Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Lasst uns noch einmal beten: Herr, nun zeig uns dein königliches Walten. Bring Angst und Zweifel zur Ruhe. Du wirst allein ganz recht behalten. Herr, mach uns still und rede du. Amen.
Einführung und aktuelle Situation der Gemeinde
Liebe Gemeinde hier vor Ort in Mellendorf bei Hannover und alle, die über den Livestream dabei sind: Einige von Ihnen werden sich heute Morgen gewundert haben, als sie auf das Kirchengelände kamen. Das Gemeindehaus war verschlossen, die Türen mit roten Klebestreifen als Siegel versehen. Alles war dicht gemacht, und es wurden hohe Strafen angedroht, falls jemand es wagen sollte, dieses Siegel zu öffnen.
Auch die Bibel verwendet das Phänomen der Siegel als Metapher, als Bild. Am bekanntesten ist wohl das Buch mit den sieben Siegeln aus Offenbarung 5,1. Dort heißt es: „Und ich sah in der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß, ein Buch, beschrieben von innen und außen, versiegelt mit sieben Siegeln.“ Dieses Buch steht für das Rätsel der Geschichte, der Zukunft, der Welt und jedes einzelnen Menschen. Wer kann es entschlüsseln? Wer kann das Siegel brechen?
Es gibt nur einen, der dazu die Vollmacht hat. Das steht in Offenbarung 5,5: „Und einer von den Ältesten spricht zu mir, nämlich zu Johannes, der das schreibt: Weine nicht, denn siehe, es hat überwunden der Löwe aus dem Stamm Juda.“ Das ist ein Bild für den Messias, für Jesus, die Wurzel Davids, der das Buch und seine sieben Siegel auftun kann. Nur einer kann die Siegel wirklich aufbrechen, und das ist Jesus Christus.
Wir wurden also gezwungen, noch einmal in dieses Zelt zurückzukehren. Ich danke den Mitarbeitenden, die mit einem unerhörten Einsatz dies möglich gemacht haben – in allen Bereichen, von der Technik bis zur Beheizung des Zeltes. Es hing sehr, sehr viel daran. Vielen, vielen Dank an alle, die sich hier unheimlich eingesetzt haben.
Ich möchte den Zuschauern sagen, die jetzt vielleicht denken, sie hätten ein altes Video vor sich, weil sie plötzlich wieder im Zelt sind: Nein, das ist keine ältere Aufnahme. Wir sind wirklich wieder zurück im Zelt. Man hat uns gezwungen, noch einmal in dieses Zelt zurückzugehen. Wir haben dem Beamten am Freitag, als er das verfügte, auch deutlich vor Augen geführt, was das bedeutet.
Wir haben ihm gesagt: Wir haben Kinder in unserer Gemeinde, junge Familien, schwangere Mütter, ältere Menschen, Menschen mit Behinderung. Und Sie zwingen diese Menschen jetzt, unter diesen klimatischen und wetterbedingten Bedingungen wieder ins Zelt zu gehen. Können Sie das eigentlich verantworten?
Es gibt in der Tat keinen einzigen zwingenden Grund, keinen einzigen zwingenden Grund, der eine solche Verfügung rechtfertigen könnte. Auch das ist sehr, sehr deutlich geworden. Der Feuerwehrtermin ist längst erfolgt und war ein voller Erfolg.
Unsere Kanzlei hat noch am Donnerstag der Behörde hier vor Ort geschrieben. Ich zitiere daraus: „Es gibt keine sachlichen Gesichtspunkte, welche diese Nutzungsuntersagung rechtfertigen würden. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte für eine Gefahrenlage oder dergleichen. Dies gilt insbesondere auch nach der mit der Feuerwehr und dem Brandschutzsachverständigen durchgeführten Begehung des Objekts.“
Angesichts dessen ist leider der Eindruck entstanden, dass sich die Bauaufsichtsbehörde offenbar von sachfremden Erwägungen leiten lässt, so unsere Kanzlei am Donnerstag.
Bereits in der Vergangenheit – und ich habe das bei der Vollstreckung der Maßnahme am Freitag, also vorgestern, dem Beamten, der die Aktion leitete, noch einmal gesagt – haben wir immer konstruktiv kooperiert. Ich habe ihm gesagt: Wir haben immer versucht, uns an unsere Absprachen zu halten. Wir haben Ihnen immer wieder die Hand entgegengestreckt. Für diese Eskalation sind Sie allein verantwortlich.
Bereits am letzten Dienstag waren zwei Beamte unangemeldet in unser Gebäude eingedrungen, weil sie über die Homepage herausgefunden hatten, dass am Dienstag immer Kids Club ist. Sie kamen in die verletzlichste Gruppe dieser Gemeinde, junge Mütter mit Kleinkindern, und sind eingedrungen, haben Bilder gemacht und gesagt: „Wir kommen wieder.“
Unsere Kanzlei hat daraufhin nochmals protestiert und auch darauf hingewiesen, dass dies ein Verstoß gegen die Grundrechte sei. Sie hat dringend davor gewarnt, solche Aktionen zu wiederholen. Sie schrieben unter anderem: „Damit liegt im Verhalten ihrer Bediensteten zugleich ein Eingriff in das durch Artikel 13 Grundgesetz gewährleistete Grundrecht vor. Dieser wiegt umso schwerer, als es sich um Räume einer Kirchengemeinde handelt, die ihrerseits dem Schutz des Artikels 4 Absatz 1 Grundgesetz unterfällt.“
Als Reaktion darauf zündete die Baubehörde am Donnerstag ihre nächste Eskalationsstufe. Sie kündigte an, in weniger als 24 Stunden das Gebäude zu versiegeln. Wir sollten alle benötigten Gegenstände bis dahin hinausgeräumt haben.
Der Vollzug dieser Maßnahme wurde mit einer harten Strafandrohung flankiert. Das war die Kulisse, die Flanke dessen gewissermaßen. Ich zitiere wörtlich aus dem Brief: „Auf den Straftatbestand des Siegelbruchs gemäß § 56 weise ich hin. Demnach wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer ein dienstliches Siegel beschädigt oder unkenntlich macht, das angelegt ist, um Sachen unter anderem dienstlich zu verschließen, oder wer den durch ein solches Siegel bewirkten Verschluss ganz oder zum Teil unwirksam macht.“
So stand es in dem Schreiben der Behörde an uns.
Wir hoffen nun und beten inständig, dass unser Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht in dieser Woche schnell behandelt und entschieden wird. Wir sind immerhin inzwischen im November, und es wird immer kälter.
In diesen Tagen und seit Freitag haben wir nochmals vermehrt überwältigende Signale der Unterstützung erhalten – auf ganz vielen Kanälen. Viele derer, die jetzt auch über den Livestream dabei sind, haben dazu beigetragen.
An dieser Stelle möchte ich nochmals ein herzliches Dankeschön der gesamten BEG sagen, an alle, die hier versammelt sind, und an alle, die uns von auswärts begleiten. Vielen Dank für alle Ermutigung und vielfältige Unterstützung.
Ja, das ist wirklich eine besondere Zeit für uns alle.
Die Herausforderung des Verhältnisses von Gemeinde und Staat
In den zurückliegenden Wochen wurde ich immer wieder gefragt: Warum machen die das eigentlich? Warum handeln sie so?
Durch diese Situation wird uns eine Frage aufgedrängt, mit der sich die christliche Gemeinde jedoch zu allen Zeiten auseinandersetzen musste. Es geht um die Frage, wie wir uns gegenüber staatlichen Institutionen verhalten sollen.
Diese Frage wird umso dringlicher, wenn diese Institutionen offensichtlich Druck auf die Gemeinde ausüben und ihr an bestimmten Punkten mit Ungerechtigkeit begegnen. Ich sage ganz deutlich: Diese Frage stellt sich nicht erst mit der klassischen Christenverfolgung, wie sie in muslimischen und kommunistischen Ländern vorkommt. Vielmehr stellt sich diese Frage bereits viel früher.
Eines der klassischen Dokumente der Urchristenheit zu diesem Thema ist der erste Petrusbrief, Kapitel 2. Sie haben die Verse soeben vorgelesen gehört. An diesen Versen wollen wir auch heute Hilfe und Orientierung suchen. Dabei werden wir sehen, was über dem ganzen Text gewissermaßen wie ein Motto steht. Und dieses Motto lautet: stets einem Höheren verantwortlich.
Petrus schrieb diese Zeilen wohl im Jahr 64, wahrscheinlich am Vorabend der Verfolgung durch Nero. Der Druck nahm zu. In Vers 12 heißt es: Die Heiden verleumden euch als Übeltäter. Kaiser Nero verbreitete zu jener Zeit die Parole, die Christen seien eine Gefahr für den Staat. Er schürte Emotionen, nutzte die Christen als Blitzableiter und Sündenböcke und diffamierte sie als Sektierer mit gefährlichen Prinzipien.
Petrus spricht dieses Umfeld ganz konkret an, in dem die Christen leben. In Vers 11 heißt es: Liebe Brüder, ich ermahne euch als Fremdlinge und Pilger. Fremdlinge und Pilger – wir sind Fremde als Christen in dieser Welt, weil wir nicht mit den Wölfen heulen.
Doch Petrus ruft nicht zum Rückzug in die eigene Blase auf. Stattdessen betont er in Vers 12: Wir leben unter den Heiden, und wir sollen auch unter den Heiden leben. Dort haben wir es in Vers 13 mit menschlicher Ordnung zu tun – mit Königen und Statthaltern, mit Kanzlern, Ministerpräsidenten, Bürgermeistern, Baudezernenten und Teamleitern für Bauaufsicht.
Die Frage lautet nun: Wie sollen wir uns gegenüber diesen Protagonisten und Institutionen verhalten, nicht zuletzt auch im Konfliktfall?
Dafür entwickelt der Apostel hier Kriterien – Kriterien, die wir brauchen. Innere Einstellungen und Verhaltensweisen, die notwendig sind, um dieser Situation als Gemeinde Jesu Christi verantwortungsbewusst zu begegnen.
Integrität als Grundlage christlichen Verhaltens
Das erste Kriterium finden wir gleich in Vers 11: Es ist Integrität.
Persönliche Integrität
Liebe Brüder, ich ermahne euch als Fremdlinge und Pilger, enthaltet euch von fleischlichen Begierden, die gegen die Seele streiten.
Integrität ist das erste Kriterium. Was sind fleischliche Begierden? Es sind Bestrebungen unserer alten, sündigen, menschlichen Natur, die auch der Christ noch hat. Das Wort „fleischlich“ meint hier nicht nur leiblich oder gar nur sexuell, sondern bezieht sich auch auf das Geistige. Fleischlich bezeichnet alle Neigungen in uns, die gegen den Willen Gottes sind: Stolz, Gier, Egoismus, Hochmut, Selbstgerechtigkeit, Streitsucht oder auch Bequemlichkeit.
Bequemlichkeit ist ja das Gegenteil von den Fremdlingen und Pilgern, die unterwegs sind. Und wir würden sagen, das ist alles ganz normal menschlich. Auch Nachfolger Jesu Christi sind davon nicht völlig frei.
Es gibt einen Unterschied zu Nichtchristen. Paulus sagt einmal: „Wir sind nicht mehr Sklaven unserer sündigen Natur, aber wir spüren sie schon noch.“ Petrus schreibt hier: Diese Begierden, diese Neigung gegen Gottes Willen, machen Krieg gegen eure Seele. Sie streiten gegen eure Seele.
Da steht ein ganz auffälliges Verb, stratoiomai, und das heißt: Sie führen Krieg gegen eure Seele, wie Rebellen einer Untergrundarmee. Diese Begierden beschädigen euer Innenleben, sie lähmen euren Eifer im Dienst für Christus, sie behindern eure Heiligung, sie verhindern eure Einsetzbarkeit für Jesus und sie verweltlichen eure Maßstäbe – diese fleischlichen Begierden.
Aber das ist der Unterschied zwischen Christ und Nichtchrist: Vor der Bekehrung waren wir diesen Begierden ausgeliefert. Vor der Bekehrung haben wir sie meistens nicht einmal als ein Problem gesehen, wir haben sie nicht als solche erkannt. Aber jetzt, als Menschen, die Jesus dienen wollen, sagt Petrus: Lernen wir, Widerstand zu leisten, enthaltet euch den Begierden, lasst diesen Wachstumsprozess in eurem Leben wirklich zu, seid treu und erkennt, was Gottes Wille ist, auch in den kleinen Dingen.
Integrität. Aus dieser inneren Integrität erwächst dann auch eine äußere Integrität, wie Petrus in Vers 12 sagt, und führt ein rechtschaffenes Leben unter den Heiden. Rechtschaffenes Leben kann man auch übersetzen mit gutem Wandel, glaubwürdig, geradlinig, verlässlich, aufrichtig – so wie es Gott von euch will.
Also, das ist das erste Kriterium, das wir brauchen, nicht zuletzt auch in unserem Verhältnis als Gemeinde gegenüber dem Staat: Integrität. Dass wir alle im Charakter immer stärker geprägt werden von Gottes Maßstäben.
Reflektierte Unterordnung gegenüber staatlichen Ordnungen
Und solche Integrität brauchen wir erst recht, wenn wir das zweite Kriterium in Angriff nehmen wollen, das unser Verhalten gegenüber dem Staat prägen soll. Dieses zweite Kriterium beschreibt Petrus in Vers 13: „Seid untertan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen.“
Das zweite Kriterium ist also eine Unterordnung – eine reflektierte Unterordnung. Was bedeutet das? Petrus sagt nicht: „Tut, was man euch sagt, hinterfragt nicht, verzichtet auf Diskussionen, ein Christ hat zu gehorchen und basta.“ Das sagt Petrus nicht, ganz im Gegenteil.
Was Petrus hier fordert, und zwar genauso wie sein Kollege Paulus in Römer 13, haben sie beide von Jesus gelernt: Es ist eine reflektierte Unterordnung, nicht blind, sondern sehend, urteilend. Wenn Jesus sagt: „Gebt Gott, was Gottes ist, und dem Kaiser, was des Kaisers ist“, dann muss man verstehen, was Gottes ist und was des Kaisers ist. Man muss das reflektieren, prüfen und dann ein qualifiziertes Urteil fällen.
Allerdings fordern totalitäre und semitotalitäre Machthaber von uns gerne blinde, totale und diskussionsfreie Unterordnung. In der Kirchengeschichte haben sich Christen immer wieder dazu verführen lassen – zum Teil sogar unter Berufung auf 1. Petrus 2 oder Römer 13, die aber etwas anderes sagen. Leider gibt es dafür auch aus der Zeit des Nationalsozialismus traurige Beispiele, in denen Christen sich angepasst haben und sagten: „Wir müssen uns unterordnen und deshalb Hitler folgen.“ Genau das will Gott nicht.
Deshalb steht hier der Begriff „seid Untertan“, den man sehr genau verstehen muss. „Seid Untertan“ heißt nicht, blind einem Führer zu folgen, sondern es ist eine reflektierte Unterordnung, eine bewusste Entscheidung aus Überzeugung. Ich beuge mich darunter, weil ein Staatswesen nur funktionieren kann, wenn es klare Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Hierarchien gibt.
Dazu ist es erforderlich, dass man Klarheit über Entscheidungswege hat, Planungssicherheit und Rechtssicherheit. Deshalb halten wir uns an die Gesetze, gehorchen den Beamten, der Polizei, brechen das Siegel an diesen Räumen nicht auf und respektieren die Machtverhältnisse.
Die Formen können sehr unterschiedlich sein: In der Monarchie werden Ämter vererbt, im Römischen Reich stand der Kaiser an der Spitze, darunter ein komplexes Machtgefüge. In der Demokratie wird alle vier Jahre neu gewählt, Macht ist immer nur auf Zeit. In einer funktionierenden Demokratie begrenzen sich die verschiedenen Gewalten – Exekutive, Legislative und Judikative – gegenseitig. Sie spielen sich nicht einfach die Bälle zu, sondern kontrollieren und kritisieren sich. Nur so kann der Staat funktionieren.
Der Staat kann auch nur funktionieren, wenn er Steuern nimmt. Also zahle ich meine Steuern, selbst wenn ich manche Steuer ungerecht finde. Dann kann ich mich dafür einsetzen, dass sich das ändert, dass die Gesetzgebung sich ändert. Aber solange das Gesetz gilt, müssen wir als Christen Steuern zahlen. Das sagt die Bibel immer wieder.
Das heißt also, sich unterordnen: Ich füge mich bewusst ein, ich bejahe die Ordnung und halte mich daran – reflektierte, mündige Unterordnung.
Petrus definiert weiter, wem genau wir uns so bewusst unterordnen. Was ist die Substanz letztlich? Die letzte Instanz ist nicht eine Person. Wir ordnen uns nicht einfach dem Kaiser, Kanzler oder Bürgermeister unter. Petrus sagt: „aller menschlichen Ordnung“ (griechisch: pase anthropine ktise). Das ist größer als eine einzelne Person. Es ist die Ordnung, die das Zusammenleben der Menschen regelt.
Siebenthal schlägt als Übersetzung etwa „Institution“ vor, Benedikt Peters übersetzt „menschliche Einrichtung“. Diese Ordnung ist komplex und hat grob drei Ebenen.
Die erste Ebene ist das göttliche Prinzip: Diese Ordnung ist als Prinzip von Gott gestiftet. Paulus sagt in Römer 13: „Alle Obrigkeit ist von Gott.“ Deshalb spricht man auch von Schöpfungsordnung. Gott hat uns diese Ordnungen mit der Schöpfung gegeben – auch die Ordnung der Arbeit, der Ehe und Familie und eben die Ordnung des Staates. Das Prinzip ist von Gott gestiftet.
Die zweite Ebene ist die konkrete Gestalt, die von Menschen entwickelt wurde – mal besser, mal schlechter. Menschliche Ordnung meint eben auch „von Menschen ausgestaltet“. Das römische Regierungssystem war nicht göttlich offenbart, sondern von Menschen gestaltet. Sogar unser Grundgesetz steht nicht in der Bibel, aber es wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von Menschen entwickelt, die sich zum Teil bewusst auf das biblische Menschenbild berufen haben.
„Ordnet euch aller menschlichen Ordnung unter“ heißt also in Deutschland: Ordnet euch dem Grundgesetz unter und den darauf aufbauenden und sich daran messen lassenden Gesetzen.
Die dritte Ebene sind die Ämter, die diese Ordnung anwenden und durchführen sollen. Vers 13 nennt den König als den Obersten, die Statthalter und wir können das auf Leiter von Verwaltungen erweitern.
Also noch einmal: Wem sollen wir uns unterordnen? A) dem göttlichen Prinzip, der gegebenen Schöpfungsordnung – keine Anarchie, sondern ein geordnetes Staatswesen. B) der menschlichen Gestalt, also bei uns das Grundgesetz, unsere Verfassung und die davon abgeleitete Rechtsprechung. C) den persönlichen Gestaltern, den verschiedenen Amtsinhabern, die ihrerseits dem Grundgesetz verpflichtet sind und sich zu ihm bekennen müssen.
Das heißt: Alle Herrschenden stehen unter dem Grundgesetz, nicht darüber. Sie können nicht nach Gutdünken darüber verfügen, es aussetzen oder gelten lassen. Sie haben auf das Grundgesetz geschworen und sind daran gebunden.
Damit das funktioniert, ist eine wirksame Gewaltenteilung erforderlich. Die Aufgabe des Verfassungsgerichts ist es, darauf zu achten, dass das Grundgesetz auch in konkreten Entscheidungen Gültigkeit behält.
Damit haben wir eine differenzierte – soweit in dieser Kürze möglich – biblische Darstellung dessen, was es in Deutschland 2024 heißt: „Seid untertan aller menschlichen Ordnung.“ Es heißt nicht, unterwerft euch den Machthabern. Es heißt nicht, tut alles, was man von euch verlangt.
Es heißt: Ordnet euch im Sinn der von Gott gestifteten Schöpfungsordnung reflektiert dem konkreten Grundgesetz unter und respektiert deshalb die Ämter, die Könige, Statthalter und Verwaltungsbeamten, die den Auftrag haben, nach den Vorgaben des Grundgesetzes unser Land zu regieren.
Das ist reflektierte Unterordnung.
Petrus betont das noch einmal im letzten Vers, Vers 17: „Ehrt den König.“ Den König zu ehren und diese Ordnung zu ehren heißt auch, die Handelnden an die Gesetze zu binden, an die wir alle gebunden sind und vor denen wir alle gleich sind.
Deshalb haben wir auch letzte Woche gefordert, dass unser Grundrecht wiederhergestellt wird – in diesem Fall Artikel 4 und Artikel 13.
Ich denke, Sie verstehen jetzt, warum Christen gute Staatsbürger sind, wenn sie konsequent in ihrem Glauben leben: Weil sie Gottes Prinzip akzeptieren und auch die von diesem Prinzip abgeleiteten Ordnungen, Ämter und Strukturen.
Darum hinterziehen Christen, wenn sie der biblischen Ethik folgen, keine Steuern. Darum nehmen wir zum Beispiel den Brandschutz ernst – und wie wir ihn ernstgenommen haben.
Wir tun das nicht aus Sturheit und nicht, um uns bei der Behörde einzuschmeicheln, sondern letztlich aus Liebe zu unserem Herrn, wie es heißt in Vers 13: „Seid untertan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen.“
Das ist ganz wichtig: Aus Liebe zu Jesus fühlen wir uns an die Gesetze gebunden, weil er der Schöpfer ist, der uns diese Schöpfungsordnung gibt. Aber aus derselben Liebe heraus stellen die Gesetze für uns nicht die letzte Instanz dar.
Deshalb hat jede menschliche Ordnung für Christen eine letzte Grenze. Diese letzte Grenze wird hier in Vers 13 bezeichnet mit den Worten: „Um des Herrn willen.“ Nicht um eines Prinzips willen, nicht um der Ordnung willen, sondern um des Herrn willen – das heißt, weil Jesus das will und in dem Maße, wie Jesus das will.
Wir stehen einem Höheren verantwortlich gegenüber. Das heißt, wir folgen nicht einem blinden Prinzip, sondern einem lebendigen Herrn, der uns an seine Wahrheit bindet, die er uns in seinem Wort offenbart hat.
Dadurch sind wir als Christen geschützt gegen das, was die Philosophin Hannah Arendt als Massengesellschaft beschrieben hat – diese Gesellschaft, die so schnell nach den Menschen greift, dass sie wie Lemminge alle in dieselbe Richtung schwirren.
Davor sind Christen geschützt, wenn sie ihr Leben um des Herrn willen leben und ihm folgen.
Wachsamkeit als drittes Kriterium
Darum ist das dritte Kriterium, das unser Verhalten als Christen gegenüber dem Staat prägen wird, zwingend und folgerichtig: Erstens Integrität, zweitens Unterordnung und drittens Wachsamkeit.
Viele Christen waren am Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt. Es gibt eine interessante Dissertation zu dieser Frage: „Christliche Grundüberzeugungen im innermilitärischen Widerstand gegen Hitler“. Diese Arbeit hat der Historiker Hans-Joachim Ramm unter den Titel gestellt, der auch heute der Titel unserer Predigt ist: „Stets einem Höheren verantwortlich“. Darin zeigt er, dass viele der Widerständler letztlich durch ihre innerste christliche Überzeugung zu ihrem Handeln getrieben wurden.
Ein Beispiel dafür ist das berühmte Zitat von Helmut Graf von Moltke, der in seinem letzten Brief an seine Frau noch einmal seine letztgültige Motivation zusammenfasste, mit der er dann vor Freisler, dem grausamen Führer des Volksgerichtshofs, trat. Er schrieb seiner Frau: „Wenn ich dort vor Freisler stehe, um zu verteidigen, was wir getan haben, dann stehe ich dort nicht als Großgrundbesitzer, nicht als Adliger, nicht als Preuße, nicht als Deutscher, sondern ich stehe da als Christ und gar nichts anderes.“
Es ist bewegend, nachzuverfolgen, wie Helmut Graf von Moltke im Gefängnis in diesem letzten Jahr Christus auf eine Weise näherkam und ihn als seinen Retter fand, wie es vorher für ihn persönlich nie der Fall gewesen war. Er wurde ein bekennender Christ. Ihm wurde umso klarer, dass er letztlich alles, was er auch vorher getan hatte, als er sich noch nicht bewusst zu Jesus bekehrt hatte, aus dieser christlichen Ethik heraus getan hatte, die ihm schon früher bekannt war.
Unterordnung bedeutet also nicht, dass wir die Verantwortung für die gesellschaftliche Situation blind an den Staat abtreten, zumal das Grundgesetz ja selbst sagt: „Der Staat sind wir.“ Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus (Artikel 20). Deshalb markiert Petrus die Grenze der Unterordnung. Das ist wichtig für das dritte Kriterium der Wachsamkeit, das er in Vers 13 nennt: „um des Herrn willen“. Petrus wiederholt das in diesen wenigen Versen noch zweimal.
In Vers 15 sagt er: „Das ist der Wille Gottes, dass ihr mit guten Taten den unwissenden und törichten Menschen das Maul stopft.“ Und in Vers 16 betont er noch einmal: „Ihr tut das als die Freien, weil ihr Gottesknechte seid, um seines Willen.“
Darum haben wir immer diese Aufgabe im Blick, die der Schöpfer den Amtspersonen im Rahmen seiner Schöpfungsordnung aufgetragen hat. Vers 14 sagt: „Sie sind gesandt, um die Guten zu belohnen und die Bösen zu bestrafen.“ Genau so schreibt Paulus in Römer 13,4: „Denn sie, also die Obrigkeit, ist Gottes Dienerin. Dir zum Guten. Tust du aber Böses, so fürchte dich; denn sie trägt das Schwert nicht umsonst. Sie ist Gottes Dienerin und vollzieht das Strafgericht an dem, der Böses tut.“
Die Bösen bestrafen und die Guten belohnen – das ist die Aufgabe der Obrigkeit. Maßstab für Gut und Böse setzen Paulus und Petrus voraus. Er ist natürlich von Gottes Gebot vorgegeben und sollte sich in den Gesetzen widerspiegeln. Deshalb erinnere ich noch einmal daran: Auch das Grundgesetz versteht sich prinzipiell als eine Anwendung der jüdisch-christlichen Ethik. Das hat auch ein unverdächtiger Linker wie Jürgen Habermas gelegentlich deutlich gemacht.
Aber was geschieht, wenn die Machtfaktoren im Staat diesen Auftrag ins Gegenteil verkehren? Wenn sie die Bösen belohnen und die Guten bestrafen? Was geschieht zum Beispiel, wenn der Einsatz für die biblische Ethik und Schöpfungsordnung – etwa für die Ehe von Mann und Frau, den Schutz des Lebens im Mutterleib oder gegen Abtreibung – nicht mehr als gut gilt, sondern als böse?
Was geschieht dann? Petrus fordert mit der Forderung, die Bösen zu bestrafen und die Guten zu belohnen, auch die Machthaber heraus. Auch die Machthaber und Macht-Ausübenden werden sich einmal vor Gott für ihre Handlungen verantworten müssen, ob sie diesem Prinzip gefolgt sind. Es wäre für alle Beteiligten gut, sich dessen bei Lebzeiten bewusst zu werden.
Ich denke an den früheren Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel, der erst im hohen Alter bekennender Christ wurde. In einem seiner letzten Interviews sagte er: „Hätte ich vorher zu Jesus gefunden, hätte ich vieles anders gemacht in meinem Politikerleben. Ich hätte viel häufiger bei Entscheidungen gefragt: Was würde Jesus jetzt machen?“
Genau aus diesem Grunde habe ich zu den Beamten am Freitag gesagt: Was sie hier verriegeln, ist nicht nur ein funktionales Bürogebäude, sondern eine Kirche. Dafür werden sie sich einmal vor Gott verantworten müssen für das, was sie heute hier tun.
Was Petrus hier fordert, diese Wachsamkeit, hat er viele Jahre vorher mit seinem eigenen Vorbild bestätigt. Den meisten Lesern seines Briefes war das noch bekannt: Als die Inquisition des Hohen Rates den Aposteln den Predigstopp verlangte, hörten sie nicht auf, sondern predigten weiter. Deshalb wurden sie ins Gefängnis gebracht und am Ende befreit. Sie predigten weiter und wurden noch einmal vor dieselbe Kommission gezerrt. Dort bekannten sie, wie wir in der Lesung hörten: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“
Das ist Wachsamkeit. Darum kann es verantwortliche Unterordnung der Christen nur bei gleichzeitiger Wachsamkeit geben. Darin liegt auch die praktische Orientierung, die uns Petrus hier für unser Verhalten gibt.
Praktisch heißt das: Sollte der Staat etwas fordern, was Gott verbietet, dürfen wir dem Staat als Christen nicht gehorchen. Sollte der Staat zum Beispiel von uns verlangen, kirchliche Trauungen von Homosexuellen durchzuführen, dürften wir dem nicht gehorchen. Sollte der Staat von uns fordern, an interreligiösen Zeremonien teilzunehmen, dürften wir dem Staat nicht gehorchen.
Wenn der Staat erlaubt, was Gott verbietet – eine Unterform des vorherigen Falls –, ist für uns dennoch Gottes Wort verbindlich. De facto erlaubt der Staat beispielsweise die Abtreibung von Kindern aus sozialen Gründen. Von dieser Erlaubnis darf ein Christ, der sich an das Wort Gottes gebunden fühlt, niemals Gebrauch machen.
Schließlich: Sollte der Staat etwas verbieten, was Gott fordert, müssten wir es trotzdem tun. Sollte der Staat eines Tages verbieten wollen, zu verkündigen, dass Jesus Christus der einzige Retter ist und dass nur der Mensch Frieden mit Gott findet, der sich zu Jesus als seinem Retter wendet, dann müssten wir es trotzdem mit aller Leidenschaft weiterverkündigen.
Sollte der Staat eines Tages das Bekenntnis zur Schöpfungsordnung verbieten und damit auch die Kritik an der Gender-Ideologie, müssten wir uns trotzdem zur Schöpfungsordnung bekennen und die Gender-Ideologie weiter kritisieren. Sollte der Staat uns verbieten, Gottesdienst zu feiern, müssten wir trotzdem Gottesdienst feiern. Als man uns verbieten wollte, zur Ehre Gottes zu singen, haben wir trotzdem gesungen.
„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Daran sehen wir, dass das Verhältnis des Christen zum Staat kompliziert ist. Es erfordert Reflexion, gründliches Studium der biblischen Texte, Gebet und auch Mut – den Gott uns immer wieder schenken muss.
Darum gibt uns Petrus am Ende dieses Textes noch weitere Hinweise, die unsere Wachsamkeit schärfen sollen: „Ehrt jedermann, habt die Brüder lieb, fürchtet Gott, ehrt den König.“
„Ehrt jedermann“ – ohne Ausnahme! Jeder einzelne Mensch verdient Respekt, Achtung und Ehre, unabhängig davon, was er glaubt, wie er lebt oder wie seine Ethik im Licht der Bibel bewertet wird. Das ist eine Absage an Diskriminierung und Rassismus.
Niemand hat eine bessere Basis für den Schutz der Menschenwürde als diejenigen, die wissen, dass jeder Mensch ein Geschöpf des heiligen Gottes ist. Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde. Das gilt nicht nur für die, die Christen werden, sondern für jeden Menschen.
In diesem „Jedermann“, den wir ehren sollen, sind auch die Schwächsten und Wehrlosesten eingeschlossen: diejenigen, die am Ende ihres Lebens stehen und diejenigen am Anfang ihres irdischen Lebensweges. Deshalb haben Christen keine andere Wahl, als ihre Stimmen zu erheben für das Leben, für die Kinder im Mutterleib.
Der frühere Chefredakteur von idea, Helmut Mattis, hatte sich vorgenommen, dafür zu sorgen, dass es keine Ausgabe von idea spektrum gibt, in der nicht mindestens eine Meldung über die Gefährdung der Kinder im Mutterleib erscheint. Idea weist das ganze Jahr hindurch immer wieder auf die Zahlen hin, die am Ende dazu führen, dass mehr als hunderttausend Kinder im Mutterleib getötet werden. Wenn hier steht: „Ehret jedermann“, dann haben wir auch diese Kinder zu ehren, zu schützen und unsere Stimme für sie zu erheben.
„Habt die Brüder lieb“ – damit sind die Mitchristen, Schwestern eingeschlossen. Das bedeutet nicht, dass wir anderen Menschen nicht mit Nächstenliebe begegnen sollen, aber innerhalb der christlichen Gemeinde haben wir eine besondere Verantwortung füreinander. „Ehrt jedermann, habt die Brüder lieb.“
Die letzten beiden Aussagen will Petrus offensichtlich im Vergleich verstanden wissen: „Fürchtet Gott, ehrt den König.“ Ehrt den König, den Bürgermeister, den Bauamtsleiter und so weiter. Für den König benutzt Petrus das gleiche Verb wie für „jedermann“: „Ehrt jedermann, ehrt den König.“ Ihm gebührt Respekt, Achtung vor seinem Amt, eine faire Bewertung seiner Leistung und Fürbitte. Die Gemeinde betet für die Obrigkeit.
Was dem König jedoch nicht zusteht, ist Hingabe an ihn oder gar Anbetung, wie es die römischen Kaiser damals forderten. Das steht allein dem Herrn zu. Darum: Ja, ehrt den König, aber fürchtet den Herrn in dem Sinne, dass ihr ihm euer ganzes Leben zur Verfügung stellt und ihn anbetet.
Petrus dachte dabei sicher an die Szene von vor gut dreißig Jahren, als die Pharisäer und Herodianer Jesus mit der Steuerfrage aufs Glatteis führen wollten. Schon damals ging es um die Steuer. Als sie Jesus fragten, ob man zahlen solle oder nicht, ließ er sich eine Steuermünze zeigen, die das Bild des Kaisers trug.
Er fragte: „Wen seht ihr auf dieser Steuermünze?“ Sie antworteten: „Den Kaiser.“ Jesus sagte: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, aber gebt Gott, was Gottes ist.“ Ihr tragt Gottes Bild als Menschen, ihr seid Gottes Ebenbild, nach seinem Bild geschaffen. Deshalb gebt nicht euch selbst dem Kaiser, sondern gebt euch selbst Gott.
Das meint „Ehrt den Kaiser, aber fürchtet Gott“. Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist – die Münze trägt das Bild des Kaisers –, aber gebt euer Leben dem allmächtigen Schöpfer, der es euch geschenkt hat. Euer Leben trägt das Bild dieses Herrn.
Das ist Bekehrung, Hingabe an diesen Gott. Wer diesem Gott nahekommen will und sein Leben ihm anvertrauen möchte, stößt auf den Befund, dass sein Leben nicht zu Gott passt. Man ist durch Rebellion getrennt von ihm, durch ausgedrückte oder stille Nichtbereitschaft, ihm zu dienen und zu gehorchen. Man steht als Schuldiger vor Gott.
Diese Mauer kann nur von einem einzigen durchbrochen werden, sagt die Bibel: vom Herrn Jesus Christus, der unsere Strafe auf sich nahm. Hingabe an diesen allmächtigen Gott und Herrn gibt es nie ohne Vergebung unserer Schuld.
Gebt euch Gott, lasst eure Sünden vergeben und stellt euer zerbrechliches Leben mit all seinen Fehlern und Fragezeichen diesem allmächtigen Gott zur Verfügung. Sagt: „Herr, dir wollen wir gehören, dir wollen wir dienen, egal wie hoch der Preis sein sollte.“ Das ist Bekehrung.
Von diesem Wendepunkt aus bekommen wir ein völlig neues Verhältnis zum Staat. So wie der frühere Finanzminister sagte: „Wäre ich schon früher Christ geworden, hätte ich vieles anders gemacht und häufiger gefragt: Was will Jesus?“
Als Jünger haben wir eine Verantwortung – für den Staat, in dem wir leben, für Deutschland, für unsere Region Wedemark und für unseren Ort Mellendorf. Diese Verantwortung fordert Gott von uns, denn wir sind stets einem Höheren verantwortlich.
Dafür brauchen wir Integrität, die erste reflektierte Unterordnung, dann Wachsamkeit, und schließlich, damit wir dem Kaiser geben, was des Kaisers ist, aber Gott mehr gehorchen als den Menschen.
In diesem Sinne wollen wir nun in die juristischen Auseinandersetzungen der kommenden Woche hineingehen. Wir werden das Verwaltungsgericht anrufen, um als Gemeinde irdische Gerechtigkeit zu erlangen. Das Ziel ist, dass wir unsere Räume endlich nutzen können, die wir sicher und sachgerecht ausgestattet haben, und unseren Dienst darin tun können.
Wir sind dankbar, in einem Land zu leben, das einerseits eine lange ehrwürdige Rechtstradition hat. Wir wissen aber auch, dass alles, was von Menschen verwaltet und gestaltet wird, unter einem letzten Vorbehalt steht und durch die Sünde gefährdet ist. Das sagt uns das biblische Menschenbild überdeutlich.
Deshalb bitten wir dringend um Ihre Gebete, um die Gebete aller, dass der Herr unsere Gemeinde auch durch die nächsten Entwicklungen hindurch bewahrt und führt, sodass wir bei allen Wendungen ein gutes Zeugnis sein können – auch hier in diesem Umfeld.
Glaubwürdigkeit als vierte Dimension christlichen Verhaltens
Und das führt uns zum Schluss zum vierten Kriterium, das unser Verhalten gegenüber dem Staat prägen soll: Erstens Integrität, zweitens Unterordnung, drittens Wachsamkeit und zu guter Letzt Glaubwürdigkeit.
Glaubwürdigkeit ist die Außenseite der Integrität. Das meint Petrus mit Vers 12: "Führt ein rechtschaffendes Leben unter den Heiden, damit die, die euch verleumden als Übeltäter" – man könnte auch sagen als Sektierer, als Verschwörungstheoretiker oder als was auch immer – "eure guten Werke sehen und Gott preisen am Tag der Heimsuchung."
Das heißt, auch in einem Umfeld, das uns zum Teil ablehnt und uns verleumdet – und das ist nicht das Einzige, was wir hier erfahren, muss man sagen – erleben wir auch viel Zuspruch. Es gibt viele überraschende Zeugnisse von Unterstützung. Immer wieder begegnen uns Menschen, die einfach mal zu unserem Gemeindehaus schauen wollen und sagen: "Wir haben gehört, dass Sie hier sind. Wir freuen uns, dass hier wieder eine bibeltreue Gemeinde herkommt. Wir wollen gerne künftig zu den Gottesdiensten kommen. Wir sind hier, um Ihnen zu sagen: Machen Sie weiter, lassen Sie sich nicht entmutigen."
Also widerfährt uns nicht nur Ablehnung und Schwierigkeiten, sondern auch Ermutigung. Ganz wichtig ist, dass wir dem allen mit dieser äußeren Integrität der Glaubwürdigkeit begegnen. Aus der inneren Integrität – also nicht von fleischlichen Begierden geleitet zu sein – folgt die äußere Integrität. Das bedeutet, dass wir uns glaubwürdig verhalten: geradlinig, verlässlich, aufrichtig und unbestechlich.
Das heißt aber nicht, dass wir uns zum Deppen machen lassen. Damit ist nicht gemeint, dass wir uns verleumden lassen oder noch Danke sagen, wenn man uns verleumdet oder unser Recht beschneidet. Das ist es nicht. Die Apostel haben sich auch nicht zum Deppen machen lassen, schon um die Gemeinden zu schützen.
Zum Beispiel, nachdem Paulus in Philippi rechtswidrig inhaftiert worden war – lesen Sie Apostelgeschichte 16 – hat Paulus darauf bestanden, am Ende von den Richtern öffentlich rehabilitiert zu werden. Das waren sie ihm als jemandem, der das römische Bürgerrecht besaß, schuldig, und er hat darauf bestanden, dass sie das taten. Er hat nicht gesagt: "Ach, lasst stecken, ich bin so demütig." Das hätte er nicht machen müssen. Er hat darauf bestanden, schon um die Gemeinde zu schützen.
Die Apostel haben sich also nicht zum Deppen machen lassen. Aber sie haben versucht, auch ihren Gegnern – gegen die sie sich schützen mussten – in ihnen Gottes Geschöpfe zu sehen. Gottes Geschöpfe, die ohne Rettung auf eine hoffnungslose Zukunft zusteuern. Und sie haben jedem Menschen gewünscht, dass er doch noch Gott findet.
Darum sagt Petrus hier in Vers 12: "Führt ein rechtschaffendes Leben und einen guten Wandel unter den Heiden, damit die, die euch verleumden als Übeltäter, eure guten Werke sehen und Gott preisen am Tage der Heimsuchung." Gott soll dann am Ende doch noch gepriesen werden.
Was musste alles geschehen, bis das geschieht? Zum Schluss möchte ich das so ermutigende Beispiel der Missionare Herb und Ruth Klingen noch einmal in Erinnerung bringen.
Gemeinsam mit ihrem Sohn waren sie während des Zweiten Weltkrieges drei Jahre lang in einem japanischen Lager für Kriegsgefangene auf den Philippinen festgehalten. Sie erlebten in diesem Lager schreckliche Dinge: Folter, Mord, Hunger. Trotzdem versuchten sie, unter diesen dramatischen Bedingungen treu für Jesus zu leben und sein Evangelium zu bezeugen. Sie strahlten eine Getrostheit aus, die auch ihren Mitgefangenen auffiel.
Besonders schlimm war in diesem Lager der Kommandant, ein gewisser Kunichi. Die meisten Insassen hassten ihn. Kurz vor Kriegsende erhöhte er die Nahrungsration noch einmal mit einer schlimmen List: Er gab ihnen ungeschälten Reis. Man weiß, dass ungeschälter Reis innere Blutungen verursacht.
Die Gefangenen bekamen diesen Reis, der viele tötete, weil sie keine Werkzeuge hatten, ihn zu schälen. Wenn sie versuchten, ihn zu schälen, begannen ihre Hände zu bluten. So standen sie vor der Alternative: verhungern oder schwerste Verletzungen erleiden. Das war der Plan dieses Kunichi.
Wie durch ein Wunder wurden die Klingens bewahrt und im Februar 1945 von den Alliierten befreit. Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Jahre später arbeitete Kunichi in Manila als Gärtner auf einem Golfplatz. Er wurde entdeckt, verurteilt und schließlich gehängt.
Während der Zeit zwischen dem Urteil und dessen Vollstreckung war Kunichi noch einmal gezwungen, sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. Das führte dazu – Gott sei Dank – dass er zum lebendigen Glauben an Jesus Christus fand. Wodurch? Dadurch, dass er sich an das Beispiel dieser Missionare erinnerte, wie er sagte – die er verfolgt hatte. An diese Menschen, die ein Hinweis auf Christus waren, durch die Art, wie sie sprachen und wie sie lebten.
Petrus sagt dazu: Euer guter Wandel soll dienen. Es kommt der Tag der Heimsuchung, auch für die Heiden. Es kommt der Tag, an dem es auch für sie ums Ganze gehen wird – Himmel oder Hölle. Dann sollen sie sich an euch erinnern, an euer Zeugnis, und sollen von daher wissen, dass es eine andere Hoffnung gibt – über die Grenze des Todes hinaus.
Wenn Gott Gnade gibt, sollen sie zu diesem Gott Zuflucht nehmen, für den ihr schon jetzt lebt. Dann kann der Tag der Heimsuchung für den Ungläubigen, für den bis dahin Ungläubigen, noch zu einem Tag des Heimkommens werden.
Das Ergebnis wird sein: Ja, sie werden Gott preisen am Tag der Heimsuchung, weil sie ihn doch noch als ihren Retter gefunden haben. Dazu sollen auch unser Leben hier und unser Dienst hier in Mellendorf dienen.
Schlussgebet und Bitte um Gottes Führung
Herr Jesus Christus, wir danken dir, dass du der allmächtige Herr und König deiner Gemeinde bist. Deshalb sind wir keiner menschlichen Macht und Institution ausgeliefert.
Lass es bitte gelingen, Herr Jesus, dass uns die vier Kriterien, die Petrus uns in deinem Auftrag so ans Herz legt, immer stärker prägen. Mögen sie auch unsere konkrete Haltung hier in Mellendorf beeinflussen.
Bitte gib uns diese Integrität und lass sie in unserem Herzen und Leben wachsen. Hilf uns, uns reflektiert unterzuordnen. Schenke uns eine mutige Wachsamkeit und ein Leben in Glaubwürdigkeit.
So bewahre uns durch die kommende Woche hindurch. Im Hinblick auf das Gericht wollen wir dich noch einmal bitten: Herr, verschaffe uns Recht. Wir vertrauen darauf, dass der Weg, den du uns führen wirst, gesegnet ist und zum Besten für alle sein wird, die dich lieb haben, du lieber, guter Herr.
Amen.