Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode 130: Die Heilung eines Gelähmten, Teil 1.
Die wachsende Bekanntheit Jesu und die Reaktion der religiösen Führer
Der Herr Jesus ist inzwischen eine Berühmtheit geworden. Er ist jemand, den man sehen und erleben möchte, aber wohl auch jemand, dem man genauer auf den Zahn fühlen will.
Jedenfalls lesen wir in Lukas 5,17: „Und es geschah an einem der Tage, dass er lehrte, und es saßen da Pharisäer und Gesetzeslehrer, die aus jedem Dorf von Galiläa und Judäa und aus Jerusalem gekommen waren. Und die Kraft des Herrn war da, damit er heilte.“
Es ist gut möglich, dass sich die Heilungen und Exorzismen bis nach Jerusalem herumgesprochen hatten. Nun sitzen unter den Zuhörern auch Pharisäer und Gesetzeslehrer – und zwar nicht nur aus der näheren Umgebung. Das wäre ja nichts Besonderes gewesen, sondern auch aus Judäa und sogar aus Jerusalem.
Der junge Rabbi aus Nazareth wurde genau unter die Lupe genommen, und prompt kommt es zu einem Vorfall.
Die dramatische Rettung eines Gelähmten
Nach einigen Tagen ging Jesus wieder nach Kapernaum hinein, und es wurde bekannt, dass er im Haus war. Viele Menschen versammelten sich, sodass kein Platz mehr frei war, nicht einmal vor der Tür. Jesus sprach zu ihnen das Wort.
Da brachten einige Männer einen Gelähmten zu ihm. Sie trugen ihn auf einer Trage. Weil sie ihn wegen der großen Volksmenge nicht zu Jesus bringen konnten, deckten sie das Dach ab, wo Jesus war. Nachdem sie das Dach aufgebrochen hatten, ließen sie das Bett, auf dem der Gelähmte lag, hinab.
Wir können uns die Situation etwa so vorstellen: Einige Freunde hören von Jesus, dem Wunderheiler. Sie legen ihren gelähmten Freund auf eine Trage und kommen zu dem Haus, in dem Jesus sitzt und predigt. Doch es ist so voll, dass sie nicht zu ihm durchkommen.
Ihre sehr pragmatische Lösung? Dann eben von oben. Sie schleppen ihren Freund auf das Flachdach und decken es genau über Jesus ab. Markus beschreibt das treffend mit den Worten „und als sie es aufgebrochen hatten“.
Wenn man ein Flachdach aus Lagen von Lehm, Schilfpalmblättern, Ästen und Balken abdeckt, ist das für alle, die darunter sitzen, eine ziemlich dreckige Erfahrung. Für den Hausherren war das sicher alles andere als erfreulich.
Wir dürfen uns das Loch nicht zu klein vorstellen. Ein Gelähmter sollte ins Haus hinabgelassen werden. Stellt euch kurz die Situation aus Sicht der Leute im Haus vor: Sie sitzen um Jesus herum und hören ihm zu. Es ist übervoll, vermutlich etwas stickig.
Plötzlich bröckelt trockener Lehm von oben auf sie herab. Wo eben noch ein Dach war, sieht man jetzt den Himmel. Doch nicht lange, denn plötzlich wird der Gelähmte durch das Loch hindurch direkt vor Jesus hinabgelassen.
Die Bedeutung des Glaubens in der Heilung
Warum erzähle ich euch diese Geschichte so ausführlich? Ihr dürft sie in Gedanken gern noch etwas weiter ausschmücken.
Wie hat sich wohl der Hausbesitzer gefühlt, als er sah, wie man sein Dach aufriss? Was war wohl die erste Reaktion der Pharisäer und Gesetzesgelehrten? Sie saßen vermutlich dicht um Jesus herum auf den Ehrenplätzen, wo sie besonders viel Dreck von oben abbekamen.
Was dachten die Leute draußen, als sie die Männer mit ihrem Freund aufs Dach steigen sahen? Ich erzähle diese Geschichte gern so ausführlich, weil sie Glauben demonstriert. Vielleicht auch Liebe, aber vor allem Glauben.
Markus 2,5: Und als Jesus ihren Glauben sah, spricht er zu dem Gelähmten: „Kind, deine Sünden sind vergeben.“
Die Bibel ist das Buch, in dem es um Glauben geht. Wenn wir aus Gnade durch Glauben gerettet werden, dann ist der Glaube eines Menschen das Mittel seiner Errettung. Und Glaube ist nur dann echt und führt nur dann zur Rettung, wenn er auch gesehen werden kann.
Und als Jesus ihren Glauben sah.
Zwei Aspekte des Glaubens in der Geschichte
Lasst mich in diesem Zusammenhang zwei Dinge herausstellen. Erstens: Glaube ist manchmal etwas verrückt. Und mit verrückt meine ich, dass der Gläubige aus Glauben manchmal Dinge tut, die ihn in den Augen anderer Menschen komisch dastehen lassen.
Ein Abraham, der loszieht, um seinen einzigen Sohn zu opfern. Eine Hure Rahab, die Hochverrat am eigenen Volk begeht, indem sie die israelischen Spitzel versteckt. Ein David, der wenig königlich vor der Bundeslade herumtanzt, ein Joschaphat, der eine Lobpreisband in den Krieg schickt, oder Hosea, der eine Hure heiratet.
Was ich sagen will, ist dies: Wo geglaubt wird, da wird auch mal etwas gewagt. Sei es, weil Gott uns dazu – wie bei Abraham oder Hosea – den Auftrag gibt, oder weil wir es wie im Fall von Rahab, David oder Joschaphat für richtig halten. In den Augen von Außenstehenden ist Glaube oft etwas verrückt. Nicht in dem Sinn, dass er durchgeknallt wäre, aber doch in dem Sinn, dass hier Menschen etwas tun und wagen, was nicht mehr der Norm entspricht.
Wenn ich mein Vertrauen auf Gott setze – und nichts anderes ist Glauben – dann wird man das in meinem Leben immer mal wieder sehen. Sehen, weil ich Entscheidungen treffe, die meine ungläubigen Freunde nicht verstehen können, aber auch nicht verstehen müssen.
Wenn die vier Freunde des Gelähmten mal eben frech vergessen, dass sie eine Sachbeschädigung betreiben und dafür zur Verantwortung gezogen werden können, dann hatte die ganze Aktion mit Sicherheit ein Nachspiel. Wenn ihnen das trotzdem egal ist, dann weil sie Glauben haben.
Und echter Glaube schlägt schon mal über die Stränge. Klar hätten sie auch draußen warten können. Irgendwann wäre Jesus schon rausgekommen, und dann hätten sie ihn ansprechen können. Aber so rational tickt Glaube oft nicht. Ich sage das so, weil ich mir wünsche, dass wir nachsichtig mit Menschen umgehen, die aus Glauben Dinge tun, von denen man im Nachhinein sagen würde: Na ja, war vielleicht nicht die klügste Entscheidung.
Ein zweiter Punkt: Es heißt hier, als Jesus ihren Glauben sah. Das ist rein formal der Glaube der vier Freunde. Im Text geht es nicht um den Glauben des Gelähmten. Wir dürfen wohl annehmen, dass er auch gläubig war – immerhin werden ihm gleich seine Sünden vergeben – aber es steht nicht direkt da.
Der Glaube, auf den uns Matthäus, Markus und Lukas explizit hinweisen, ist der Glaube der vier Freunde, der heraussticht. Frage: Warum dieser Schwerpunkt? Und die Antwort ist doppelt.
Zum einen geht es in dieser Geschichte nicht um das Wie der Errettung, es geht nicht darum, dass Menschen durch Glauben gerettet werden. Der Schwerpunkt der Erzählung liegt auf Jesus und vor allem darauf, dass er die Vollmacht besitzt, Sünden zu vergeben. Deshalb muss hier der Glaube des Gelähmten nicht extra betont werden.
Ganz grundsätzlich kann man sagen, dass in einem Erzähltext jede Erzähleinheit, also jede Geschichte, ihren eigenen Schwerpunkt hat. Und hier dreht sich schwerpunktmäßig alles um Jesus und die Vergebung von Sünden.
Aber dann wird noch etwas deutlich: Wir verstehen heute Glaube als etwas total Persönliches – ich und mein Glaube. Die Idee, dass Glaube auch eine gemeinschaftliche Seite haben könnte, ist uns fremd, wird hier aber betont.
Wenn es um die Rettung eines Menschen geht – und die Heilung des Gelähmten ist natürlich ein Bild für die Rettung des Sünders von der Schuld seiner Sünde – also wenn es um die Rettung eines Menschen geht, dann braucht es logischerweise den Glauben dessen, der gerettet werden will. Aber häufig braucht es auch den Glauben von Menschen, die ihren Freund dorthin bringen, wo er diese Rettung finden kann.
Deshalb verstehe ich Glauben heute nicht nur als meinen Glauben an Gott, sondern als meinen Glauben an Gott, der eingebettet ist in den Glauben meiner Geschwister. Geschwister, die bereit sind, mich zu tragen, wenn ich – warum auch immer – zu schwach sein sollte, um Jesus allein zu begegnen.
Einladung zur Reflexion und Ausblick
Was könntest du jetzt tun? Du könntest dir überlegen, ob du den Gedanken des gemeinschaftlichen Glaubens nachvollziehen kannst.
Das war's für heute? Am Wochenende nach Ostern halte ich eine kleine Vortragsreihe zum Thema Geistesgaben in der Nähe von Biberach. Auch dafür dürft ihr gerne beten.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.