Einführung in die Bedeutung der Zunge und der Worte
Jakobus 3 – da setzen wir fort. Wir haben uns ja schon durch einen großen Teil dieses Briefes hindurchgearbeitet, und heute geht es nun weiter mit Kapitel 3, einem Kapitel, das sehr direkt auf uns zukommt.
Wären wir hier kein Veranstaltungsraum, kein Gemeindesaal oder Seminarraum – oder wie auch immer man das nennen mag –, sondern der Abflugbereich eines Flughafens, dann hätten wir heute Morgen alle durch die Sicherheitskontrolle gehen müssen. Dort wird ja normalerweise das Handgepäck durchleuchtet, ebenso die Kleidung. Man achtet peinlich genau darauf, dass wir keine flüssigen Substanzen mit uns führen. Wenn doch, müssen diese in durchsichtigen Plastiktüten aufbewahrt werden. Wir dürfen keine Taschenmesser mitnehmen, keine Waffen.
Je nachdem, wie leistungsfähig die Durchleuchtungsgeräte in den Sicherheitszonen der Flughäfen sind, hätte man trotzdem bei jedem von uns mindestens eine gefährliche Waffe im Gepäck gefunden. Eine Waffe, die wir immer bei uns tragen, eine Waffe, die jederzeit entsichert und sofort eingesetzt werden kann. Diese Waffe ist unsere Zunge.
So bewertet es der Jakobusbrief, indem wir jetzt das dritte Kapitel in Angriff nehmen. Jakobus 3, Vers 5 und 6 lesen wir: „So ist die Zunge ein kleines Glied und richtet große Dinge an. Siehe, ein kleines Feuer, welch einen Wald zündet es an!“ Die Macht unserer Worte – das ist das Thema dieses vierten Vortrags zum Jakobusbrief: Die Macht unserer Worte – Segen oder Fluch?
Heute wird sich Teil eins mit dem Fluch befassen, mit der zerstörerischen Macht unserer Worte. Die zerstörerische Macht von Worten. Und morgen Vormittag dann machen wir die Fortsetzung und werden über die heilsame Macht von Worten sprechen. Heute geht es um Jakobus 3 und morgen früh um Jakobus 5 – so herum, das dürfen wir nicht verwechseln.
Also, heute Morgen geht es um die zerstörerische Macht von Worten, und morgen Vormittag um die heilsame Macht von Worten. Wir beginnen mit dem Negativen und kommen dann zum erfreulicheren – das macht uns Hoffnung.
Die Macht von Worten wirkt allgemein zum Guten wie zum Schlechten bei uns in der Regel unterschätzt. Und zwar sowohl die Macht von gesprochenen Worten als auch die Macht geschriebener Worte. Oft sagen wir: „Ach, das sind ja bloß Worte.“ Das haben wir schon oft gesagt.
In Gottes Bewertung dagegen haben Worte ein ungemein starkes Gewicht – im Guten wie im Schlechten. Worte können massiven Schaden anrichten, Worte können unsagbar viel Gutes bewirken. Gott selbst hat Wörter, also bis in die einzelnen Wörter hinein, und Sprache in besonderer Weise geadelt. Zunächst mal dadurch, dass er seinen eigenen Sohn als das Wort bezeichnet hat.
Am Beginn des Johannesbriefes heißt es: „Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ Logos steht da, der klassische griechische Ausdruck für Wort. Und Gott hat die Welt erschaffen – wie? Durch das Wort, real.
Gott handelt, Gott erschafft neue Wirklichkeit, indem er spricht. „Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.“ Und Gott hat nicht nur diese Welt erschaffen durch das Wort in seiner Kraft und Autorität, sondern Gott schafft auch neues Leben für Menschen durch das Wort.
Überlegen Sie: Als Jesus den Lazarus aus dem Grab herausrief, in Johannes 11, Vers 43, geschah das folgendermaßen: Jesus rief in diese Höhle des Todes hinein: „Lazarus, komm heraus!“ Das war im Wort. Jesus hat kein Zauberkunststückchen vorgeführt, Jesus hat nicht irgendwelche schamanischen Riten praktiziert, er hat keine spirituellen Übungen aufgeführt, er hat keinen Zaubertrank gebraut. Sondern er hat gesprochen, er hat sein vollmächtiges Wort gesprochen, und das hat genügt.
Auch heute ist es so: Wenn Menschen von Gott zur Wiedergeburt geführt werden, wenn Menschen neues Leben geschenkt bekommen, so dass sie den Ruf zur Bekehrung hören, umkehren und ihr Leben an Jesus binden, dann geschieht das – wodurch? Durch das Wort.
Und zwar nicht durch das Wort im magischen Sinne, dass man die richtige Bibelstelle zitiert und weil äußerlich diese Bibelstelle zitiert wurde, es dann berechenbar magisch diese oder jene Wirkung gibt. Sondern das Wort meint die Wahrheit, den Inhalt, die Wahrheit, die transportiert wird durch das Wort, durch Sprache. Das Wort ist immer der Inhalt, den dieses Wort transportiert, die Wahrheit selbst.
1. Petrus 1, Vers 23 heißt es: „Ihr seid wiedergeboren, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort, das da bleibt.“ Auch hier in unserem Jakobusbrief haben wir das ganz deutlich ausgedrückt.
In Jakobus 1, Vers 21 sagt Jakobus: „Legt allen Schmutz und allen Rest von Bosheit ab und nehmt mit Sanftmut das euch eingepflanzte Wort auf, das die Kraft hat, eure Seelen zu erretten.“ Schon in Vers 18 hatte Jakobus gesagt, wie wir zum lebendigen Glauben gekommen sind, wie wir neues Leben bekommen haben, wie wir Kinder Gottes geworden sind, wie wir Bürger des Himmels geworden sind – aus Kandidaten der Hölle.
Nämlich Jakobus 1, Vers 18: „Nach seinem Willen hat er uns gezeugt, wodurch? Durch das Wort der Wahrheit.“ Gottes Wort ist schöpferisch, indem er die Welt erschafft. Gottes Wort ist schöpferisch, indem er neues Leben schenkt.
Deshalb gilt uns der Auftrag der Gemeinde Jesu, wie Paulus das in seinem zweiten Timotheusbrief formuliert hat: 2. Timotheus 4, Vers 2: „Predige das Wort!“ Gottes Wort, in dem seine Wahrheit weitergegeben wird, hat bis heute schöpferische Kraft.
Gott beteiligt uns an diesem schöpferischen Geschehen, indem er uns beauftragt, sein Wort weiterzugeben. Deshalb dreht sich im Leben der Christen alles um das Wort, um die Auslegung des Wortes, um das Verstehen des Wortes.
Das ist kein bestimmter intellektualistischer Zug, den Christen hätten, oder eben so eine Tradition, dass sie sich viel mit der Bibel befassen und andere sich mit anderen Dingen. Sondern das ist die Basis, die Substanz, der Lebensatem des christlichen Glaubens.
Der allmächtige Gott, der seinen eigenen Sohn als das Wort bezeichnet, bewirkt durch das Wort, das er uns offenbart hat und das er uns zur Verkündigung aufgetragen hat, massive Veränderung.
Deshalb wissen wir auch, dass durch das Wort wir sind, auch woran wir bei Gott sind und was wir zu tun haben. Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde durch das Wort. Weil Gott den Menschen durch das Wort zu seinem Bilde schuf, zeigt sich diese Gottebenbildlichkeit des Menschen, von der die Bibel spricht. Der Fachausdruck ist Imago Dei, die Gottebenbildlichkeit des Menschen.
Obwohl wir unter dem Sündenfall stehen, ist trotzdem noch ein Rest davon geblieben – diese Gottebenbildlichkeit, die uns von allen anderen Lebewesen massiv und kategorial grundsätzlich unterscheidet.
Diese Gottebenbildlichkeit zeigt sich unter anderem darin, dass wir reden können, dass wir uns durch Worte verständigen können. Das ist ein Kennzeichen des Menschseins, das uns heraushebt aus allen anderen Geschöpfen.
Weil das so ist, weil das im Wesen unseres Menschseins ausmacht, dass wir uns durch Worte, ja durch einzelne Wörter verständigen, und weil der lebendige, ewige Gott aus der Ewigkeit heraus in diese Zeit hinein spricht – durch Wörter, nicht durch irgendwelche Imaginationen, Empfindungen oder Träume, die wir dann irgendwie deuten sollen –, sondern Gott redet ganz eindeutig durch das Wort.
Darum haben auch unsere Worte eine ungemein starke Wirkung. Der Jakobusbrief nimmt sich viel Zeit dafür, uns dieses bewusst zu machen und uns darauf hinzuweisen.
Nur am Rande bemerkt: Deshalb haben übrigens auch die Geisteswissenschaften eine so starke Bedeutung für jede Gesellschaft. Jede Wissenschaft, in der es um Worte geht, um Konzepte, Sprache, Philosophie, Philologie, Germanistik, Geistesgeschichte, ideologische Auseinandersetzungen.
Oft wird in der wissenschaftlichen Diskussion so der Eindruck erweckt: „Na ja, die Geisteswissenschaften sind alles brotlose Kunst. Da wird ein bisschen gelabert, es werden so ein paar Gedanken hin und her geschoben. Das, was wirklich zählt, sind die harten Naturwissenschaften. Dort wird auch das Geld verdient, dort steckt die Industrie ihre ganze Kraft hinein, und das zählt, das ist reale Wissenschaft. Diese Laberköpfe von den Geisteswissenschaften liegen eigentlich nur dem Steuerzahler auf der Tasche, die kann man eigentlich vergessen, es ist völlig irrelevant.“
Nun gibt es natürlich im Bereich der Geisteswissenschaften auch viel Nonsens – das gebe ich ja zu. Aber vom Prinzip her stellt die Bibel die Sache vom Kopf auf die Füße.
Gott hat die Schöpfung so ausgestattet, dass Worte, Gedanken, Konzepte sehr viel nachhaltiger wirken als alles andere.
Wenn Sie etwa an die Frankfurter Schule denken, den Neomarxismus mit seiner ganzen Geschichte: Der Neomarxismus hat kein einziges Fahrrad gebaut, er hat keine einzige Maschine erfunden. Und doch hat die Ideologie des Neomarxismus unsere Gesellschaft stärker verändert als alle Ingenieure und Volkswirtschaftler der letzten fünfzig Jahre zusammen.
Das muss man mal zur Kenntnis nehmen. Das hat gewirkt, und da müssen wir uns auseinandersetzen. Und da müssen wir auch kämpfen an dieser Front.
Denn Gott hat Worten Gewicht verschafft, und Gott hat uns als Antwortwesen geschaffen. Er hat uns zum Antworten bevollmächtigt.
Darum haben wir eine enorme Verantwortung für unsere Worte und Wörter – im Großen wie im Kleinen, im Privaten wie in der Öffentlichkeit, in der Familie wie in der Gemeinde.
Genau darauf will uns dieses dritte Kapitel hinweisen. Da sagt Gott zu uns: Es ist ein wichtiger Bereich deines Glaubens, es ist ein wichtiger Bereich deines Heiligungslebens, es ist ein wichtiger Bereich deiner Nachfolge Jesu, wie du mit deinen Worten umgehst.
Du musst für jedes deiner Worte – egal, ob es die Öffentlichkeit hört, nur der Herr selbst oder nur dein engstes Umfeld – Rechenschaft ablegen vor deinem Schöpfer.
Darum wollen wir nun sehr aufmerksam dieses dritte Kapitel miteinander studieren und morgen dann einen Auszug aus dem fünften Kapitel zur zerstörerischen Macht unserer Worte.
Die Verantwortung der Lehrer und die Gefahr der Zunge
Liebe Brüder, nicht jeder von euch soll ein Lehrer werden, denn ihr wisst, dass wir ein umso strengeres Urteil empfangen werden. Wir verfehlen uns alle auf vielfältige Weise. Wer sich aber im Wort nicht verfehlt, der ist ein vollkommener Mensch und kann auch den ganzen Leib im Zaum halten.
Wenn wir den Pferden den Zaum ins Maul legen, damit sie uns gehorchen, so lenken wir ihren ganzen Leib. Siehe auch die Schiffe: Obwohl sie groß sind und von starken Winden getrieben werden, werden sie doch gelenkt mit einem kleinen Ruder, wohin der will, der es führt.
So ist auch die Zunge. Sie ist ein kleines Glied und richtet große Dinge an. Wie ein kleines Feuer, das einen ganzen Wald anzündet, so ist auch die Zunge ein Feuer, eine Welt voller Ungerechtigkeit. Die Zunge ist unter unseren Gliedern; sie befleckt den ganzen Leib, zündet die ganze Welt an und ist selbst von der Hölle entzündet.
Denn jede Art von Tieren, Vögeln, Schlangen und Meerestieren wird gezähmt und ist von Menschen gezähmt worden. Aber die Zunge kann kein Mensch zähmen. Sie ist ein unruhiges Übel, voll tödlichen Giftes.
Mit ihr loben wir den Herrn und Vater, mit ihr fluchen wir den Menschen, die nach dem Bild Gottes gemacht sind. Aus einem Mund kommen Loben und Fluchen. Das soll nicht so sein, liebe Brüder.
Lässt auch die Quelle aus einem Loch süßes und bitteres Wasser fließen? Kann auch ein Feigenbaum, eine Olive oder ein Weinstock Feigen tragen? So kann auch eine salzige Quelle kein süßes Wasser geben.
Herr Jesus, jetzt bitten wir Dich, dass Du uns einfach hilfst, persönlich zu verstehen, was Du mit diesen Worten in unserem Leben verändern willst. Amen!
Die zerstörerische Macht oder Kraft von Worten.
Die besondere Verantwortung der Lehrer
Es ist interessant, wie Jakobus beginnt. Er startet mit einem Beispiel, das auf den ersten Blick nicht sofort klar erscheint, wie es hierher passt. Er sagt: „Nicht jeder von euch soll ein Lehrer werden, und wisst, dass wir ein desto strengeres Urteil empfangen werden, denn wir verfehlen uns alle mannigfaltig. Wer sich aber im Wort nicht verfehlt, der ist ein vollkommener Mann und kann auch den ganzen Leib im Zaum halten.“
Von außen betrachtet war der Dienst des Lehrers damals sehr anerkannt. Das vermittelte ein gutes Prestige. Der Lehrer in der christlichen Gemeinde entsprach etwa dem Rabbi in der jüdischen Gemeinschaft. Jakobus sieht nun ein praktisches Problem: Zu viele drängen sich in diesen Dienst, obwohl sie dafür noch nicht geeignet oder entsprechend vorbereitet sind.
Die Lehrer sind im Neuen Testament sehr klar definiert. Ihre Aufgabe ist es, die biblische Lehre zu entfalten und zu erläutern. Sie sollen die Wahrheit des Evangeliums erklären und verkündigen – im Zusammenhang mit dem Alten Testament – und zeigen, wie die ganze Wahrheit Gottes in Jesus zum Ziel kommt.
Die Lehrer leiten die Gemeinde durch die Lehre, denn die Lehre ist das entscheidende Leitungsinstrument in der Gemeinde Jesu. Hier werden die Weichen gestellt, zwischen rechter und falscher Lehre unterschieden. Die Gemeinde-Praxis entscheidet sich letztlich auch an der Lehre.
Das Neue Testament regelt sehr klar, welche Anforderungen an die Lehrer und Leiter gestellt werden. Es legt fest, dass die Gesamtgemeinde nur von Männern gelehrt werden soll und dass die Frauen sich besonders darum kümmern sollen, auch Frauen zu lehren. Gerade in Titus 2 wird den reifen Frauen in der Gemeinde eine besondere Verantwortung zugesprochen. Sie sollen sich besonders um die jüngeren Frauen kümmern und diese gewissermaßen coachen.
Lehrer werden besonders von Gott zur Rechenschaft gezogen, sagt die Bibel. Deshalb sollte man sich gut überlegen, ob man diesen Dienst übernehmen will. Normalerweise sollen Lehrer ein gutes Wissen haben. Dieses große Wissen bedeutet auch eine große Verantwortung.
Da Lehrer mit Worten umgehen, haben sie besonders viele Möglichkeiten, Fehler zu machen. Das deutet Jakobus auch in Vers 2 an, wenn er sagt, wir Lehrer verfehlen uns alle mannigfaltig. Wir können viel verkehrt machen. Warum? Weil wir mit Worten und Sprache arbeiten. Und das ist gefährlich.
Das versteht sich nicht von selbst. Nach dem Motto „Ja, so ein bisschen reden kann man ja mal“ – aber die Zunge, in Verbindung mit ihrer Steuerung im Gehirn, ist der Teil des Menschen, der sich besonders schwierig kontrollieren lässt. Sie läuft uns leicht aus dem Ruder. Deshalb können wir uns mannigfaltig verfehlen.
Das heißt, beim Reden sind wir besonders angreifbar. Gott nimmt sehr ernst, wie wir reden, was wir reden und aus welcher Motivation wir reden. Die Logik bei Jakobus ist hier völlig klar: Wenn wir an diesem Punkt Ordnung in unser Leben bekommen, also im Hinblick auf unsere Worte, wenn jemand sich im Wort nicht verfehlt, wer sich da im Griff hat – das heißt nicht, wer vollkommen und fehlerlos ist, sondern wer eine gute Ordnung in seinem Leben hat –, wer mit seinen Worten klarkommt und sie kontrollieren kann, ganz gleich wie die emotionalen Rahmenbedingungen sind, der wird auch sein sonstiges Leben in den Griff bekommen.
Wer mit seinen Worten bewusst, kontrolliert und verantwortlich umgeht, der wird auch sonst verantwortungsvoll leben. Der vollkommene Mann, von dem Jakobus hier spricht, der sich im Wort nicht verfehlt – das meint nicht den perfekten, fehlerlosen Mann, das unerreichbare Ideal. Wie wir schon mehrfach gesehen haben, wird der Begriff „vollkommen“ bei Jakobus und im Neuen Testament so gebraucht, dass er den gereiften Menschen meint.
Dieser Mensch kommt mit Gott zum Ziel, lebt unter Gottes Zucht und wird von ihm geheiligt.
Jakobus benutzt nun das Beispiel der Lehre, dieses Beispiel von der Gefährdung der Lehre, um uns grundlegend zu zeigen, wie hochsensibel der Umgang mit unserer Zunge ist, wie empfindlich der Umgang mit Sprache und Wörtern ist. Er will uns damit ins Herz schreiben: Seid an diesem Punkt besonders wachsam.
Das gilt nicht nur für die Lehrer, sondern für alle – vom Kleinsten bis zum Größten. Passt auf mit eurer Sprache, passt auf mit den Wörtern. Das ist wichtig.
Ihr denkt vielleicht, „Na ja, mal so dahingesagt, sind ja nur Worte.“ Nein, sagt Jakobus, da entscheidet sich ganz viel für euren geistlichen Dienst, für eure geistliche Reife und für die Wirkung, die ihr in eurem Umfeld habt.
Die zerstörerische Kraft der Zunge
Und dann zeigt Jakobus uns drei Tatsachen. Er macht deutlich, warum unsere Sprache, unsere Zunge, unsere Wörter eine so zerstörerische Macht haben können.
Die erste Tatsache, die er uns zeigt, ist die Effektivität unserer Zunge. Man könnte auch sagen: die Wirksamkeit oder die Wirkmächtigkeit unserer Zunge. Das beschreibt er in den Versen 3 bis 6, die wir uns jetzt noch einmal ansehen wollen.
Da heißt es:
„Wenn wir den Pferden den Zaum ins Maul legen, damit sie uns gehorchen, so lenken wir ihren ganzen Leib. Siehe, auch die Schiffe, obwohl sie groß sind und von starken Winden getrieben werden, werden doch gelenkt mit einem kleinen Ruder, wohin der will, der es führt. So ist auch die Zunge ein kleines Glied und richtet große Dinge an. Siehe, ein kleines Feuer zündet einen Wald an; auch die Zunge ist ein Feuer, eine Welt voll Ungerechtigkeit. So ist die Zunge unter unseren Gliedern; sie befleckt den ganzen Leib, zündet die ganze Welt an und ist selbst von der Hölle entzündet.“
Das ist die erste Tatsache, auf die Jakobus hinweist: nämlich die Effektivität unserer Zunge. Deshalb ist es ein Irrtum, wenn wir uns manchmal damit herausreden und sagen: „Ich sag ja bloß, ich sag ja bloß.“ Genau das ist das Problem. Ein äußerlich kleines Ding wie die Zunge kann eine ungemein große Wirkung erzielen – kleine Ursache, große Wirkung.
Jakobus beweist das an zwei praktischen Beispielen: am Beispiel des Pferdes und am Beispiel eines Schiffes. In Vers 3 zeigt er das Beispiel des Pferdes. Da sagt er: „Schaut euch das mal an! Mit einem kleinen Zaumzeug kannst du ein großes Pferd lenken.“ Und dann das Beispiel der Riesenschiffe: Durch ein kleines Steuerruder am Heck werden große Schiffe dahin gelenkt, wohin der Steuermann mit Macht will.
Dieses kleine Steuerruder befindet sich unscheinbar unter der Wasseroberfläche, aber es ist das entscheidende Navigationsmittel. Dieser kleine Teil lenkt das Ganze, und schon eine kleine Bewegung von diesem Teil kann die ganze Richtung ändern.
So sagt Jakobus in Vers 5: Es ist mit unserer Zunge wie mit dem Pferd und dem Schiff. Die Zunge ist ein kleines Glied, fast unscheinbar verborgen in unserem Mund. Ab und zu strecken wir die Zunge vielleicht mal heraus, aber es ist ein kleines Glied. Wenige Worte, kleine Nuancen in der Betonung – ob sie liebevoll oder ironisch gesagt werden – können eine starke Wirkung erzielen und einen großen Unterschied machen, zum Guten wie zum Schlechten.
Mit dieser Effektivität zeigt Jakobus, dass unsere Zunge massive Zerstörung anrichten kann. Ein kleines Feuer, so heißt es in Vers 5b, kann einen ganzen Wald anzünden. Das ist wahrhaft ernst.
Und genau diese zerstörerische Effektivität hat unsere Zunge, sagt Vers 6: „Auch die Zunge ist ein Feuer, eine Welt voll Ungerechtigkeit. So ist die Zunge unter unseren Gliedern; sie befleckt den ganzen Leib und zündet die ganze Welt an. Sie ist selbst von der Hölle entzündet.“
Warum ist das so? Sprüche 10,19 sagt: „Wo viele Worte gemacht werden, da geht es ohne Sünde nicht ab.“ Eben weil unsere Worte diese gefährliche Tendenz haben.
Fritz Grünzweig, der ebenfalls aus dem Schwabenland stammt, hat es einmal so formuliert: „Der Apotheker würde mit den Gesetzen des Konflikts kommen, wenn er unbegrenzt Gift verkaufte. Aber wie viel Gift, wie viel Vergiftendes wird ungestraft gesprochen, gedruckt und gefunkt.“
Jakobus geht noch weiter. Er fragt, woher dieses zerstörerische Potenzial unserer Wörter kommt. Woher kommt es? Vers 6 sagt: „Aus der Hölle.“ Die zerstörerische Macht unserer Worte kommt aus der Hölle. Jakobus schreibt, der Teufel inspiriert und benutzt unsere Zunge.
Das ist der erste Grund, warum Worte so unendlich viel zerstören und anrichten können: die Effektivität unserer Zunge (Verse 3 bis 6).
Die Zügellosigkeit der Zunge
Und dann zeigt uns Jakobus eine zweite Tatsache, und zwar in den Versen sieben bis acht. Dort beschreibt er die Zügellosigkeit unserer Zunge. Unsere Zunge ist nicht nur effektiv, nachhaltig und wirkmächtig, sondern sie ist auch zügellos. Das ist ein charakteristisches Merkmal, das in den Versen sieben bis acht deutlich wird.
Denn jede Art von Tieren, Vögeln, Schlangen und Seetieren wird gezähmt und ist gezähmt von Menschen. Aber die Zunge kann kein Mensch zähmen. Sie ist unruhig, übel und voll tödlichen Giftes. Keiner kann die Zunge zähmen oder disziplinieren. Wir können vieles zähmen und in den Griff bekommen. Vers 7 sagt sogar, dass wir wilde Tiere zähmen können. Die entlegensten Tierarten können wir mit unseren menschlichen zivilisatorischen Möglichkeiten irgendwie unter Kontrolle bringen. Aber unsere eigene kleine Zunge bekommen wir nicht in den Griff.
Axel Kühner hat dazu einmal eine kleine Geschichte erzählt, die die Zügellosigkeit unserer Worte und die Folgen, die wir mit unseren Worten anrichten können, sehr gut auf den Punkt bringt.
Eine Frau hatte einst über ihren alten Pfarrer eine hässliche Verleumdungsgeschichte in die Welt gesetzt. Diese Geschichte verbreitete sich schnell durch die ganze Gemeinde und richtete weit über ihre Grenzen hinaus Unheil an. Dann wurde diese Frau schwer krank, und sie bereute ihre Lügen. Sie bekannte sich dazu, ging zum Pfarrer und bat ihn um Verzeihung.
Der Pfarrer sagte: „Ja, gewiss, ich verzeihe dir gern, aber ich möchte dich jetzt um einen Gefallen bitten. Das darf ich doch?“ Die Frau antwortete erleichtert: „Ja, gewiss.“
Der Pfarrer sagte: „Okay, geh heim und schlachte ein schwarzes Huhn. Rupfe ihm alle Federn aus, auch die kleinsten, und verliere keine davon. Dann lege alle Federn in einen Korb und bringe sie zu mir.“
Die Frau dachte: „Okay, der braucht wohl sein Alter.“ Wenn der Pfarrer das will, ist es zwar ein bisschen komisch, aber ich mache es. Das erleichtert mein Gewissen, und ihm macht es eine Freude. Also schlachtete sie das schwarze Huhn, sammelte die Federn ein und kam mit einem Körbchen voller schwarzer Federn zum Pfarrer zurück.
Sie fragte: „Was soll ich jetzt damit machen?“
Der Pfarrer sagte: „Jetzt gehe bitte langsam durch das Dorf und streue alle drei Schritte ein wenig von den Federn aus. Wenn nur noch eine dünne Schicht Federn liegt, steig auf unseren Kirchturm, hol dir beim Küster den Schlüssel und schütte den Rest der Federn auf das Dorf hinab, damit sie schön in alle Winde fliegen. Dann komm wieder.“
Die Frau machte sich schnell auf den Weg. Nach einer Stunde kam sie mit dem leeren Korb zum Pfarrer zurück. „Und was jetzt?“ fragte sie.
„Schön“, meinte er freundlich. „Jetzt geh durch das Dorf und sammle alle ausgestreuten Federn wieder in dein Körbchen. Aber sieh zu, dass keine fehlt.“
Die Frau starrte ihn erschrocken an und sagte: „Das ist unmöglich! Der Wind hat die Federn in alle Richtungen zerstreut.“
Der Pfarrer antwortete: „Siehst du, so ist es auch mit deinen bösen Worten gegangen. Wer kann sie wieder einsammeln? Wer kann ihre Wirkung ungeschehen machen?“
Das ist die Zügellosigkeit unserer Zunge in doppelter Weise: Erst können wir unsere Worte nicht zügeln und kontrollieren, und dann können wir die Folgen und Wirkungen unserer Worte nicht mehr zügeln, nicht mehr einholen und nicht mehr rückgängig machen.
Das lateinische Sprichwort sagt: aliquiteret – irgendetwas bleibt hängen. Wenn eine Sache erst einmal losgelassen ist, kann man sie nicht wieder einfangen. Das ist tragisch.
Wir erkennen hier das Bild aus der griechischen Mythologie von der Büchse der Pandora. Pandora war die erste Frau, die in der griechischen Mythologie von Zeus erschaffen wurde oder besser gesagt, die er erschaffen ließ. Dies geschah aus Zorn über den Feuerraub des Prometheus.
Der Legende nach gab man Pandora eine Büchse. Diese Büchse enthielt gewissermaßen alles Übel der Welt. Nachdem die Büchse geöffnet wurde und all das Übel herausströmte, konnte sie nicht wieder geschlossen werden. Man bekommt die Büchse der Pandora nicht mehr zu.
Deshalb ist dieser Begriff sprichwörtlich geworden. Jakobus spricht von der Zügellosigkeit und macht deutlich: Wir können weder unsere Worte selbst kontrollieren noch deren Folgen.
Ein chinesisches Sprichwort sagt dazu: „Ein böses Wort holen hundert Pferde im Galopp nicht zurück.“ Das bedeutet, wenn ein böses Wort erst einmal gesprochen ist und seine Dynamik entfaltet, dann ist es nicht mehr in den Griff zu bekommen. Die Büchse der Pandora ist dann offen und lässt sich nicht mehr schließen.
Darum ist es tröstlich, dass der Herr auch an diesem Punkt mit seiner Heiligung in unserem Leben ansetzen will. Paulus schreibt in 2. Timotheus 1, Vers 7: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern den Geist der Kraft und der Liebe und der Zucht.“ Man kann das auch mit Besonnenheit übersetzen.
Mit diesem Geist will Gott auch unsere Worte prägen und verändern. Wenn wir nicht darauf hoffen könnten, dass der Herr durch seinen Heiligen Geist selbst in unserem Leben gegenwärtig ist, hätten wir auch für unsere Worte keine Hoffnung.
Die Effektivität unserer Zunge macht sie so gefährlich – das waren die Verse drei bis sechs. Die Zügellosigkeit unserer Zunge ist eine dauerhaft entsicherte Waffe.
Die Widersprüchlichkeit der Zunge
Jakobus zeigt uns eine dritte Tatsache, die unsere Zunge so gefährlich macht: ihre Gespaltenheit, ihre Doppelbödigkeit, ihre Widersprüchlichkeit, ihre Ambivalenz. Deshalb sprechen wir auch von Doppelzüngigkeit – jemand ist doppelzüngig, er spricht mit gespaltener Zunge. Diese Gedanken finden wir in den Versen 9 bis 12, die wir jetzt zum Schluss noch betrachten wollen.
Mit ihr, mit dieser Zunge, loben wir den Herrn und Vater, mit ihr fluchen wir den Menschen, die nach dem Bilde Gottes gemacht sind. Aus einem Munde kommt Loben und Fluchen – das soll nicht so sein, liebe Brüder. Lässt auch die Quelle aus einem Loch süßes und bitteres Wasser fließen? Kann ein Feigenbaum Oliven tragen oder ein Weinstock Feigen? So kann auch eine salzige Quelle kein süßes Wasser geben.
Jakobus sagt: Leute, vorsichtig! Ein und dieselbe Zunge produziert offensichtlich Loben und Fluchen. Wir preisen Gott und verfluchen mit derselben Zunge manchmal im selben Atemzug Gottes Geschöpfe. Die Gespaltenheit der Zunge ist auch typisch für Schlangen. Aber die Bibel sagt uns ganz deutlich, dass wir nicht fluchen, sondern segnen sollen (Matthäus 5,44). Wir sollen die segnen, die uns fluchen, oder wie es in Römer 12,14 heißt: Segnet und flucht nicht. Oder in 1. Johannes 4,20: Wer sagt, ich liebe Gott und flucht seinem Bruder, der ist ein Lügner.
Wieder geht es Jakobus um die Einfältigkeit, die er bei Gott in vollkommener Weise vorgegeben weiß. Gott gibt gern, er gibt einfältig, völlig ungeteilt und mit seiner ganzen Liebe und Heiligkeit ist er uns zugewandt. Deshalb sollen auch wir im besten Sinne einfältig werden – einlinig, ungespalten und ungeteilt in der Praxis unseres Lebens. Egal, ob wir im vertrauten Kreis oder in der Öffentlichkeit stehen, sollen wir immer dieselben sein und nach denselben Grundsätzen handeln.
Jakobus bringt drei Beispiele aus der Natur, die zeigen, dass die Natur eindeutig ist, nicht doppelzüngig, sondern einfältig. Er zeigt das in den Versen 11 und 12. Erstens: Jede Quelle gibt nur eine Art von Wasser, bitter oder süß, aber nicht beides. Zweitens: Jede Pflanze bringt nur das hervor, was ihrem Wesen entspricht. Ein Feigenbaum gibt keine Oliven, ein Weinstock trägt keine Feigen. Drittens: Eine salzige Quelle bringt kein süßes Wasser hervor.
Schaut euch die Natur an – Quellen, Pflanzen, die Natur ist eindeutig. Und wie mehrdeutig dagegen ist unsere Zunge. Damit will Jakobus uns sagen: Es gibt Eindeutigkeit in der Schöpfung, auch nach dem Sündenfall. Warum sind wir in unserem Reden und in unseren Worten oft so doppelbödig? Das ist die Folge unserer Sünde.
Dann wird es ganz klar: Die Gespaltenheit unserer Zunge verweist letztlich zurück auf die Gespaltenheit unseres Herzens. Deshalb sagt der Herr Jesus in Matthäus 15 so deutlich, wo all dieser böse Unrat herkommt, den wir ausspucken: "Was aber aus dem Mund hervorkommt, das kommt aus dem Herzen, und das verunreinigt den Menschen; denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsche Zeugnisse, Lästerung." Das hat viel mit unseren Worten zu tun.
Letztlich sind sie, wenn sie sich in dieser Weise an Gott und am Menschen vergehen, entzündet, sagt Jakobus, entzündet von der Hölle – zweideutig, doppelbödig, widersprüchlich, inkonsequent, ambivalent, gespalten. Nun hat Gott mit uns das große Ziel eines ungeteilten Lebens. Er will, dass wir einfältig werden und hier auf Erden vor ihm wie Kinder fromm und fröhlich sind. Matthias Claudius dichtet, dass der Herr uns zu einem ungeteilten Leben verändern will, so wie er selbst ungespalten und eindeutig ist – der Vater des Lichts ohne jeden Schatten. Das will er uns schenken.
So hält er uns durch Jakobus mit diesen Worten einen Spiegel vor und sagt: Gebt Acht auf eure Worte, vergesst niemals, wozu eure Worte fähig sind. "Des Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott Recht ist", heißt es auch. Es gibt einen ganz praktischen Schutz, an den der Herr Jesus uns erinnert, nämlich in Matthäus 12,36-37. Dort erinnert uns Jesus daran, dass der Herr selbst Zeuge aller unserer Gespräche ist.
Das ist sehr hilfreich, wenn wir uns in manchen Situationen bewusst machen, dass Jesus mithört. Nicht im pädagogischen Zeigefingersinne, nach dem Motto: "Der liebe Gott sieht alles." Aber es ist eine Tatsache, dass er es sieht. Das ist schon schlimm genug, denn das Eigentliche zählt. Jesus sagt in Matthäus 12,36-37: "Ich sage euch aber, dass die Menschen Rechenschaft geben müssen am Tag des Gerichts von jedem nichtsnutzigen Wort, das sie geredet haben."
Wir können immer nur wieder so schnell wie möglich zum Herrn kommen und sagen: Herr, nimm es weg, lass es vergeben sein, lass es wirklich ausgelöscht sein durch die Kraft deiner Vergebung, damit es mir niemals mehr vorgehalten werden kann.
Bedenke, wozu du fähig bist. Bedenke, wie du mit deinen Worten verletzen und demütigen kannst. Bedenke, wie Worte entmutigen können. In einer knappen, hingeworfenen Nebenbemerkung kann jemand noch zwei Tage lang mit sich herumtragen, was gesagt wurde, um es zu verarbeiten.
Bedenke, wie du mit deinen Worten diffamieren kannst, wie du Federn ausstreuen und verleumden kannst, wie du Unwahrheiten verbreitest. Bedenke, wie du mit deiner Ironie und deinem Zorn, dem du freien Lauf lässt, anderen schadest und den Herrn verunehrst, der reine Worte aus deinem Munde hören will.
Bedenke, was du tust, wenn du dich auf Kosten anderer mit prahlerischen Worten herausstellst. Das Ziel, das der Heilige Geist in unserem Leben bewirken will, ist mehr als nur Selbstbeherrschung. Selbstbeherrschung ist ein erster Schritt, aber wenn es nur Selbstbeherrschung ist, wird sich auf Dauer nicht viel ändern. Denn Selbstbeherrschung ist begrenzt möglich und durchzuhalten.
Dem Herrn geht es um etwas ganz anderes: um Herzensveränderung. Jakobus zeigt uns sehr deutlich, wenn er sagt, die Zunge sei von der Hölle entzündet, dass das Problem nicht unser Temperament ist. Klar, Menschen mit stillerem Temperament zeigen ihre Sünde an dieser Stelle vielleicht nicht so schnell. Wenn jemand ein überbordendes, stürmisches Temperament hat oder gar cholerisch ist, kommt alles gleich heraus. Andere hingegen halten es mehr zurück. Aber es sind dieselben Worte.
Es geht nicht um Temperament, sondern um die Herzenshaltung. Unsere Worte spiegeln unsere Herzenshaltung wider. Darum fragt Jakobus in Vers 6 indirekt: Wovon ist deine Zunge denn bitteschön entzündet? Er sagt, wenn sie so agiert, ist sie von der Hölle entzündet. Bedenke das!
Deshalb muss unser Gebet immer wieder sein: Herr, reinige mein Herz und bändige meine Zunge. Manchmal ist das ja gar nicht böse gemeint, sondern nur loses Gerede. Aber auch loses Gerede, das nicht böse gemeint ist, kann den anderen verletzen.
In manchen Freundeskreisen und auch in gemeindlichen Zusammenhängen kann sich ein Ton etablieren, in dem geflaxt wird und Ironie hin und her geballert wird, wie beim Tischtennisspielen. Es entsteht eine Kultur des Fluchs, die einige gar nicht so schlecht finden, weil sie ein dickes Fell haben, die andere aber durchaus verletzen kann.
Das heißt nicht, dass man nicht humorvoll miteinander umgehen kann. Aber man muss überprüfen, was da wirklich geschieht. Es wäre traurig, wenn wir alle total humorlos und ohne kleine nette Neckereien miteinander umgehen würden. Das ist oft ein Zeichen von Vertrautheit, Zuwendung und Freundlichkeit.
Aber auch bei unseren Neckereien müssen wir bedenken: Versteht der andere es und kann er es richtig einordnen? Dann ist es in Ordnung. Aber wir sollten nicht nach dem Motto handeln: Lieber einen Freund verloren als einen guten Witz verschenkt. So etwas passiert manchmal – man sagt, okay, den gönnst du dir jetzt, egal, was das mit dem anderen anrichtet.
Das ist etwas anderes als liebevolles Necken. Dort, wo wir den anderen betrüben oder verletzen mit unseren Worten, oder wo wir es riskieren, oder wo das, was wir als Scherz verstehen, auf Kosten des anderen geht, sollten wir uns immer fragen: Ist jetzt der richtige Ort für dieses Wort?
Das heißt nicht, dass wir total verkrampft, freudlos, langweilig, transusig und einsilbig herumlaufen sollen. Das ist nicht gemeint. Die ganze Farbigkeit der Freude, die Christus uns schenkt, soll auch in unserer Kommunikation deutlich werden. Aber es ist eine Frage unseres Herzens. Wovon das Herz voll ist, davon geht der Mund über.
Wenn man sieht und zusammenfasst, was unsere Zunge alles ausrichten kann – mit ihrer Effektivität, ihrer durch den Sündenfall ausgelösten Zügellosigkeit, ihrer Neigung zur Gespaltenheit und Doppelbödigkeit –, könnte man denken, am besten halten wir einfach nur noch die Klappe. Wir bekommen ein christliches Klebeband verordnet, und dann ist Ruhe. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.
Wir denken an Zacharias, der verstummte, nachdem er völlig unangemessen auf Gottes Verheißung hin losgeschwatzt und nur dummes Zeug geredet hatte, das letztlich Gott verunehrte. Und manchmal wünscht man sich das heute auch.
Aber unser Herr will nicht, dass wir einfach nur verstummen. Er hat mehr mit uns vor. Deshalb gibt es zu diesem Thema auch noch eine Fortsetzung. Er will, dass unsere Worte nicht nur nicht zerstörerisch sind, sondern im Gegenteil aufbauend wirken.
Paulus hat das ganz ähnlich geschrieben. Es soll nicht nur das Schlechte abgestellt werden, sondern durch das Gute ersetzt werden. In Epheser 4 heißt es: "Legt die Lüge ab und redet die Wahrheit." (Epheser 4,25). "Zürnt ihr, so sündigt nicht" (Vers 26). Gebt nicht dem Teufel Raum.
Im Gegensatz dazu: Wer gestohlen hat, stehle nicht mehr, sondern bemühe sich vielmehr, mit den Händen etwas Gutes zu tun, damit er dem Bedürftigen geben kann (Vers 28).
Und dann Vers 29: "Kein faules Wort soll aus eurem Mund kommen, sondern nur das, was gut ist zur Erbauung, wo es nötig ist, damit es den Hörern Gnade bringe." Also lasst nicht nur das Schlechte weg, sondern ersetzt es durch das, was der Herr will.
Darum offenbart uns Gott durch Jakobus nicht nur die zerstörerische Macht von Worten, sondern auch ihre heilsame Kraft. Darüber werden wir morgen Vormittag sprechen.
Bereits im Alten Testament gibt es wunderbare Verheißungen über die Kraft von Worten: "Ein freundliches Wort erfreut den Menschen" (Sprüche 12,25) oder "Wie wohl tut ein Wort zur rechten Zeit" (Sprüche 15,23). Uns ist das oft so gegangen, dass wir jemandem ein Wort am Telefon gesagt, eine SMS oder E-Mail geschickt haben, ohne große Wirkung zu erwarten.
Später hat uns der Adressat mitgeteilt: Dieses Wort in der Situation hat meine ganze Lage verändert, meinen Tag in ein anderes Licht getaucht, meine Trübsal weggeblasen oder mir in meiner Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit einen Anker gegeben.
Wir haben gedacht: Gut, du schreibst einen Vers, meinst es gut, weißt nicht, was es bewirkt. Im Nachhinein hat Gott gezeigt: Durch dieses Wort habe ich bei dem anderen viel bewirkt.
"Wie wohl tut ein Wort zur rechten Zeit" – oder auch Sprüche 25,11: "Ein Wort, geredet zur rechten Zeit, ist wie goldene Äpfel auf silbernen Schalen." Das ist ein wahrhaft goldenes Wort.
Wir wollen morgen Vormittag versuchen, einige solcher goldenen Äpfel zu finden. Lasst uns den Herrn bitten, dass er uns wirklich heilsame Worte gibt, gespeist von seinem ewigen Wort, und dass er uns sensibel macht, wo wir mit unseren Worten Schaden anrichten, wo unsere Worte nicht geheiligt sind.
Das Problem ist oft, dass wir uns an bestimmte Dinge gewöhnen und ihre Angreifbarkeit, Schädlichkeit und ungeistliche Qualität gar nicht mehr durchschauen oder spüren. Wir sind darauf angewiesen, dass der Herr uns durch sein Wort sensibel macht, dass uns das bewusst wird, dass wir uns eher mal auf die Zunge beißen und den Herrn bitten: Reinige mein Herz und bändige meine Zunge.
Manfred Siebald dichtet:
"Gib mir die richtigen Worte, gib mir den richtigen Ton,
Worte, die deutlich für jeden von dir reden,
gib mir genug davon, Worte, die stören, Worte, die klären,
wo man vorbeilebt an dir, Wunden zu finden und sie zu verbinden,
gib mir die Worte dafür, Herr Jesus."
Darum wollen wir dich von Herzen bitten, dass du das immer mehr im Rahmen unserer Heiligung geschehen lässt. Dass wir merken, wo wir mit unseren Worten sündigen, und dem nicht einfach freien Lauf lassen, weil wir mal einen Schwung haben.
Herr, zügle uns da und gib, dass wirklich in unserem Herzen immer mehr du wirkst durch deine Güte und dein Erbarmen. Dass aus unserem Herzen immer mehr Worte kommen, die nicht von uns sind, sondern von dir.
Und dass wir in der Art und Weise, wie wir miteinander reden und vor der Welt sprechen, immer stärker zum Guten wirken dürfen, weil deine Worte unsere Worte bestimmen, Herr.
Bitte schenke uns das und vergib uns alles Ungemach, das wir dadurch angerichtet haben. Danke, dass du uns durch dein Wort lehrst. Amen.