Du bekommst ein ganzes Sonnensystem geschenkt – einen neuen Himmel, eine neue Erde. Nicht das verkorkste Ding, das wir gerade haben, nicht das, was Hubble sieht, sondern die neue Version 2.0, komplett erneuert und neu gemacht.
Das bekommst du einfach geschenkt. Und dann überlegst du: Was könnte ich tun? Gott sagt: Kein Problem, ich will gar nicht viel. Aber ich will etwas, das mir wohlgefällig ist, das, was mir gefällt.
Wenn du darüber nachdenkst, womit du mir zeigen könntest, dass dir die Beziehung, die ich dir geschenkt habe, etwas wert ist – die Beziehung zwischen Vater und Sohn –, dann mach doch Folgendes: Bring an der Stelle, wo es dir wehtut, wo dein Leib in einem echten Konflikt steht, deinen Leib als Opfer dar. Denn das ist, wie es hier heißt, euer vernünftiger Gottesdienst.
Hier ist natürlich nicht das gemeint, was am Sonntagvormittag passiert, sondern ein vernünftiger Gottesdienst ist unser ganzes Leben als Dienst für Gott. Das Wort „vernünftig“ wird gebraucht, um den Menschen vom Tier zu unterscheiden oder eine auf Vernunft begründete Anbetung vom Aberglauben.
Ein vernünftiger Gottesdienst ist also ein Gottesdienst, bei dem der, der ihn tut, nachgedacht hat. Er ist logisch richtig – ein klares „Ja, logisch, was habe ich denn zu investieren?“ Ich kann mein Leben investieren. Und Gott sagt: Ja, das hätte ich gerne.
Und das nicht in einem asketisch-frömmelnden Sinn. Nicht dieses „Okay, ich werde mal...“ und dann kommen Vorschläge, als Eremit in die Wüste zu gehen, mich auf eine Säule zu setzen und den Rest meines Lebens dort zu verbringen, ohne jemandem zu nützen. Es gibt Ansätze, die so ins Asketische abdriften, und ich werde später noch sagen, dass das genauso falsch ist.
Gott möchte dein Leben so praktisch, so wie es ist, auf einem heiligen, das heißt moralisch einwandfreien Level. Wir bringen ein heiliges Opfer. Unser Opfer hat eine moralische Qualität. Wir trennen uns vom Bösen. Darin bringen wir unser Opfer.
Nicht, indem wir uns vom Essen bestimmter Sachen enthalten oder nicht heiraten oder ähnliches – darum geht es überhaupt nicht. Sondern wir leben ein heiliges Leben und sagen bewusst Ja zu diesem heiligen Leben.
In dem Moment, in dem wir das tun, bringen wir Gott das, was er möchte: ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer.
Die Erneuerung des Denkens als Grundlage der Veränderung
Wie funktioniert das, und wie kann man das erreichen?
Vers 2 sagt: „Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung des Sinnes.“ Das bedeutet: Werdet verwandelt oder lasst euch umgestalten. Für alle, die sich für Grammatik interessieren: Das ist ein Imperativ Präsens Passiv. Imperativ bedeutet ein Gebot – du musst dich auf etwas einlassen. Diese Veränderung geschieht nicht einfach von selbst. Du brauchst eine Bereitschaft und sollst diesen Veränderungsprozess aktiv unterstützen.
Es handelt sich um ein Passiv. Das unterstreicht, dass du diese Veränderung nicht aus eigener Kraft hervorbringen kannst. Der Veränderungsprozess kommt von außen, von einer Kraft, die in dein Leben hineinkommt. Noch einmal: „Seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt, lasst euch umgestalten.“
„Lasst euch umgestalten durch die Erneuerung des Sinnes.“ Gott möchte in uns einen Veränderungsprozess vorantreiben, der zuerst auf der Ebene des Sinnes stattfindet. Sinn ist ein Wort, das heute kaum noch verwendet wird. Gemeint ist unser intellektuelles und moralisches Unterscheidungsvermögen, unser Denken. Werdet verwandelt durch die Erneuerung des Denkens.
Was Gott möchte, ist, dass ein Christ die Fähigkeit gewinnt, klar zu denken. Und was Gott fordert, ist, dass wir uns auf einen Prozess des Umdenkens und Neulernens einlassen – nicht aus eigener Kraft. Im Moment der Bekehrung schenkt Gott uns zwei Dinge: das eine ist ein neues Herz, das andere ein neuer Geist. Beides steht in Hesekiel 36.
Das neue Herz, das Gott uns schenkt, ist ein inneres, neues Wollen und Bejahen von Gottes Wegen. Der Moment der Bekehrung ist der Moment, in dem ich vor Gott zerbreche. Mein alter Mensch stirbt am Kreuz mit Jesus. Der Schuldschein, der gegen mich ausgestellt ist, wird bezahlt. Weil Gott in mir Glauben sieht – einen echten Glauben, der sich hundertprozentig auf die Gnade Gottes verlässt –, sagt Gott: „Okay, ich schenke dir jetzt ein neues Herz.“
Ich habe gegeben, was ich geben konnte: den Glauben. Ich habe aufgehört zu kämpfen, habe die weiße Fahne gehisst und gesagt: „Ich gebe auf“ oder wie es in Lukas 18 heißt: „Gott, sei mir Sünder gnädig.“ Mehr kann ich nicht tun. Jetzt startet Gott in mir, indem er mir zuerst ein neues Herz schenkt – denn das Alte taugt für den Heiligungsprozess, der vor mir liegt, nicht mehr – und seinen Geist dazugibt.
Ihr erinnert euch an Römer 8: das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus. Das ist das Lebensprinzip eines lebensspendenden Geistes. Wir tragen Gottes Geist in uns, der dafür sorgt, dass das, was Gott eigentlich will – seine Gebote, seine Moral, seine Ethik – in uns verwirklicht wird.
Durch die Erneuerung des Sinnes in uns startet ein Veränderungsprozess. Der Heilige Geist möchte die Gebote Gottes auf unsere Herzen schreiben. Der Begriff „die Gebote auf ein Herz schreiben“ bedeutet in der Bibel, dass man viel darüber nachdenkt. Es ist ein bildhafter Ausdruck dafür, was auf meinem Herzen geschrieben ist. Im Alten Testament steht das Herz für unser Denken – etwas, worüber ich immer wieder reflektiere und was präsent ist.
Wenn du zum Beispiel ein großer Hertha BSC-Fan bist – ich meine die Sorte, die Wimpel im Auto hängen hat, einen Schal trägt und Aufkleber besitzt –, dann weißt du, dass auf seinem Herzen Hertha BSC geschrieben steht. Einfach, weil er ständig darüber nachdenkt. Genau das möchte Gott in uns bewirken.
Der Heilige Geist will die Gebote auf unsere Herzen schreiben. Er benutzt dazu das Wort Gottes und erinnert uns daran. So wie bei den Jüngern lehrt er uns das Wort Gottes. Niemand kann ein guter Bibellehrer sein ohne den Heiligen Geist. Er offenbart uns auch Dinge, die wir verstehen müssen.
Unsere Aufgabe ist es nun, diesen Veränderungsprozess zuzulassen. Der Geist Gottes will uns lehren und weiterführen. Wenn uns etwas klar wird – sei es durch eine Predigt, Bibellese, ein gutes Buch oder eigenes Nachdenken –, sollen wir das, was wir erkennen, an uns heranlassen und in unser neues Denken einbauen.
Gott möchte eine Revolution unseres Denkens. Christsein ist mehr als eine neue Haltung. Christsein ist eine neue Weltanschauung. Christsein verändert alle Bereiche unseres Denkens, bei manchen mehr, bei anderen weniger.
Darum heißt es: „Sondern werdet verwandelt oder lasst euch umgestalten durch die Erneuerung des Sinnes, damit ihr prüfen mögt, was der Wille Gottes ist.“ (Römer 12,2)
Geistliches Unterscheidungsvermögen und Selbsteinschätzung
Was der Apostel hier schreibt, bedeutet, dass Gott von uns nicht nur Gehorsam erwartet, sondern auch geistliches Unterscheidungsvermögen. Und das ist ganz wichtig. Ich möchte das erklären.
Die meisten Situationen im Leben lassen sich nicht durch eine einfache Regel beschreiben oder lösen. Wenn du lebst, die Bibel liest und als junger Christ denkst, es gibt für jedes Problem irgendwo einen Bibelvers, dann stimmt das nur für viele einfache Probleme. Zum Beispiel: Darf ich bei Aldi Schokolade klauen oder muss ich bezahlen? Dafür gibt es klare Gebote.
Aber wenn du ein bisschen länger lebst und deine Probleme komplexer werden, stellst du schnell fest: Leben funktioniert so, dass Gott uns seine Gebote gibt. Doch ab und zu kommen Situationen, in denen ich überlegen muss, welche Gebote eigentlich gelten. Wenn zwei Gebote, sogenannte Schutzziele, gegeneinanderstehen, muss ich abwägen, welches wichtiger ist. Es ist nicht immer so einfach, dass es für jedes Problem eine Regel gibt. Oft gibt es zwei oder drei Ansätze.
Wenn du mit mir über Seelsorge sprichst, wirst du oft folgendes Prinzip hören: Lass uns erst die Eckpunkte abstecken. Also, wo stehen wir? Hier ist mein Problem, und wo sind die Eckpunkte, an denen wir nicht vorbeigehen dürfen? Dann schaut man sich diese Eckpunkte an und erkennt, dass das eigentliche Problem in der Mitte liegt. Von den Eckpunkten aus nähert man sich dem Problem an und überlegt, wie es gelöst werden kann.
Denn dort, wo Sünde das Leben eines Menschen und einer ganzen Gesellschaft verzerrt, sind einfache Lösungen oft falsch und echte Ausnahmen. Deshalb sagt Gott, er erwartet von seinen Kindern nicht nur einen sturen, kindlichen Gehorsam.
Gott erwartet Gehorsam, aber wenn wir unseren Kindern etwas beibringen, geschieht das auf einem anderen Niveau. Natürlich bringe ich meinen Kindern die Gebote Gottes bei und sage ihnen, was sie dürfen und was nicht. Irgendwann werde ich sagen: Jetzt kommen wir zu den Feinheiten in der Anwendung.
Einem Kind sage ich: Du darfst nicht lügen. Wenn es älter wird, sage ich: Es gibt Ausnahmen, die muss man genau festhalten. Aber du kannst nicht in jeder Situation sagen, das höchste Gebot aller Gebote sei immer die Wahrheit zu sagen. Das stimmt nicht einmal für die Bibel.
Wir brauchen Beurteilungskompetenz, um den Willen Gottes in der jeweiligen Situation zu erkennen. Das beginnt damit, dass ich mir die Gebote Gottes erklären lasse, sie durchdenke, Prinzipien ableite und verstehe, wie Gott ist und wie er über bestimmte Dinge denkt. Dabei erkenne ich, dass bei Gott eine Priorisierung stattfindet: Menschen sind wichtiger als Dinge, das Ewige ist wichtiger als das Zeitliche. Das muss ich irgendwann verstehen.
Dann werde ich hoffentlich jemand, der in der Lage ist, in der jeweiligen Situation zu prüfen: Was ist jetzt richtig? So heißt es: "Prüft aber alles und das Gute behaltet." (1. Thessalonicher 5,21) Ihr sollt prüfen, was der Wille Gottes ist – nämlich das Gute, das Wohlgefällige und das Vollkommene.
Das Vollkommene entspricht genau Gottes Charakter. Jesus sagt in der Bergpredigt: "Ihr sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist." (Matthäus 5,48) Ein ganz wichtiger Punkt: Heiligung bedeutet nicht nur zu verstehen, was richtig und falsch ist. Heiligung heißt auch, fähig zu werden, Gottes Willen zu erkennen und in diesem Prozess reifer zu werden.
Deshalb gibt es im Kolosserbrief ein Gebetsanliegen, das ich euch ans Herz legen möchte. Es steht in Kolosser 1,9-10. Wenn ihr nicht wisst, was ihr beten sollt, könnt ihr dieses Gebet immer sprechen. Es ist ein sehr gutes Gebetsanliegen für die Fürbitte.
So heißt es in Kolosser 1,9: "Darum hören auch wir nicht auf, von dem Tag an, da wir es gehört haben, für euch zu beten und zu bitten, dass ihr mit der Erkenntnis seines Willens erfüllt werdet in aller Weisheit und geistlichem Verständnis, damit ihr des Herrn würdig wandelt."
Den Willen Gottes für das eigene Leben zu erkennen, ist keine einfache Aufgabe. Es verlangt Nüchternheit, Unterscheidungsvermögen, ethische Prinzipien – und noch etwas. Paulus spricht jetzt davon: Es verlangt Selbsteinschätzung.
In Römer 12,3 heißt es: "Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass ihr nicht höher von euch denken sollt, als ihr denken sollt, sondern dass ihr besonnen seid, wie Gott einem jeden das Maß des Glaubens zugeteilt hat."
Paulus sagt, worauf es im Christsein hinausläuft: Besonnenheit, die richtige Selbsteinschätzung.
Wenn es um Selbsteinschätzung geht, kann man auf zwei Arten vom Pferd fallen. Oft sieht man nur die eine Seite: dass jemand hochmütig wird, sich für etwas Besonderes hält und auf andere herabsieht, weil er vielleicht begabter ist. Es fehlt ihm an Bescheidenheit. Das ist, wenn jemand "höher von sich denkt, als zu denken sich gebührt."
Aber es gibt eine zweite Seite, die auch in christlichen Gemeinden verbreitet ist und der Gemeinde schadet: Wenn jemand ständig sagt: "Das kann ich nicht." Leute, die eine Gabe haben, aber nicht dazu stehen und sich nicht aus ihrem Winkel trauen.
Es gibt also auf der einen Seite den Stolzen und auf der anderen Seite den übertrieben Bescheidenen, der sagt: "Nein, nein, das bin ich nicht." Beides ist falsch.
Geistliche Reife bedeutet, die Mitte zu finden, besonnen über sich selbst nachzudenken: Wer bin ich? Was kann ich? Wo bin ich brauchbar? Nach dem Maß des Glaubens.
Der Begriff "Maß des Glaubens" meint das Maß der Glaubenswirksamkeit. Er bezieht sich auf die Gabe, die Gott mir gibt. Wir sind an dieser Stelle, wie wir gleich sehen werden, ganz unterschiedlich begabt.
Es ist wichtig, dass wir wissen, wer wir sind. Wir dürfen uns nicht für kleine Nichts halten, die niemand braucht. Manche meinen, "mir kann eh keiner was machen" und praktizieren dann die Geistesgabe des Stuhlwärmens: Sie kommen sonntags, machen den Stuhl warm und gehen wieder. "Wir können eh nichts."
Das ist Quatsch, sagt Paulus. Oder Petrus würde sagen: "Wie Gott jedem eine Gabe gegeben hat." Das stimmt einfach nicht, wenn du denkst, du hast keine Gabe und bist unbrauchbar. Das ist eine Lüge.
Auf der anderen Seite, wenn du stolz bist und denkst, du brauchst keinen anderen und kommst alleine klar, dann denk an das, was Paulus am Anfang sagt: Wir sind ein Leib, keiner ist autark und keiner unbrauchbar (vgl. 1. Korinther 12).
Es ist wichtig, dass wir uns begreifen und nicht so handeln, wie es leider in manchen Gemeinden der Fall ist – auch in Gemeinden unseres Typs. Dort wird die Position vorne als die einzig wertvolle Gabe angesehen: Hauptsache predigen. Und dann predigen alle, egal ob sie es können oder nicht.
Das stimmt nicht. Es gibt nicht den großen Prediger, der vorne wegläuft und wer Prediger ist, ist etwas Besonderes. Quatsch! Völliger Unsinn!
Du bist du!
Für mich war es eine unendliche Befreiung, als ich mit etwa 29 Jahren bei einem Praktikum in Österreich drei Brüder traf, die sehr unterschiedlich waren und trotzdem gut zusammenarbeiteten. Der eine war ein asketischer ehemaliger Einzelkämpfer, der andere ein genussvoller amerikanischer Missionar, der gerne mit seiner Frau italienisch essen ging, und der dritte kam von einem österreichischen Bergbauernhof.
Diese Unterschiede haben mir gezeigt: Ich bin ich, und ich möchte nie wieder jemand anders sein.
Ich wünsche dir, dass du dich findest. Für junge Christen ist es gut, sich ein schönes Vorbild zu nehmen, aber achtet darauf, dass ihr irgendwann die Kurve zu euch selbst findet.
Überlegt: Wer bin ich? Wo liegen meine Gaben? Und fangt an, euch mit dieser Begabung für Gottes Reich einzusetzen.
Die Vielfalt der Gnadengaben in der Gemeinde
Vers 4
Denn wie wir in einem Leib viele Glieder haben – ja, ich habe Finger, ich habe Zehen, ich habe eine Nase und so weiter – denn wie wir in einem Leib viele Glieder haben, aber die Glieder nicht alle dieselbe Tätigkeit ausüben, so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, einzeln aber Glieder voneinander. So ist Gemeinde gedacht. Wir dienen einander.
Und das ist jetzt spannend, wenn man sich in den nächsten Versen einfach mal anschaut, wie unterschiedlich diese Gnadengaben sein können.
Vers 6
Da wir aber verschiedene Gnadengaben haben – Gnadengaben deshalb, weil es Gaben sind, mit denen wir beschenkt worden sind, der Geist gibt, wie er will (1. Korinther 12) –, darfst du darum beten. Aber du darfst dich nicht ärgern, wenn er trotzdem macht, was er will, denn der Geist ist Gott. Und wenn Gott, der Geist, sich entscheidet, dir etwas nicht zu geben, dann wirst du wohl damit irgendwie zurechtkommen müssen.
Ich bete seit mindestens zehn Jahren um eine Gabe und habe sie bis heute nicht bekommen. Ich muss jetzt damit leben, dass ich sie nicht habe – und zwar um die Gabe der Schriftstellerei. Ich würde so gerne gut schreiben können, aber ich kämpfe mit Texten. Ja, das ist echt übel. Ich bin da über das Niveau meiner Schulzeit, glaube ich, nie hinausgekommen, wirklich. Ich kenne andere Leute, die schreiben Texte, die liest man und sagt: "Boah, das liest sich flüssig!" Das geht so wie kräftiger Rotwein die Kehle runter. Du liest einfach und genießt den Text.
Ich lese meine Texte und denke nicht an kräftigen Rotwein, ich denke irgendwie an billigen Fusel oder so. Du kaust dich durch meine Texte durch. Furchtbar! Ich habe diese Gabe nie geschenkt bekommen. Und es ist okay. Es ist einfach deshalb okay, weil Gott weiß, was er tut. Ich kann es einfach nicht. Du wirst nie von mir oder wahrscheinlich werde ich nie ein Buch schreiben, weil das möchte ich einfach keinem zumuten. Oder wenn, dann wird es nur so das, was wir jetzt haben, dieser Erziehungsratgeber. Ja, aber das dann schön kurz mit vielen Bibelstellen. Also das ist nicht wirklich ein Buch, das ist eigentlich nur so eine Aufzählung von Dingen, die man seinem Kind sagen soll. Aber dieses Fließende ist einfach nicht da – und das ist in Ordnung.
Wir haben verschiedene Gnadengaben nach der uns verliehenen Gnade. Und die, die ich habe, die möchte ich anwenden. Und du hoffentlich auch.
Da heißt es dann, und er geht jetzt einfach durch: Diese Liste, die jetzt kommt, ist weder vollständig, noch ist die Reihenfolge irgendwie wichtig. Es ist einfach mal so ein Potpourri von Angaben. Da heißt es: Es sei Weissagung nach dem Maß des Glaubens.
Weissagung in der Bibel, gerade im Neuen Testament, ist kein Fachausdruck für die Voraussage von Ereignissen. Schon im Alten Testament spricht der Prophet weniger über die Zukunft, sondern er spricht in die Gegenwart hinein. 1. Korinther 14 zeigt das prophetische Reden, und das Wort Prophetie und Weissagung ist im Neuen Testament völlig identisch. Ich weiß nicht, warum bestimmte Bibeln beide Begriffe für die Übersetzung verwenden. Im Griechischen steht dasselbe Wort. Also ob Prophezeiung, Prophetie oder Weissagung – da steht alles eins.
1. Korinther 14, das Kapitel, wo man am meisten über Prophetie lernt, zeigt, dass prophetische Rede dazu da ist, die Geschwister aufzubauen oder Ungläubige fürs Evangelium zu gewinnen. Ich glaube, dass prophetische Rede, so wie sie im Neuen Testament dargestellt wird, sich vom Alten Testament unterscheidet.
Im Alten Testament, wenn sich jemand hingestellt hat und gesagt hat: "So spricht der Herr", und es ist nicht so gekommen, wie er gesagt hat, dann sollte man dafür sorgen, dass er das nicht noch mal macht. Sprich, er wurde gesteinigt.
Im Neuen Testament lesen wir Prophetie, und mit einem Mal steht da in 1. Korinther 14, Vers 29, dass man das, was da prophetisch gesagt wird, beurteilen soll. Es ist also nicht mehr absolut göttlicher Autorität. Es ist ein bisschen was anderes. Es ist unter der Wirkung des Geistes Gottes geführte, von Gott gegebene Weise, mit Worten den Nöten von Menschen in ihrer aktuellen Situation zu begegnen.
Wenn ich das jetzt habe, wenn ich öfter den Eindruck habe, Gott möchte durch mich Menschen mit seinem Wort begegnen, dann muss das nach dem Maß des Glaubens passieren. Gemeint ist der Maßstab des christlichen Glaubensguts. Ein Prophet kann nicht einfach irgendwas erfinden. Wir bleiben da in dem Maßstab, dem uns der Glaube vorgibt. Ihr erinnert euch: Glaube kann entweder Akt des Glaubens, Inhalt des Glaubens oder Leben des Glaubens bedeuten. Hier geht es um den Inhalt. Maßstab dessen, was von einem Propheten gesagt wird und nach Beurteilung dann auch als richtig anerkannt wird, ist die Bibel.
So, wir reden ja gar nicht so viel über Prophetie an der Stelle, es geht um die Gnadengabe. Du hast so eine Gabe und Paulus sagt: Wenn du die Gabe hast, denk daran, nach Maß des Glaubens muss sie passend zu dem sein, was in der Bibel steht, also gut sein.
Es sei Dienst im Dienen. Ach, das ist immer herrlich. Ich finde es so schön, dass Haushandwerker in der Bibel einen eigenen Vers haben. Das sind die Haushandwerker. Wer dient im Dienen? Wenn du sagst: "Ach, ich kann nicht predigen, ich kann nicht mal einen Hauskreis leiten, ach, ich bin bestimmt nichts wert", dann sage ich dir, dass Typen wie ich – ich will mal ehrlich sein – also, wenn du in meine Küche kämst und beim Eintritt einfach mal verschmitzt nach links unten schauen würdest, dann würdest du dort so eine Bodenleiste sehen.
Diese Bodenleiste – ihr kennt das – wenn man die so aufeinander spitz zuschneiden muss, dann muss man das so ein bisschen genau machen. Das muss dann so aneinanderstoßen, damit das halt um die Ecke herum geht. Das hat irgendwie nicht geklappt vor, hm, drei Jahren. Ja, genau, es hat vor drei Jahren irgendwie nicht geklappt, und irgendwie habe ich das auch nicht hingekriegt, das bis heute wieder irgendwie mal zu reparieren.
Tja, also ihr seht sie heute noch, und ihr werdet sie auch in zehn Jahren noch sehen, weil das einfach nicht mein Ding ist, okay? Ich bin das nicht.
Aber ich habe einen Freund, und bei solchen Fußbodenleistungen ist das immer so eine Sache, die kann man ja machen. Ich hatte vor kurzem das Problem, dass es tropfte im Bad. Da kann man ja nicht sagen: "Was machen wir in zehn Jahren?" Und da habe ich einen Freund, und das ist ein komischer Kauz. Wenn du dem so in der Gemeinde begegnest, da wirst du erst mal denken: "Was ist denn das für einer?" Stimmt, der ist ein bisschen so der erste Erstkontakt. Da brauchst du ein bisschen vielleicht. Aber wenn du sagst: "Hey, hör mal her, das tropft bei mir da oben", dann sagt der: "Kein Problem, ich fahre schnell nach Hause, ich schaue es mir nochmal an, ich bringe dir mit, was du brauchst, ich mache das für dich." Und eine Stunde nach dem Gottesdienst ist alles gemacht. Ich wohne direkt neben der Gemeinde.
Und da denke ich mir: Wahnsinn. Also für mich wäre das eine emotionale Überforderung. Allein der Gedanke, ich muss jetzt da ran und schauen, dass das danach nicht mehr tropft. Ich bin so entmutigt bei handwerklichen Aufgaben. Ich weiß eh, es wird danach tropfen, weil ich einfach an der Stelle nicht an mich glaube.
Ich finde solche Texte auslegen super simpel, das macht mir viel Spaß. Aber weißt du, so mit Hanf irgendwas abdichten, was tropft, da stehe ich davor und denke mir: Nein, bloß nicht. Wenn ich könnte, würde ich das weiterziehen. Also wenn mein Auto nicht fährt, bete ich. Weil das ist das, was ich am besten kann im Blick auf Autos. Andere Leute sind super, die fangen an zu reparieren, die haben Spaß, die schlagen plötzlich nach, wo könnte das Klappern herkommen. Ich bete, dass es aufhört.
Okay, wir sind unterschiedlich. Und deswegen: Wenn du die Fähigkeit hast, Menschen mit Worten zu ermutigen, dann tu es. Wie gesagt, ich glaube, dass das Thema Prophetie heute sehr viel auch in Richtung Predigten geht. Ich denke, dass gute Predigten immer ein prophetisches Element haben, hoffe ich zumindest.
Aber wenn du ein Haushandwerker bist, wenn du sagst: "Nee, Predigen ist nicht meins und mir fällt auch nicht immer ein, wie ich Leute ermutigen kann, aber ich kann Menschen helfen", dann steht hier: Es sei Dienst im Dienen.
Ja, und dieses Dienst im Dienen heißt, wenn du so eine Gabe hast, gib dich an die Aufgabe hin. Es sei – und jetzt kommt mein Vers – lehrt in der Lehre. Logisch.
Ja, ich habe mir gestern an meinem Geburtstag noch zweieinhalb Stunden Spaß gegönnt. Okay, ich dachte, die Woche ist relativ voll mit der Bibel hier abends immer, aber ich gebe mir noch zweieinhalb Stunden Spaß. Habe mich an meinen Schreibtisch gesetzt, habe meine hebräisch-deutsche Interlinear rausgeholt und habe noch fünf Verse im Hohelied studiert. So richtig aus dem Urschleim des Textes heraus. Habe da mein Dokument geschrieben und einfach Spaß gehabt, einen Text zu studieren.
Andere Leute sagen: "Das ist nicht dein Ernst, das war in der Schule für mich das Gruseligste, Interpretation von Gedichten." Oder: "Ich bin froh, dass ich da durch bin." Und ich sage mir: Ich habe es so genossen. Ich mache mir zwei Ohrstöpsel rein und ich schwelge darin. Ich habe einfach Spaß daran. Das bin ich.
Das heißt, ich darf mich an der Stelle hingeben. Es sei der ermahnt, oder er kann auch ermuntert oder getröstet bedeuten. In der Ermahnung heißt das, wenn du ein Seelsorger bist, dann investiere dich da.
Der "Mitteilt" in Einfalt – das Wort "mitteilen" heißt, dass man von seinen finanziellen Möglichkeiten abgibt. Mitteilen heißt spenden, Almosen geben, aber auch durchaus mehr als Almosen.
Und ich kenne solche Leute, die am Anfang vor zehn Jahren, als wir in vollzeitlichen Dienst gegangen sind, gesagt haben: "Jürgen, weißt du was? Ich habe mir überlegt, ihr macht an Ostern Urlaub in Dänemark. Wir haben ein Haus gemietet, und wir haben einfach eines gemietet, wo wir als Familie reinpassen und ihr als Familie reinpasst. Und hier sind die Fährtickets, ihr müsst euch um nichts kümmern."
Da wusste ich, das sind Menschen, die einfach die Gabe des Mitteilens hatten. Wir haben einfach Spaß daran gehabt. Und das soll in Einfalt geschehen, also ohne Hintergedanken.
Der vorsteht, der leitet, mit Fleiß. Es gibt Leute in der Gemeinde, die haben die Gabe, so eine Gemeinde zu leiten. Ja, gut, sollen fleißig sein.
Und der Barmherzigkeit übt – jemand, der sich um Menschen kümmert, die in Not sind – der soll das nicht aus Pflichtgefühl tun, sondern aus Freudigkeit. Es ist nicht immer einfach, wenn du dich immer wieder auf Leute einlässt und ständig mit Problemen konfrontiert wirst.
Und trotzdem hier: Wenn du diese Gabe hast, wenn du merkst: "Ich bin nicht der, der so praktisch helfen kann und finanziell vielleicht auch nicht, aber hey, auf 1-zu-1-Basis Leute zu besuchen, ihnen nachzugehen, das ist mein Ding", dann mach das.
Und diese Aufzählung endet jetzt hier. Ihr könntet sie natürlich fortsetzen. Da fehlen Gaben, was weiß ich, wir haben Musik. Wenn du anderen Leuten mit Musik dienen kannst, dann diene ihnen mit Musik. Grafische Gestaltung – wenn du ein Webdesigner bist, dann mach es über Webdesign.
Wenn du ein Techniker bist – wie sehr brauchen wir gute Techniker! Wenn du mit Ton und Licht umgehst, dann bring dich da ein. Wenn du eine Idee hast, wie man so einen Raum schick gestaltet, welche Farben zusammenpassen, dann hau dich da rein.
Es gibt so viel, wofür wir begabt sind, und es sind nicht immer nur die abgefahrenen, sichtbaren Geistesgaben, die vorne stehen, wo man sagt: "Ja, so muss ich sein." Nein, geistlich reif werden bedeutet nicht, höher zu streben – und jetzt will ich mal das Wort Gottes ein bisschen ergänzen, das steht nicht in der Bibel – und nicht niedriger von sich zu denken, als gebührt, sondern genau sich so zu sehen, wie Gott dich gemacht hat und dich mit diesen Gaben einzubringen.
Und diese Gaben, die Gott dir gegeben hat, im Kontext eines moralischen Lebens für Gott als Ausdruck des Willens Gottes für dich. Weil du sagst: "Ich möchte den Willen Gottes für mein Leben erkennen." Und dazu gehört: Ich muss begreifen, was Gott mir geschenkt hat, wer ich bin, damit ich im Willen Gottes meinen Weg mit Gott leben kann – um das dann auch zu leben.