Einstieg in das Kapitel und zentrale Fragestellung
Wir sind beim Johannes-Evangelium angekommen, Kapitel 6. Wenn ich noch einmal zurückblicke, beginnt Johannes 6 mit der Speisung der Fünftausend. Jesus startet das Kapitel also mit einem Wunder. Die Menschen, die satt geworden waren, wollen mehr.
Das Problem ist, dass sie nicht mehr Jesus wollen, sondern mehr Essen. Sie haben einmal gegessen und wollen nun mehr davon. Das ist einfach sehr schade. Es ist deshalb schade, weil Jesus nicht nur ein König sein möchte, bei dem man vorbeischaut, wenn man Hunger hat.
Jesus möchte mehr sein. Er selbst möchte Brot für unser Leben werden. Er möchte sich an uns verschenken. Er will, dass wir unser Leben mit ihm aufnehmen, eins mit ihm werden. Wir sollen für ihn leben und die Mission zu Ende führen, die der Vater im Himmel dem Sohn gegeben hat. Auf diesem Weg finden wir ewiges Leben und nicht nur für eine Weile ein gutes Gefühl bei ihm.
Das waren die Themen vom letzten Mal. So waren wir schon bei der Frage angekommen, die ich jetzt oft gestellt habe, beim sechsten Kapitel: Was möchtest du, wenn du dich mit Jesus beschäftigst? Möchtest du den Geber oder die Gaben? Interessiert dich Jesus wirklich? Bist du bereit, alles zu geben, dein Leben zu verlieren und Jesus zu gewinnen? So wie Jesus an einer anderen Stelle sagt: „Niemand kann mein Jünger sein, der nicht allem entsagt, was er hat.“
Jemand hat mal gesagt: „Ein halber Jesusjünger ist ein ganzer Unsinn.“ Und das stimmt irgendwie. Es ist wie halb schwanger sein – das funktioniert einfach nicht. Deswegen diese Frage: Willst du den Geber oder die Gaben?
Diese Frage hat uns das gesamte Johannes-Kapitel hindurch beschäftigt. Am Ende ist sie tatsächlich alles entscheidend. Sie gehört definitiv nicht zu den leichten, geschweige denn zu den einfachen Fragen. Vielleicht ist es sogar so, dass diese Frage die provokanteste Frage ist, die man sich vorstellen kann.
Man muss sich das aus der Perspektive der Menschen damals vorstellen: Da steht jemand, der eine Predigt hält, der aussieht wie du und ich, mit dem du vielleicht heute Morgen noch gefrühstückt hast. Und dieser jemand sagt: „Ich möchte, dass du deine selbstgemachten Träume und Werte aufgibst. Ich möchte, dass du mich zum Zentrum deines Lebens machst, dass du mich zum Herrn über alle deine Entscheidungen machst.“
Und er geht noch einen Schritt weiter: An dieser Entscheidung, an der Frage, ob du das tust oder nicht, hängt dein ewiges Schicksal. Das ist absolut irre. Jesus holt die Leute aus ihrer religiösen Zufriedenheit heraus und konfrontiert sie mit seinem Anspruch – aber auch mit seiner Verheißung.
Das geht zusammen: Er hat etwas zu bieten. Denen, die ihn aufnehmen, die eins mit ihm werden, die wirklich ihn wollen und sich auf ihn einlassen, denen hat er wirklich etwas zu bieten.
Die Bedeutung des Brotes des Lebens und die Herausforderung des Glaubens
Und wir machen weiter in Johannes Kapitel 6, Vers 58: „Dies ist das Brot, das aus dem Himmel herabgekommen ist, nicht wie die Väter aßen und starben.“ Das bezieht sich auf das Manna. Wer dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit.
Wer isst – und ich erinnere noch einmal an die letzte Predigt, in der es um den Glauben ging –, der wird leben in Ewigkeit. Gott wird Mensch, um Menschen von einer ewigen Verlorenheit zu retten. Aber diese Rettung geschieht nicht einfach so. Sie ist nicht einmal für die religiösen Gutmenschen zugänglich, und das ist das Spannende daran. Tatsächlich gilt sie nur für solche Menschen, die sich ganz bewusst und unter den Bedingungen der Jesusnachfolge für Jesus entscheiden. Für ihn zu leben bedeutet, ewiges Leben zu haben.
Manchmal denke ich: Wir hören das oft und haben es vielleicht schon so oft gehört, dass wir denken: Ja, ja, verstanden, nichts Neues. Aber ist es nicht verrückt, dass ein Mensch sich hinstellt und so etwas behauptet? Ist es nicht verrückt, mit so einer Behauptung letztlich die gesamte Menschheit in Zugzwang zu bringen: Nimm mich an, folge mir, oder geh unter?
Ich finde das ein bisschen verrückt. Entschuldigung, wenn ich da so drüber nachdenke. Darf man wirklich so auftreten? Die Antwort ist klar: Ja, natürlich darf man das. Und zwar entweder, wenn man ein Lügner ist, oder ein Psycho, oder Gott selbst. Das sind die drei Möglichkeiten.
Wir müssen uns jetzt alle, die wir das hören, entscheiden, wofür wir diesen Rabbi aus Nazareth halten. Halten wir ihn für einen Lügner? Das Problem ist, soweit wir das nachprüfen können, dass das, was er sagt, wahr ist. Halten wir ihn für jemanden, der ein psychisches Problem hat? Dafür verhält er sich eigentlich viel zu normal. Bleibt am Ende nur die Möglichkeit, dass er jemand ist, der alle Tassen im Schrank hat. Wenn er also jemand ist, der im Allgemeinen die Wahrheit sagt, dann bleibt nur die dritte Möglichkeit: Er weiß, was er sagt, er meint es ernst, es ist die Wahrheit, und er ist Gott.
Gott, der Mensch wurde, um uns zu retten. Und trotzdem, bitte lasst uns das nie vergessen: Wir, die wir so christlich sozialisiert sind und vielleicht jeden Sonntag hier eine Predigt hören, finden das schon ein bisschen verrückt, wenn jemand sich so hinstellt und das behauptet.
Aber manchmal – und das müssen wir uns einfach vergegenwärtigen – klingt die Wahrheit einfach nicht normal. So kann das sein, aber dadurch bleibt sie trotzdem wahr.
Natürlich weiß ich, dass Menschen, die das hören, anders reagieren. Ich erinnere mich gut an mich selbst Anfang zwanzig, als mir das zum ersten Mal klar wurde: Gott möchte, dass ich das ernst meine mit ihm. So ein „Willst du mich jetzt oder nicht? Machst du weiter dein halbes religiöses Ding, oder was denn jetzt?“ Das ist schon ein Punkt, an dem man sagt: Boah, dass Gott so mit mir umgeht, so etwas von mir verlangt.
Die Reaktion der Jünger auf die harte Rede
Lesen wir weiter in Johannes Kapitel 6, die Verse 59 und 60. Dies sprach Jesus, als er in der Synagoge zu Kapernaum lehrte:
Viele nun von seinen Jüngern, die es gehört hatten, sprachen: „Diese Rede ist hart. Wer kann sie hören?“
Merkt ihr, auch die Jesusjünger sind perplex. Das ist nicht so, dass sie da sitzen und sagen: „Ja, das haben wir immer schon gewusst, coole Sache, jetzt sagt das endlich mal.“ Sie sind erst einmal konsterniert, konsterniert von dieser Radikalität.
Da kommt eine Messias-Idee auf, die in kein Schema mehr passt. Wenn Gott Mensch wird, dann will er eben nie nur unser Guru sein, und noch weniger will er einer sein, der sich vor meine Vorstellungen von einem guten Leben spannen lässt.
Wenn Jesus in mein Leben tritt, dann will er Herr sein. So tritt er auch auf.
Johannes 6, Vers 61: „Da aber Jesus bei sich selbst wusste, dass seine Jünger hierüber murrten, sprach er zu ihnen: Daran nehmt ihr einen Anstoß?“
Antwort: Ja, irgendwie schon. Die Botschaft, die Jesus hier predigt, würde man in einem modernen Predigtseminar wohl nicht dem Prediger raten. Es ist eine echte „Ich stoße dich vor den Kopf“-Predigt. Es ist ein bisschen Friss oder Stirb, ein ganzer Jesus oder ein ganzer Untergang. Du musst dich entscheiden.
Aber Jesus hat noch viel mehr im Blick. Wenn er weiterredet – ich lese noch einmal Vers 61 und dann Vers 62 dazu:
„Da aber Jesus bei sich selbst wusste, dass seine Jünger hierüber murrten, sprach er zu ihnen: Daran nehmt ihr Anstoß? Wenn ihr nun den Sohn des Menschen dahin auffahren seht, wo er vorher war...“
Und wenn ihr jetzt da sitzt und sagt: „Ich verstehe gerade nicht, was Johannes sagen möchte.“ Ja, das ist so.
Es gibt zwischen Vers 61 und Vers 62 einen gedanklichen Sprung. Ich muss jetzt etwas sagen, das sich komisch anfühlt. Ich finde es sehr schade, dass man in der Antike, wenn man Reden überliefert hat, diese oft gekürzt hat. Das gehört einfach dazu.
Man kann nicht stundenlange Reden überliefern, sonst wäre unsere Bibel viel größer. Man kürzt sie. In gewisser Weise haben wir bei vielen Reden nicht den O-Ton, sondern eine Art Inhaltsangabe, die wichtigsten Punkte. Und das ist hier auch der Fall.
Johannes kürzt. Je besser du jemanden kennst, je mehr du von dem, was er sagt, sowieso schon begeistert bist und weißt, was er meint, desto mehr kürzt du.
Das bedeutet Folgendes: Das werden wir öfter bei Johannes finden. Johannes formuliert manchmal so knapp, dass du zwischen einem Vers und dem nächsten erst einmal sagst: „Wie kommt der da hin? Da hätte ich gern noch so einen Vers dazwischen gehabt.“ Das wäre für mich leichter gewesen.
Für Johannes ist die Sache klar, für uns manchmal, die wir den Originalgedankengang rekonstruieren müssen, nicht immer. Und das ist für den Prediger, das muss ich ehrlich sagen, doof. Denn er will einerseits nichts Falsches sagen, aber so ein Sprung wie hier lässt Raum für Interpretation.
Das will ich ganz offen zugeben. Ich will versuchen, auszudrücken, was ich denke, was Jesus hier sagen möchte.
Ich glaube, es geht darum, dass Jesus Folgendes sagen will: Ihr nehmt Anstoß daran, dass ich mich als Brot des Lebens bezeichne und haltet das für einen krassen Anspruch – dass man die ganze Sache mit mir machen muss.
Jetzt nehmen wir den nächsten Vers:
„Wenn das für euch krass ist, was werdet ihr erst denken, wenn ihr das ganze Ausmaß meines Dienstes erfasst, und zwar dadurch, dass ich zu meinem Vater zurückkehre?“
Hier in Vers 62 heißt es: „Wenn ihr nun den Sohn des Menschen dahin auffahren seht, wo er vorher war.“
Also: Wenn euch das jetzt schon ein Stück überfordert, was wird die Zukunft für euch noch an Herausforderungen bereithalten?
Ich sage es mal so: Wenn Jesus ein Wunder macht und Essen vermehrt, dann ist das zugegebenermaßen eine wunderliche Sache. Aber jeder Religionsstifter, der etwas auf sich hält, tut so etwas. Das gehört ein bisschen zur Jobbeschreibung eines Religionsstifters. Ein bisschen Wunder muss schon sein.
Das ist eine Sache, das kann man noch greifen.
Aber wenn einer von den Toten aufersteht, in den Himmel auffährt, sich zur Rechten des Vaters setzt und dort als der König der Könige darauf wartet, dass Gott der Vater ihm die gesamte Schöpfung unterwirft – wisst ihr, das ist eine ganz andere Hausnummer.
Wenn Jesus uns schockiert mit dem, was er tut und sagt, dann ist das nichts im Vergleich zu seiner Verherrlichung.
Ich hoffe, ihr versteht, was Jesus sagen möchte: Eine Predigt halten, so wie er es hier in der Synagoge in Kapernaum tut – eine Predigt halten kann jeder.
Erleben, wie ein Mensch den Tod besiegt, von Gott, dem Vater, mit allen Ehren im Thronsaal empfangen wird, wie der Vater dem Sohn den Namen gibt, der über allen Namen ist, ihn zur absoluten Nummer eins im Universum macht – das ist eine ganz andere Sache.
Die Rolle des Geistes und die Notwendigkeit der Neugeburt
Johannes 6,63: Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben.
Wenn hier vom Geist die Rede ist, dann ist der Heilige Geist gemeint. Der Herr Jesus spielt mit dem, was er sagt, auf etwas an, das wir als Leser des Johannesevangeliums bereits kennen. In Kapitel 3 gab es nämlich ein anderes Gespräch, und zwar mit Nikodemus. Nikodemus stellt die Frage: Wie kann ein Mensch von neuem geboren werden? Wie kann es sein, dass jemand im Leben noch einmal einen kompletten Neuanfang mit Gott macht?
Die Antwort des Herrn Jesus lautete in Kapitel 3: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen. Er erklärt außerdem, dass diese Neugeburt vom Heiligen Geist kommt.
Das bedeutet: Ich brauche einen kompletten Neuanfang, eine neue Geburt. Sonst wird es nichts mit dem ewigen Leben. Diese Neugeburt kann ich aber nicht selbst bewirken; ich kann mich nicht selbst neu zur Welt bringen. Hinter dieser Neugeburt, hinter dem Prozess, dass ein Mensch quasi ein neuer Mensch wird, steckt der Heilige Geist.
Die gleiche Idee steckt auch hier im Text: „Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts.“ Wir müssen uns entscheiden, auf welche Karte wir setzen wollen. Wir möchten mit Gott ins Reine kommen, und wir können entweder auf den Geist setzen oder auf das Fleisch.
Was ist das Fleisch? Dieser Begriff bezeichnet in der Bibel den Menschen mit seinen Möglichkeiten. Das bin ich – das, was man anfassen kann: meine Fähigkeiten, meine guten Taten, meine Beziehungen, meine Spenden, die ich schon geleistet habe, vielleicht auch mein Wissen über Theologie.
Jetzt sagt der Herr Jesus: Das Fleisch nützt nichts. Aus mir selbst heraus, mit meinen menschlichen Bordmitteln, kann ich mich nicht retten. Ich brauche etwas anderes. Es sind, wie es hier heißt, seine Worte, in denen Geist und Leben stecken.
Es ist ganz wichtig, dass wir das verstehen: Es sind die Worte, die Jesus geredet hat. Natürlich sind die Worte selbst nicht irgendwie magisch. Wir sind ja hier nicht bei Harry Potter und Zaubersprüchen. Vielmehr ist es das, was Jesus uns durch die Worte vermittelt – die Inhalte.
In diesen Inhalten steckt Geist, da steckt Leben. Deshalb müssen wir dem vertrauen, was Jesus sagt. Und wirklich nur dieser Glaube, ein Glaube, der sich ganz eng an dem orientiert, was Jesus tatsächlich gesagt hat – nicht an dem, was du denkst, dass irgendjemand mal gesagt hat, Jesus habe gesagt –, nur dieser Glaube kann retten.
Aber genau an diesem Punkt bekommen viele Menschen ein Problem. Wenn Jesus sie auffordert zu glauben, treffen viele die Entscheidung, dass sie unter diesen Bedingungen nicht glauben wollen.
Jesu Wissen um Unglauben und Verrat
Johannes 6, Vers 64: Jesus schaut seine Zuhörer an und sagt zu ihnen: „Aber es sind einige unter euch, die nicht glauben.“ Denn Jesus wusste von Anfang an, welche es waren, die nicht glaubten, und wer es war, der ihn überliefern würde.
Ich stelle mir das so furchtbar vor. Gleichzeitig erinnert es mich ein wenig an ein Computerspiel. In manchen Spielen läuft man durch Welten und kann sich andere Spieler anschauen. Über den Spielern sieht man dann, wie sie heißen, wie viele Punkte sie haben, was sie können und welche Klasse sie sind. So stelle ich mir vor, dass Jesus seine Umgebung betrachtet und über den Leuten sieht: gläubig, nicht gläubig, nicht gläubig, nicht gläubig, auf der Kippe. Er sieht sie einfach.
Ich finde das furchtbar. Ich glaube, ich hätte überhaupt keinen Spaß daran, hier vorne zu stehen, wenn ich wüsste, wer von euch echt ist und wer nicht. Bei Jesus war das so. Er wusste sogar, wer sein Verräter sein würde. In den Versen 70 und 71 steht: Jesus antwortete ihnen: „Habe ich nicht euch, die Zwölf, erwählt? Und von euch ist einer ein Teufel.“ Er sprach aber von Judas, dem Sohn des Simon Iskariot, denn dieser sollte ihn überliefern, einer von den Zwölfen.
Verrückt: Jesus weiß ganz genau, wo die Leute stehen, die ihm zuhören. Aber – und das ist der Clou – dieses Wissen darum, dass eine ganze Menge Leute nicht wirklich gläubig sind, ist die Stellschraube, an der Jesus jetzt ansetzt. Deshalb redet er auch so deutlich, damit die Leute verstehen, dass es nicht reicht, einfach nur in die Synagoge zu gehen und an einem Gottesdienst teilzunehmen.
Hier ist eine ganze Synagoge voller Leute, die eine Predigt hören, und es geht um Glauben. Doch viele gehen als Ungläubige hinein und als Ungläubige wieder hinaus. Das ist doch verrückt! Und weil das so ist, spricht Jesus in Vers 65 sehr deutlich: „Darum habe ich euch gesagt, dass niemand zu mir kommen kann, es sei denn, ihm ist es vom Vater gegeben.“
Wir hatten dieses Thema schon. Jesus warnt seine Zuhörer. Er sagt ihnen so viel wie: „Ihr zaudert jetzt, ihr zögert, aber dieses Nicht-an-mich-Glauben ist ein ernstes Zeichen für ein viel, viel größeres Problem in eurem Leben.“ Ihr Problem ist nicht nur, dass ihr nicht an ihn glaubt. Euer Problem ist, dass euch etwas fehlt – etwas, das euch der Vater gerne geben würde. Aber der Vater gibt es euch nicht, weil ihr nicht offen dafür seid.
Das ist verrückt. Hier sind Leute, die religiös sind, die glauben, eine Beziehung zu Gott, dem Vater, zu haben. Sie glauben, ein auserwähltes Volk zu sein. Und jetzt kommt Gott in ihre Mitte und sagt: „Ihr habt ein Problem. Ein ganz großes Problem. Alles, was ihr denkt zu sein, stimmt überhaupt nicht.“ Ich glaube, die meisten in der Synagoge hielten sich für rechtgläubige Juden. Doch die Wahrheit ist eine ganz andere: Es fehlt ihnen der Glaube.
Die Tatsache, dass sie nicht an den Sohn glauben, beweist nur, dass der Vater ihnen nicht geben kann, was er geben möchte. Und was möchte der Vater jedem Menschen geben? Eine Beziehung zum Sohn.
Ich frage mich, wie viele Menschen heute es ähnlich handhaben. Sie pflegen ein bisschen Christentum als Religion, stehen aber genau so da wie die Besucher der Synagoge in Kapernaum: ein bisschen Religion, eine ordentliche Portion Selbstgerechtigkeit, aber keine echte Beziehung zum Vater und zum Sohn.
Wenn solche Menschen, die in ihrer Selbstgerechtigkeit und ihrem religiösen Gutmenschsein leben, hören, was Jesus sagt, wenn sie solche Texte lesen oder davon hören, dass sie Jesus brauchen – ihn allein und ganz –, dann wird es für sie schwierig. Es wird schwierig, weil die religiöse Fassade, die sie sich aufgebaut haben, dazu dient, Gott abzuschirmen.
Die religiöse Fassade ist dazu da, Gott fernzuhalten. „Ich bin so religiös, wie es nötig ist, damit Gott mir nicht zu nahe kommt.“ Das ist verrückt. Man kann religiös sein, damit Gott einen in Ruhe lässt. Gerade so viel Gott wie nötig, aber nicht so viel Gott wie möglich. Und schon gar nicht einen Gott, der einen ganz bekommt – also mich und mein ganzes Leben.
Jetzt wird es kompliziert, wenn Gott auftritt und klar macht, dass etwas nicht stimmt. Dann bekommen solche Menschen ein riesiges Problem. Sie müssen entweder weitermachen wie bisher und sich eingestehen, dass Gott mehr will, oder sie müssen aus ihrer Komfortzone heraus und hinein in das Abenteuer der Nachfolge gehen.
Dabei weiß man nicht genau, wie der nächste Schritt aussieht. Das Verrückte bei Jesus ist, dass er nicht sagt: „Komm, und alles wird einfach.“ Sondern er sagt: „Komm, und der Spaß fängt an.“ Wir kriegen das schon hin. Es wird nicht leichter, wenn du Christ wirst, aber es wird interessanter.
Die Konsequenz der Radikalität: Viele Jünger verlassen Jesus
Vers 66: Von da an gingen viele seiner Jünger zurück und gingen nicht mehr mit ihm. Man kann nur sagen: Schade. Wirklich schade. Eben noch ein Jünger Jesu – gerne auch mit Anführungs- und Schlusszeichen –, aber eben noch ein Jünger und jetzt keiner mehr.
Und wisst ihr was? Den Schritt gehen viele. Hier steht: viele seiner Jünger. Ich habe mal zu diesem Text eine Predigt gehalten, und die Predigt hieß „Die schlechteste Predigt der Bibel“. Ja, überlegt mal: Stellt euch vor, ich predige hier, und ihr würdet jetzt alle aufstehen, bis auf vielleicht zwei handvoll Leute, die freundlicherweise sitzen bleiben, und rausgehen, den Kopf schütteln und sagen: „Boah, never ever der Typ da vorne.“ Das wäre jetzt nicht unbedingt so, dass man denkt, das war eine gute Predigt.
Und trotzdem passiert genau das hier. Er predigt, und die Leute schütteln einfach nur den Kopf, gehen und wollen mit diesem Jesus erst mal nichts mehr zu tun haben.
Frage: Kann man Jünger sein, ohne zu glauben? Antwort: Ja, kann man – steht im Text. Es gibt Jünger und Jünger. Es gibt solche, die – mit Anführungs- und Schlusszeichen – denken, dass sie dazugehören, und dann gibt es die echten.
Es gibt Nussli und es gibt Nutella – müsst ihr nicht verstehen, ist aber… und es ist auch mein Geschmack. Ihr könnt ja, aber ihr versteht: Es gibt einfach „the real thing“ an manchen Stellen, es gibt einfach das Original. Und das ist hier auch so der Fall.
Einfach nur zu sagen: „Ich bin ein Jesusjünger“, weil ich so ein bisschen begeistert bin von seiner Art und mich so ein bisschen in seinem Starsein sonnen möchte, das reicht nicht. Ich muss dann auch so leben.
Die Herausforderung an die Zwölf und die Frage nach der Entscheidung
Und jetzt kommt der Knaller im Text: Vers 67. Da sprach Jesus zu den Zwölfen: „Wollt ihr etwa auch weggehen?“
Die Leute stehen auf, sie gehen weg – nur zwölf bleiben stehen. Was hättest du erwartet, dass Jesus jetzt sagt? Ich glaube, wir hätten etwas erwartet wie: „Mann, bin ich froh, dass wenigstens ihr geblieben seid! Mann, ist das schön, wenigstens ein paar Freunde zu haben!“
Was er aber sagt, ist: „Wollt ihr etwa auch weggehen? Wie steht es mit euch? Wo steht ihr? Hand aufs Herz, wo steht ihr?“
Ich mache es euch ganz leicht: Wenn euch der Anspruch zu schwer ist, da ist die Tür.
Lasst uns gut verstehen, was Jesus hier sagt. Es geht ihm nicht im Geringsten um einen Fanclub. Jesus braucht keine Leute, die ihn bewundern. Er braucht auch keine, die halbherzig und fast gläubig sich auf seine Seite stellen und den Eindruck vermitteln, dazuzugehören. Solche Leute braucht er nicht, und solche will er nicht.
Es ist wichtig, dass wir das verstehen. Wir leben in einem Zeitalter, in dem man vom expressiven Individualismus spricht. Das hatten wir schon mal in einer anderen Predigt. Ich möchte nach außen immer gut dastehen. Ich stehe dann gut da, wenn ich möglichst viele Follower habe – auf Instagram, YouTube, TikTok. Je mehr Follower, desto mehr bin ich jemand.
Jetzt kommt Jesus und sagt: „Ich weiß, wie ihr tickt. Für euch ist es wichtig, dass Leute euch mögen, dass sie auf eurer Seite stehen. Mir ist das nicht wichtig. Mir ist das deshalb nicht wichtig, weil ich in die Herzen hineinschaue. Mich interessiert das Herz der Menschen.“
Mir geht es übrigens ähnlich. Ich frage mich bei den Leuten, die meinen YouTube-Kanal abonnieren, warum sie das tun. Und ich hoffe für sie, dass sie es tun, weil sie sich mit Gott auseinandersetzen wollen – und nicht nur, weil sie möglichst viele christliche Kanäle abonnieren, um sich ein gutes Gefühl zu verschaffen.
„Wollt ihr etwa auch weggehen?“
Und der Clou ist: Jesus fragt sie nicht, um sie zu halten. Er fragt sie, weil er wissen will: Wofür schlägt dein Herz? Wollen sie ihn wirklich, oder wollen sie nur etwas von ihm? Sehen sie in ihm den Weihnachtsmann, der ihnen Geschenke bringt, oder sehen sie in ihm den Herrn?
Das ist die Frage: Darf Jesus Herr in meinem Leben sein?
Und das ist natürlich die Frage, die Gott uns allen stellt.
Jetzt werde ich euch überraschen: Ich sage, er stellt uns diese Frage immer wieder. Und er stellt sie euch jungen Gläubigen hier immer wieder an den Weggabelungen des Lebens.
Es ist nämlich so: Man bekehrt sich irgendwann, vielleicht als Teenager, hat schon einen Blick für die Welt. Also, noch nicht so viel Welt, aber man hat einen Blick und sagt: „Ja, Jesus soll Herr in meinem Leben sein.“ Und ich nehme das hundertprozentig ernst. Wenn sich Teenager bekehren, dann meine ich das so.
Ich weiß nur, dass, wenn wir im Leben weitergehen, diese Weggabelungen kommen. Dann verstehe ich plötzlich, was es bedeutet, Jesus Herr sein zu lassen. Es gibt Bereiche in meinem Leben, die hatte ich bei meiner Bekehrung noch gar nicht im Blick.
Plötzlich stelle ich fest: Er will auch Herr sein über Bereiche wie Partnerschaft, Karriere, Umgang mit Geld, vielleicht später Kindererziehung, wie ich meine Freizeit gestalte oder mit der knappen Zeit umgehe.
Versteht ihr? Das sind alles Bereiche, die man erst entdeckt. Und dann stellt man fest: „Oh, darüber möchte Jesus auch Herr sein.“ Spannend!
Das gilt für die Jüngeren. Und übrigens auch für euch Älteren: Wenn ihr euch jetzt zurücklehnt und sagt: „Das kann mir nicht mehr passieren“, doch. Auch ihr Älteren werdet das feststellen.
Wenn wir schwächer werden, wenn wir lange für etwas beten und es sich einfach nicht erfüllt, wenn wir sehen, wie Weggefährten vom Glauben abfallen, oder einfach banal: Wenn liebe Menschen, die uns Stabilität geben, sterben.
Das sind Momente, in denen man plötzlich sagt: „Oh, das habe ich noch gar nicht so auf dem Schirm.“
Deshalb lasst uns diese Frage stellen: Was will ich? Will ich Jesus als den, der immer alles heile macht – den Weihnachtsmann? Oder will ich ihn als Herrn, der mich durchs Leben begleitet, der mich in Situationen hineinführt, die neu, ungewohnt und herausfordernd sind?
Wo ich immer wieder die Entscheidung treffe: „Jesus, du sollst Herr sein, auch in dieser Situation, die ich gerade überhaupt nicht verstehe. Du sollst Herr sein.“
Ich habe das mal entschieden, ich habe da mal Ja gesagt. Damals habe ich noch nicht alles überschaut. Aber ich bleibe dabei, ich gehe den Weg weiter.
Das ist es, was Jesus möchte.
Die Antwort des Petrus als Vorbild für Glauben und Erkenntnis
Wenn Jesus fragt: „Wollt ihr etwa auch weggehen?“, dann lasst uns bei dieser Frage, wenn sie an unsere Herzenstür klopft – und das wird sie irgendwann –, ehrlich sein. Lasst uns einfach antworten, wie es Petrus getan hat. In den Versen 68 und 69 von Johannes 6 antwortet Simon Petrus: „Herr, zu wem sollten wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens, und wir haben geglaubt und erkannt, dass du der Heilige Gottes bist.“
Das ist die einzig richtige Antwort: Zu wem sollten wir gehen? Herr Jesus, wem sollten wir unser Vertrauen schenken, wenn nicht dir? Ganz ehrlich: Wenn Jesus nicht die Antwort ist, aus welchen Gründen auch immer, dann gibt es keine andere. Er hat die Worte des ewigen Lebens. Wenn wir nicht auf ihn hören, dann ist es tatsächlich egal, auf wen wir hören, denn alle Alternativen sind gleich falsch und gleich unvernünftig.
Ich weiß, so muss der Prediger von vorne reden. Aber ich erlebe das auch in meinem Leben. Und dann kommt etwas, das mich total fasziniert: „Und wir haben geglaubt und erkannt, dass du der Heilige Gottes bist.“
Frage: Was kommt zuerst? Kommt erst das Wissen und dann der Glaube? Oder kommt erst der Glaube und dann das Wissen? Ich weiß nicht, ob euch solche Fragen interessieren, ich finde sie hochgradig interessant. Hier steht: Erst kommt der Glaube, und aus dem Glauben entsteht das Wissen.
Warum ist das so? Die Antwort ist: Weil der Glaube mir die Augen für die Realität öffnet. Wenn ich einen kleinen Schritt des Glaubens gehe – das ist vielleicht noch nicht der hundertprozentige, vollumfängliche Jesusglaube –, aber in dem Moment, in dem ich sage: Hier gibt es etwas, das sagt Jesus, und das möchte ich ausprobieren, dann ist das ein Wagnis des Glaubens.
Ich gehe einen kleinen Schritt im Glauben, bewege mich vorwärts und schaue, ob das hält und mich trägt. Es ist ein Schritt in Richtung Realität. Wenn ich diesen Schritt gehe und merke: Wow, ja, das hält, dann kann ich einen zweiten Schritt gehen und weiter in Richtung Realität gehen.
Aber es ist der Glaube, der mich den ersten Schritt gehen lässt, den zweiten Schritt und den dritten. Deshalb heißt es: „Wir haben geglaubt.“ Wir sind diesen Weg des Glaubens gegangen. Das tun sie in dem Moment, in dem sie bei dieser Predigt dableiben und darauf vertrauen, dass Jesus sie nicht anlügt bei dem, was er sagt.
Wenn ich diese Schritte des Glaubens gehe – egal in welchen Bereichen –, sei es in meiner Partnerschaft, im Umgang mit dem Job, mit meinen Kindern oder mit Geld, dann werde ich Stück für Stück merken, dass das, was Jesus sagt, sich immer mehr als Wahrheit entpuppt.
Das Wagnis des Glaubens lässt mich kleine Glaubensschritte gehen, und dann werde ich erkennen: „Wir haben geglaubt und erkannt.“ Ich werde erkennen, wer da mit mir redet. Dass Jesus niemand ist, der einfach nur etwas verspricht und es dann nicht hält, sondern dass er wirklich der Immanuel ist – Gott mit uns.
Er ist wirklich der, wie die Jahreslosung sagt: „Du bist ein Gott, der mich sieht“ – El Roi, der mich sieht. Mich, mich! Das ist ja völlig absurd: Der Schöpfer des Universums soll mich anschauen? Ja, genau das werde ich feststellen.
Und wenn jemand sagt: „Ich möchte erst dann glauben, wenn ich alles verstanden habe“, dann kann ich sagen: Du wirst wahrscheinlich nie glauben. Es gibt gute Gründe für den Glauben, ich mag Apologetik, meine Frau mag das noch viel mehr, aber wenn wir wirklich erkennen wollen, dass Jesus der Heilige Gottes ist, dann braucht es zuerst einen Schritt des Glaubens. Es braucht ein Glaubensleben.
Und dann wirst du am Ende sagen: Ich habe so viel mit diesem Jesus erlebt, ich habe an so vielen Stellen gemerkt, dass das, was er sagt, wahr ist. Er hat mich an so vielen Stellen im persönlichen Leben gerettet. Ich weiß ganz genau, dass er der Einzige ist, auf den es sich lohnt zu hören.
Deshalb mein Tipp zum Schluss: Holt eure Handys raus, öffnet eure Bibel-App und tragt euch Johannes 6, Verse 68 und 69 ein. Lernt sie auswendig, denn das ist wirklich eine ganz wichtige Sache, über die man immer wieder nachdenken muss: dieses kleine Glaubensschritte wagen.
Sagt in der nächsten Woche: „Okay, hier verlasse ich mich auf das, was Jesus sagt.“ Geht diesen Schritt und dann werdet ihr erkennen, wer Jesus wirklich ist. Wer ihn erkannt hat, der kann auch an ihn glauben. Und durch den Glauben haben wir tatsächlich ewiges Leben. Amen.
