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28.04.2024
„Gott – wo bist Du?“ In den Schattenmomenten unseres Lebens, wo wir uns verlassen fühlen, ist Gott dennoch nahe. Er hat die Macht, die tiefste Dunkelheit in strahlendes Licht zu verwandeln. Begleite uns auf einer Reise, auf der Elend in Zufriedenheit umschlägt, aus Fremdheit echte Freundschaft entsteht und aus tiefster Verzweiflung unerwartete Freude keimt. Lass Dich von der Geschichte von Ruth berühren und entdecke, wie Gott in deiner Geschichte wirkt.

Einführung in das Buch Ruth und seine Relevanz heute

Herzlich willkommen zum Predigt-Podcast von Neuland. Wir freuen uns, dass du eingeschaltet hast und hoffen, dass du aus der folgenden Predigt viel für deine Beziehung zu Gott und für dein Leben mitnehmen kannst.

In den nächsten Wochen wollen wir uns mit dem kleinen, aber sehr bedeutenden Buch Ruth beschäftigen. Vielleicht fragst du dich, warum gerade Ruth. Es ist nicht das größte oder wichtigste Buch der Bibel, und es gibt viele andere spannende Themen, die wir behandeln könnten.

Dennoch behandelt Ruth Themen, die auch heute für uns sehr wichtig und entscheidend sind. Diese Themen werden uns im Leben immer wieder begegnen. Eines der zentralen Themen in diesem Buch ist die Frage nach dem Leid: Wo ist Gott mitten im Leid? Wie können wir damit umgehen, wenn wir durch schwere Lebensphasen gehen und merken, dass es gerade richtig hart wird?

Das Buch Ruth gibt keine philosophische Antwort auf die Frage, woher das Leid kommt. Es beantwortet diese Frage nicht direkt. Aber es bietet Inspiration, wie wir mit solchen Phasen des Leids umgehen können.

Darüber hinaus zeigt uns Ruth auch andere spannende Themen, zum Beispiel Freundschaft, Hingabe und Liebe – all die Elemente, die eine richtig gute Geschichte ausmachen. Das Buch enthält Drama, Tragödie und ein Happy End – also all das, was eine gute Geschichte lebendig macht.

Ein wichtiger Punkt ist auch: Gott liebt gute Geschichten. Es ist interessant, dass er beschlossen hat, durch Geschichten mit uns zu kommunizieren und zu reden. Wenn man sich die Bibel anschaut, sieht man, dass Geschichten die Art und Weise sind, wie Gott mit uns spricht.

Die Bedeutung von Geschichten in der Kommunikation Gottes

Gott hat uns nicht einfach ein Lexikon gegeben, in das man aufschlagen kann, um alles über ein bestimmtes Thema wie Leid nachzulesen. So funktioniert die Bibel nicht, und so funktioniert auch das Leben nicht. Das Leben funktioniert überhaupt nicht so, sondern wir müssen es leben.

Gott benutzt Geschichten, um verschiedene Themen mit uns zu kommunizieren und uns diese näherzubringen. Mal ganz ehrlich: Wer liest lieber Romane als Sachbücher? Wahrscheinlich die meisten. Deshalb ist es doch schön, dass Gott durch Geschichten mit uns redet.

Auf der anderen Seite verbinden wir mit Geschichten viel mehr als nur Informationen. Wir verbinden uns mit ihnen auf einer emotionalen Ebene. Wir erleben mit, was die Hauptperson durchmacht, was sie durchleidet. Wir freuen uns mit ihr, leiden mit ihr und fiebern mit. Wenn uns dann ein ähnliches Schicksal trifft oder wir eine ähnliche Zeit durchleben, erinnern wir uns oft an diese Geschichten. Dadurch können wir das Geschehene noch einmal durchleben und daraus lernen: Wie sind die Personen damit umgegangen? Wie kann ich jetzt damit umgehen?

Das ist eigentlich wertvoller, als es jedes Sachbuch jemals sein könnte. Denn an Geschichten erinnern wir uns besonders gut. Wir haben eine ganz natürliche Verbindung zu ihnen. Gott liebt gute Geschichten und ist deshalb der Meister-Geschichtenerzähler.

Aber Gott hat nicht nur in der Vergangenheit durch Geschichten gesprochen, sodass wir heute in der Bibel lesen und sagen: „Aha, das sind die ganzen schönen Geschichten.“ Er will das auch heute in deinem und meinem Leben tun. Gott möchte heute in deinem Leben wirken – mit all den Höhepunkten und Tiefpunkten, mit Tragödien und Happy Ends, die du vielleicht schon erlebt hast oder noch erleben wirst.

Das Leben als Geschichte und die Identifikation mit Ruth

Gott möchte mit deinem Leben eine schöne Geschichte erzählen. Wenn du dein Leben anschaust, kannst du sagen, dass dein Leben ein Stück weit auch eine Geschichte ist. Dabei kannst du dir die Frage stellen: Was für eine Geschichte erzähle ich eigentlich mit meinem Leben?

Ruth ist eine Geschichte, mit der man sich wunderbar identifizieren kann. Sonja hat es beim letzten Mal schon in der Moderation gesagt: Schnappt euch diese Story und lest sie durch. Sie ist wirklich kurz und eine richtig gute Kurzgeschichte. Das Lesen macht richtig Spaß, dauert nicht lange und ist wirklich schön.

Deshalb lest sie mal durch, und ihr werdet merken, dass man sich gut mit ihr identifizieren kann, weil sie so alltäglich daherkommt. Ruth ist eine Geschichte für Menschen, die sich wundern, wo Gott ist, wenn es keine Träume, keine Visionen, keine Propheten und einfach nichts Übernatürliches gibt. In diesem ganzen Buch passiert nämlich überhaupt nichts Übernatürliches.

Es ist nicht so, dass du sagst: „Okay, was die da erlebt haben, das geht bei mir nicht, weil ich so etwas nicht erlebe.“ Bei Ruth passiert nichts Abgefahrenes. Genau deshalb kann man sich wunderbar damit identifizieren.

Es ist auch eine Geschichte für Menschen, die sich fragen, wo Gott ist, wenn Tragödie auf Tragödie dein Leben trifft und deinen Glauben herausfordert. Sie ist für Menschen, die sich fragen, ob es überhaupt einen Sinn macht, ein anständiges Leben zu führen, wenn das Leben gerade so richtig hart ist. Oder ob es nicht viel einfacher ist, die Abkürzung zu nehmen und den einfachen Weg zu gehen.

Diese Geschichte ist für Menschen, die im Loch sitzen und sich nicht vorstellen können, dass es mal anders werden könnte. Sie ist für Menschen, die sich nicht vorstellen können, dass aus ihren ganz normalen, alltäglichen Umständen – aus eurem, ich sage es mal so, profanen Leben – etwas wirklich Wunderschönes entstehen kann.

All das steckt in der Geschichte von Ruth. Ich hoffe, ihr habt Lust, euch auf diese Geschichte einzulassen. Lasst uns mal reinschauen in das erste Kapitel. Wir haben es gerade gehört, Hilde hat es uns vorgelesen.

Diese Geschichte startet ganz klassisch mit dem, was man einen Prolog nennt, also einer Einleitung. In ein paar Sätzen erfahren wir das gesamte Setting für diese Geschichte, also die Umstände und die Zeit, in der das alles spielt.

Historischer Hintergrund und Ausgangslage der Geschichte

Im ersten Vers heißt es: "Es geschah in den Tagen, als die Richter richteten." Damit ihr eine ungefähre zeitliche Einordnung habt: Die Zeit der Richter liegt ungefähr zwischen 1500 und 1000 vor Christus.

Um das besser einzuordnen: Etwa 2000 vor Christus führte Mose das Volk aus Ägypten heraus nach Israel. Nein, das stimmt so nicht ganz. Ihr müsst eigentlich aufschreien und sagen: Stopp, das ist falsch! 2000 vor Christus war Abraham lebendig. So war es nämlich. Zuerst kam Abraham, und ungefähr 1500 Jahre später, also um 1500 vor Christus, kam Mose.

Mose führte das Volk aus Ägypten in das verheißene Land Israel. Danach gab es eine Zwischenzeit, in der das Land besiedelt wurde und die ersten Könige entstanden. Diese Phase nennt man die Zeit der Richter.

Diese Zeit war keine besonders schöne Zeit. Man wollte dort nicht leben. Wenn ihr in euren Bibeln eine Seite zurückblättert, vor das Buch der Richter, findet ihr das Buch Ruth. Andersherum, vor dem Buch Ruth steht das Buch der Richter. Der letzte Vers des Buches Richter sagt viel aus: "In jenen Tagen war kein König in Israel, jeder tat, was recht war in seinen Augen."

Wenn ihr das Buch Richter lest, macht es zwar Spaß, aber es ist auch ziemlich wild und schlimm. Ihr bekommt dadurch eine Vorstellung davon, was es bedeutet, wenn jeder tut, was er für richtig hält. Es herrscht Chaos und unfassbare Grausamkeit.

Genau in dieser Zeit spielt die Geschichte von verletzlichen kleinen Frauen. Es gibt eine Hungersnot in Israel. Ein Mann namens Elimelech nimmt seine Frau Naomi und seine beiden Söhne mit. Er sieht keine Zukunft mehr in Israel, obwohl es das verheißene Land ist. Er sagt: "Hier gibt es nichts mehr für uns, wir gehen."

Sie ziehen nach Moab. Dabei müsst ihr wissen: Moab war nicht einfach nur ein Nachbarland, wie wenn man heute von Deutschland nach Österreich oder in die Schweiz reist. Moab war einer der größten Feinde Israels. Zwischen beiden gab es eine tiefe Feindschaft. Es wäre so, als würde heute ein Israeli sagen: "Ich wandere in den Iran aus." Das wäre wahrscheinlich keine gute Idee. So ähnlich war die Situation damals.

Naomi und ihre Familie sind also Auswanderer, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben in ein fremdes Land ziehen. Hier beginnt die Tragödie. Sie wandern aus, finden aber genau das, was sie vermeiden wollten.

Elimelech und seine beiden Söhne, Machlon und Kiljon, sterben alle. Sie erleben große Armut und Tod. Später in der Geschichte wird erzählt, dass sie ihr angestammtes Land in Israel verkaufen mussten, aber trotzdem in bitterer Armut lebten.

Das, was sie erhofft hatten, ist nicht eingetroffen. Jetzt bleibt Naomi mit ihren beiden Schwiegertöchtern allein in diesem fremden Land zurück. Hier startet die Geschichte, aus absoluter Leere.

Stellt euch den tiefsten Tiefpunkt in eurem Leben vor – so geht es Naomi. Es ist absolute Leere, Hoffnungslosigkeit und Elend. Wie soll Naomi als Witwe ohne Kinder, ohne Nachkommen und ohne Familie überleben? Gibt es irgendeine Hoffnung für sie?

Wenn man die damalige Kultur betrachtet, ist die Antwort leider: Nein, es ist ein vollkommen hoffnungsloser Fall.

Die kulturelle Bedeutung von Familie und Naomis Situation

Und das ist für uns heute ein bisschen schwer zu verstehen, weil wir in einer anderen Kultur leben. Es ist für uns etwas fremd.

Wenn du in so einer Situation wärst, in der du sagen würdest: „Alles verloren, voll an die Wand gefahren“, dann würden die meisten von uns wahrscheinlich sagen: „Na ja, aber ich habe ja immer noch irgendwie meine Ausbildung. Ich finde ja auch noch was. Ich kann mich noch über Wasser halten.“ So gesehen geben dir deine Fähigkeiten und deine Ausbildung ein Stück weit Sicherheit und auch eine gewisse Zukunft.

Außerdem leben wir in einem Sozialstaat. Das heißt, es wird auch ein bisschen für dich gesorgt. So etwas gab es früher gar nicht. Damals war das Hauptding, das du brauchtest, um Sicherheit und Zukunft zu haben, die Familie. Es war einfach Familie. Es war nicht Ausbildung, es war auch nicht zwangsläufig das Geld. Du brauchtest als Frau einen Ehepartner und du brauchtest Kinder.

Naomi befindet sich jetzt in einer Situation, in der sie fast die schlimmste Art von Witwe ist, die du dir vorstellen kannst. Sie sagt das ja selbst in ihrer Rede zu ihren beiden Schwiegertöchtern: Sie ist schon älter. Daraus können wir schließen, dass sie höchstwahrscheinlich keine Familie mehr in Israel hat. Ihre Eltern sind vermutlich bereits gestorben, wenn sie selbst schon älter ist. Das heißt, sie hat niemanden mehr, zu dem sie zurückgehen kann.

Außerdem hat sie keine Aussicht, eine neue Familie zu gründen, weil sie nun mal schon alt ist. Die biologische Uhr ist einfach abgelaufen, da geht nichts mehr. Und weil ihre Söhne gestorben sind, hat sie natürlich auch keine erwachsenen Kinder, zu denen sie ziehen könnte, um zu sagen: „Kümmert ihr euch um mich?“ Für sie ist da absolute Leere.

Nur um dir eine Vorstellung von dieser trostlosen Situation zu geben, in der sie lebt: In der damaligen Kultur, mit dem Schicksal, das sie hat, war sie ein absoluter Niemand. Ja, ein richtiger Niemand. So wie wenn du heute ohne Schulabschluss von der Schule fliegst, deine Familie dich vielleicht verstößt, danach alle anderen um dich herum sterben und du irgendwo unter einer Brücke hausen musst, ohne irgendetwas. Null Geld, keine Freunde, gar nichts.

Da würdest du vielleicht sagen: „Puh, sieht ziemlich trostlos aus.“ Sie war noch eine Stufe weiter, denn es gab kein Sozialsystem. Es war eine Zeit voller Brutalität und Grausamkeit. Niemand kümmerte sich großartig um eine alternde Witwe oder hatte Interesse an ihr. Also war sie ein Niemand. Und das war die damalige Kultur.

Ihr müsst das so verstehen: Jede Kultur sagt dir, ob du etwas wert bist oder ob du ein Niemand bist. Also die Kultur sagt dir das. Vielleicht denkt ihr jetzt so: „Wenn ich diese Kultur sehe, ist das ja voll rückständig, voll Banane. Wie dumm, dass man da einen Mann und Kinder haben muss. Das ist ja voll albern, seltsam und dumm. Gut, dass wir darüber hinaus sind.“ Ja, okay, das kannst du so denken. Aber auch du hast deine Kultur.

Naomi fühlt sich wie ein Niemand. Aber passt auf: Manche von euch fühlen sich auch wie ein Niemand. Vielleicht fühlst du dich wie ein Niemand, weil du nicht dem heutigen Schönheitsideal entsprichst. Oder vielleicht fühlst du dich wie ein Niemand, weil du keine berufliche Karriere vorzuweisen hast.

Weißt du was? Naomi hätte das Schönheitsideal absolut nicht interessiert. Es wäre an ihr vorbeigegangen, sie hätte darüber gelacht. Auch eine fehlende berufliche Ausbildung hätte sie nicht im Geringsten interessiert. Was meinst du, warum das für dich so eine große Sache ist? Weil das die Kultur ist, in der du lebst. Und wenn du das nicht hast, dann bist du ein Niemand.

Jede Kultur sagt dir das, und jeder bezieht sein Selbstwertgefühl im Grunde aus dem, was die Kultur ihm sagt. Wenn die Kultur dir jetzt sagt, dass du ein Niemand bist, weil du dies oder jenes nicht hast, dann fühlst du dich eben wie ein Niemand. Und wenn es bei Naomi damals so war, dann war es auch so.

Wir sollten uns jetzt nicht überlegen fühlen und denken: „Ach komm, mach doch nicht so ein großes Ding daraus, das ist nicht wichtig.“ Sie hat keinen Namen, ihr Familienstammbaum wird bald aussterben. Sie lebt in einer Zeit, in der du ohne Familie und ohne Familiennamen einfach ein Niemand bist.

Das Leben hat ihr alles genommen, wirklich alles: wirtschaftlich, sozial, psychologisch. Sie ist am Boden zerstört und steht kurz davor, nach Israel zurückzukehren. Aber sie hat eigentlich nichts, wohin sie zurückgehen kann.

Sie wird in Israel ein Leben in einer absoluten Sackgasse führen, ein Leben am Rande der Gesellschaft, ein Leben in absoluter Armut und Not und ein Leben in vollkommener Bedeutungslosigkeit. Und das ist Naomi und ihre Situation.

So startet dieses Buch.

Die Rückkehr nach Israel und die Entscheidung der Schwiegertöchter

Aber das Schöne ist: Das Buch heißt ja nicht Naomi, sondern Ruth. Und diese Ruth wollen wir uns deswegen einmal genauer anschauen.

Naomi erfährt, dass die Hungersnot in Israel vorbei ist. Da sie jetzt wahrscheinlich lieber in ihrem eigenen Land lebt als Bettlerin bei den Todfeinden, packt sie ihre sieben Sachen ein und geht zurück nach Israel. Ihre beiden Schwiegertöchter wollen ihre Schwiegermutter in dieser Situation nicht im Stich lassen und gehen deshalb mit.

Dann entsteht ein Gespräch zwischen den dreien, das den gesamten ersten Akt der Geschichte ausmacht. Dieses wollen wir uns noch einmal ansehen und lesen, und zwar ab Vers 8, also Ruth 1,8:

Da sagt Naomi: „Geht, kehrt um, jede in das Haus ihrer Mutter! Der Herr erweise euch Gnade, so wie ihr sie den Verstorbenen und mir erwiesen habt. Der Herr gebe es euch, dass ihr Ruhe findet, jede in dem Haus ihres Mannes!“ Und sie küsste sie.

Da erhoben sie ihre Stimme, weinten und sagten zu ihr: „Nein, sondern wir wollen mit dir zu deinem Volk zurückkehren!“

Doch Naomi sagte: „Kehrt nur um, meine Töchter! Wozu wollt ihr mit mir gehen? Habe ich etwa noch Söhne in meinem Leib, dass sie eure Männer werden könnten? Kehrt um, meine Töchter, geht! Ich bin ja zu alt, um meines Mannes Frau zu werden. Selbst wenn ich spreche: ‚Ich habe noch Hoffnung!‘ Wenn ich gar diese Nacht eines Mannes Frau werden würde und sogar Söhne gebären sollte, wolltet ihr deshalb warten, bis sie groß würden? Wolltet ihr euch deshalb zurückhalten, ohne eines Mannes Frau zu werden? Nicht doch, meine Töchter! Denn das bittere Leid, das mir geschah, ist zu schwer für euch. Es ist auf die Hand des Herrn gegen mich ausgegangen.“

Da erhoben sie ihre Stimmen und weinten noch mehr.

Ruth und ihre Schwägerin Orpa haben etwas ganz, ganz Seltenes: Sie haben ein richtig gutes Verhältnis zu ihrer Schwiegermutter. Sie wollen sie nicht verlassen, denn in gewisser Weise hängen sie jetzt gemeinsam darin – drei Witwen, dreimal das gleiche Schicksal, familiär miteinander verbunden. Da wollen sie sich nicht einfach aufgeben.

Es gibt aber einige ganz eklatante Unterschiede zwischen ihnen. Der wichtigste ist: Ruth und Orpa waren noch jung. Sie hatten so gesehen auch noch Familien, zu denen sie zurückkehren konnten.

Naomi sagt: „Geht zurück zu euren Müttern!“ Sie hatten ein Zuhause, wohin sie gehen konnten, da gab es Sicherheit. Außerdem waren sie jung, konnten noch einmal heiraten und Kinder bekommen und ihre eigene Familie gründen. Die beiden waren Moabiterinnen, also war das ihre Heimat. Da kamen sie her, und jetzt würden sie in ein fremdes Land gehen.

Kurz gesagt: Die beiden hatten noch eine Zukunft vor sich – im Gegensatz zu Naomi.

So dankt Naomi ihnen von Herzen für ihre Treue und Liebe und will sie heimschicken, weil sie sagt: Bei mir gibt es nichts. Keine Zukunft, keinen Ort, ich weiß nicht mehr, wo ich hingehen soll. Ihr habt Familien, geht nach Hause! Ich kann euch nicht einmal andere Söhne als Männer anbieten. Und selbst wenn, wäre es total verrückt, dass ihr jetzt darauf wartet, bis ihr alt genug seid. Also wollt ihr so lange warten?

Ein zweiter Punkt, den wir nie vergessen sollten, sind die Spannungen zwischen Israel und Moab. Im Moment ist Naomi die Fremde in Moab. Aber wenn die beiden mitgehen würden, wären sie die Fremden in Israel.

Wenn ihr im zweiten Kapitel lest, werdet ihr einen Mann namens Boas entdecken. Er gibt seinen Männern den Befehl, Ruth, die auf seinem Feld Ähren aufliest, in Ruhe zu lassen. Er muss es sogar befehlen.

Stellt euch vor: Zwei süße junge Ausländerinnen, hilflos, schutzlos, mittellos – und das in dieser Zeit. Es war richtig gefährlich.

Naomi macht ihnen klar: „Hey, ihr habt nicht nur keine Zukunft bei mir, ihr begebt euch auch noch in größte Lebensgefahr, wenn ihr mit mir gehen wollt.“

Dann spielt sie eine Karte aus, die wir die Gottkarte nennen wollen. Immer wenn jemand die Gottkarte ausspielt, ist das Gespräch eigentlich beendet. So ist das, wenn man sagt: „Der Herr hat mir gesagt“ oder „Ich weiß das genau vom Herrn“ – so in der Art.

Sie spielt diese Gottkarte aus und sagt: „Passt mal auf, Leute, die Hand des Herrn ist gegen mich ausgegangen. Für Naomi war das total klar: Was mir hier gerade passiert, ist kein Zufall. Das hat Gott gewirkt, das hat Gott gemacht. Er hasst mich, Gott ist gegen mich!“

Jetzt denkt einmal nach, meine lieben Schwiegertöchter: Wenn ihr euch an mich hängt, was wird dieser Gott mit euch machen? Ganz genau: Er wird euch das gleiche Schicksal treffen lassen, das mich getroffen hat. Ich bin verflucht!

In den Worten von Gandalf dem Grauen gesprochen: „Flieht, ihr Narren, bevor euch das gleiche Schicksal trifft!“

Für Orpa klingt das, so hart es ist, einfach richtig. Und wenn wir ihre Ratgeber wären, würden wir auch sagen: „Also Ladies, legen wir mal die Karten auf den Tisch, bleibt bitte daheim! Alles andere wäre vollkommener Schwachsinn.“

Orpa geht – aber Ruth bleibt.

Dann kommen diese ganz berühmten Verse, die man gerne auf Hochzeiten vorliest und die wirklich wunderschön sind. Naomi sagt:

„Siehe, deine Schwägerin ist zu ihrem Volk und zu ihrem Gott zurückgekehrt; kehr auch du um deiner Schwägerin nach!“

Aber Ruth sagte:

„Dringe nicht in mich, dich zu verlassen, von dir weg umzukehren! Denn wohin du gehst, dahin will auch ich gehen, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da will auch ich sterben, und dort will ich begraben werden. So soll mir der Herr tun und so hinzufügen: Nur der Tod soll mich und dich scheiden!“

Die Hingabe Ruths und das Konzept von Chesed

Wow, das ist wirklich beeindruckend, oder? Das ist Hingabe pur. Ich sage euch eins: Wenn irgendwann mal jemand so etwas zu euch sagt, dann haltet diese Person niemals los, okay? Niemals! Wahrscheinlich wird sie euch sowieso nicht loslassen, aber ihr dürft auch nicht loslassen.

Was Ruth hier sagt, ist: Ich binde mich mit allem, was ich bin und habe, an dich. Was dir widerfährt, soll auch mir widerfahren – bis in den Tod. Interessant ist dabei, dass sie sich auf Gott beruft. Sie sagt: „So war Gott mir Hilfe, der Herr.“ Aber sie bezieht sich nicht auf die moabitischen Götter, sondern auf den israelitischen Gott, auf Jahwe.

Das heißt, vielleicht ist das ein Stück weit ihr Bekehrungsmoment. Sie sagt: „Ey, ich will diesen Gott.“ Und wisst ihr, was an dieser Aussage so erstaunlich ist? Wenn jemand den Weg in ein neues Land wagt, ist das ein drastischer Schritt. Ein Emigrant oder Einwanderer ist jemand, der das Vertraute hinter sich lässt und sich ins Unbekannte aufmacht.

Uday, du hast das ja schon erlebt und könntest uns viel darüber erzählen, wie hart es ist, die eigene Kultur zu verlassen und eine völlig neue Kultur kennenzulernen – mit all den Problemen und Schwierigkeiten, die das mit sich bringt. Es braucht extrem viel Mut.

Aber jeder, und das kann man, glaube ich, kulturübergreifend sagen, der diesen Weg geht, tut das aus einem Grund: der Hoffnung auf ein besseres Leben. Die Hoffnung auf ein besseres Leben ist der Hauptmotor für Immigration weltweit.

Doch hier in unserer Geschichte ist jemand, der bereit ist, alles hinter sich zu lassen, alles Vertraute aufzugeben und ins Ungewisse zu gehen – obwohl sie weiß, dass ein schlechteres Leben auf sie wartet. Sie hat nicht die Hoffnung auf ein besseres Leben, sondern die Gewissheit eines schlechteren Lebens.

Das macht ihre Aussage so unfassbar erstaunlich und gleichzeitig so kostbar.

Ich möchte euch eine ganz ähnliche Stelle gegenüberstellen, die etwa 1200 Jahre nach Ruth geschrieben wurde, aber die dieselbe Einstellung zeigt. Es handelt sich um eine Aussage über Jesus.

Dort heißt es, dass Jesus, der Gott, der in allem gleich war und auf einer Stufe mit Gott stand, seine Macht nicht zu seinem eigenen Vorteil nutzte. Im Gegenteil: Er verzichtete auf alle seine Vorrechte und stellte sich auf dieselbe Stufe wie ein Diener. Er wurde einer von uns, ein Mensch wie andere Menschen.

Doch er erniedrigte sich noch mehr. Im Gehorsam gegenüber Gott nahm er sogar den Tod auf sich. Er starb am Kreuz wie ein Verbrecher.

Wisst ihr, Ruth musste davon ausgehen, und Jesus wusste sehr genau: Dieser Weg, den sie gehen, wird in Elend und Tod enden. Und dennoch gehen beide ihn ganz bewusst.

Warum? Warum um alles in der Welt sollte jemand so etwas tun?

Die Antwort auf diese Frage finden wir in einem kleinen, aber tiefen hebräischen Wort, das ihr hier vorne überall seht. Dieses Wort heißt Chesed.

Chesed – das ist ein kleines Wort, das ihr euch merken könnt. Vielleicht könnt ihr bei der nächsten Grillparty mit euren Hebräischkenntnissen angeben: „Also, mein Chesed…“

Chesed ist ein Wort, das man kaum gut übersetzen kann. Es gibt kein einziges deutsches Wort, das den Sinn von Chesed richtig wiedergibt. Deshalb wird es in unseren Bibeln mit Worten wie Gnade, Treue, Güte, Barmherzigkeit oder bedingungsloser Liebe übersetzt.

Chesed bezieht sich auf eine tiefe und beständige Liebe und Loyalität. Und es ist immer ein freiwilliger Akt. Chesed ist immer freiwillig – man kann es nie erzwingen oder jemanden dazu verpflichten.

Es ist immer ein Darüber-Hinausgehen. Es ist nicht das, was von dir verlangt wird. Zum Beispiel, wenn du verheiratet bist, wird von dir verlangt, dass du deine Frau liebst. Chesed geht noch viel weiter.

Dieses Wort zieht sich durch das ganze Buch Ruth. Es ist die verborgene Gnade, die sich durch diese Geschichte zieht.

Man sieht sie nicht immer direkt, aber man erlebt sie überall.

Ruth zeigt Naomi Chesed – Liebe und Loyalität. Und Jesus hat uns auf dieselbe Weise diese unverdiente Liebe, diese Gnade und Barmherzigkeit gezeigt.

Beide sind bereit, in ein fremdes Land zu gehen und sich mit einer fremden Kultur zu verbinden, obwohl sie wissen, dass ihre Treue, ihre Liebe und ihre Barmherzigkeit – also ihr Chesed – sie alles kosten wird.

Und das ist Liebe. Das ist bedingungslose Liebe und Treue.

Naomis hingebungsvolle Liebe und die Bedeutung von Freundschaft

Und wisst ihr, das ist auf der anderen Seite auch wieder interessant, weil Naomi ihren Schwiegertöchtern gegenüber Chesed zeigt, indem sie sie zurückschickt.

Man könnte hier fragen: Stopp mal, warum sollte sie das eigentlich tun? Das ist doch total komisch. Eigentlich sind diese beiden Schwiegertöchter das Einzige, was sie noch hat.

Ja, und man könnte jetzt sagen: Hey, komm, wir bleiben zu dritt zusammen. Dann haben wir ja noch mehr Chancen als allein. Bleibt doch bitte bei mir, vielleicht kriegen wir das dann irgendwie hin. Eigentlich sind diese beiden Mädels ihre einzige Hoffnung und der einzige Rettungsanker, an dem sie sich noch festklammern könnte.

Eigentlich sollten wir annehmen, dass sie sie anfleht, sie nicht zu verlassen. Aber das Gegenteil ist der Fall: Sie schickt sie weg. Auch hier kann man fragen: Warum? Und auch hier ist die Antwort wahrscheinlich ein Reset. Diese bedingungslose Liebe sagt: Bei mir erwartet euch nur Leid und Tod.

Naomi schaut über ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse hinaus auf das, was für ihre Schwiegertöchter das Beste ist. So etwas nennt man hingebungsvolle Liebe. Sie ist nicht ichbezogen, sie schaut nicht darauf, was für sie selbst das Beste wäre, sondern sie denkt an den anderen und überlegt, was in dessen Situation das Beste ist.

Sie sieht ihre Schwiegertöchter und sagt, egal was das für sie selbst bedeutet: Geht weg von mir!

Und das ist exakt der Moment, in dem Ruth sagt: Ich will deinen Gott. Ich will deinen Gott. Ich will nicht meine moabitischen Götter, sondern deinen Gott.

Merkt ihr das? Als Orpa geht, sagt Naomi: Siehe, deine Schwägerin ist zu ihrem Volk und ihrem Gott zurückgekehrt.

Das war damals auch so ein kulturelles Ding: Jede Nation hatte ihre eigenen Götter. Israel war immer ein bisschen anders, weil Israel sagte: Unser Gott ist der einzig wahre Gott, eure Götter sind eigentlich gar keine Götter. Es war immer dieser exklusive Anspruch.

Aber Ruth sagt: Ich will gar nicht meine moabitischen Götter, ich will deinen Gott. Das ist interessant, oder? Denn Naomi redet überhaupt nicht positiv über ihren Gott. Sie sagt so: Hey, er ist schuld daran, dass mir dieses bittere Leid widerfahren ist. Gott ist gegen mich, er ist verantwortlich für alles.

Aber Ruth sieht etwas ganz anderes. Ruth sieht etwas in Naomi und sagt: Der Grund, warum ich an deinen Gott glauben möchte, ist die unglaubliche Liebe, die er in deinem Herzen hervorbringt. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der mich so liebt, wie du es gerade tust.

Ich weiß, dass dein Gott in seinen Ansprüchen der exklusivste Gott der ganzen Welt ist. Er erlaubt keine anderen Götter neben sich und sagt von sich selbst, dass er der einzig wahre Gott ist.

Aber unsere Götter können diese Art von selbstloser Liebe niemals hervorbringen. Das kann nur dein Gott.

Schau dir an, wie sehr du mich liebst. Sieh dir an, wie du bereit bist, mich zurückzuschicken. Sieh dir an, wie du meine Bedürfnisse über deine eigenen stellst, obwohl du dir so sehr wünschst, dass ich bei dir bleibe.

Sieh dir an, was für eine bedingungslose Liebe dein Gott in deinem Herzen schafft. Dieser Gott muss selbst so lieben. Ich will diesen Gott.

Und so ziehen sie zusammen zurück nach Israel in die große Ungewissheit.

Zwei zentrale Aspekte aus der Geschichte: Hoffnung und Freundschaft

Ich möchte euch zwei Aspekte aus dem ersten Teil dieser Geschichte mitgeben und euch einladen, euch in der kommenden Woche intensiver damit auseinanderzusetzen.

Der erste Punkt ist die Hoffnung. Es gibt Zeichen der Hoffnung, selbst in den allerschwierigsten und alltäglichsten Lebenssituationen. Egal, was du gerade durchmachst – es gibt Hoffnung. Gott arbeitet unter der Oberfläche. Seine liebevolle Gnade, sein Reset wirken oft verborgen. Wir sehen das nicht direkt, man muss die Augen offenhalten und aufmerksam sein. Genau das lehrt uns das Buch Ruth: Du darfst nie die Hoffnung verlieren. Das soll kein platter Aufkleberspruch sein, sondern eine tiefe Wahrheit.

Warum darfst du nie die Hoffnung verlieren? Weil es einen Gott gibt. Einen Gott, der – egal, was in deinem Leben passiert – zehntausend Dinge zu seiner Ehre und zu deinem Besten tut, selbst wenn er abwesend zu sein scheint. In diesem Buch Ruth haben wir bereits festgestellt, dass hier nichts Wunderbares im Sinne von spektakulären Ereignissen passiert. Es gibt keine Träume, keine Visionen. Dieses Buch ist für Menschen, die in ihrem Leben keine dramatischen Gebetserhörungen oder außergewöhnlichen Ereignisse sehen, sondern nur die alltäglichen, profanen Zeiten.

Das Buch Ruth versucht dir zu sagen, dass Gott auch gerade in diesen Zeiten am Werk ist. Er ist immer noch da, er arbeitet, auch wenn du es nicht sehen kannst. Wir müssen lernen, diese Zeichen der Hoffnung zu erkennen, die Gott unter der Oberfläche verborgen wirken lässt.

Als Naomi nach Hause kommt, sagt sie: „Voll bin ich gegangen, und leer hat Gott mich zurückgebracht.“ In diesem Buch findest du immer wieder solche Gegensätze. Nun ist sie leer zurückgekehrt, und die Frauen, mit denen Naomi spricht, schauen hinter sie und fragen: „Wer ist denn das da hinter dir?“ „Das ist Ruth.“

Ruth hat gerade das schönste Hingabe-Statement und die liebevollste Freundschaftserklärung gegeben. Doch Naomi sieht sie in diesem Moment nicht mehr. Sie sieht nur noch ihre dunklen Wolken, ihre Bitterkeit und ihre Leere. Sie sagt: „Ich bin Mara, ich bin Bitterkeit.“

Was können wir daraus lernen? Naomi hat eine sehr konkrete Vorstellung davon, was Gott ihrer Meinung nach in ihrem Leben tun muss. Wenn das nicht geschieht und die Dinge nicht so laufen, wie sie es sich vorstellt, dann glaubt sie, Gott sei gegen sie. Sie erkennt nicht die großartigen Dinge, die Gott bereits in ihr Leben gelegt hat.

Vielleicht befindest du dich gerade an genau diesem Punkt: Du hast einen Plan, doch die Dinge laufen nicht so, wie du es dir vorgestellt hast. Du bist blind für die unglaublichen Dinge, die Gott bereits in dein Leben gebracht hat oder gerade hält. Du siehst sie einfach nicht und hast keine Hoffnung.

Ruth erinnert uns daran, dass wir Gottes verborgene Gnade ganz häufig in den alltäglichen Dingen erleben und sehen dürfen. So etwas Alltägliches wie ein guter Freund. Naomi sagt: „Gott hat mich verlassen.“ Doch auf der anderen Seite ist da Ruth, die sich an sie klammert – wie sie so schön heißt. Wenn Ruth sich an Naomi klammert, dann klammert sich eigentlich Gott an sie, auch wenn Naomi das nicht sieht.

Gott klammert sich an dich. Wenn du an ihn glaubst, hält Gott an dir fest. Er lässt dich niemals los. Das müssen wir lernen zu sehen.

Vielleicht bist du gerade in einer Situation, in der du dir nicht vorstellen kannst, dass sich dein Leben jemals verändern wird. Vielleicht fehlt dir gerade der Blick auf Gottes verborgene Gnade, die an vielen Stellen in deinem Leben sichtbar ist. Vielleicht siehst du auch die Ruth in deinem Leben nicht.

Deshalb brauchst du gute Freunde, die dir helfen, immer wieder den Blick darauf zu richten und zu erkennen, was in deinem Leben ist.

Damit sind wir beim zweiten Aspekt, nämlich der Freundschaft.

Freundschaft als Schlüssel zur Veränderung

Also, der erste Aspekt war Hoffnung, der zweite ist Freundschaft. Was hat Ruths Leben verändert? Es war keine Predigt, keine Programme, kein großartiges Buch und auch kein Kurs. Es waren keine überzeugenden Argumente. Und was hat Naomis Leben so verändert? Sie war arm und hoffnungslos. War es ein Regierungsprogramm, bei dem das israelische Sozialministerium sich ihrer angenommen hat? Oder hat sie einen Sack voller Geld gefunden?

Was war ihre Rettung, was die entscheidende Wendung in ihrem Leben? Achtung Spoiler: Die Geschichte hat am Ende ein Happy End. Sie sind versorgt – wirtschaftlich und sozial. Auch geistlich sind sie geheilt, ihre Seelen sind wieder gesund. Das hat Gott bewirkt. Aber den Weg und den Kanal, den er gebraucht hat, war Freundschaft. Freundschaft hat sowohl Naomi als auch Ruth gerettet.

Freundschaft ist so ziemlich der einzige Weg, den ich kenne, um das Leben eines Menschen wirklich zu verändern. Es ist Freundschaft – und niemand, egal wie begabt, klug oder mächtig er ist, selbst wenn er Bundeskanzler wäre, kann das Leben eines anderen Menschen tiefgreifend verändern. Du kannst einige äußere Veränderungen bewirken, aber wirklich nachhaltige Veränderungen – auch wenn du ein großartiger Prediger bist und dich toll ausdrücken kannst – sind schwierig.

Ich will nicht sagen, dass Predigten nichts bringen. Flankierend sind sie durchaus hilfreich. Vielleicht sagen einige von euch, dass eine Predigt ihnen einen guten Start gebracht hat. Aber dann waren es doch die Menschen um euch herum, die euch getragen haben. Es waren Freunde. Und wisst ihr, das ist so wichtig: Wenn du hierher in diese Kirche kommst und ein Teil davon wirst, aber keine tiefergehenden Beziehungen entwickelst, dann wirst du im besten Fall durch die Gottesdienste vielleicht ein bisschen inspiriert. Aber dein Leben wird sich wahrscheinlich nicht großartig verändern, wenn du niemanden an dich heranlässt.

Jemanden, der dir wirklich nah sein darf, mit dem du über das nachdenkst, was du hier hörst und was in deinem Leben passiert. Wo du Dinge, die dir mit Gott vielleicht passieren, zusammenbringen kannst. Wo du das reflektierst und jemand ist, der auch in dein Leben reden darf – dem du in dein Leben reinredest. Dann wirst du nur sehr schwer die Veränderung in deinem Leben erleben, nach der du dich vielleicht sehnst.

Wenn ich auf mein Leben zurückschaue, waren die Zeiten, in denen ich am meisten gelernt habe und Orte, die mein Leben wirklich verändert haben, meistens nicht Vorträge oder Inhalte, die ich gehört habe, oder Kurse, die ich mitgemacht habe. Es waren die Menschen, mit denen ich zusammen war. Die Freunde, mit denen ich danach zusammensaß, mit denen ich mich austauschte, Leben teilte und zusammenarbeitete. Das hat Veränderungen gebracht.

Freundschaft ist für uns heute so unfassbar herausfordernd, weil wir uns gerne zurückziehen. Gerade wenn Probleme da sind, ziehen wir uns gerne zurück. Ich gebe es nur ungern zu, aber ich bin auch nicht mehr der Jüngste. Ich habe es schon so oft erlebt, und es tut mir jedes Mal leid, weil es meistens der gleiche Weg ist: Leute haben Probleme und sagen, sie müssten sich erst einmal zurückziehen und das alleine klären.

Alleine ist immer ein schlechter Tipp. Aber dieses „Ich will das alleine machen“ kündigt so ein Stück weit Freundschaft und Beziehung. Nach einiger Zeit – und das ist bei so vielen passiert – kündigen sie auch Gott die Freundschaft. Es geht so schnell, dass Leute sich zurückziehen. Wir brauchen einfach einander.

Wir kommen gerade aus der Corona-Zeit, und diese Zeit hat uns stärker geprägt, als wir meinen. Echte Beziehungen zu leben, um echte Beziehungen zu kämpfen, für Freunde da zu sein und auch Liebe anzunehmen – das fällt uns schwer. Wir ziehen uns lieber schnell zurück in unsere eigene Sicherheit, in unser Haus, in unsere Festung. „Ich habe meine Meinung, ich habe Recht, fertig, Beziehung beendet.“

Dazu kommt noch ein weiterer Punkt, der es uns schwer macht: Wir sind nun mal alle Individualisten. Seien wir ehrlich, eigentlich brauche ich doch nur mich und meinen eigenen Weg. „I did it my way.“ Es ist nett, dass ihr alle da seid, aber ich brauche euch nicht. Das ist leider eine unglaublich große kulturelle Lüge, auf die wir alle reinfallen und in der wir tief drinstecken.

Deshalb ist Gemeinde für uns so unfassbar herausfordernd. Klar, ich setze mich sonntags in den Gottesdienst, trinke danach einen Kaffee und unterhalte mich ein bisschen über Leverkusens Siegeszug – easy, kein Thema. Aber wirklich jemanden in mein Leben lassen, wirklich Anteil nehmen am Leben anderer und an ihren Sorgen und Problemen – das ist die Herausforderung, die wir Woche für Woche in unseren Kleingruppen durchkämpfen.

Es geht nicht darum, sich einfach in einem Bibeltext zu verstecken, ein bisschen zu theologisieren, zu philosophieren und klug daherzureden. Nein, es geht darum, mein Leben zu öffnen, reinschauen zu lassen und mich mitzuteilen. Mich nicht zu verstecken, sondern auch für andere ein Freund zu sein. Mich zu öffnen – das ist schwer.

Dennoch ist es der einzige Weg, wie sich das Leben eines Menschen wirklich verändert. Was du brauchst, ist Freundschaft. Und die Frage ist: Was brauchst du für diese Freundschaft? Ruth nennt zwei Dinge, die man im Endeffekt braucht. Sie sagt: „Wo du hingehst, da gehe ich hin, und wo du bleibst, da bleibe ich.“ Du musst eine Verpflichtung eingehen. Du musst dir Zeit nehmen und dich verpflichten.

Nichts trennt uns außer dem Tod. So tief musst du deine Verpflichtung vielleicht nicht machen, aber wenn du einer Beziehung Zeit gibst, aber nicht durch dick und dünn gehst, oder wenn du einer Person verpflichtet bist, aber keine Zeit mit ihr verbringst – dann hast du keine Freundschaft. Vielleicht habt ihr geheiratet und sagt: „Natürlich bin ich meinem Mann oder meiner Frau verpflichtet“, aber ihr verbringt keine Zeit miteinander. Sorry, dann habt ihr keine Freundschaft.

Das sind die zwei Aspekte, die dazugehören: Zeit, Hingabe und bedingungslose Liebe. Ich nehme dich so an, wie du bist, ich versuche nicht, dich zu verändern, und du hast Freundschaft. Ich bin davon überzeugt, dass genau das ist, wonach wir uns tief in unserem Herzen sehnen: so einen Freund im Leben zu haben, so angenommen und geliebt zu sein.

Jesus will dir dieser Freund sein. Er hat es bewiesen. Er hat seine Hingabe am Kreuz bewiesen und gesagt: „Ich gehe für dich in den Tod.“ Er ist da für dich, hat Zeit für dich und bietet dir Freundschaft an. Die Frage ist: Wie antwortest du auf seine Freundschaft?

Interessanterweise drückt Jesus seine Freundschaft und Liebe meistens durch die Menschen in deinem Leben aus. Das ist der Kanal, den er oft wählt. Auch hier ist die Frage: Wie antwortest du darauf? Es ist kein Zufall, dass Jesus gesagt hat, das größte Gebot sei, Gott zu lieben und Menschen zu lieben. Es geht um Freundschaft.

Das war der Predigt-Podcast von Neuland. Wir hoffen, du konntest etwas mitnehmen, einen Schritt in dein eigenes Neuland machen und Gott mehr entdecken. Wenn du Fragen hast oder Kontakt zu uns aufnehmen möchtest, schreib einfach eine Mail an hallo@neuland-church.de. Bis zum nächsten Mal.