Liebe Freunde,
Kinder haben Wünsche an ihre Eltern – oft sehr unrealistische Wünsche. Ich sage gern, dass Wunschlisten wie Inventarlisten einer Spielwarenabteilung sind.
Wenn ich daran denke, was wir uns damals wünschen konnten, blicke ich zurück ins Jahr 1945. In unserer Kleinstadt haben wir unsere Nasen an das eine Spielwarengeschäft gedrückt. Ich erinnere mich noch, dass dort ein paar ausgesägte Pferdchen lagen, einige Holzkreisel – wir sagten dazu „Töpfe“ – und daneben einen Fangdenhut.
Im Gegensatz dazu ist ein Gang durch Kurz oder den Kaufhof heute etwas ganz anderes. Dort ist einfach alles machbar.
Wünsche und Hadern im Alltag
Und wenn sich ein Kind etwas Großes wünscht, zum Beispiel einen Computer, und dieser Wunsch nicht erfüllt wird, dann wird mit den Eltern gehadert. Eltern haben oft Wünsche für ihre Kinder. Große Geschenke sind nicht mehr so gefragt, weil der Platz ohnehin knapp ist. Vielleicht freut man sich mehr über einen schönen Besuch am ersten, zweiten oder dritten Feiertag, wenn die Enkel da sind.
Dann kommt das Telefon. Die Kinder sagen, dass sie in diesem Jahr mit ihren Freunden feiern und sofort zum Skifahren gehen würden. Daraufhin wird wieder mit den Kindern gehadert. Kinder und Eltern haben Wünsche an die Verwandtschaft. Die Spannungen sollten endlich aufhören, und der Geschenkaustausch sollte wieder in Gang kommen. Wenn das nicht gelingt, wird mit der Verwandtschaft gehadert.
So haben auch wir unsere Wünsche an Gott. Jeder von uns bringt kleine Wünsche mit. Zum Beispiel, dass wir unseren Briefberg noch vor Weihnachten abbauen können, dass das Aufstehen leichter fällt oder dass wir abends schneller einschlafen. Es gibt auch große Wünsche, etwa dass die Schmerzen nachlassen und wir wieder gehen können wie früher.
Manche Wünsche sind so persönlich, dass man sie niemandem sagt. Dazu kommen fromme Wünsche, zum Beispiel, dass man in den Himmel kommt. Wenn diese Wünsche nicht in Erfüllung gehen, wenn ich meine Briefe nicht fertigkriege, wenn ich mit meinen Schmerzen kämpfe und wenn alles so bleibt, wie es ist, dann wird auch mit Gott gehadert.
Der biblische Sinn des Haders
Liebe Freunde,
Hader entsteht dort, wo wir mit Gottes Erfüllungspraxis nicht einverstanden sind. Das ist der eigentliche Hader im biblischen Sinn. Es gibt Menschen, die sich damit nicht einverstanden erklären. Sie können ohne weiteres beten: „Dein Wille, der ist der Beste!“
Ich gestehe, ich kann das nicht immer so sagen. Oft fällt es mir schwer, diese Worte auszusprechen. Ich kann allenfalls bitten: „Herr, dein Wille geschehe.“ Doch wenn er dann geschieht, versagt mir oft genug die Stimme, um zu sagen: „Herr, das ist das Beste für mich.“
Es wäre einfacher, wenn wir wüssten, was Gottes Wille ist. Dann wäre unser Hadern nicht so schwer, oder es käme gar nicht erst auf. Doch Gottes Willen zu erkennen, ist nicht leicht. Es gibt keinen unter uns, der diesem Gott über die Schultern in die Karten schauen könnte.
Immer wieder jedoch lässt er es hier und dort aufleuchten, geradezu aufblitzen. Er zeigt uns, was letztlich sein Wille ist – auch in diesem Kapitel. Deshalb ist es so wichtig, dass er uns zeigt, was Gottes Wille ist.
Gottes Wille am Beispiel Jerusalems
Und hier wird Gottes Wille folgendermaßen formuliert: Gott will, dass Jerusalem wieder aufgebaut wird. Oder, wie es in Vers 28 genauer heißt: Jerusalem werde wieder aufgebaut. Das ist Gottes Wille.
Wir haben es bereits bei Jesaja 40 gesehen: Jerusalem ist einmal die alte Königsstadt, die David erobert hat und die Salomo eingenommen hat. David ist die Stadt, über der Jesus gestanden und geweint hat. Jerusalem ist die Stadt, der heutige Zankapfel der Welt, die einzige Stadt, in der es überhaupt eine Klagemauer gibt.
Aber Jerusalem ist im tiefsten Grund immer dasselbe. Jerusalem ist Ausdruck für Gemeinde. Gott will, und das ist sein Wille, dass Gemeinde gebaut werde. Gottes Wille ist, dass Gemeinschaft gebaut werde. Gottes Wille ist, dass Kirche werde.
Am letzten Dienstag hat Pfarrer Na, der koreanische Leiter der hiesigen koreanischen Gemeinde, dies sehr anschaulich in einem Beispiel erklärt. Er sagte, wenn sich drei Chinesen treffen, würden sie ein Handelsgeschäft eröffnen. Wenn sich drei Japaner treffen, würden sie einen Elektrokonzern gründen. Und wenn sich drei Koreaner treffen, dann bilden und bauen sie eine Gemeinde.
So sehen Sie das: Gott will, dass Gemeinde gebaut werde.
Die Gefahr der Glaubensverengung
Es gibt Gefäßverengungen, und einige von uns leiden darunter, etwa an den Füßen oder an den Venen. Unendliche Schmerzen treten immer wieder auf, wenn man eine Gefäßverengung in den Füßen hat.
Es gibt auch Herzverengungen. Einige wissen ganz genau, was das bedeutet, wenn eine Herzverengung auftritt und jene unendlichen Schmerzen entstehen. Ebenso gibt es Luftröhrenverengungen, wenn der Kropf auf die Luftröhre drückt.
Doch es gibt etwas noch viel Gefährlicheres: eine Glaubensverengung. Diese Glaubensverengung hat nur das persönliche Heil im Blick und sieht nicht mehr, dass Gott mehr will als nur mein persönliches Heil. Gott will das Heil aller. Er will die Gemeinde.
Der Singular muss zum Plural werden. Gott geht es um die Gemeinde. Gott geht es letztlich um Gemeinde. Schon gestern, als er Israel erwählte, dieses Würmlein, wie Jesaja es nennt, gleichsam das Würmlein an die Angel hängte, um andere Völker damit zu fangen. Gott geht es um Gemeinde, nicht nur gestern, sondern auch heute.
Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen, die notwendig ist. Jesus sagt: Ich bin gekommen, ein Feuer anzuzünden. Wenn Sie einmal ein Feuer mit einem Holzscheit oder einer Kohle anzünden, merken Sie, dass kein einziger von uns allein für Jesus brennt. Er raucht, glimmt, rostet, klostet und geht wieder aus.
Nehemia sagt: Baue Jerusalem, baue Gemeinde, baue Kirche. Wie diese letztlich aussieht, kann ich nicht sagen.
Die Vielfalt und Beständigkeit der Gemeinde
Heute Nachmittag besuchte mich eine Redakteurin der Frankfurter Rundschau. Sie wollte einiges darüber wissen, wie ich mir die Kirche vorstelle.
Ich konnte nicht sagen, ob die Landeskirche richtig ist, ob die Freikirche richtig ist oder ob irgendwelche Gemeinschaften richtig sind. Ich konnte ihr nur sagen: Gott will auf jeden Fall Gemeinde – so, wie er sie gestern wollte, so, wie er sie heute will und so, wie sie morgen auch bestehen wird. Und das gilt egal in welchen Formen.
Gott wird sich seine Gemeinde sammeln, und ich muss dazugehören. Wer mit Gott hadert, sollte zuerst mit sich selbst hadern. Warum bedeutet ihm Jerusalem so wenig? Warum bringt ihm das Zusammensein der Christen so wenig? Normalerweise kann ich sehr wohl mit mir und meinem Glauben auch allein sein.
Liebe Freunde, das Halleluja – das große Halleluja – will Gott nie als Solo hören, sondern immer nur im Tutti, im Chor seiner Leute im Zusammenhang.
Gemeinschaft als Gottes Wille
Und deshalb freue ich mich, dass wir in diesem Kreis, in dieser Bibelstunde, wieder ein Jahr lang ein Stück des Weges miteinander gehen konnten. Ich danke allen, die sich immer wieder aufmachen, um diese Gemeinschaft zu stärken.
Für das neue Jahr ist es mir wichtig, dass wir in diesem Sinne Gottes Willen erkennen und dabei bleiben. Gott will Gemeinschaft, Gott will Kirche, Gott will seine Leute auch an diesem Ort.
Es heißt hier: Jerusalem werde wieder gegründet. Dazu möchte ich vier kurze Fragen stellen: Wer, wann, wie und wozu wird Jerusalem gebaut?
Wer baut Jerusalem?
Erstens: Wer macht es? Wer macht es? Wenn man diesen Text noch einmal beginnt zu lesen, stößt man auf viermal das Wort „ich“, immer wieder „ich“. Der lebendige Gott meldet sich zu Wort: „Ich habe dich gemacht, der dich im Mutterleib bereitet hat.“
Kein Vater hat einer Frau ein Kind gemacht, wie es heute heißt, sondern ich, der Vater im Himmel, habe dich gemacht, habe dich bereitet. Wissen Sie, das Wort „bereiten“ ist im biblischen Sinne prallvoll von Liebe, Vertrauen und Barmherzigkeit. So wie wenn eine Mutter ein Weihnachtsfest vorbereitet. Da steckt unendlich viel Liebe und Fürsorge drin, bis alles so weit ist.
Oder wenn jemand ein Essen für seine Gäste bereitet – wie viel Überlegung und Mühe kostet es, bis es fertig ist und man sagen kann: „Bitte zu Tisch!“ Oder wenn ein großer Empfang vorbereitet wird: Was muss alles auf die Beine gestellt und auf die Tische gelegt werden, bis alles bereit ist? Hier heißt es: Gott bereitet dieses Menschlein.
Es kostet diesem Gott Mühe, Aufwand und Kraft. Er schafft es, steht hier, und er bringt es fertig. Er schafft es. Und wir bringen es in wenigen Minuten wieder fertig, es abzuschaffen und wegzuschaffen. Solche Schaffer sind wir, Mörder wie Kain, der gefragt wurde: „Wo ist denn dein Bruder Abel?“
Ich habe in der Nachbarsfamilie ein junges Ehepaar gesehen, das lange auf ein Kind gewartet hat und keines bekommen hat. Aber auf einmal war in diesem Haus alles wie verwandelt. Man spürte es, obwohl kein herzlicher Kontakt zu diesen Leuten besteht, weil sie anscheinend große Schwierigkeiten mit Kirche und Glauben haben. Doch man spürte es praktisch durch die Wände hindurch, wie es anders geworden ist, nämlich weil ihnen ein Adoptivkind anvertraut worden ist.
Wie verwandelt ein Kind in diesem Hause! Sie warteten lange, und dann ist ihnen dieses Glück beschieden worden. Viele warten vergeblich, weil diese Kinder abgeschafft werden. Ich bin der Herr, der alles schafft. Er hat den Menschen geschaffen, er hat Himmel und Erde geschaffen, ohne Gehilfen.
Wenn ein Zirkus auf den Platz kommt und das Zelt gespannt werden muss, braucht es viele Hände, bis es auf dem Boden steht. Gott schafft es allein, ohne Gehilfen, das Himmelszelt zu spannen und es über der Erde zu befestigen, damit wir einen Wohnraum haben.
Liebe Freunde, wir sollten bei solchen Aussagen an diesem Abend dankbar sein. Dankbar, dass wir hier, in unserer Region, auf diesem Breitengrad, dieses Zelt Gottes spüren können, über uns, geschützt und bewahrt im Frieden. Und wir denken an die, die an diesem Abend unter Krieg, Schrecken und Hunger leiden.
Wir sind nicht genug dankbar für das, was wir haben, durch Gottes Schaffen auch an uns und für uns. Er schafft den Menschen, er schafft Himmel und Erde, und er schafft sein Wort. Er macht es, dass dieses Wort wirksam ist, dass es trägt – auch durch schwere Stunden hindurch, dass es tröstet und dass es auch Ihnen Impulse gibt für ein neues Jahr, das Sie so schwer und dunkel anschauen und nicht wissen, wie es vorübergehen kann.
Nein, er ist der Macher, und wir sind, wie Blumhardt sagte, die Kaputtmacher. Er schafft es, er allein, und ihm vertrauen wir es. Er hat uns bis heute durchgebracht, und er wird uns auch durch das neue Jahr hindurchtragen, ganz bestimmt. Denn er macht es auch in Ihrem Leben.
Wann baut Gott?
Zweitens: Wann macht er es, wann? Raum und Zeit sind für uns zwei lebensnotwendige Begriffe. Raum und Zeit – das bedeutet, an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit. Ohne diese zwei Pole können wir weder normal denken noch leben.
Zum Beispiel: Sie haben eine Braut, und dann sprechen Sie mit ihr und sagen: „Liebe Braut, nun weiß ich, die Schlosskirche kenne ich. Hier in der Schlosskirche werden wir die Hochzeit feiern, hier in dieser Schlosskirche.“ Sie schaut sich die Kirche an, großartig, die alte Hofkirche. Wenn sie dann zurückfragt: „Ja, wann wird das sein?“ antwortet er: „Darüber habe ich mir überhaupt keine Gedanken gemacht. Die Zeit spielt keine Rolle, darüber reden wir gar nicht. Hauptsache, wir haben den Platz, hier findet es statt.“
Aber ohne Zeit geht es nicht. Jeder will wissen, wo und wann. So ist es eben nicht nur bei der Hochzeit, sondern auch beim Urlaub. Er kommt heim und sagt: „Wir machen auf jeden Fall Urlaub auf Mallorca.“ Großartig, er bringt Bilder mit, erzählt begeistert, und die Kinder fragen: „Papa, wann, wann denn? Osterferien, Pfingstferien, Sommerferien, nächstes Weihnachten?“ „Ach, darüber haben wir noch gar nicht nachgedacht. Das spielt auch keine Rolle. Über die Zeit reden wir nicht, da denken wir nicht darüber nach. Hauptsache Mallorca.“
Freunde, Ort und Zeit – nur in einem Punkt erfahren wir die Zeit nicht. Gott baut seine Gemeinde. Er fängt heute an und wird sie einmal vollenden. Nicht zwischen Jupiter, Saturn und Spiralnebeln, sondern die Bibel sagt: Gott baut hier, auf dieser Erde, seine Gemeinde. Jerusalem, auch das himmlische Jerusalem, wird hier gebaut, Freunde.
Und dann fragen wir: „Herr, wann? Wann ist das? Ist das in zwei Jahren, in fünf Jahren? Kommst du noch mit diesem Reich, wenn ich lebe, oder rufst du mich dann aus dem Grab?“ Weil wir dieses „Wann“ wissen wollen, gehen wir zu Wahrsagern, Weissagern und Kartenlegern, die die Bibel alle als Lügner und Nichtswisser brandmarkt.
Dieses „Wann“ wissen wir nicht. Wir müssen mit dem Schmerz leben, dass er uns die Zeitangabe versagt. Er sagt: Hier geschieht es, er verspricht, dass es kommen wird. Er stellt uns vor Augen: Diese Erde verwandelt sich in jenes Jerusalem, in dem seine große Gemeinde das große Halleluja singen wird.
Wann genau, ist uns verborgen. Vielleicht ist es gnädig, es nicht zu wissen. Ich würde es gerne wissen. Und ich leite daraus ab, dass Gott uns hier keinen Fahrplan in die Hand drückt. Aber lassen wir es dabei: Er gibt den Ort an. Die Zeit dafür gilt: Du wirst es hinterher erfahren. Geben wir uns damit zufrieden: Du wirst es hinterher erfahren.
Wie baut Gott?
Drittens: Wie macht er es? Selbstverständlich durch einen Ritter. Durch einen Ritter wird er seine Gemeinde herausretten und aufbauen. So hat er es immer getan. Mose war zum Beispiel eine solche Retterfigur. Er kam heraus und befreite das Volk aus den Klauen des Pharao. Auch David war eine solche Rettergestalt. Er machte sein Volk zu einem mächtigen Königtum.
Dann gab es immer wieder andere, besonders angesehene und geistbegabte Menschen, Heilige Gottes. Sie warteten auf den Messias, der kommen sollte, um dies zu vollbringen.
Liebe Freunde, wer macht es? Hier steht für mich eine zunächst unglaubliche Aussage. Gott sagt zu dem damaligen blutigen Weltherrscher Kyros: „Du, du bist mein Hirte!“ Im orientalischen Verständnis ist ein Hirte ein König. Dieser Kyros, Freunde, dieser Weltherrscher, ist mein Hirte!
Einem Hirten wird nicht jede Kleinigkeit vorgeschrieben. Man sagt ihm: „Geh auf dieses Weidegebiet mit den Schafen.“ Alles andere kannst du selbst entscheiden. So wird Kyros gesagt: „Kyros, du bist mein Werkzeug und hast mein Volk, meine Gemeinde, auf diese Weide zu führen.“ Alles andere liegt in deinen eigenen Überlegungen.
Hören Sie das Atemberaubende dieses Textes! Hoffentlich kann ich es vermitteln: Ein Politiker, ein Machtmensch, ein Weltherrscher wird nach Vers 1 an der Hand genommen und eingesetzt in Gottes Generalplan. Er soll der Gemeinde Luft verschaffen, ihr den Weg bahnen und einen Schicksalsraum bauen.
Die Weltgeschichte wird zur Heilsgeschichte, Freunde. Das ist das Erstaunliche und Atemberaubende hier: Die Weltgeschichte wird zur Heilsgeschichte, zur Gottesgeschichte. Die Weltgeschichte wird von der Bibel im Adventslicht gesehen.
Vers 8 ist ein Adventsvers aus der katholischen Adventsliturgie: „Träufelt ihr Himmel von oben, und ihr Wolken regnet Gerechtigkeit.“ Über diesen Text möchte ich nicht viel sagen, er liegt mir noch im Ohr. Vor vielen Jahren, in meiner ersten Gemeinde, gab es eine Einrichtung, die es anscheinend bis heute noch gibt: in Königsbronn auf der Ostalb findet jedes Jahr im Advent das sogenannte Kränzelsingen statt.
Das Kränzelsingen ist eine kirchliche und bürgerliche Institution. Alle Schüler werden eingeladen, in die Kirche zu kommen. Sie kommen katholisch und evangelisch, ebenso der Bürgermeister und die beiden Pfarrer. Die Kirche ist rappelvoll, so wie an Heiligabend.
Dort singen die Schüler verschiedener Klassen. Vorne stehen die beiden Pfarrer und lesen Adventstexte. „Träufelt, träufelt...“ heißt es dort. Der Name Kränzelsingen kommt daher, dass jeder Schüler am Schluss des Gottesdienstes ein gebackenes Kränzchen bekam. Dieses wurde nicht mit nach Hause genommen, um es dort zu essen, sondern in der Kirche verteilt und dort gegessen.
Die Kirche sah jedes Mal aus wie eine Backstube. Der Mesner hatte ein Jahr lang Angst vor dem Kränzelsingen. Doch mitten in diesem fröhlichen Adventstrubel höre ich immer noch meinen katholischen Kollegen diesen Satz lesen: „Träufelt ihr Himmel von oben.“ Ich dachte immer an die Brosamen, die von oben herunterkamen. „Träufelt ihr Himmel von oben und ihr Wolken regnet Gerechtigkeit.“
Sehen Sie, das ist es. Hier steht: Die politischen Köpfe der Weltgeschichte sind nur Knechte Gottes. Sie wissen es nicht, aber die Gemeinde weiß es. Sie sind Werkzeuge der Gottesgeschichte.
Kyros, pass auf! Dein Großreich, das sich von Asien über Palästina, die Türkei, Syrien, Iran, Irak bis an den Indischen Ozean erstreckte – so groß war dieses Reich damals! Kyros baust du Straßen, eine Infrastruktur, durch die es möglich wird, dass Paulus reisen und das Evangelium verbreiten kann. Ohne Kyros wäre dieses Evangelium nie bis nach Europa gelangt.
Gott benutzt die Großen der Welt nicht als Strohpumpen, sondern als Handlanger, denen sogar das Gerichtsamt übertragen ist. Wir werden einmal staunen, Freunde! Wir werden einmal staunen, wie die Weltgeschichte kein chaotisches Zusammenspiel von Zufällen ist, sondern gewoben aus Fäden und Linien göttlicher Überlegung.
Der Gott, an den ich glaube und der mir durch Jesaja wieder groß geworden ist, ist so groß, dass er vor einem Caesar, vor Karl dem Großen, Napoleon, Duce oder Führer nicht kapituliert. Er spannt sie ein in seine Geschichte.
Viele Fragen bleiben offen, Sie können mich nicht mehr alles fragen. Aber eines weiß ich jetzt: Gott braucht diese Weltgeschichte zum Bau seiner Gemeinde.
In der Welt gibt es einen Widersacher, ganz bestimmt, dem noch Zeit gegeben ist. Aber es gibt keine zwei Weltgeschichten – eine vom Teufel regiert und eine von Gott. Es gibt nur einen Gott und eine Geschichte. Und es bleibt Heilsgeschichte, so oder so.
Ein Zitat: Kyros meint, Weltpolitik zu treiben, und weiß nicht, dass er Gottespolitik treibt. Mit seinem Schaffen baute er Anmarschstraßen für die Erkenntnis des einen Herrn und für die Boten seiner Königsherrschaft.
Dazu ein Wort von Karl Hartenstein, gesprochen hier in dieser Kirche am 15. Dezember 1942 – genau vor 50 Jahren, als die Welt in Flammen stand. Er sagte: „Liebe Gemeinde, wenn wir das heute nur ganz ernst bedächten, auch dieses ganze rätselhafte und furchtbare Geschehen ist ein Stück der Geschichte Gottes, deren Grundthema Jerusalem ist.“
Das Reich und seine Gemeinde werden gebaut, vollendet und führen zum Ziel. Verlasst euch darauf: Alles hat nur ein Thema. Das Reich Gottes wird gebaut.
Und jetzt denken Sie nicht an den Ring um Stalingrad, denken Sie an den Ring um Sarajevo. Das Reich Gottes wird gebaut.
Denken Sie daran, dass morgen früh amerikanische Marines in Somalia entlanggehen und wieder einige dabei sterben werden. Das Reich Gottes wird dabei gebaut.
Denken Sie an die Hungersnöte im Hungergürtel dieser Welt. Das Reich Gottes wird gebaut.
Denken Sie an die Kämpfe in Indien. Das Reich Gottes wird gebaut.
Unglaubliche Aussagen, wo wir nicht wissen, wie es weitergeht in Europa. Freunde, eines wissen wir: Das Reich Gottes wird gebaut, so oder so.
Wozu baut Gott?
Wozu, das ist das Letzte, wozu macht Gott das? Vers 8: Damit Heil und Gerechtigkeit werden, und damit Heil und Gerechtigkeit wachsen, heißt es hier.
Damals wurde es angekündigt. Es wuchs immer mehr, gleichsam unter der Erde wie eine zarte Wurzel. Dann kam es ans Licht und wurde geboren: Jesus, unser Heil und unsere Gerechtigkeit.
Wer zu ihm kommt, erfährt heute schon das ewige Heil und die ewige Gerechtigkeit.
Aufruf zum Vertrauen und Gebet
Harder, doch nicht, Freunde, grollt doch nicht! Nehmt doch kein Ärgernis am verborgenen Herrn. Ein Ton in der Schöpfers Hand tut es auch nicht, weil er es gar nicht kann. Mehr sind wir nicht als ein Ton in der Schöpfers Hand, und mehr sollten wir auch gar nicht sein wollen.
Ton in der Hand von ihm gehalten, von ihm geformt, von ihm gebildet, von ihm fertig gemacht zu einem Gefäß der Barmherzigkeit – wie es in Römer 9 steht.
Freunde, zum Ton: Sie haben es vielleicht schon einmal probiert. Zum Tonen braucht man Geschick, braucht man eine Gabe. Gott tont mit Geschick, Gott tont mit einer speziellen Gabe.
Bleibt Ton in seiner Hand, auch wenn es presst, auch wenn es drückt, auch wenn es wehtut. Aber es kommt etwas dabei heraus, es kommt etwas Gutes heraus, mehr das Gute, nämlich sein Heil und seine Gerechtigkeit. Gott sei Dank!
Wir wollen beten: Herr, wir danken Dir für diesen Einblick in Deine Weltgeschichte. Hilf uns, dieses Hadern sein zu lassen! Lass uns in Deinen Händen bleiben, auch wenn es drückt und presst! Gib uns das Vertrauen, dass das Gute herauskommt, auch in meinem Leben.
Danke, dass Du uns durch dieses Jahr in der Bibelstunde geführt hast. Führe Du jetzt jeden hinein in diese Advents- und Weihnachtszeit. Führe uns miteinander auf dem Weg zu Deiner himmlischen Gemeinde! Amen!