Wir wollen heute mit einem Buch beginnen, das einen ganz neuen Abschnitt innerhalb des Alten Testaments einleitet. Bislang hatten wir uns mit Büchern beschäftigt, die man zu den Geschichtsbüchern zählt. Jetzt fangen wir mit den sogenannten poetischen Büchern an.
Die poetischen Bücher sind Hiob, Psalmen, Sprüche, Prediger und das Hohelied. Diese werden sich ganz schön von dem unterscheiden, was ihr bislang gelesen habt. Bisher hattet ihr Geschichtsbücher. Wenn ich euch fragen würde, was im Zentrum eines Geschichtsbuchs steht, was würdet ihr dann denken?
Im Mittelpunkt steht, wie Gott in der Geschichte handelt. Wie Gott in der Geschichte handelt – mit wem? Mit seinem Volk. Vielmehr steht das Volk im Mittelpunkt, und die Entwicklung des ganzen Volkes. Der einzelne kommt natürlich auch vor, aber er ist nicht das zentrale Thema. Es geht darum, wie das Volk entsteht, wie es dem Volk geht, wie sich das geistliche Leben des Volkes entwickelt, unter welchen Bedrückungen es lebt, wer es regiert und wie gut diese Herrschaft ist. Das sind die Themen der Geschichtsbücher.
Bei den poetischen Büchern wird das ganz anders sein. Sie besitzen eine ganz andere Sprache. Ich persönlich finde es immer wieder toll, poetische Bücher auch laut zu lesen. So kann man sich dem Reichtum an Gleichnissen, Metaphern und Bildern besser aussetzen.
Bei den Sprüchen werden wir feststellen, dass sie zum Teil unheimlich knapp sind. Wir werden darüber sprechen müssen, warum diese Knappheit auch dazu führt, dass sie sich schwer übersetzen lassen.
Wenn wir über hebräische Poesie nachdenken, stellen wir fest, dass es dort nicht die gleichen Formen gibt wie im Deutschen. Wie macht man im Deutschen Poesie? Mit Reimen. Genau, mit Reimen. Und wie funktioniert ein Reim? Am Ende muss es ähnlich klingen. So entsteht ein Reim im Deutschen.
Weiß jemand, wie das bei den Griechen und Lateinern war? Wie funktionierten dort die Reime? Ging es um die Anzahl der Silben? Ja, es hatte etwas mit Silben zu tun, aber es war nicht nur die Anzahl der Silben entscheidend. War es der Anfangsbuchstabe? Nein, es war die Betonung, der Wechsel zwischen betonten und unbetonten Silben.
Zum Beispiel gibt es den Spruch: „Steter Tropfen höhlt den Stein“. Auf Lateinisch heißt das: „Gutta cavat lapidem non vi sed saepe cadendo“. Das gibt es auch im Deutschen, das ist logisch. Aber auf die Endung legen die Lateiner kaum Wert. Dort ist das vordergründige Merkmal der Rhythmus.
Wir haben hier Spezialisten unter uns, die können wir später noch dazu befragen. Der Hebräer kennt weder den Endreim noch den rhythmischen Wechsel von Silben. Der Hebräer verwendet den gedanklichen Reim, und das findet er besonders elegant.
Das bedeutet, dass ähnlich geartete Inhalte mit unterschiedlichen Ausdrücken beschrieben werden, vielleicht zweimal, und diese Eleganz zeigt sich darin, eine und dieselbe Sache von zwei Seiten zu beleuchten. Für ihn ist das Poesie.
Und das geschieht in Verbindung mit Bildern, mit Vergleichen, mit Gleichnissen. So baut er Poesie auf. Richtig.
Also, das möchte ich aufgreifen. Wenn ihr das lest, dann geht erst einmal davon aus, dass diese beiden Beschreibungen ein und derselben Sache tatsächlich erst einmal ein und dieselbe Sache meinen, nur aus etwas unterschiedlichen Standpunkten betrachtet.
Vorhin hatte ich gesagt: Bei den Geschichtsbüchern steht das Volk im Mittelpunkt. Bei den poetischen Büchern hingegen steht der Glaube des Einzelnen im Mittelpunkt. Das werden wir bereits bei dem ersten Buch, das wir heute Abend betrachten wollen, merken.
Es geht um eine Person, um Hiob, und wie dieser Mann, dieser Gerechte, sein persönliches Glaubensleben lebt. Sein Bezug zum Volk ist dabei völlig uninteressant.
Die einzelnen poetischen Bücher zeigen uns, wie der Einzelne, der natürlich Teil seiner Gesellschaft ist und auch das Schicksal seines Volkes, zum Beispiel Verschleppung oder Bestrafung, teilt, trotzdem sein persönliches Glaubensleben mit Gott leben kann.
Deshalb werdet ihr, wenn ihr zum Beispiel die Psalmen lest, sehr persönliche Empfindungen finden. Es gibt manch einen Psalm, bei dem man sagen kann: „Der passt super gut in meine Situation“, weil er aus einer bestimmten Situation einer bestimmten Person heraus geschrieben wurde.
Selbst ganz düstere Psalmen können manchmal genau der geistliche Ausdruck sein, der in einer bestimmten Situation unser Herz erreicht. Dann können wir sagen: „Ja, das kenne ich, das kann ich gut nachvollziehen.“
Die poetische Literatur beantwortet eine wichtige Frage, wie wir sie im Psalm 11 finden. Im Psalm 11, Vers 3 fragt der Psalmist: „Wenn die Grundpfeiler umgerissen werden, was richtet da der Gerechte aus?“
Die Frage lautet also: Was kann ein Gerechter noch erreichen, wenn das Fundament, auf dem ein ganzes Volk ruht, zusammenstürzt? Was kann ein Gerechter noch ausrichten, wenn sich ein Volk willentlich dafür entscheidet, seinen Gott zu verlassen? Wenn die Mehrheit anderen Göttern hinterherläuft, obwohl Gott durch Propheten Gericht androht und trotzdem niemand umkehrt?
Was kann der einzelne Gerechte dann noch bewirken? Die Antwort lesen wir in den Versen 4 und 5: „Der Herr ist in seinem heiligen Palast, der Herr in den Himmeln ist sein Thron. Seine Augen schauen, seine Augenblitze prüfen die Menschenkinder. Der Herr prüft den Gerechten, aber den Gottlosen und den, der Gewalttat liebt, hasst seine Seele.“
Die frohe Botschaft, die hier in diesen Versen steckt, lautet: Gott sieht den Einzelnen. Gott prüft den Einzelnen. Es mag sein, dass die Grundpfeiler weggerissen werden. Es mag sein, dass ein Land sich total gegen Gott auflehnt.
Wir erleben das zum Teil auch in Deutschland. Die Gesetzgebung der letzten zwanzig, dreißig Jahre ist im Hinblick auf die Gebote Gottes oft ein Schlag nach dem anderen ins Gesicht Gottes.
Was kann der einzelne Gerechte ausrichten? Gott kennt ihn. Gott kennt dich. Gott kennt dein persönliches Leben. Und auch wenn um dich herum Dinge zusammenbrechen, Gott sieht dich, Gott prüft dich, Gott will dich.
Die Folge davon ist: Ich kann unabhängig von den gesellschaftlichen Zwängen, in denen ich mich befinde, ein persönliches geistliches Leben mit Gott führen. Ich kann persönlich treu sein, ich kann eigenständig und in Abhängigkeit von Gott leben und ihm vertrauen.
Das ist die frohe Botschaft: Gott hat nicht einen großen Topf, den Topf „Deutschland“, und alles, was darin ist, wird klein gekocht. Sondern er sieht auf jeden Einzelnen – auf dich, auf mich, auf unsere Nachbarn.
Durch diese Gottesfurcht, die jeder Einzelne haben kann, durch den innigen Umgang, den er mit Gott pflegt, darf auch jeder Einzelne den Weg erkennen, der ihn durch diese von der Sünde verdorbene Welt hindurchführt.
Es kann passieren, dass wir Schritt für Schritt durch diese Welt gehen, dabei auf Gott blickend. Die poetischen Bücher werden uns dabei eine ganze Menge Hilfestellung leisten. Trotz unserer eigenen Probleme erhalten wir mit jedem Schritt ein etwas größeres Gesichtsfeld.
Mit jedem Schritt, den wir in Abhängigkeit von Gott gehen, mit jedem Schritt, in dem wir ihn besser kennenlernen – seine Gedanken, seinen Charakter, seine Ideen für diese Welt – weitet sich auch unser Blickfeld. Wir verstehen die ganze Welt immer ein Stückchen besser, wie Gott sie sich gedacht hat und warum die Dinge genau so laufen, wie sie laufen.
Es fängt in unserem eigenen Leben an. Wir gehen eigene kleine Schritte durch dieses Leben und erhalten in der Auseinandersetzung mit Gott einen Blick für die ganze Welt.
Dabei kann die poetische Literatur helfen. Ich denke, dazu ist sie da. Sie will den Blick auf den Einzelnen wenden.
Hiob – heute möchte ich ein wenig über poetische Literatur sprechen, und das mag zunächst genügen. Schauen wir uns Hiob an. Das Buch Hiob behandelt einen komplexen Themenbereich. Dieser Komplex lautet: Wie ist es möglich, dass gerechte Menschen leiden? Wie kann es sein, dass guten Menschen böse Dinge widerfahren? Geht das überhaupt?
Wie ordne ich es ein, wenn sich jemand bekehrt und es ihm kurz nach der Bekehrung schlechter geht als vorher? Wie kann ich verstehen, wenn Christen Kinder verlieren, krank werden oder vielleicht lange Zeit arbeitslos sind? Wie passt das zusammen? Das ist eine sehr aktuelle Frage, richtig praktisch. Jeder kann sich damit ein Stück weit identifizieren, denn wir alle sind irgendwann oder sind bereits durch Zeiten gegangen, in denen wir gesagt haben: „Oh, das war wirklich nicht einfach.“ Da war ich enttäuscht, ich habe es nicht verstanden. Vielleicht habe ich bis heute keine Antwort auf das Warum.
Ich möchte, dass wir uns die Antwort im Jakobusbrief anschauen, und zwar in Jakobus 5,11. Dort heißt es: „Siehe, wir preisen die Glücklichen, die ausgeharrt haben.“ Jetzt kommt ein Beispiel fürs Ausharren: „Vom Ausharren Hiobs habt ihr gehört, und das Ende des Herrn habt ihr gesehen.“ Die Anmerkung erklärt uns, dass es das Ende ist, das der Herr Hiob bereitet hat. Dieses Ende zeigt, dass der Herr voll innigen Mitgefühls und barmherzig ist.
Was können wir also von Hiob lernen? Ausharren. Von Hiob können wir eine Lektion lernen, die ganz fundamental wichtig ist. Diese Lektion lautet: Das Ende ist entscheidend. Das mag simpel klingen, aber es stimmt wirklich. Das Buch Prediger wird später noch viel dazu sagen, doch das Ende ist entscheidend, um eine Sache zu beurteilen. Am Ende verstehen wir, wozu das Leiden dient – übertragen auf Hiob.
Am Anfang steht Hiob da, nachdem er sehr viel verloren hat. Er durchlebt furchtbare Verluste und auch persönliche Niederlagen. Aber wie steht er am Ende da? Als Sieger, oder? Ich möchte euch noch eine andere Stelle zeigen, die ich für Ute herausgesucht habe: Psalm 34,20. Dort heißt es: „Vielfältig ist das Unglück des Gerechten.“ Wenn man das liest, denkt man vielleicht: „Das möchte ich gar nicht so deutlich hören. Vielfältig ist das Unglück des Gerechten? Ich dachte, ich habe jetzt irgendwie das Große Los gezogen.“ Aber es geht weiter: „Aus alledem errettet ihn der Herr.“
Das Buch Hiob will Menschen in Not zunächst Hoffnung geben, indem es sagt: Schaut euch das Ende an! Das Ende ist gut. Den Weg dahin wollen wir nicht gehen, aber das Ende hätten wir alle gern. Wir wären alle sofort bereit, mit Hiob ab Kapitel 42 zu tauschen. Nur Kapitel 1 bis 41 würden wir uns gern sparen.
Das Buch Hiob ist ein Buch, das man zuerst vielleicht gar nicht wahrhaben will – aber es ist ein Buch, das Hoffnung vermittelt. Am Ende wird es gut. Warum? Weil Gott ihn rettet. Der, dem wir folgen, ist der, der retten kann und retten will. „Vielfältig ist das Unglück des Gerechten, aber aus alledem errettet ihn der Herr.“ Leid hat ein Ende, aber...
Und das können wir, wann immer uns Leid begegnet. Ich möchte das jetzt ernst sagen, auch wenn es vielleicht etwas plump klingt: Wann immer uns Leid trifft, dürfen wir wissen, dass wir einen Herrn haben, der warmherzig und voll innigen Mitgefühls ist.
Er wird dem Leid, das uns begegnet, ein Ende setzen. Leid hat ein Ende. Egal, wo du gerade steckst, egal, was dich im Moment trifft, egal, wie sehr dich etwas belastet und du fast nicht mehr damit klarkommst – es gibt ein Ende, an dem das Leid aufhört.
Vielleicht taucht dabei die Frage auf: Wenn Gott so mitfühlend ist, wäre es dann nicht nett, wenn er das Leiden einfach wegnehmen würde? Denn eigentlich will niemand leiden. Ich selbst kenne das oft: Wenn ich in Leid und Not bin, frage ich mich, wo Gott jetzt eigentlich ist. Wo bist du, Vater, in dieser Situation?
Genau das ist der Titel unseres Buches. Übersetzt heißt er: Wo ist der Vater? Diese Frage wollen wir beantworten. Die Antwort lautet, etwas poetisch ausgedrückt: Er ist mitten im Sturm. Denn, wie ihr sehen werdet, spricht Gott aus dem Sturm zu Hiob.
Er ist da, wo es drunter und drüber geht, dort, wo du ihn vielleicht am wenigsten erwartest. Er ist da und bleibt Gott. Er spricht zu dir und will zu dir sprechen. Dein Leben ist für ihn von Bedeutung.
Er versteckt sich nicht einfach an einem Ort, wo du ihn nicht erreichen kannst. Sondern genau dort, wo du ihn am wenigsten erwartest, ist er plötzlich da.
Im Fall von Hiob lernen wir noch mehr. Wir erfahren nicht nur, dass Gott da ist und zu uns sprechen möchte, sondern auch, dass das Leiden Hiobs nicht grundlos ist.
Ihr habt wahrscheinlich schon einen Teil von Hiob gelesen. Habt ihr mitbekommen, wer Hiob eigentlich ist? Er ist Gottes Champion. Er ist der Mann, bei dem man sagt: „Er ist mein Bester, er ist mein Rambo.“ Wir schicken ihn dorthin, wo es am härtesten ist, weil, wenn jemand es schaffen kann, dann er. Er ist ein Champion, Gottes Champion.
Der Satan stellt Hiobs Glauben in Frage und auch die Gerechtigkeit Gottes. Innerhalb gewisser Grenzen gibt Gott dem Satan Spielraum und freie Hand. Das ist eine Lektion, die wir auch im Neuen Testament an verschiedenen Stellen lernen: Der Satan darf Menschen nicht willkürlich versuchen. Es gibt eine Grenze für Versuchungen, und diese Grenze bestimmt Gott.
Gott weiß, was wir brauchen und was wir vertragen. Deshalb dürfen wir sicher sein, wie es in 1. Korinther 10,13 heißt, dass es in jeder Versuchung auch einen Ausweg gibt und dass wir sie ertragen können. Das gilt, weil der Satan nicht unbegrenzte Macht hat, sondern nur die, die ihm von Gott zugestanden wird.
Hiob weiß von dem, was ich gerade gesagt habe, natürlich nichts in dem Moment, in dem ihn das Leid trifft. Er hat das Gespräch zwischen Gott, dem Allmächtigen, und dem Satan nicht gehört. Er erlebt nur den schrecklichen Verlust seines Eigentums, seiner Kinder und seiner Gesundheit. Zum Schluss verliert er sogar den Beistand seiner Frau.
Aber hat der Satan Recht gehabt mit seinen Vorwürfen? Er hatte behauptet: „Du, Gott, bist so stolz auf deinen Hiob, aber in Wirklichkeit steht er doch nur auf deiner Seite, weil es ihm richtig gut geht. Nimm ihm mal ein bisschen was weg, und ich sage dir, er schwirrt sofort ab. Das ist nämlich einer, der ist ein Opportunist.“
Der Satan meint, Hiob habe Gott nicht wirklich lieb. Ihm gehe es nicht um eine Beziehung zu dem lebendigen Gott. So ein Blödsinn! Ihm gehe es vielmehr um möglichst viele Kamele, viele Kinder, möglichst wenig Streit mit den Nachbarn und viel Einfluss in den Toren der Stadt. Das seien seine Ziele. Er sei einfach jemand, der den richtigen Weg gefunden habe: ein bisschen Religion, ein bisschen Bestechung der Götter.
„Glaub doch nicht, dass diesem Hiob irgendetwas an dir, Gott, persönlich gelegen ist.“ So ungefähr lautet der Vorwurf. Und allzu oft trifft dieser Vorwurf bei Menschen genau ins Schwarze. Wer weiß, ob das nicht auch bei Hiob so war?
Dann sagt Gott: „Du darfst ihn testen, probier’s doch mal aus.“ Und am Ende lesen wir in Hiob 1, wie die Testzeit beginnt.
Hiob Test 1, Testergebnis Hiob 1, Vers 20: Da stand Hiob auf, zerriss sein Obergewand und schor sein Haupt.
Er ist nicht teilnahmslos, Hiob, ja? Hiob ist nicht ein bisschen verrückt im Kopf und hat nicht verstanden, was gerade passiert ist. Er weiß sehr genau, was geschehen ist. Er empfindet Verlust. Er ist traurig, er ist getroffen.
Aber was sagt er in Vers 21? „Und er fiel auf die Erde und betete an.“ Das ist etwas, das mich unglaublich berührt.
Stellen wir uns vor, wir haben Kinder – hier sind jetzt gar nicht so viele – und die Nachricht kommt: Schulbusunglück, alle Kinder tot. Was würdest du tun? Auf die Knie gehen, anbeten und sagen: „Nackt bin ich aus dem Mutterleib gekommen und nackt kehre ich dahin zurück. Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen, der Name des Herrn sei gepriesen.“
Werde ich das sagen? Ja, natürlich. Meine Kinder waren mir anvertraut, sie waren nicht mein Besitz. Meine Gesundheit ist letztlich anvertraut. Es gehört nicht mir. Der Herr hat es mir gegeben, der Herr hat es mir genommen.
Aber eines wollen wir doch festhalten: Der Name des Herrn sei gepriesen.
Bei alledem sündigte Hiob nicht und legte Gott nichts Anstößiges zur Last.
Der Champion gewinnt, nicht wahr? Runde eins, eins zu null.
Und dann gibt es noch eine zweite Runde. Das ist die Phase, in der es Hiob wirklich an sein eigenes Leben geht, wo er krank wird. Der Teufel bringt eine ähnliche Argumentation wie beim ersten Mal vor.
Wir lesen das in Kapitel 2, Vers 10: Nachdem auch seine Frau gegen ihn ist, sagt Hiob zu ihr: „Wie eine der Toren redest du. So redest auch du. Das Gute nehmen wir von Gott an, da sollten wir das Böse nicht auch annehmen.“ Bei alledem sündigte Hiob nicht mit seinen Lippen. Zwei zu Null, oder?
Eigentlich könnte das Buch an dieser Stelle enden. Man könnte direkt zu Kapitel 42 springen und sagen: Okay, damit die Sache ein Happy End hat, gibt Gott ihm alles noch einmal doppelt zurück.
Warum also dieser ganze Mittelteil? Ich denke, Gott wollte zeigen, dass es jemanden gibt, der Hiob liebt, der auf seiner Seite steht und aus freien Stücken für Gott ist. Jemand, der sich nicht von den Segnungen kaufen lässt, der die Gaben nicht vergöttert, sondern den Geber. Das ist doch jetzt klar und offen da.
Warum also mehr? Meiner Meinung nach liegt die Antwort darin, dass Leid immer auch ein Mittel ist, das Gott benutzt, um uns zu erziehen. Gott benutzt Leid, um uns zu erziehen. Und Gott lässt zu, dass die Haltung, die hier so souverän klingt – „Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen, der Name des Herrn sei gepriesen“ – einbricht.
Scheinbar kann Hiob bei all dem nicht sündigen mit seinen Lippen. Nicht mit seinen Lippen, ganz genau. Aber das würde er jetzt tun. Ich sage das nicht unbedingt über sein Herz, sondern über seine Worte.
Was wir auch sehen werden: Hiob hat noch etwas zu lernen. Das werden wir am Ende sehen. Hiob gibt zu, dass er durch das Leid noch etwas lernen muss.
Und genau das ist es, was Gott mit dem Leid bewirkt. Ein Leid, das vom Teufel initiiert ist, wird von Gott benutzt, um bei Hiob ein ganz anderes Ziel zu erreichen – ein Ziel, das Hiob selbst noch gar nicht im Blick hatte.
Hiob wird zusammenbrechen – das habt ihr sicher schon teilweise gelesen. Er wird lebensmüde, verliert sein Bewusstsein für den Wert seines eigenen Lebens vor Gott, verliert die Achtung vor seinen Freunden und sogar das Vertrauen in Gottes Gerechtigkeit. Neudeutsch würde man vielleicht sagen, er durchlebt eine tiefe geistliche Depression. Genau das ist es. Er ist nicht mehr derselbe Hiob.
Am Anfang nimmt er das noch einigermaßen hin und ist noch stark. Doch er wird immer schwächer und letztlich von Kapitel zu Kapitel ein Stück weit gebrochener. Schließlich lässt er sich zu Aussagen hinreißen, für die er später Buße tut.
Ich habe das einmal so formuliert: Schlimmer als die Katastrophen in seinem Leben ist der Verlust der Hoffnung. Er hat nämlich ein Problem: Sein Leiden macht für ihn keinen Sinn, weil er sagt: „Ich bin doch gerecht, warum das Ganze?“
Dann kommen noch drei Freunde, die eigentlich trösten wollen, aber die Situation nur verschlimmern. Seine Freunde bieten falsche Seelsorge.
Wisst ihr, was das Problem der Freunde ist? Vorurteile. Sie denken: „Hiob, weißt du was? Es gibt diese Strömung heutzutage auch noch – jemand, der wirklich geistlich ist, ist auch immer reich. Du bist arm. Der ist immer gesund, dir geht es nicht gut. Weißt du, was dein Problem ist, Hiob? Du bist ein Sünder. Du versteckst etwas vor Gott. Gott züchtigt dich, damit du das endlich bekennst. Du bist ein Heuchler. Du machst dir und anderen etwas vor.“
Mit dieser Haltung gehen die Freunde ins Gespräch. Am Anfang kommt diese Haltung noch nicht so deutlich zum Vorschein, aber je länger sie reden, desto unverblümter greifen sie Hiob an. Hiob hingegen wehrt sich immer heftiger. Am Ende entfernen sich die Gesprächspartner immer weiter voneinander. Die Positionen verhärten sich, und eigentlich können sie kaum noch miteinander reden.
Man kann sagen: Unkundige Seelsorge kann jemanden zum Sündigen bringen. Falsche Seelsorge macht die Dinge schlimmer. Sie vermehrt sogar die Sünde, anstatt sie zu reduzieren. Sie führt nicht wirklich zur Buße, so dass jemand vor Gott tritt, seine Sünde bekennt und sie lässt. Das Gegenteil geschieht.
Das ist eine sehr traurige Sache, und wir müssen uns alle fragen: Bin ich da, wo ich mit Problemen konfrontiert werde, wirklich jemand, der etwas Sinnvolles zu sagen hat? Oder sollte ich lieber schweigen, weil ich nicht weiß, worum es wirklich geht? Denn durch meine Vorurteile oder mein falsches Reden könnte ich die Situation verschlimmern, anstatt zu helfen.
Hier zeigt sich ein gutes Beispiel, wie schlechte Seelsorge einen Menschen in die Sünde treibt – und auch in die Depression. Es wird ja immer schlimmer.
Die Wende in der Geschichte kommt recht überraschend, oder? Man liest von den drei Freunden und denkt sich: Naja, keiner von ihnen kommt so richtig weiter. Und plötzlich erfährt man, dass es nur einen Vierten gibt: Elihu, den Jüngsten.
Er saß die ganze Zeit dabei, was übrigens absolut bewundernswert ist. Er hört zu, lässt die anderen reden und merkt, wie sich die Situation allmählich zuspitzt. Dennoch lässt er sie weiterreden – noch ein bisschen.
Irgendwann aber ergreift er das Wort, als die drei Älteren eigentlich nichts mehr zu sagen haben. Dabei tut er etwas, das ich folgendermaßen beschreiben möchte: Er öffnet Hiob die Augen für Gott. Er bereitet Hiob auf die Begegnung mit seinem Gott vor.
Wenn noch Zeit bleibt, werde ich einige Charakteristika nennen, die seinen Dienst kennzeichnen. Als Hiob, der die ganze Zeit die Stimme Gottes nicht mehr hören konnte, plötzlich wieder Gott vernimmt, ist für ihn klar, dass er Buße tut und bereut.
Der Dienst Elihus besteht also darin, wie ein Mittler zwischen Hiob und Gott zu stehen. Er versetzt Hiob in die Lage, überhaupt wieder Gott zu hören und zu begreifen, dass Gott da ist. Gott spricht aus dem Sturm in Hiobs Leben hinein und zeigt: Er ist noch da.
Als Hiob wieder fähig wird, die Stimme Gottes zu hören, ändert sich alles in seinem Leben. Er tut Buße für das, was er gesagt hat, und betet für seine Freunde. Wie Jakobus zitiert, drückt dies aus, dass das Ende Hiobs viel glücklicher ist als sein Anfang.
Aber die Frage ist: Was lernt Hiob eigentlich? Was soll das eigentlich? Was lernt er denn jetzt?
Wir lesen das in Hiob 42. Ich habe Angst, dass wir das lesen und nicht verstehen, dass wir den Wert dessen, was da steht, nicht erfassen. Diese Angst ist sehr begründet, denn ich merke in meinem eigenen Leben, dass manchmal Dinge, die vor Gott wenig zählen, in meinem Herzen eine höhere Bedeutung haben als das, was wirklich wichtig ist.
Jeder, der verheiratet ist, wird so etwas mal erlebt haben: Dem anderen sind manchmal Dinge wichtig, bei denen man sich fragt: „Was willst du denn damit? Was soll das jetzt?“ Man denkt: „Hätte ich nicht gedacht, dass das irgendetwas bedeutet.“
Hier ist es ähnlich. In Hiob 42 antwortete Hiob dem Herrn und sagte: „Ich habe erkannt, dass du alles vermagst und kein Plan für dich unausführbar ist. Wer ist es, der den Ratschluss verhüllt ohne Erkenntnis?“ Das war ein Zitat, etwas, das Gott gesagt hatte.
Hiob fährt fort: „So habe ich denn meine Meinung mitgeteilt und verstand doch nichts. Dinge, die zu wunderbar für mich sind und die ich nicht kannte, kannte ich nur vom Hörensagen. Jetzt aber hat mein Auge dich gesehen. Darum verwerfe ich mein Geschwätz und bereue in Staub und Asche.“
Was hat Hiob denn bitteschön gelernt? Demut. Ja, Demut, aber noch ein Stück mehr. Geh mal noch einen Schritt weiter: Gott ist größer, oder? Ja, er hat Gott besser kennengelernt.
Ich würde sagen: Was bedeutet es, Gott besser kennenzulernen? Das meine ich, wenn ich sage, dass wir manchmal die Dinge, die wirklich wichtig sind, wie Dreck behandeln.
Das höchste Ziel des Menschen hat jemand mal so formuliert: „Das höchste Ziel des Menschen ist es, Gott zu lieben und seine Liebe zu genießen.“ (Westminster Shorter Catechism). Das bedeutet, im Zentrum meines Lebens soll Gott stehen. Ihn besser kennenlernen, ihn mehr durch mein Leben verherrlichen, ihn lieben, ihm nahe sein.
Das ist eigentlich Christentum, Christsein – das macht es aus. Und wisst ihr, was wir dafür brauchen? Wir müssen ihn kennen. Es ist mir total egal, ob du alle Auslegungsvarianten der Offenbarung kennst – und es gibt viele davon. Das ist nicht entscheidend.
Aber ob du Gott kennst oder nicht, das macht den Unterschied in deinem Leben. Ob du in deinem Leben ein Stück weitergekommen bist, ihn zu begreifen, das ist entscheidend.
Ich habe die große Angst, dass wir uns zu leicht mit Wissen den Kopf vollballern. Ich bin gegen Wissen überhaupt nicht – sonst würde ich ja nicht solche Kurse hier machen. Aber wir gehen oft am eigentlichen Ziel geistlichen Lebens vorbei.
Es geht nicht darum, wandelnde Kommentare zu werden, bei denen du auf einen Bibelvers klickst und dann sprudelt die Erklärung raus. So schön das ist, wenn es das gibt: Das, was unser Leben als Christen eigentlich ausmacht, ist, dass wir ihn kennen, für ihn leben, ihn lieben. Dass er in uns sein Leben leben kann, dass es keine Diskrepanz zwischen ihm und uns gibt. Das ist Christsein.
Und da ist Hiob einen großen Schritt weitergekommen. Vielleicht sagst du: „Mit der Demut, ja, mag sein, dass das der Punkt ist, den er an dieser Stelle gelernt hat.“ Ich denke, seine Seelsorge durch Erhöhung hat ihm gezeigt, dass er Demut lernen musste. Aber er hatte bestimmt noch ein falsches Bild, genau wie seine Freunde irgendwo.
Er sagt selbst: „Ich habe dich nur vom Hörensagen gekannt.“ Seine Vorstellung von Gott war schemenhaft – sie war noch nicht geprägt aus persönlichem Erleben. Das war nicht falsch. Lest, was er über Gott schreibt: Da ist viel Gutes und Richtiges dabei.
Aber jetzt begegnet er Gott wo? Im Leid. Und das Leid vermittelt ihm ein viel klareres Bild vom Allmächtigen. Das führt dazu, dass er sagt: „Jetzt habe ich erst mal verstanden, wer Gott eigentlich ist.“
Am Anfang sprach er von Gott als einer dritten Person: „Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen.“ Jetzt ist es erst mal ein Du und Ich. Ein Du, damit es also direkte, persönliche Begegnungen gibt.
Ja, Ich-Du – das finde ich schön. Dass wir singen können: „Ich kenne meinen Gott.“ Das klingt manchmal verrückt. Natürlich ist es nicht mein Gott im Besitzsinn. Aber es ist doch irgendwie mein Gott, oder? Er sagt, er schämt sich nicht, „ihr Gott“ genannt zu werden. Richtig.
Diese Nähe – jetzt ist die Frage: Wie erreiche ich das? Ein Mittel, vielleicht muss man es so formulieren: Das Mittel, das Gott gebraucht, um uns in seine Gegenwart, in seine Nähe, in die persönliche Abhängigkeit zu ziehen, ist Leid.
Gott lässt uns in dieser Welt mit ihren Katastrophen leben, die der Satan produziert, um Menschen von Gott abzuziehen. In dieser Welt mit ihren ganzen falschen Vorstellungen von Gott, wie sie auch durch die Freunde über Hiob repräsentiert werden.
Er lässt uns hier leben, damit wir Zeichen für ihn setzen können. Damit wir falsche Vorstellungen auch wirklich als falsch entlarven können. Wirklich zeigen, dass sie falsch sind. So ist Gott nicht.
Und ich denke, das ist fast das höchste Ziel. Vielleicht ist es das. Aber ich bin in meinem eigenen geistlichen Verständnis nicht so weit, das absolut zu formulieren. Als mindestens ein hohes Ziel gilt: Dass wir ihn in allem, was uns begegnet, besser kennenlernen.
Römer 8,28 ist ein Vers, der oft benutzt wird, um Menschen zu trösten, die in Not sind. Er mag diesen Abschnitt abschließen. Dort heißt es: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken.“
Was Gott macht, ist, dass er die notvollen Situationen unseres Lebens nimmt und daraus etwas Gutes macht. Er lässt uns in einer Welt leben, die nicht nur ein Stück kaputt ist, sondern total kaputt. Wir bekommen von dieser Kaputtheit genug ab.
Gott benutzt und verwendet das, was andere kaputtmacht in unserem Leben, dazu, dass wir ihn besser kennenlernen. Es heißt: „Vielfältig ist das Unglück des Gerechten, aber aus dem Allen errettet ihn der Herr.“
Jedes Mal, wenn wir merken, dass er uns rettet, wächst das, was Martin Buber als Ich-Du-Beziehung bezeichnet hat. Das ist ein schöner Begriff. Ich möchte jetzt aber nicht weiter darauf eingehen.
Der Text geht noch weiter: Letztlich ist das Ziel, dass wir in das Bild seines Sohnes verwandelt werden. Das ist das endgültige Ziel. Dann haben die Leiden einen Sinn.
Der Gedanke ist also nicht nur, dass etwas Gutes geschieht, sondern dass das Gute darin besteht, dass wir Christus ähnlicher werden und ihn erkennen.
Schauen wir uns nun noch einmal die Struktur des Buches Hiob an. Die Struktur ist folgendermaßen aufgebaut: Das Buch ist dreigeteilt und wechselt dabei zwischen Prosa und Poesie.
Kapitel 1 und 2 bilden das Vorwort. Kapitel 3 bis 41,6 sind der Hauptteil, das eigentliche Drama. Kapitel 42,7 bis 42,17 bilden das Nachwort. Wichtig ist, dass es sich bei dem Hauptteil um Poesie handelt, während das Vorwort und Nachwort in Prosa verfasst sind.
Innerhalb des Hauptteils kann man verschiedene Unterteilungen vornehmen. Es gibt keine zwingend vorgegebene Form, aber einige Auffälligkeiten. Kapitel 3 ist eine Wehklage Hiobs. Danach folgt eine Auseinandersetzung, die als Dialog in drei Zyklen verläuft.
Diese drei Zyklen sind: Kapitel 4 bis 14, Kapitel 15 bis 21 und Kapitel 22 bis 27. Jeder dieser Abschnitte stellt einen Gesprächsblock dar. Anschließend folgt Kapitel 28, das im Zentrum des Buches steht. Dieses Kapitel behandelt das Thema Weisheit.
In Hiob 28 lautet die zentrale Frage: Wo kann ein Mensch Weisheit finden? Man steckt mitten in seinen größten Problemen und fragt sich, woher man eine Lösung bekommt. Vers 12 fragt: „Aber die Weisheit, wo kann man sie finden? Wo ist die Fundstätte der Einsicht?“ Niemand erkennt den Ort, an dem Weisheit zu finden ist, und im Land der Lebendigen wird sie nicht gefunden.
In Vers 20 heißt es: „Die Weisheit nun, woher kommt sie, und wo ist die Fundstätte der Einsicht?“ Und in Vers 23 sowie Vers 28 steht: „Gott ist es, der Einsicht hat in ihrem Weg, und er kennt ihre Stätte.“ Vers 28 schließt mit den Worten: „Und zu dem Menschen sprach er: Siehe, die Furcht des Herrn ist Weisheit, und vom Bösen weichen ist Einsicht.“
Darf ich das noch etwas deutlicher formulieren? In Sprüche 9,10, einem weiteren Text aus der poetischen Literatur, heißt es ähnlich: „Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit, und Erkenntnis des Allerheiligsten ist Einsicht.“ Weisheit beginnt also nicht mit dem Wissen, sondern mit der Gottesfurcht.
Das ist interessant, denn Weisheit fängt nicht dort an, wo ich alles weiß, sondern dort, wo ich Gott fürchte. Die weisesten Menschen sind deshalb nicht unbedingt diejenigen, die alles wissen, sondern jene, die eine Verbindung zu dem haben, der alles geschaffen hat. Sie haben Gottes Gedanken am intensivsten bedacht und dadurch die wenigsten Umwege über falsche Wege machen müssen.
Gottes Furcht ist der Anfang der Weisheit, und die Erkenntnis des Allerheiligsten ist Einsicht. Diese Aussage steht mitten im Buch Hiob, in Kapitel 28. Danach folgen wieder drei Zyklen von Auseinandersetzungen, diesmal allerdings nicht als Dialog, sondern als Monolog.
Zuerst spricht Hiob in Kapitel 29 bis 31. Dann folgt Elihu in Kapitel 32 bis 37. Zum Schluss spricht Gott in Kapitel 38 bis 42. Den Abschluss könnte man, nachdem wir den Anfang als Hiobs Wehklage bezeichnet haben, als Hiobs Umkehr bezeichnen. Diese Umkehr findet sich in Hiob 40,3-5 sowie 42,1-6.
So könnte man das Buch einteilen, ohne dogmatisch zu sein. Die drei Zyklen im Dialog und im Monolog sind gut nachvollziehbar. Die Einteilung in Vorwort, Hauptteil oder Drama und Nachwort wird auch dadurch unterstrichen, dass im Vorwort und Nachwort der Gottesname anders verwendet wird als im Mittelteil.
Im Vorwort und Nachwort steht das Tetragramm Yahweh (JHWH), während im Mittelteil der Name El Shaddai, „der Allmächtige“, verwendet wird. Die Wortwahl ist also unterschiedlich.
Zum Schluss möchte ich noch einige Worte zur Entstehungszeit des Buches hinzufügen.
Man vermutet, dass das Buch Hiob in der Zeit der Patriarchen spielt. Patriarchen sind Personen wie Abraham, Jakob oder Isaak, also die Erzväter.
Diese Annahme stützt sich unter anderem auf Hiob 42, Vers 16, wo steht, dass Hiob noch 140 Jahre gelebt hat. Das ist schon eine beachtliche Lebenszeit, aber er hatte ja vorher auch schon gelebt. In Hiob 42, Vers 10 heißt es im zweiten Teil: „Und der Herr vermehrte alles, was Hiob gehabt hatte, auf das Doppelte.“ Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass auch seine Lebenszeit verdoppelt wurde. Wenn man das annimmt, wäre Hiob etwa 70 Jahre alt gewesen, was gut zu der Beschreibung im Buch passt. Er war eine anerkannte Autoritätsperson. So käme man auf ein Lebensalter von ungefähr 200 Jahren.
Abraham zum Beispiel wurde 175 Jahre alt. Das wäre ungefähr die Größenordnung, und das würde zeitlich gut passen, wenn man nur die Lebenszeit betrachtet.
Ein weiterer Hinweis ist, dass im Buch Hiob nur eine Art von Opfer erwähnt wird. Wann änderte sich die Anzahl der Opfer? Genau, mit dem mosaischen Gesetz wurden verschiedene Opfer eingeführt. Hier lesen wir nur von einem Opfer, das man „Ola“ nennt – ich kann das nicht genau aussprechen, aber es klingt ungefähr so. Dieses Opfer findet sich auch in 1. Mose. Dort bringt Abraham ein „Ola“-Opfer dar.
Außerdem gibt es Hinweise auf die Sintflut, die also schon vorbei sein muss. Zum Beispiel in Hiob 22, Vers 15: „Willst du dem Pfad der Vorzeit folgen, den die Frevler betraten, die gepackt wurden vor der Zeit, also bevor es eigentlich dran war? Ein Strom hat ihr Fundament weggerissen. Die zu Gott sagten: Weiche von uns, und was kann der Allmächtige uns schon tun?“
Hier könnte man an die Sintflut denken, bei der ein Strom die Fundamente wegriss. Allerdings ist das Poesie, und man sollte nicht zu viel hineininterpretieren.
Deutlicher ist Hiob 42, Vers 11, wo es heißt, dass Hiob getröstet wird: „Und sie gaben ihm jeder eine Kessita und jeder einen goldenen Ring.“ Die Kessita, eine Währungseinheit, kennen wir schon aus 1. Mose 33,19, wo Jakob für 100 Kessiter ein Feld kauft. Das ist also die Währung der Erzväter.
Wir haben es hier mit der Währung der Erzväter zu tun, mit dem Alter der Erzväter und anscheinend noch mit Erinnerungen an die Sintflut, die noch nicht so lange zurückliegt, als dass sie völlig vergessen wäre. Wir haben dieselben Opfer wie zur Zeit der Erzväter, und auch die Art der Namen passt dazu. Hiob bedeutet „Wo ist der Vater?“ – ein sogenannter Satzname, ähnlich wie Isaak, der „Er lacht“ heißt, oder Jakob, der „Er hält die Verse“ bedeutet. Solche Satznamen waren in jener Zeit üblich.
Fazit: Die Handlung spielt zur Zeit der Erzväter, nach der Sintflut und vor dem Auszug aus Ägypten, also bevor es die zusätzlichen Opfer gab. Hätte Hiob zur Zeit Mose gelebt, hätte er keine Opfer bringen dürfen, denn das war dann den Priestern vorbehalten.
Nun stellt sich die Frage: Könnte Hiob nicht eine fiktive Person sein, ähnlich wie Forrest Gump? Was spricht dagegen?
Man könnte sagen, das ist ja schön und gut, aber es ist fiktiv. Was spricht dagegen? Zum Beispiel das Zitat aus Jakobus. Würden wir in einer Predigt mit Forrest Gump etwas begründen, nach dem Motto: „Du sollst die Tage auf der Parkbank sitzen, weil Forrest das auch so tat und wir von ihm lernen, dass Parkbank sitzen gut ist“? Das würde niemand machen, denn Forrest Gump ist eine Romanfigur, keine reale Person.
Wenn wir aber mit Hiob etwas begründen, dann handelt es sich um eine reale Person, die tatsächlich etwas mit Gott erlebt hat.
Man begründet ja auch heute in christlichen Kreisen, die politisch nicht sehr bedeutsam sind, oft mit einer komischen Ringparabel mit 18 Männern. Das ist nur geschickt bezogen, und viele merken nicht, dass man mit einer Parabel alles und nichts begründen kann.
Das gilt übrigens auch für Bilder, die man verwendet. Wenn man ein Bild in eine Erklärung einführt, kann man etwas sehr plastisch darstellen. Aber man muss wissen, dass die Begründung dadurch keine Begründung mehr ist, sondern nur noch ein Bild. Selbst wenn man es als Illustration bringt, benötigt man eine biblische Aussage, die man illustriert. Oft gehen Leute einen Schritt weiter und begründen mit dem Bild innerhalb der Beweisführung – das ist sehr problematisch.
Bilder sind gut zum Vorstellen, aber nicht zum Beweisführen.
Gerade bei schwierigen Bibelversen versucht man oft, Dinge zu vereinfachen. Ich habe vor kurzem ein interessantes Bild gesehen, mit dem jemand einen Bibelvers erklären wollte. Eigentlich wollte er nicht den Bibelvers erklären, sondern mit dem Bild seine Meinung zum Bibelvers ausdrücken. Er steckte in das Bild mehr hinein als in den Vers selbst. Das passiert ganz einfach, und wir alle sind nicht vollkommen objektiv.
Kommen wir zu Ezechiel. Er wird von Gott persönlich verwendet. In Ezechiel 14, Verse 14 und 20 heißt es: „Und wenn dann diese drei Männer im Lande wären, Noah, Daniel und Hiob, so würden sie durch ihre Gerechtigkeit allein ihr Leben retten, spricht Gott der Herr.“
Weiter in Vers 20: „Noah, Daniel und Hiob werden darin, so wahr ich lebe, spricht Gott der Herr, für Gerechtigkeit, wie die Söhne nach Töchter retten, allein geeignet sein, Leben zu retten.“
Hier werden drei Personen nebeneinandergestellt: Noah, Hiob und Daniel. Die Reihenfolge könnte eine zeitliche Reihenfolge sein. Noah wäre zur Zeit der Sintflut der Älteste, danach Hiob, was zur Zeit der Erzväter passen würde, und viel später Daniel.
Ich dachte, die Reihenfolge wäre anders, aber ich habe mich offenbar geirrt.
Noch etwas: Die Beschreibung in Hiob 1, Vers 1 klingt nicht nach einer fiktiven Person. Wenn man so etwas liest, ist es nicht wie ein Märchen à la „Es war einmal ein dicker Wald und da lebten Hänselchen und Gretelchen.“ Nein, es heißt: „Es war ein Mann im Lande Uz, sein Name war Hiob.“
Das klingt nach einem realen Ort und einer realen Person mit einem bestimmten Charakter. Die Erzählung selbst will zeigen, dass es sich um eine reale Person handelt.
Abschließend noch ein Gedanke: Wie sollen wir mit Leid umgehen? Das war eine kleine Struktur, damit man sich beim Lesen besser orientieren kann. Aber wie sollen wir mit Leid umgehen, wenn es unser Leben trifft?
Wir lernen, mit Leid umzugehen, indem wir auf Gott vertrauen und auf das Ende hoffen. „In Hoffnung freut euch, in Trübsal haltet aus.“ Wir vertrauen auf Gott und hoffen auf das Ende.
Ist das alles, was zu sagen ist? Ja, eigentlich schon.
Hiob stellt in der Zeit seines Leidens öfter „Warum“-Fragen. Zum Beispiel fragt er: „Warum sterbe ich nicht schon im Mutterleib und hätte so mein Schicksal vermieden?“ (Hiob 3,11). Kurz darauf, immer noch in Hiob 3, Vers 20: „Warum gibt er dem mühseligen Licht und Leben den Verbitterten? Warum kann ich nicht sterben, warum kann ich nicht hier raus aus diesem Schicksal?“
Später, in Kapitel 7, wird er noch schärfer gegen Gott: „Warum hast du mich dir zur Zielscheibe gesetzt?“ Hier ist ein Bild von Pfeil und Bogen. Hiob fühlt sich wie eine Zielscheibe, in die Gott seine Pfeile schießt, und fragt: „Warum kämpfst du gegen mich? Was habe ich dir getan? Warum vergibst du mir nicht mein Verbrechen und lässt meine Schuld nicht vorübergehen?“
Der Gedanke dahinter ist, dass Hiob, falls es Schuld gibt, die Gott zum Zorn reizt, fragt: „Warum vergibst du sie mir dann nicht einfach?“ So wie seine Freunde ihm einzureden versuchen. Vielleicht haben sie ja Recht. Wenn das so ist, warum vergibst du mir nicht? Ich möchte doch nicht leiden, ich möchte mit dir im Reinen sein.
So könnte man weitermachen. Werner Peters hat acht „Warum“-Fragen identifiziert. Es geht mir aber weniger um die Fragen selbst, die eine interessante Predigt wert wären, sondern viel mehr darum, dass Hiob auf keine dieser Fragen eine Antwort bekommt. Er steckt mittendrin.
Diese „Warum“-Fragen gehen so weit, dass Hiob in Hiob 24 ganz grundsätzlich an der Integrität Gottes zweifelt. Er unterstellt Gott förmlich, nicht gerecht zu sein. In Hiob 24, Vers 1 heißt es: „Warum sind dem Allmächtigen die Zeiten nicht unbekannt? Er weiß doch, wie es auf der Erde zugeht, aber die, die ihn kennen, schauen seine Tage, das heißt die Tage des Gerichts, nicht.“
Hiob sagt: „Du kennst alles, was hier unten ist, und ich kenne dich, aber du bist ganz anders. Ich verstehe dich nicht, und irgendwie bist du nicht mehr in Ordnung. Du verhältst dich gar nicht wie ein Gott. Ich habe mir dich ganz anders vorgestellt, du enttäuschst mich.“
Warum, warum, warum?
Ich finde es ein Stück weit ermutigend, von einem Mann zu lesen, der durch solche Zeiten geht und solche Fragen stellt. Denn sie gehören zu unserem Leben dazu. Ich denke, keiner von uns, der wirklich durch Notzeiten geht, stellt keine „Warum“-Fragen.
Ich möchte mit dem Mann den Vortrag beenden, der die bekannteste „Warum“-Frage gestellt hat. Wir schlagen nochmal auf Psalm 22 auf.
Gott antwortet nicht direkt auf die „Warum“-Fragen von Hiob. Er wird ihn später mit seiner Heiligkeit konfrontieren, damit Hiob erkennt, dass er Gott ist.
Wenn man wissen will, was im Zentrum der Bewältigung von Leid steht, dann ist es dies: Wir müssen Gott Gott sein lassen, darauf vertrauen, dass Gott weiß, was er tut. Wir vertrauen darauf, dass Gott keine Fehler macht, dass wir auf ihn harren, durchhalten und auf das Ende schauen.
In meinen Augen steht das im Zentrum von Leid: immer wieder an Gott festzuhalten, nicht loszulassen und zu wissen, dass Gott keine Fehler macht.
Nun lesen wir Psalm 22, Vers 1: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Wir wissen, wer das gesagt hat: Jesus am Kreuz zitiert diesen Psalm. Viele denken, jetzt habe er aufgegeben, sei am Ende und werfe seinen Glauben weg. Aber das stimmt nicht.
Psalm 22 ist kein Psalm, der traurig endet. Er ist keine Tragödie. Er beschreibt das Leid, aber ganz am Ende blitzt die Hoffnung auf.
Das möchte ich zum Abschluss noch mit euch lesen, damit wir verstehen, dass Gott aus dem Leid die schönsten geistlichen Dinge schafft. So wie unter enormem Druck ein Diamant gebildet wird, der wertvoll ist, so schafft Gott unter Druck Charaktere und Rettung.
Hier wird Rettung geschaffen. Psalm 22, Vers 22: „Rette mich aus dem Rachen des Löwen und von den Hörnern der Büffel.“
Dann heißt es: „Du hast mich erhört. Von nun an will ich deinen Namen verkünden meinen Brüdern, inmitten der Versammlung will ich dich loben. Ihr, die ihr den Herrn fürchtet, lobt ihn! Alle Nachkommen Jakobs, verherrlicht ihn und scheut euch vor ihm, alle Nachkommen Israels!“
Denn: „Er hat nicht verachtet noch verabscheut das Elend des Elenden, noch sein Angesicht vor ihm verborgen. Als er zu ihm schrie, hörte er.“
Natürlich geht es uns nie schnell genug, aber Gott hört.
„Von dir kommt mein Lobgesang in großer Versammlung, erfüllen will ich meine Gelübde vor denen, die ihn fürchten. Die Sanftmütigen werden essen und satt werden, sie werden den Herrn loben, die ihn suchen, Leben wird euer Herz für immer. Es werden daran gedenken und zum Herrn umkehren alle Enden der Erde. Vor dir werden niederfallen alle Geschlechter der Nationen, denn dem Herrn gehört das Königtum, er herrscht über die Nationen.“
Woher kommt Rettung? Woher kommt die Rettung der Menschheit? Wie kann es sein, dass vor Gott Nationen, Geschlechter und Völker niederfallen und ihn anbeten? Woher kommt das Lob in der Versammlung für den Höchsten?
Es kommt mitten aus dem Leid. Gott bereitet Rettung und Anbetung durch Leid.
Hier ist exemplarisch ein Beispiel des Messias, und er kann genau das Gleiche auch in unserem Leben tun.
Nehmen wir diesen Gedanken mit: Er hat es bei Hiob getan, und wenn wir unter Druck stehen, in solchen Zeiten sind, dann sollten wir unsere Augen nicht auf das „Warum“ richten, sondern nach vorne blicken, auf das Ende, und sehen, was Gott daraus machen kann.
Ich denke, das ist der Weg, wie man durch Leid hindurchgehen kann.
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