König David war nicht nur ein hervorragender Heerführer und Regent, sondern auch ein außergewöhnlich musikalischer und dichterisch begabter Mann. Man kann ihn sozusagen als einen bekannten Liedermacher seiner Zeit bezeichnen. Heute würden wir vermutlich viele Lieder von ihm im Gottesdienst singen.
Im Buch der Psalmen werden von den 150 Psalmen 74 dem König David zugeschrieben. Es könnten sogar noch mehr sein, denn es gibt 48 Psalmen, bei denen kein Verfasser genannt wird. Vermutlich hat David auch einige dieser Psalmen verfasst, doch das ist nicht sicher.
Die Psalmen nehmen uns mit in die tiefsten Tiefen des Lebens: Angst, Zweifel, Frustration, Versagen und ähnliches. Gleichzeitig führen sie uns aber auch in die höchsten Höhen: Glück, Zufriedenheit, Freude, Dankbarkeit und Begeisterung. So gibt uns David einen Einblick in sein Herz und zeigt, wie er in Nöten und Freuden die Nähe Gottes sucht.
Aus diesem Grund habe ich diese siebenteilige Sommerserie unter den Titel „Einblicke in das Gebetsleben von König David“ gestellt. Ich finde es sehr beachtenswert, wie König David durch seine Gebete Einblick in sein Leben gewährt. Gerade der Psalm, den wir heute betrachten, ist persönlich gesehen kein Ruhmesblatt.
Die Offenheit Davids im Gebet
Das finde ich sehr spannend. David scheute sich nicht, offen über seine Probleme und Nöte zu sprechen. Die Überschrift des Psalms 39, den wir heute betrachten, zeigt, dass David wollte, dass dieses ernste und von Verzweiflung geprägte Gebet öffentlich vorgetragen wird. Es sollte durch Jedutun vorgetragen werden.
Jedutun war ein musikalischer Leiter, der damals tätig war. David hatte viele Musiker eingesetzt, und Jedutun wird mehrfach in der Bibel erwähnt, besonders in der Chronik. Die Söhne Jeduthuns – Gedalija, Zeri, Jeschaja, Shimi, Haschabia und Matithia, insgesamt sechs – sollten unter der Leitung ihres Vaters Laute spielen. Jedutun selbst pries und rühmte den Herrn in prophetischer Begeisterung.
Das bedeutet, er war von einer prophetischen Begeisterung erfüllt – ähnlich wie unser Musikteam heute – einer Begeisterung, etwas von Gott weiterzugeben. Jedutun wird noch in zwei weiteren Psalmen erwähnt. Wir können annehmen, dass er von David beauftragt wurde, Psalm 39 öffentlich vorzutragen.
Psalm 39: Das Bewusstsein der Begrenztheit des Lebens
Dass mein Leben begrenzt ist – so habe ich diesen Psalm überschrieben. Lassen wir uns nun in dieses Gebet hineinnehmen. Vorzutragen durch Jedutun, ein Psalm Davids.
Ich hatte mir vorgenommen, mich richtig zu verhalten, um mich nicht durch Worte zu versündigen, die rasch über die Lippen kommen. In der Nähe gottloser Menschen wollte ich meine Zunge in Zaum halten. So schwieg ich denn und blieb stumm, ohne dass es viel genützt hätte. Denn in mir bohrte weiter der Schmerz, mein Herz brannte, mein Stöhnen brachte ein Feuern zum Lodern. Schließlich konnte ich doch nicht mehr schweigen.
Lass mich begreifen, oh Herr, dass mein Leben begrenzt ist und meine Erdentage kurz bemessen sind. Lass mich erkennen, wie vergänglich ich bin. Meine Lebenszeit gleicht in deinen Augen nur einer Handbreit. Meine Zeit auf dieser Erde ist vor dir wie ein Nichts, der Mensch ist nur ein Hauch – selbst wenn er noch so kraftvoll dazustehen scheint. Selah!
Wie ein Schatten geht der Mensch über die Erde. Um sinnlose Dinge machen die Leute viel Lärm. Sie häufen Besitz auf, aber letztendlich weiß niemand, für wen.
Worauf soll ich denn nun meine Hoffnung setzen? Mein Warten und Hoffen gilt allein dir. Befreie mich von all meiner Schuld. Gib mich nicht dem Gespött von Dummköpfen preis. Ich will still sein und mache meinen Mund nicht mehr auf, denn von dir kommt alles, was geschehen ist.
Doch nun nimm das Leid, das du mir auferlegt hast, von mir, damit ich unter deiner strafenden Hand nicht vergehe. Wenn du einen Menschen wegen seiner Schuld bestrafst, lässt du seine Schönheit vergehen wie ein Kleid, das die Motten zerfressen. Ja, nichts weiter als ein Hauch ist jeder Mensch. Selah.
Hör auf mein Gebet, Herr, und vernimm mein Schreien. Schweige nicht zu meinen Tränen. Ich bin ja nur ein Gast bei dir, ein Fremder wie alle meine Vorfahren. Blicke nicht länger im Zorn auf mich, damit ich wieder froh werde, bevor ich diese Erde verlassen muss und nicht mehr bin.
Bedeutung und Funktion des "Sela"
Die Verse sechs und zwölf ändern sich mit einem Sela. Niemand kann mit Sicherheit die Bedeutung dieser Bemerkung wissen. Es gibt verschiedene Vermutungen dazu. Meistens geht man davon aus, was am wahrscheinlichsten ist: dass es sich um eine Anmerkung an die Musiker handelt.
Damit wird, so meine ich, eine Sinneinheit oder ein Gedankengang abgeschlossen. Bei einem Sela sollte man kurz innehalten und sich dann dem nächsten Gedankengang zuwenden.
Ich werde mich an diese Vorgabe halten, und deshalb wird meine Predigt drei Punkte haben. Dabei werde ich diesem Psalm entlanggehen. Das ist etwas, was ich immer versuche. Denn wer den Psalm geschrieben hat, hatte ja eine Idee und machte gedanklich einen Fortlauf.
Wir dürfen nicht einfach etwas herausnehmen und darüber sprechen, dann noch etwas herausnehmen und darüber sprechen. Stattdessen müssen wir versuchen nachzuempfinden: Was hat denn derjenige, der das geschrieben hat, wirklich bewegt? Dann verstehen wir, worum es eigentlich geht.
Das ist an sich faszinierend. Es ist nicht ganz einfach, aber es ist faszinierend, wenn man dem mal auf diese Weise nachgeht.
Der erste Punkt lautet: Hilfe, ich habe die Kontrolle verloren.
1. Hilfe: Das Eingeständnis des Kontrollverlusts
Leider kennen wir bei vielen Psalmen den geschichtlichen Hintergrund nicht. Oft ist es unmöglich zu erkennen, in welchem Lebensabschnitt und in welcher Situation der Verfasser sich befand. Aber egal, in welchen Schwierigkeiten David damals steckte, als er diesen Psalm schrieb – er muss sich in einer schweren Lebenskrise befunden haben. Das habt ihr ja gemerkt, wenn ihr nicht weggedöst seid bei der Psalmlesung.
Menschen bedrängten ihn, die sich ihm und Gott gegenüber in respektloser Weise verhielten. Fest entschlossen wollte er sich von diesen Leuten auf keine Art und Weise provozieren lassen. Er hatte sich vorgenommen, sich richtig zu verhalten, um sich nicht durch Worte zu versündigen, die schnell über die Lippen kommen. In der Nähe gottloser Menschen wollte er seine Zunge im Zaum halten – das hatte er sich fest vorgenommen.
David erkannte die Gefahr: Wenn er seinen Mund öffnete, würde er sich nicht mehr beherrschen können. Er würde seiner Wut unkontrolliert freien Lauf lassen und sich vor Gott versündigen. Das wollte er nicht. Er kannte die zerstörende Kraft von Worten. Worte können heilsam sein, aber sie können auch zerstören. Schnell ist etwas gesagt, das das Gegenüber unnötig verletzt.
Es gibt Menschen, die ihr Leben lang mit solchen bösen Worten leben und sich minderwertig fühlen – und sie fast nicht mehr loswerden. Böse Worte können zerstören. Wie wichtig es ist, seine Worte mit Bedacht zu wählen, sagt Jakobus in seinem Brief. Er schreibt: „Wenn jemand meint, er diene Gott und hält seine Zunge nicht im Zaum, sondern betrügt sein Herz, so ist sein Gottesdienst nichtig.“ Worte können heilsam sein, aber sie können genauso zerstören.
David ahnte, dass er sich nicht beherrschen könnte, wenn er seinen Mund öffnete. So schwieg er denn und blieb stumm – ohne dass es viel genützt hätte. Was für ein Frust! Jetzt schweigt er, und sie machen weiter und weiter und weiter. Leider hatte das Schweigen keine Auswirkung auf seine Gegner. Sie ließen nicht locker, sie provozierten weiter.
In David begannen die Gedanken zu kreisen, denn in ihm bohrte weiter der Schmerz. Es war fast unerträglich. Er kam nicht mehr los von diesen Provokationen, und in ihm bohrte der Schmerz. Er hatte den Ärger und den Frust in sich hineingefressen, was ihm unerträglichen Schmerz verursachte. „Mein Herz brannte, mein Stöhnen brachte ein Feuer zum Lodern.“ Die Bildhaftigkeit dieser inneren Verzweiflung, dieses inneren Dranges ist ein gewaltiges Feuerbrand in ihm.
Da sah er keinen Menschen mehr, schon gar nicht einen, der kampferprobt ist und es gewohnt, in den Krieg zu ziehen. Früh oder später musste ihm der Kragen platzen. Was sich aufgestaut hatte, musste sich entladen. Schließlich konnte er doch nicht mehr schweigen. Wie ein Okan sprudelte es aus ihm heraus – vergessen, was er sich so fest vorgenommen hatte.
Er verlor die Kontrolle über sich selbst und ließ seinen Worten freien Lauf. Nun hatte er versagt. Er versündigte sich gegen Gott – und das wegen dieser gottlosen Menschen. Und jetzt, wo er sich sozusagen entladen hatte, raufte er sich die Haare und würde das, was geschehen war, am liebsten rückgängig machen, ungeschehen machen. Doch das geht nicht, das geht nie im Leben, leider nicht.
Nichts können wir rückgängig machen, wenn wir es „noch so wünschen“. Passiert ist passiert, getan ist getan. Man kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen. Das hätte er schon einige Male gerne getan. „Komm, ich dreh es zurück, so wie in einem Film, oder? Rückspulen, Schnitt und dann machen wir das neu, Szene nochmals spielen. Das nächste Mal mache ich es besser.“ Nein, es geht nicht. Passiert ist passiert.
David wusste natürlich, wie dumm und sinnlos sein Verhalten war, denn dadurch konnte er an der schwierigen Situation gar nichts ändern. Im Gegenteil, es wurde nachher noch viel schlimmer. Nun hatte er ein viel größeres Problem, das er vorher nie gehabt hatte: Er versündigte sich gegen Gott. Und dann schrie er zu ihm:
„Lass mich begreifen, Herr, dass mein Leben begrenzt ist und meine Erdentage kurz bemessen sind. Lass mich erkennen, wie vergänglich ich bin. Herr, lass mich begreifen, dass ich mich nicht so wichtig nehmen muss, denn das Leben ist begrenzt und ich bin vergänglich. Warum habe ich mich wieder so wichtig genommen? Wie konnte ich mich nur so wichtig nehmen? Warum hatte ich mich so provozieren lassen? Hätte ich doch vorher daran gedacht, wie vergänglich ich bin, dann wäre mir das nicht passiert. Herr, lass mich jetzt das Leben aus der richtigen Perspektive sehen, denn dann wäre ich eher in der Lage zu schweigen. Dann würde ich den Schmerz ertragen können oder er würde gar nicht so stark werden.“
„Meine Lebenszeit gleicht in deinen Augen nur einer Handbreit, meine Zeit auf dieser Erde ist vor dir wie ein Nichts.“ Wir neigen dazu, unsere kleine Welt, in der wir uns bewegen, so anzusehen, als ob wir der Mittelpunkt des Universums wären. Wir bilden uns ein, wichtiger, größer und bedeutender zu sein, als wir es wirklich sind.
Betrachten wir das Universum ganz nüchtern und stellen uns der Tatsache, dass unser Leben außerordentlich kurz ist. Je älter man wird, desto schneller realisiert man, wie kurz das Leben ist. Dann erkennen wir schnell, wie unbedeutend wir für die Welt eigentlich sind. Aus Gottes Sicht müssten wir vermuten, sind wir eigentlich nichts.
Wir müssen nur in ein Flugzeug steigen, und kurz nach dem Start werden wir keine Menschen mehr auf der Erde erkennen. Sie werden für uns optisch unsichtbar, bedeutungslos. Und doch nehmen wir uns so wichtig.
Jakobus beschreibt einmal das Treiben der Menschen, und erstaunlicherweise ist das bis heute zutreffend geblieben. Er schreibt zu euch, die ihr sagt: „Heute oder spätestens morgen werden wir in diese oder jene Stadt reisen, wir werden ein Jahr lang dort bleiben, Geschäfte machen und viel Geld verdienen. Wir schaffen das, es wird uns gelingen, wir werden unser Ziel erreichen. Wir müssen nur genug Selbstvertrauen haben, dann können wir alles tun.“ Das sind die Botschaften des positiven Denkens in unserer Gesellschaft.
„Ich kann das, ich muss nur an mich glauben.“ Und ich staune immer wieder, mit welcher scheinbaren Sicherheit wir Menschen meinen, dass das, was wir uns vornehmen, gelingt. Wie schnell wir das glauben!
Ich staune immer so: In Filmen gibt es immer wieder Szenen, in denen es ganz schwierige Situationen gibt. Dann sagen die Helden: „Ich lasse dich nicht im Stich, wir kommen da raus, und ich hole dich zurück.“ Dann denke ich immer: Wieso willst du das wissen? Gut, dass er ein Drehbuch hat. Aber im echten Leben kann man einfach nicht so viel wissen, dass man das Leben so steuern kann. Es geht nicht.
Jakobus meint zu einer sorgenvollen Einstellung Folgendes: „Dabei wisst ihr nicht einmal, was morgen sein wird. Was ist schon euer Leben? Ein Dampfwölkchen seid ihr, das für eine kleine Weile zu sehen ist und dann wieder verschwindet.“
David war am Boden zerstört. Er konnte sich nicht beherrschen, er hatte sich selbst zu wichtig genommen und vergessen, wie vergänglich er ist. Der Mensch ist nur ein Hauch, selbst wenn er noch so kraftvoll dazustehen scheint. Und er war König, mächtig und reich.
Wäre ihm das vorher klar gewesen, dann hätte er sich beherrschen können. Sela – der erste Gedankengang.
Die Sinnlosigkeit menschlichen Strebens
Aus einer gewissen Distanz wird erkennbar, wie orientierungs- und hoffnungslos die Menschen ihr Leben gestalten. Wie ein Schatten gehen sie über die Erde, beschäftigen sich mit sinnlosen Dingen. Die Leute machen viel Lärm und häufen Besitz an, doch letztlich weiß niemand, für wen.
Wir werden von Aufgaben, Projekten und Zielen getrieben, die nüchtern betrachtet sinnlos sind. Sie sind deshalb sinnlos, weil wir all das, was wir erarbeiten und erreichen – und mag es noch so schön und spannend sein – eines Tages zurücklassen müssen. Was hat uns all das Mühen im Rückblick gebracht? Was wird es uns im Ausblick bringen?
Oft bleibt uns gar nichts anderes übrig, als getrieben zu werden, wenn wir in unserer Gesellschaft überleben wollen. Doch sobald wir gestorben sind, wird das Erreichte für uns bedeutungslos. Deshalb wusste David, dass durch diese Lebensweise keine Zukunft zu finden ist.
Worauf soll ich denn nun meine Hoffnung setzen, Herr, wenn nicht auf das, was ich erreichen kann, auf meine Kraft? Was hat Bestand? Was oder wer kann meinem Leben Bedeutung geben? Wer gibt mir Halt und Zukunft? Wer gibt mir Grund zur Hoffnung? Wo sind Werte, die sich der Vergänglichkeit entziehen und sich ihr widersetzen?
Dafür kenne ich nur eine Antwort: Mein Warten und Hoffen gilt allein dir. Einzig Gott, der die sichtbare und unsichtbare Welt erschaffen hat, kann unserem Leben Hoffnung geben. Wenn alles vergeht, bleibt Gott.
David, einer der reichsten und erfolgreichsten Menschen seiner Zeit, wusste, dass sein Reichtum und seine Erfolge nicht sinnstiftend sein können. Er hat viele Kriege gewonnen und war der Heerführer seiner Zeit. Aber das kann nicht sinnstiftend sein. Er wusste, es muss mehr als das geben – und dieses Mehr ist Gott.
Es ist doch wunderbar, dass wir hier einen König haben, der mächtig und erfolgreich ist und der in seinem Erfolg doch noch weiß, dass die Beziehung zu Gott vorrangig ist. Dieses Mehr ist Gott.
In der Beziehung zu Gott bekommt das Leben Ziel, Sinn und Hoffnung. Gott, der Schöpfer des Lebens, schenkt unvergängliches Leben. Gott allein kann dafür sorgen, dass wir im Sterben nicht alles verlieren, sondern alles gewinnen.
Heute, nachdem Jesus für unsere Schuld gestorben und auferstanden ist, können wir sagen, wie wir zu diesem unvergänglichen Reichtum kommen werden. Paulus ist jedenfalls begeistert davon. Er schreibt: „Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus! In seinem großen Erbarmen hat er uns durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten ein neues Leben geschenkt. Wir sind von Neuem geboren und haben jetzt eine sichere Hoffnung, die Aussicht auf ein unvergängliches und makelloses Erbe, das nie seinen Wert verliert. Gott hält es im Himmel für euch bereit.“
Sobald jemand mit Christus lebt, gelten andere Werte. Paulus sagt den Christen in Rom: Im Reich Gottes geht es nicht um Fragen des Essens und Trinkens, sondern um das, was der Heilige Geist bewirkt – Gerechtigkeit, Friede und Freude. (Römer 14,17)
Die Suche nach Vergebung und Schutz
Das wusste auch David, und deshalb wollte er seine Beziehung zu seinem Gott in Ordnung bringen. Mit seinem Reichtum und seiner Macht konnte er das Problem seiner Schuld nicht lösen. Er flehte: „Befreie mich, Gott, von meiner Schuld, von all meiner Schuld.“
Er wusste, dass Schuld nur Gott vergeben kann. Das war den Menschen damals sonnenklar. Schuld kann nur Gott vergeben. Heute ist den Menschen nicht einmal bewusst, dass sie schuldig sind. Heute sagt man oft nur, man habe Fehler gemacht oder es sei etwas schiefgelaufen. Aber dass man schuldig ist, ist heute kaum noch ein Thema. Damals jedoch wussten die Leute, dass Schuld nur Gott vergeben kann. Das war klar.
Als Jesus einem Mann die Vergebung seiner Sünden zusprach, ärgerten sich die Pharisäer. Sie dachten: Wie kann dieser Mensch es wagen, so etwas zu sagen? Das ist ja Gotteslästerung. Niemand kann Sünde vergeben außer Gott. Leider verstanden diese Pharisäer nicht, dass Jesus Gott ist.
So flehte David, dass Gott ihm seine Schuld vergeben möge. Denn es musste seine Schuld gewesen sein, die durch kein Opfertier beseitigt werden konnte. Und dann bat er um Schutz: „Gib mich nicht dem Gespött von Dummköpfen preis.“
Das ist eine spannende Formulierung. Herr, beschütze mich bitte vor meinen Feinden, damit ich nicht noch einmal die Kontrolle über mich verliere und mich erneut versündige. In unserem Vater haben wir übrigens eine ähnliche Bitte: „Lasst uns nicht in Versuchung geraten, sondern erlöse uns von dem Bösen!“
Nun nahm David sich erneut vor, Selbstbeherrschung zu üben: „Ich will still sein und meinen Mund nicht mehr aufmachen.“ So, aber jetzt endgültig. Aber warum sollte es diesmal funktionieren? Wie wird er sich beherrschen können? Wie oft haben wir uns etwas vorgenommen und dann doch immer wieder getan, was wir nicht tun wollten, und uns dann über uns selbst geärgert? Warum sollte es David diesmal schaffen?
Er kann es schaffen, weil er seine Gedanken ordnete und sich einen Leitsatz merkte: „Denn von dir kommt alles, was geschehen ist.“ Das ist sein neuer Leitsatz. Dieser Leitsatz hilft ihm, die Kontrolle über sich zu behalten, denn er macht sich bewusst, dass Gott die Kontrolle nicht verlieren wird. Gott wird handeln. Bei Gott entgeht nichts, nicht ihm.
Man muss sich in solchen Situationen engagieren, aber Gott tut es. David verlässt sich darauf, dass Gott nichts entgeht und dass er zugelassen hat, was geschieht. Er vertraut darauf, dass Gott die richtigen Maßnahmen ergreifen wird und dass nicht er selbst Maßnahmen ergreifen muss. Er muss nichts für Gott regeln, Gott regelt das selbst.
Aber nun wollte David von den Folgen seiner Sünden frei werden. Er versprach Gott, sich in Zukunft selbst zu beherrschen, doch er wollte jetzt wieder ganz sicher sein, der Zuneigung Gottes gewiss zu sein. Er flehte: „Doch nun nimm das Leid, das du mir auferlegt hast, von mir, damit ich unter deiner strafenden Hand nicht vergehe.“
Wenn Gott einen Menschen wegen seiner Schuld bestraft, lässt er seine Schönheit vergehen wie ein Kleid, das die Motten zerfressen. Ja, nichts weiter als ein Hauch ist jeder Mensch. Herr, ich weiß, dass ich gesündigt habe, aber jetzt bitte ich: Erbarme dich über mich, denn ich will mit dir Frieden schließen. Ich ertrage es nicht, wenn wir zerstritten sind.
David intensiviert seine Bitte, aufgelöst in Tränen. König David, der reichste und erfolgreichste Mann seiner Zeit, fleht vor Gott: „Höre auf mein Gebet, Herr, und vernimm mein Schreien. Schweige nicht zu meinen Tränen! Ich bin ja nur ein Gast bei dir, ein Fremder wie alle meine Vorfahren. Herr, lass mich bitte nicht fallen. Erbarme dich!“
Die Bedeutung der Gnade und der Frieden mit Gott
David war ein Mann, der verstanden hatte, was Gnade bedeutet. Gnade ist ein Geschenk, das man erhält, über das man jedoch nicht verfügen kann. Manche neigen dazu, mit der Gnade Gottes Handel zu treiben. Sie denken, eine Sünde sei nicht so problematisch, weil Gott sie uns ja vergeben wird, wenn wir das Bekenntnisritual absolvieren. Sünde bekennen – und schon ist alles wieder gut.
Das stimmt zwar in gewisser Weise. Doch wenn wir leichtfertig sündigen, weil wir bereits vor der Sünde mit der Gnade kalkulieren, haben wir nicht verstanden, was Gnade wirklich ist. Wer denkt: „Ja, ich kann das jetzt machen, es steht ja im Johannesbrief, dass ich meine Schuld bekenne und dann wird mir meine Sünden vergeben. Dann werde ich später beten, aber jetzt mache ich es“, der kalkuliert mit der Gnade. In diesem Fall haben wir nichts verstanden, was Gnade bedeutet.
Gnade ist und bleibt immer ein Gnadengeschenk, ein Geschenk Gottes.
David fleht um diese Gnade: „Blicke nicht länger im Zorn auf mich, damit ich wieder froh werde, bevor ich diese Erde verlassen muss und nicht mehr bin.“ David wollte noch einmal glücklich sein, bevor er sterben würde. Er wollte nicht sterben, ohne die Beziehung zu Gott in Ordnung gebracht zu haben.
Heute sind wir in gewisser Weise gegenüber David bevorzugt, weil Jesus in diese Welt gekommen ist. Durch den Glauben an Jesus wird der Zorn Gottes von unserem Leben abgewendet. Im Johannes-Evangelium lesen wir: „Wer an den Sohn glaubt, hat das ewige Leben. Wer dem Sohn nicht gehorcht, der wird das Leben nicht sehen, der Zorn Gottes bleibt über ihm.“
Wenn du Jesus ablehnst, hast du mit Gott noch keinen Frieden geschlossen. Mit Gott kann man nur durch Jesus Frieden schließen. Es liegt eine Schuld auf dir, für die du einmal vor Gott Rechenschaft ablegen musst – außer, du lässt dir von Jesus helfen.
Wenn du das bis jetzt noch nicht getan hast, dann tu es doch heute. Es ist ja unglaublich, dass Gott uns so ein faszinierendes Angebot macht, und wir Menschen stehen da, tun so, als ob wir es nicht bräuchten, und schimpfen dann noch über Gott.
Jesus sagt es einmal so: „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht.“ Warum? Weil Jesus das Gericht auf sich genommen hat. Er hat die Strafe am Kreuz für dich bezahlt und ist vom Tod zum Leben hindurchgedrungen. Das ist unvergänglich.
Jesus löste das Problem unserer Schuld. Wir müssen uns einzig vor ihm demütigen, so wie David sich in diesem Psalm vor Gott demütigte. Dieser große, mächtige, erfolgreiche König schämte sich nicht, sich in Demut in aller Öffentlichkeit vor Gott niederzuwerfen.
Und wir schämen uns manchmal, zu sagen, dass wir Christen sind, die in eine Freikirche gehen.
Die Einladung zur Demut und zum Vertrauen auf Gott
Lass mich begreifen, Herr, dass mein Leben begrenzt ist. Hilf uns, Herr, dass wir uns selbst nicht zu wichtig nehmen. Lass uns erkennen, dass wir nicht das Zentrum des Universums sind, sondern dass wir das, was im Leben zählt, einzig und allein bei dir finden können.
Worauf soll ich nun meine Hoffnung setzen, Herr? Mein Warten und Hoffen gilt allein dir. Ich bete mit uns.
Ich möchte dir danken, Vater, für diese Psalmen. Ich möchte dir danken für die Menschen, die diese Psalmen geschrieben haben und sich nicht scheuten, ihr Herz zu öffnen – sogar uns gegenüber. Sie helfen uns, auch in dieser Offenheit und Ehrlichkeit dir zu begegnen, denn du liebst das.
Du hast gern die Menschen, die offen und ehrlich sind. Du bist ein gnädiger Gott, der sich erbarmt. Das hat David immer wieder erlebt, und das können auch wir erfahren.
Die Gnade ist in ganz besonderer Weise in dir erschienen, Herr Jesus Christus: Dass du für unsere Sünden gestorben bist, dass du auferstanden bist und den Tod dadurch besiegt hast. Du hast uns ermöglicht, wenn wir wollen, Frieden mit dem Vater zu schließen. So können wir unvergängliches Leben erlangen – das, was über unser Sterben hinaus von Bedeutung ist.
Amen.