Eröffnung und Gebet zum Osterfest
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen!
Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.
Wir wollen beten: Herr, du kennst unsere Herzen, wie sie gefangen liegen in den irdischen Sorgen, in dem Trachten nach Reichtum. Wie sie gebunden sind in dunklen Sünden und wie sie stumsinnig geworden sind in unserer selbstrechtfertigen und selbstgerechten Haltung.
Und nun lass doch die Botschaft von deinem Leben wie ein Strahlen unsere Herzen erfüllen. Herr, du hast gesagt: Siehe, ich mache alles neu. Gib uns darüber ganz neue Erkenntnis und lass uns an deinem Leben teilhaben.
Oh, wir bringen dir auch alle unsere Sünde und Schuld und legen sie unter dein Kreuz. Bedecke sie mit deinen durchbohrten Händen.
Und jetzt rede du mit uns, Herr, wie wir mit dir reden. Amen.
Wir beten weiter das Stichwort: Herr, begegne uns, wie du den Aposteln und den Maria begegnet bist. Amen.
Die Begegnung am leeren Grab (Johannes 20)
Wir hören ein Wort der Heiligen Schrift aus Johannes 20. Ich lese eine Geschichte vor, aus der ich nachher einfach einen Teil herausnehmen und für die Predigt auslegen möchte.
Maria aber stand vor dem Grab und weinte draußen. Als sie nun weinte, blickte sie in das Grab und sah zwei Engel in weißen Kleidern sitzen, einen zu Füßen und den anderen zu Kopfende, dort, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte. Sie fragten sie: „Warum weinst du?“
Sie antwortete ihnen: „Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.“
Als sie das sagte, wandte sie sich um und sah Jesus stehen, doch sie wusste nicht, dass es Jesus war. Jesus sprach zu ihr: „Frau, warum weinst du? Wen suchst du?“
Sie meinte, er sei der Gärtner, und sagte zu ihm: „Herr, wenn du ihn weggetragen hast, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast, damit ich ihn hole.“
Jesus sprach zu ihr: „Maria!“ Da wandte sie sich um und sprach zu ihm: „Rabbuni“, das heißt: mein Meister.
Dein Wort ist meines Herzens Freude und Trost. Amen. Gnade sei mit uns und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.
Wir lesen noch einmal ein Wort aus Johannes 20: Jesus spricht zu ihr: „Maria!“ Da wandte sie sich um und spricht zu ihm: „Rabbuni“, das heißt mein Meister. Herr, lass das Wort von dir nicht leer zurückkommen, lass es an uns ausrichten, wozu du es uns gegeben hast. Amen.
Eigentlich müsste man ihnen allen Orden verleihen, dass sie bei diesem Wetter heute Morgen um halb neun Uhr schon hier sind. Aber hier haben wir gesagt: Wenn Gott Erweckungen schenkt, dann fragt man nicht mehr nach dem Wetter.
Als ich vor vierzig Jahren nach Essen kam, war Essen eine völlig andere Stadt. Junge Leute kennen sie gar nicht mehr. Riesige Bergarbeiterbezirke mit riesigen Mietskasernen im Segrott und am Melissenplatz. In einem dieser Bezirke habe ich sieben Jahre gearbeitet. Sie glauben nicht, was einem da für eine Feindschaft entgegenschlug am Anfang.
Da gab es ein paar Schlagworte, mit denen die Leute mich begrüßten. Eines der beliebtesten war der Satz: „Na, ihr Pfarrer, ihr habt ein gutes Leben.“ Wie? Da kommt man an, ist unendlich viele Treppen gestiegen, und dann dieser Satz: „Na, ihr Pfarrer, ihr habt ein gutes Leben.“ Seien Sie mal ehrlich, das kennen Sie doch auch, nicht? Was sollte man da sagen?
Dann habe ich aus tiefstem Herzen geantwortet: „Da haben Sie den Vogel auf den Kopf getroffen, das ist goldrichtig, wir haben ein gutes Leben.“ Da waren die Leute sehr verblüfft, denn kein Mensch will hören, dass er ein gutes Leben hat, oder? Er fängt sofort an, sich zu verteidigen.
Dann sagte ich: „Ja, ich habe ein gutes Leben. Nicht so, wie Sie meinen, ein bequemes Leben. Mit Leuten wie Ihnen hat man kein bequemes Leben, aber ein gutes Leben.“
Ich habe ein gutes Leben, weil ich Bote einer wunderbaren und guten Botschaft sein darf. Und sehen Sie, das empfinde ich immer besonders an Ostern: Ich darf Bote einer guten Botschaft sein. Allerdings ist es nicht so einfach eine gute Botschaft, die im natürlichen Menschen wie eine süße Pille aufgenommen wird. So ist es nicht.
Ich habe am Palmsonntag hier gepredigt und gesagt: Die Botschaft des Evangeliums ist so, dass sie im natürlichen Denken sofort widerspricht, dass sie kein Mensch ausdenken konnte. Und ich darf denen, die am Palmsonntag hier waren, sagen: Ich möchte hier gewissermaßen weitermachen, da möchte ich nun anknüpfen.
Der Apostel Paulus sagt im Evangelium einmal: „Es ist in keines Menschen Herz gekommen.“ Er will damit ausdrücken, dass sich kein Mensch das Evangelium ausdenken konnte. Die Menschen haben viele Religionen erfunden, aber das Evangelium hat sich kein Mensch ausdenken können.
Es ist in keines Menschen Herz gekommen, es ist nicht auf unserem Beet gewachsen, es ist göttlich. Und das möchte ich Ihnen an unserem Text zeigen, der davon spricht. Wir überschreiben den Text und die Predigt mit: Was in keines Menschen Herz gekommen ist.
Nochmal: Ich habe bereits am Sonntag diese Überschrift gehabt, ich weiß es, ich möchte da fortführen, was in keines Menschen Herz gekommen ist. Wir haben, wie üblich, drei Dinge.
Erstens: Es ist in keines Menschen Herz gekommen, dass der tote Jesus lebendig aus dem Grab kommt. Unsere Geschichte spricht von einer Frau, Maria Magdalena. Diese Maria Magdalena hatte ihr Leben völlig auf Jesus gestellt.
Es gibt viele 0815-Christen, nicht? Aber sie war anders, sie hatte ihr Leben auf den geoffenbarten Gott, auf Jesus gestellt. Und als Jesus gekreuzigt wurde, ihr weggenommen wurde, brach ihr Leben zusammen. Es war nichts mehr da.
Millionen Christen in Deutschland könnte man Jesus wegnehmen, da bricht gar nichts zusammen, oder? Da bricht etwas zusammen, wenn das Sparkassenbuch oder Bankkonto entwertet wäre, dann, oder? Maria Magdalena war also nun alles zusammengebrochen, als Jesus weg war.
Es ist eine törichte und sentimentale Reaktion gewesen, dass es sie nun zum Grab Jesu zog. Aber es ist so verständlich, nicht? Das ist zu allen Zeiten so, dass Menschen, die Menschen verloren haben, wenigstens das Grab haben.
Und dann kommt sie am Ostermorgen zu dem Grab, und dann ist das Grab leer. Diese Grabeshöhle gähnt sie dunkel an, diese Felsenhöhle, und dann schaut sie hinein und sieht zwei Boten Gottes. Es rührt sie gar nicht, das Grab ist leer, die Felsplatte, die das Grab verschlossen hatte, liegt irgendwo in Blumenbeeten, und da weint sie nun vor dem leeren Grab.
Es gibt so eine amerikanische Redensart, dass man einen, der nachdenklich ist, fragt: „Einen Dollar für deine Gedanken.“ Ich gebe zehn Dollar, wenn ich wüsste, was Maria Magdalena in dem Moment dachte. Was schossen da wohl für Gedanken durch ihr Gehirn und durch ihr Herz?
Nur eins ganz bestimmt nicht: dass dieser Jesus, der tote Jesus, lebendig aus dem Grab kommt. Das kam nicht in ihr Herz, tausend Gedanken, aber der Gedanke nicht. Der kam nicht in ihr Herz, und der kam auch in keines anderen Menschen Herz.
Dass es in keines Menschen Herz gekommen ist, dass der tote Jesus lebendig aus dem Grab kommt. Kam auch nicht ins Herz der Jünger. Sehen Sie, da ist ein ganz merkwürdiger Vorgang, der mich immer sehr interessiert hat. Ich denke, manchmal Freud könnte einem darüber Auskunft geben, was da los war.
Der Herr Jesus hat vor seiner Gefangennahme unklar ein paarmal erklärt seinen Jüngern, er werde verspottet, bespien und getötet werden und am dritten Tage auferstehen. Er hat es ein paarmal ausdrücklich gesagt, und da heißt es, es ging nicht in der Jünger Herz, sie nahmen es nicht an, es ging einfach nicht rein.
Und das ist merkwürdig, weil die Jünger ja die Reden Jesu so gierig aufgenommen haben. Denken Sie mal, wie genau sie die Bergpredigt verfolgt haben oder die Reden Jesu, die Johannes nachher berichtet. Sie nahmen jedes Wort auf, aber das nahmen sie einfach nicht an. Das ging in kein Menschen Herz rein: dass der tote Jesus lebendig aus dem Grab kommt.
Und das geht auch heute noch nicht ins Herz des Menschen. Eher nimmt der Mensch in sein Herz, was abstrus und unwahrscheinlich ist, ehe er glaubt, dass der tote Jesus aus dem Grab gekommen ist.
Da glaubt er eher, dass zum Beispiel ein paar verschüchterte, ängstliche Jünger den Leichnam Jesu geklaut haben, vor den Augen schwer bewaffneter römischer Legionäre. Das ist scheinbar unmöglich, aber die Auferstehung glaubt der Mensch nicht.
Oder er glaubt eher, dass Jesus – davon hörten wir ja gestern sehr nüchtern einiges – scheintot war, in der Kühlung des Grabes erwachte, dass der Mann, der drei Tage nicht gegessen hat und ausgeblutet war, die Felsenplatte wegrollte, die drei rüstige Frauen nicht wegschieben konnten.
Sie kennen die Geschichte, wie die Frauen sagen: „Wer wälzt uns den Stein weg?“ Er glaubt eher, dass dieser halbtote Jesus den Stein weggewälzt hat, ehe ins Menschen Herz kommt, dass der tote Jesus lebendig aus dem Grab gekommen ist.
Er glaubt die komischsten Sachen, zum Beispiel, dass die Jünger Halluzinationen hatten. Wissen Sie, so was gab es damals gar nicht? Er glaubt, dass die Halluzination der Jünger eine Welt verwandelt hat und dass Millionen Menschen getrost auf die Halluzination der Jünger gelebt und selig gestorben sind.
Eher glaubt der Mensch, das ist die neueste Erfindung, dass das Ganze nur eine Botschaft ist, die irgendwas aussagen soll, ohne realen Hintergrund. Der Mensch glaubt eher, dass der Mond aus Käse ist, ehe das in das Herz reingeht, dass der tote Jesus aus dem Grab gekommen ist.
Dass in keines Menschen Herz gekommen ist. Und da ist nun Maria Magdalena und wird von der Wirklichkeit überführt. Da steht er und ruft sie und spricht mit ihr. Was in keines Menschen Herz gekommen ist, wird Wirklichkeit.
Das ist eine wunderbare Botschaft: Wir haben einen lebendigen Heiland. Was in keines Menschen Herz gekommen ist, was sich keiner ausdenken konnte, das ist die Botschaft, die ich habe, über die ich nicht mit Ihnen diskutieren kann, denn die Vernunft fasst sie ja nicht.
Aber das darf ich Ihnen verkündigen und predigen: Was in keines Menschen Herz gekommen ist, der tote Jesus ist unter uns lebendig. Sehen Sie, keine Philosophie und keine Weltanschauung und keine Religion kann uns Trost oder Halt geben, wenn es wirklich darauf ankommt.
Aber ein lebendiger Heiland, ein Erlöser, ein Retter. Matthias Claudius sagt: Die Sache trieft, trieft von Barmherzigkeit Gottes.
Ich muss nicht Moral predigen. Es wäre sehr nötig, heute in diesem verkommenen Zeitalter Moral zu predigen, aber ich verspreche mir davon einfach nichts bei den bösen Menschenherzen.
Ich bin glücklich, dass ich nicht Moral predigen muss, dass ich nicht Religion predigen muss, dass ich nicht Dogmen predigen muss und nicht Kirche reden muss, Kirche mit Übermöglichkeit.
Ich bin glücklich, dass ich einen lebendigen Heiland bezeugen darf, einen Erretter, einen Tröster, einen, der vom Tode und von der Hölle errettet und von mir selbst und vom Alltag, einen, der meine Schuld wegnimmt, der für mich bezahlt hat, einen Fürsprecher vor Gott.
Und ich weiß, während ich von ihm predige, hat er unter Ihnen sein Werk getan, sonst hätte ich nicht Lust, hier aufzusteigen. Er hat unter Ihnen sein Werk getan.
In unserer Geschichte sagt dieser Jesus nur einen Namen: Maria. Er sagt mal: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen.“ Oh, ich habe Gott sehr gebeten, er möge es geben, dass heute Morgen Menschen hier aus dem Munde Jesu ihren Namen hören: Deinen Namen, du bist gerufen.
So ein zweites: Was in keines Menschen Herz gekommen ist. Ich sagte: In keines Menschen Herz gekommen ist, dass der tote Jesus lebendig aus dem Grab kommt. Aber nun kommt das Zweite, und es ist mir fast noch wichtiger und damit ein Anfangsstellender, aber es ging technisch einfach nicht zu machen.
Es ist in keines Menschen Herz gekommen, dass der lebendige Jesus das geschlachtete Lamm Gottes bleibt.
Es ist in keines Menschen Herz gekommen, dass der lebendige Jesus das geschlachtete Lamm Gottes bleibt. Wir möchten das deutlich machen.
Sehen Sie, es gibt ein Osterlied, das fängt so an: „Triumph, Triumph, es kommt mit Pracht, da siegt der Fürst des Todes in der Schlacht. Wer seines Reiches Untertan, der schaue sein Triumphfest an. Halleluja!“
Schön, und ich möchte lauthals in dieses Triumphgeschrei einstimmen. Aber ich muss da Ehrlichkeit halber gestehen, dass beim ersten Osterfest der Weltgeschichte das Triumphfest ausgefallen ist.
In den Ostergeschichten ist nichts von einem Triumphfest zu lesen. Der Herr Jesus geht zu einer weinenden Maria Magdalena. Das ist alles. Das sieht nicht nach Triumphfest aus, oder?
Und das ist außerordentlich bedeutsam.
Wir müssen erst mal sagen, wer eigentlich diese Maria Magdalena ist, die so herausgehoben wird. Man weiß nicht viel von ihr, außer, dass sie Maria hieß – viele heißen Maria – und dass sie aus Magdala kam, einem kleinen Ort, daher der Beinamen Magdalena.
Sie tut es für alles. Nein, da ist noch eine Bemerkung in der Bibel, und die ist sehr aufschlussreich. Es steht beinahe beiläufig, dass der Herr Jesus von ihr sieben Teufel ausgetrieben hat.
Ich will jetzt gar nicht über dieses geheimnisvolle Wort grübeln, sieben Teufel. Ich verstehe nur, dass sieben Teufel für das stehen, was Sünde bedeutet, was Grauen voller Triebhaftigkeit bedeutet, was Gebundenheit bedeutet, aus der man nicht herauskommt, was Dunkelheit bedeutet, innere Dunkelheit, Verzweiflung, Einsamkeit, Kontaktschwäche und so weiter.
Dann kam Jesus – so steht es also im Nebensatz beinahe in der Bibel – und er hatte sieben Teufel ausgetrieben. Das ist ja unerhört. Seine Hilfe ist nicht unerhört.
Sie hatte etwas erlebt von der Verlorenheit ihres Herzens und der Welt und von der Herrlichkeit ihres Heilandes.
Und ich kann mir die Verzweiflung der Maria vorstellen, als sie Jesus am Kreuz sterben sieht. In dem Augenblick tat sich der alte Abgrund wieder auf, die sieben Teufel heulten, nicht?
Die weinende Frau dort vor dem leeren Grab, das ist ein Mensch ganz dicht am Rand des Abgrunds, des dunklen Reiches. Und zu der geht Jesus. Das ist sein Triumphfest: Er geht zum Menschen am Rand des Abgrunds.
Er hat auch hinterher gar nichts anderes getan. Da ist der Petrus, der oft zitierte Petrus, der uns so entsetzlich ähnlich ist, der so von sich überzeugt war, und dann kommt die schreckliche Stunde, wo alles Selbstvertrauen zusammenbricht.
Er hat kein Vertrauen mehr zu sich und zu seinem Christentum, und sein Gewissen quält ihn grauenvoll. Gott verklagt ihn: Verräter, Verleugner. Ein Mann am Abgrund, der Gott verliert und sich selbst verliert, weiß und in Verzweiflung stürzt.
Und den sucht der auferstandene Herr Jesus auf.
Nun lesen Sie mal die Ostergeschichten. Er sucht nur Leute am Abgrund auf.
Und nun kommt das, was ich Ihnen gerne deutlich machen will: Das heißt ja, der auferstandene Heiland ist genau derselbe, der am Kreuz hängt. Er ist kein anderer als der, der gekreuzigt wurde.
Denn am Kreuz ist er ebenso der Heiland der Sünder, der für sie bezahlt, der errettet derer, die vom Teufel gebunden sind, weil er sie loskauft mit dem Preis seines Blutes.
Er ist – lassen Sie mich das starke Bild benutzen – der Retter der Leute am Abgrund, weil er in den Abgrund springt und ihn gewissermaßen auffüllt, und wir über ihn nun hinweg über die Abgründe gehen können.
Da sage ich noch einmal: Der auferstandene Heiland ist nicht ein Triumphator. Ach, lassen Sie das doch irgendwelchen Parteiführern, die gewonnen haben, oder so ein Quatsch, nicht!
Der auferstandene Heiland ist kein Triumphator, sondern er bleibt der Heiland der Sünder, das geschlachtete Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt.
Und sehen Sie, darum verschweigen die Ostergeschichten nie die Zeichen seines Todes, die Nägelmale.
Ich habe einen Arbeiter gekannt, der Schlosser war, der so Hände hatte, die genäht und Schwielen hatten. Und der wurde in der Inflationszeit Fabrikant und ließ den tollen Betrieb aufgeben, um seine Hände fein zu machen, damit man nicht mehr die Vergangenheit sah.
So ist es bei Jesus nicht! Im Gegenteil, da werden geradezu schamlos dauernd die Nägelmale gezeigt.
Er, der auferstanden ist, ist nicht Triumphator, sondern genau derselbe, der er am Kreuz war.
Er zeigt in der Ostergeschichte seine Hände und seine Seite. Maria will auf ihn zustürmen und seine Nägelmale berühren.
Und nun lassen Sie mich das eben durch die Bibel zeigen.
Sehen Sie, ich muss noch mal eine Vision erzählen, die ich oft erzählt habe in früheren Jahren.
In Offenbarung 5 tut Johannes einen Blick in die ewige Welt, und da sieht er den Thron des Allmächtigen und die himmlischen Herrscharen und Mächte und Gewalten.
Es geht die Frage durch Himmel und Erde: Wer führt Gottes Plan aus? Und keiner kann es.
Als Johannes anfängt zu weinen: Wer führt Gottes Plan aus? Da sagen Engel: „Sei still!“
Und im Augenblick treten die himmlischen Majestäten und Chöre und Engelscharen auseinander, und man sieht ein Lamm mit der Todeswunde.
Verstehen Sie, da sagt die Bibel: In der Herrlichkeit ist Jesus das geschlachtete Lamm Gottes, das der Weltsünde trägt.
Da gibt es eine Geschichte, ein Bild, wie Jesus wiederkommt in Herrlichkeit. Er wird wiederkommen, Sie können sich darauf verlassen.
In Herrlichkeit wird ihn der Taufsee sehen, und dann heißt es: „Der da kommt, sein Gewand ist mit Blut besprengt.“ Er bleibt das Lamm Gottes.
Es hat mich tief ergriffen, als ich einmal über Paulus nachdachte, den Apostel.
Sie kennen ja die Geschichte nicht: Er kannte Jesus in seiner Glorie.
Wer nach Damaskus reist, dem überleuchtet auf einmal ein Licht vom Himmel, er sieht Jesus in seiner himmlischen Herrlichkeit, in seiner Glorie.
Und dieser Paulus reist nun nicht durch die Welt und sagt: „Hier der Triumphator der Welt, Jesus!“ Sondern er sagt: „Dass ich nichts unter euch wüsste als Jesus den Gekreuzigten, dass ich nichts unter euch wüsste als Jesus den Gekreuzigten.“
Sehen Sie, das macht mich am Ostermorgen so froh, dass ich ihn nicht einen triumphierenden Heiland predigen muss.
Wir haben so viele Triumphe erlebt, die nachher doch schief ausgingen. Unser Bedarf ist, glaube ich, für die nächsten zweihundert Jahre gedeckt, finden Sie nicht?
Sondern ich bin so glücklich, dass ich einen Heiland predigen darf, der immer sein Kreuz bei sich hat, der immer Versöhner derer ist, die ihr Gewissen vor Gott verklagt.
Ich rechne mich zu denen, dass ich einen Heiland predigen darf, dessen Blut reinmacht von aller Sünde. So einen, genau so einen habe ich nötig heute und morgen und übermorgen und erst recht im Sterben.
Das war das Zweite, was in keines Menschen Herz gekommen ist: dass der Auferstandene immer das geschlachtete Lamm Gottes bleibt, das der Welt Sünde trägt.
Und dann habe ich noch einen dritten Teil.
Man muss benutzen, wenn man mal predigt, was in keines Menschen Herz gekommen ist: dass dieser Jesus eine Stimme hat, die die Menschheit scheidet.
Dass dieser Jesus eine Stimme hat, die die Menschheit scheidet.
Sehen Sie, hier heißt es: Jesus spricht zu ihr: „Maria!“
Sie hatte sich wohl abgewandt von ihm, da sagte er: „Maria!“ sonst nichts. Da fährt sie herum, sie hat ihn bisher für den Gärtner gehalten, wahrscheinlich war der auch.
Der Leib Jesu war anders als sein früherer Leib, auch die Emmaus-Jünger kannten ihn nicht. Es war außerdem nicht in ihr Herz gekommen, dass er lebendig sein könnte.
Und da sagt er: „Maria!“ Da fährt sie herum, sie hat ihn an der Hirtenstimme erkannt.
Sie hat ihn an der Hirtenstimme erkannt.
Nun denken Sie mal: In der Bibel steht, der Herr redet und ruft vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang. Haben Sie den Eindruck, dass die Welt es hört? Nein.
Aber Maria hört es. Maria hört es.
Und dazu sagt Jesus in Johannes 10: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir.“
Diese Stimme Jesu scheidet die Menschen in Taube und solche, die gehört haben.
Wo gehören Sie hin?
Diese merkwürdige Stimme Jesu, von der sagt die Bibel eine merkwürdige Menge eigenartiger Dinge: Sie sagt zum Beispiel, dass man sie nicht hören wird auf den Gassen, sie wird nicht rufen noch schreien.
Sie ist eine ganz leise Stimme, sie ist so leise, dass man sie mit den Ohren nicht auffangen kann, nur mit dem Gewissen.
Oh, die Bibel sagt viel über diese merkwürdige Stimme Jesu, die Menschen scheidet.
Hören Sie mal folgendes Wort: Da sagt Jesus von seinen Schafen: „Einem Fremden folgen sie nicht, denn sie kennen des Fremden Stimme nicht, sie fliehen vor ihm.“
Jesu Schafe erkennen des Fremden Stimme und fliehen.
Es gibt tausend verführerische Stimmen in der Welt, und die Welt fliegt auf all die Stimmen wie die Fliegen auf den süßen Honig.
Nur die Schafe Jesu Christi können genau unterscheiden.
Viele dieser Stimmen tun so, als wären sie Stellvertreter des Hirten, als wären sie Jesu Stimme.
Aber die Schafe Jesu erkennen des Fremden Stimme.
Sehen Sie, ich will Ihnen ein Beispiel sagen.
Es war mir im Jahr 1933, als alles Kirche und alles Hitler zu viel war, wirklich merkwürdig.
Da kam ich auf ein abgelegenes Dorf der Schwäbischen Alb in einer Gemeinschaftsstunde, und da saßen die Brüder und sagten: „Wir wollen nicht von Hitler reden, das ist des Fremden Stimme, der führt sie ins Verderben.“
Da habe ich an dieses Wort gedacht: Die Schafe Jesu fliehen vor der Stimme des Fremden, sie kennen die Stimme Jesu.
Diese Hirtenstimme scheidet die Menschen.
Ich sage es in der Hirtenstimme: Jesus sagt: „Ich bin der gute Hirte.“
Nun sehen Sie, das muss man eben zwischendurch sagen.
Man erklärt uns heute dauernd, wir sollen die Bibel so verstehen, als wäre sie aus einer alten Vorstellung geschrieben.
Damals gab es Hirten und Landwirtschaft, und heute gibt es das ja kaum mehr. Jedenfalls ist keiner von Ihnen Landwirt, Sie haben höchstens einen Blumentopf.
Und so müsste ich also nun das Bild vom Hirten, von der Hirtenstimme in Ihre Sprache übersetzen.
Ja, wie soll ich das machen? Soll ich sagen, Jesus Stimme ist wie eine Fabriksirene? Das ist schlecht, nicht? Oder wie das Heulen eines Düsenjägers?
Oder ich könnte höchstens sagen, das wäre Ihnen näher: Sie ist wie die Stimme einer Mutter.
Aber sehen Sie, wenn ich durch die Stadt gehe, dann höre ich so viele Mütterstimmen, da ist der kleine Junge hingefallen: „Du böser Kerl!“ Da hauen sie, kreischen sie auf ihn ein.
Kann doch ein Kind nichts dafür, nicht?
Ich höre so viele kreischende, töricht schimpfende Mütterstimmen, dass ich heute sagen möchte: Es gibt weniger rechte Mütter, als es Hirten in der Großstadt gibt.
Finden Sie sich auch? Also wollen wir es bei der Hirtenstimme belassen, finden Sie nicht? Bleiben wir dabei, lassen wir es bei der Hirtenstimme.
Die Welt hört sowieso nicht. Wir brauchen gar keine Mühe zu geben, zu übersetzen.
Aber hören Sie! Hören Sie!
Meine Schafe hören meine Stimme.
Jesus ruft Maria, und sie begreift: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen.“
Es könnten Menschen hier sitzen, die er gerufen hat und deren Herz verstockt ist davor und die sich nicht umdrehen wollen nach ihm.
Die unter Ihnen, die unter das Wort Jesu fallen: „Meine Schafe hören meine Stimme!“
Die singen an diesem Ostermorgen mit allen Heiligen:
Herr, mein Hirt, Brunnen aller Freuden,
ich bin dein, du bist mein,
niemand kann uns scheiden,
ich bin dein, weil du dein Leben
und dein Blut mir zu gut in den Tod gegeben.
Wir wollen beten.
Ach Herr, wir danken dir, dass du als Lebendiger durch die Welt gehst und dass eine Hirtenstimme ruft.
Und nun bitten wir, wie so oft: Herr, lass deine Todespein an mir nicht verloren sein. Amen.
Wir wollen aus dem Lied 373 den vierten Vers singen.
Zum Schluss singen wir anfangs den ersten Vers unseres Siegesgesangs.
Vorher muss ich eben noch kurz erklären: Es ist die Auswärtige, die fragen, wo eigentlich die Jungen sind, die sonst immer im Gottesdienst sind.
Die sind über Ostern abteilungsweise auf Freizeiten, auf Bibelfreizeiten und Fahrten, darum sind sie nicht da.
Und nun lassen Sie uns still werden:
Unser Vater im Himmel,
dein Name werde geheiligt,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe wie im Himmel, so auch auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen!
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Herr, segne uns und behüte uns.
Herr, lass dein Angesicht über uns leuchten und sei uns gnädig!
Erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns Frieden. Amen.
Was in keines Menschenherz gekommen ist – Teil 1: Die Auferstehung
Wir überschreiben den Text und die Predigt mit dem Thema: Was in keines Menschenherz gekommen ist.
Nochmal: Ich hatte bereits am Sonntag diese Überschrift, ich weiß es, und möchte daran anknüpfen – was in keines Menschenherz gekommen ist. Wir betrachten, wie üblich, drei Dinge.
Es ist in keines Menschenherz gekommen, dass der tote Jesus lebendig aus dem Grab kommt. Unsere Geschichte erzählt von einer Frau, Maria Magdalena. Diese Maria Magdalena hatte ihr Leben völlig auf Jesus gestellt. Es gibt viele 08/15-Christen, nicht wahr? Aber sie war anders. Sie hatte ihr Leben auf den geoffenbarten Gott, auf Jesus, gestellt.
Als Jesus gekreuzigt wurde und ihr weggenommen wurde, brach ihr Leben zusammen. Es war nichts mehr da. Millionen Christen in Deutschland – würde man ihnen Jesus wegnehmen, bräche gar nichts zusammen. Da bräche eher etwas zusammen, wenn das Sparkassenbuch oder das Bankkonto entwertet wäre, nicht wahr?
Maria Magdalena war also alles zusammengebrochen, als Jesus weg war. Es war eine törichte und sentimentale Reaktion, dass es sie nun zum Grab Jesu zog. Aber es ist so verständlich, nicht wahr? Zu allen Zeiten ist es so, dass Menschen, die Menschen verloren haben, wenigstens das Grab haben wollen.
Am Ostermorgen kommt sie zum Grab, und das Grab ist leer. Diese Grabeshöhle gähnt sie dunkel an, diese Felsenhöhle. Sie schaut hinein und sieht zwei Boten Gottes – doch es rührt sie nicht. Das Grab ist leer, die Felsplatte, die das Grab verschlossen hatte, liegt irgendwo in Blumenbeeten. Da weint sie nun vor dem leeren Grab.
Es gibt so eine amerikanische Redensart: Wenn jemand nachdenklich ist, fragt man: „Einen Dollar für deine Gedanken!“ Ich würde zehn Dollar geben, wenn ich wüsste, was Maria Magdalena in diesem Moment gedacht hat. Welche Gedanken schossen wohl durch ihr Gehirn und ihr Herz? Nur eines ganz bestimmt nicht: dass dieser Jesus, der tote Jesus, lebendig aus dem Grab kommt. Das kam nicht in ihr Herz.
Und das kam auch in keines anderen Menschenherz. Es ist in keines Menschenherz gekommen, dass der tote Jesus lebendig aus dem Grab kommt. Das kam auch nicht in das Herz der Jünger.
Sehen Sie, da ist ein ganz merkwürdiger Vorgang, der mich immer sehr interessiert hat. Ich denke, manchmal könnte Freud darüber Auskunft geben, was da los war. Der Herr Jesus hat vor seiner Gefangennahme mehrfach unklar erklärt, dass er verspottet, bespien und getötet werden wird und am dritten Tage auferstehen wird. Er hat es ausdrücklich gesagt. Doch es heißt, es ging nicht in das Herz der Jünger. Sie nahmen es nicht an. Es ging einfach nicht rein.
Und das ist merkwürdig, weil die Jünger ja die Reden Jesu sonst so gierig aufgenommen haben. Denken Sie mal, wie genau sie die Bergpredigt verfolgt haben oder die Reden Jesu, die Johannes später berichtet. Sie nahmen jedes Wort auf. Aber das nahmen sie einfach nicht an. Es ging in kein Menschenherz hinein, dass der tote Jesus lebendig aus dem Grab kommt.
Und das geht auch heute noch nicht ins Herz des Menschen. Eher nimmt ein Mensch in sein Herz auf, dass er an die abstrusesten und unwahrscheinlichsten Dinge glaubt, ehe er glaubt, dass der tote Jesus aus dem Grab gekommen ist.
Da glaubt er eher, dass zum Beispiel ein paar verschüchterte, ängstliche Jünger den Leichnam Jesu gestohlen haben – vor den Augen schwer bewaffneter römischer Legionäre. Das ist scheinbar unmöglich, aber an die Auferstehung glaubt der Mensch nicht.
Oder er glaubt eher, dass Jesus – davon haben wir ja gestern einiges gehört – scheintot war, in der Kühlung des Grabes erwachte. Dass der Mann, der drei Tage lang nichts gegessen hatte und ausgeblutet war, die Felsenplatte wegrollte, die drei rüstige Frauen nicht wegschieben konnten. Sie kennen die Geschichte, wie die Frauen sagen: „Wer wälzt uns den Stein weg?“
Er glaubt eher, dass dieser halbtote Jesus den Stein weggewälzt hat, ehe es in das Menschenherz kommt, dass der tote Jesus aus dem Grab gekommen ist.
Er glaubt auch eher die komischsten Sachen, zum Beispiel dass die Jünger Halluzinationen hatten. Wissen Sie, so etwas gab es damals gar nicht. Er glaubt, dass die Halluzination der Jünger eine Welt verwandelt hat und dass Millionen Menschen getrost auf die Halluzination der Jünger gelebt und selig gestorben sind.
Eher glaubt der Mensch, dass das Ganze nur eine Botschaft ist, die etwas aussagen soll, ohne realen Hintergrund. Der Mensch glaubt eher, dass der Mond aus Käse besteht, ehe es in das Herz reingeht, dass der tote Jesus aus dem Grab gekommen ist.
Es ist in keines Menschenherz gekommen. Und da ist nun Maria Magdalena, die von der Wirklichkeit überführt wird. Da steht Jesus und ruft sie und spricht mit ihr.
Was in keines Menschenherz gekommen ist, wird Wirklichkeit. Das ist eine wunderbare Botschaft: Wir haben einen lebendigen Heiland. Was in keines Menschenherz gekommen ist, was sich keiner ausdenken konnte – das ist die Botschaft, die ich habe. Über die ich nicht mit Ihnen diskutieren kann, denn die Vernunft fasst sie ja nicht.
Aber das darf ich Ihnen verkündigen und predigen: Was in keines Menschenherz gekommen ist – der tote Jesus ist unter uns lebendig.
Sehen Sie, keine Philosophie, keine Weltanschauung und keine Religion kann uns Trost oder Halt geben, wenn es wirklich darauf ankommt. Aber ein lebendiger Heiland, ein Erlöser, ein Retter.
Matthias Claudius sagt: Die Sache trieft, trieft von Barmherzigkeit Gottes.
Ich muss keine Moral predigen. Es wäre sehr nötig, heute in diesem verkommenen Säkulum Moral zu predigen, aber ich verspreche mir davon einfach nichts.
Bei den bösen Menschenherzen bin ich glücklich, dass ich keine Moral predigen muss, dass ich keine Religion predigen muss, dass ich keine Dogmen predigen muss und nicht über Kirche reden muss – Kirche mit Übermöglichkeit.
Ich bin glücklich, dass ich einen lebendigen Heiland bezeugen darf, einen Erretter, einen Tröster, einen, der vom Tode und von der Hölle errettet – und von mir selbst und vom Alltag. Einen, der meine Schuld wegnimmt, der für mich bezahlt hat, ein Fürsprecher vor Gott.
Und ich weiß, während ich von ihm predige, hat er unter Ihnen sein Werk getan. Sonst hätte ich nicht Lust, hier aufzusteigen. Er hat unter Ihnen sein Werk getan.
In unserer Geschichte sagt dieser Jesus nur einen Namen: Maria. Er sagt: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen.“
Oh, ich habe Gott sehr gebeten, dass es heute Morgen Menschen hier gibt, die aus dem Munde Jesu ihren Namen hören – ihren Namen: Du bist gerufen.
Was in keines Menschenherz gekommen ist – Teil 2: Der lebendige Jesus bleibt das geschlachtete Lamm Gottes
So etwas Zweites ist in keines Menschen Herz gekommen. Ich sage: in keines Menschen Herz ist gekommen, dass der tote Jesus lebendig aus dem Grab kommt. Aber nun kommt das Zweite, und es ist mir fast noch wichtiger. Damit ist ein Anfang gestellt, doch technisch war es einfach nicht möglich, es umzusetzen.
Es ist in keines Menschen Herz gekommen, dass der lebendige Jesus das geschlachtete Lamm Gottes bleibt. Wir möchten das deutlich machen.
Sehen Sie, es gibt ein Osterlied, das beginnt so: „Triumph, Triumph, es kommt mit Pracht, da siegt der Fürst der Welt aus der Schlacht. Wer seines Reiches Untertan, der schaue sein Triumphfest an. Halleluja!“ Schön, und ich möchte lauthals in dieses Triumphgeschrei einstimmen.
Aber ich muss der Ehrlichkeit halber gestehen, dass beim ersten Osterfest der Weltgeschichte das Triumphfest ausgefallen ist. In den Ostererzählungen ist nichts von einem Triumphfest zu finden. Der Herr Jesus geht zu einer weinenden Maria Magdalena. Das ist alles. Das sieht nicht nach einem Triumphfest aus, oder?
Und das ist außerordentlich bedeutsam.
Wir müssen erst einmal sagen: Wer ist eigentlich diese Maria Magdalena, die so herausgehoben wird? Man weiß nicht viel von ihr, außer, dass sie Maria hieß – viele heißen Maria. Sie kam aus Magdala, das war ein kleines Dorf irgendwo, daher der Beinamen Magdalena.
Aber es gibt noch eine Bemerkung in der Bibel, die sehr aufschlussreich ist. Fast beiläufig steht dort, dass der Herr Jesus von ihr sieben Teufel ausgetrieben hat. Ich will jetzt gar nicht über dieses geheimnisvolle Wort „sieben Teufel“ grübeln. Ich verstehe nur, dass sieben Teufel für eine große Menge an Sünde stehen. Für ein Grauen voller Triebhaftigkeit, für Bindungen, aus denen man nicht herauskommt, für Dunkelheit – innere Dunkelheit – und für Verzweiflung, Einsamkeit und Kontaktschwäche.
Dann kam Jesus. So steht es also fast im Nebensatz in der Bibel: Er hatte sieben Teufel ausgetrieben. Das ist ja unerhört, seine Hilfe ist unerhört. Sie hatte viel erlebt von der Verlorenheit ihres Herzens und der Welt und von der Herrlichkeit ihres Heilandes.
Ich kann mir die Verzweiflung der Maria vorstellen, als sie Jesus am Kreuz sterben sieht. In dem Augenblick tat sich der alte Abgrund wieder auf. Die sieben Teufel heulten sozusagen wieder. Die weinende Frau dort vor dem leeren Grab – das ist ein Mensch ganz dicht am Rand des Abgrunds, des dunklen Reiches. Und zu der geht Jesus. Das ist sein Triumphfest: Er geht zu Menschen am Rand des Abgrunds.
Und er hat auch später gar nichts anderes getan.
Da ist Petrus, der oft zitierte Petrus, der uns so entsetzlich ähnlich ist. Er war so von sich überzeugt, und dann kam die schreckliche Stunde, in der alles Selbstvertrauen zusammenbrach. Er hatte kein Vertrauen mehr zu sich und zu seinem Christentum. Sein Gewissen quälte ihn grauenvoll. Gott verklagte ihn als Verräter und Verleugner. Ein Mann am Abgrund, der Gott verliert und sich selbst verliert, der in Verzweiflung stürzt. Und diesen sucht der auferstandene Herr Jesus auf.
Nun lesen Sie mal die Ostergeschichten. Er sucht nur Leute am Abgrund auf.
Und jetzt kommt das, was ich Ihnen gerne deutlich machen will: Das heißt ja, der auferstandene Heiland ist genau derselbe, der am Kreuz hing. Er ist kein anderer als der, der gekreuzigt wurde. Denn am Kreuz ist er ebenso der Heiland der Sünder, der für sie bezahlt, der die errettet, die vom Teufel gebunden sind, weil er sie loskauft mit dem Preis seines Blutes.
Er ist – lassen Sie mich dieses Bild benutzen – der Retter der Leute am Abgrund, weil er in den Abgrund springt und ihn gewissermaßen auffüllt. Wir können nun über ihn hinweggehen, über die Abgründe.
Ich sage noch einmal: Der auferstandene Heiland ist kein Triumphator. Ach, lassen Sie das doch irgendwelchen Parteiführern, die gewonnen haben, oder so ein Quatsch. Nein, der auferstandene Heiland ist kein Triumphator.
Er bleibt der Heiland der Sünder, das geschlachtete Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt.
Und sehen Sie, darum verschweigen die Ostergeschichten nie die Zeichen seines Todes, die Nägelmale.
Ich habe einen Arbeiter gekannt, der Schlosser war. Er hatte so harte Hände, sie waren genarbt und schwielig. In der Inflationszeit, als er Fabrikant war, ließ er seine Hände feinmachen, damit man nicht mehr die Vergangenheit sah.
So ist es bei Jesus nicht! Im Gegenteil: Da werden geradezu schamlos immer wieder die Nägelmale gezeigt. Er, der auferstanden ist, ist kein Triumphator, sondern genau derselbe, der er am Kreuz war.
In den berührenden Ostergeschichten zeigt er Maria seine Hände und seine Seite. Maria will auf ihn zustürzen und seine Nägelmale berühren.
Nun lassen Sie mich das anhand der Bibel zeigen.
Ich muss noch einmal eine Vision erzählen, die ich oft in früheren Jahren erzählt habe.
In Offenbarung 5 sieht Johannes einen Blick in die ewige Welt. Er sieht den Thron des Allmächtigen und die himmlischen Herrscharen, Mächte und Gewalten. Es geht die Frage durch Himmel und Erde: Wer führt Gottes Plan aus? Niemand kann es.
Als Johannes anfängt zu weinen, weil er nicht weiß, wer Gottes Plan ausführt, sagen Engel: „Sei still!“ Im Augenblick treten die himmlischen Majestäten, Chöre und Engelscharen auseinander, und man sieht ein Lamm mit der Todeswunde.
Verstehen Sie, da sagt die Bibel: In der Herrlichkeit ist Jesus das geschlachtete Lamm Gottes, das der Weltsünde trägt.
Es gibt eine Geschichte, ein Bild, wie Jesus in Herrlichkeit wiederkommt. Er wird wiederkommen, darauf können Sie sich verlassen. In Herrlichkeit wird ihn jeder sehen, und dann heißt es: Der, der da kommt, dessen Gewand ist mit Blut besprengt. Er bleibt das Lamm Gottes.
Es hat mich tief ergriffen, als ich einmal über Paulus nachdachte, den Apostel.
Sie kennen ja die Geschichte: Er kannte Jesus in seiner Herrlichkeit. Als er nach Damaskus reiste, überleuchtete ihn ein Licht vom Himmel. Er sah Jesus in seiner himmlischen Herrlichkeit, in seiner Glorie.
Und dieser Paulus reist nun nicht durch die Welt und sagt: „Hier ist der Triumphator der Welt, Jesus!“ Sondern er sagt: „Ich weiß unter euch nichts als Jesus, den Gekreuzigten. Ich weiß unter euch nichts als Jesus, den Gekreuzigten.“
Sehen Sie, das macht mich am Ostermorgen so froh, dass ich keinen triumphierenden Heiland predigen muss.
Wir haben so viele Triumphe erlebt, die nachher doch schiefgingen. Unser Bedarf ist, glaube ich, für die nächsten zweihundert Jahre gedeckt, finden Sie nicht?
Ich bin so glücklich, dass ich einen Heiland predigen darf, der immer sein Kreuz bei sich hat. Der immer Versöhner derer ist, die ihr Gewissen vor Gott verklagt. Ich rechne mich dazu.
Dass ich einen Heiland predigen darf, dessen Blut reinmacht von aller Sünde – so einen genau solchen habe ich nötig heute, morgen, übermorgen und erst recht im Sterben.
Das war das Zweite, was in keines Menschen Herz gekommen ist: dass der Auferstandene immer das geschlachtete Lamm Gottes bleibt, das der Welt Sünde trägt.
Was in keines Menschenherz gekommen ist – Teil 3: Die scheidende Stimme Jesu
Und dann habe ich noch einen dritten Teil, den man benutzen muss, wenn man zum Predigen kommt. Es geht darum, dass etwas in kein Menschenherz gekommen ist: nämlich, dass dieser Jesus eine Stimme hat, die die Menschheit scheidet. Diese Stimme scheidet die Menschen.
Sehen Sie, hier heißt es: Jesus spricht zu ihr, Maria. Sie hatte sich wohl von ihm abgewandt. Da sagt er nur „Maria“, sonst nichts. Da fährt sie herum. Sie hatte ihn bisher für den Gärtner gehalten. Wahrscheinlich war auch der Leib Jesu anders als sein früherer Leib. Auch die Emmaus-Jünger kannten ihn nicht.
Es war außerdem nicht in ihr Herz gekommen, dass er lebendig sein könnte, wissen Sie? Und da sagt er „Maria“. Da fährt sie herum und erkennt ihn an der Hirtenstimme. Sie hat ihn an der Hirtenstimme erkannt.
Nun denken Sie mal: In der Bibel steht, der Herr redet und ruft vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang. Haben Sie den Eindruck, dass die Welt diese Stimme hört? Nein. Aber Maria hört sie. Maria hört sie, die Welt aber nicht.
Dazu sagt Jesus in Johannes 10: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir.“ Diese Stimme Jesu scheidet die Menschen in Taube und solche, die gehört haben.
Wo gehören Sie hin? Diese merkwürdige Stimme Jesu, von der die Bibel viele eigenartige Dinge sagt. Sie sagt zum Beispiel, dass man sie nicht auf den Gassen hören wird. Sie wird nicht rufen noch schreien. Sie ist eine ganz leise Stimme. So leise, dass man sie mit den Ohren nicht auffangen kann, sondern nur mit dem Gewissen.
Oh, die Bibel sagt viel über diese merkwürdige Stimme Jesu, die die Menschen scheidet. Hören Sie mal folgendes Wort: Da sagt Jesus von seinen Schafen: „Einem Fremden folgen sie nicht, denn sie kennen die Stimmen des Fremden nicht, sie fliehen vor ihm.“ Jesus’ Schafe erkennen die Stimme des Fremden und fliehen.
Es gibt tausend verführerische Stimmen in der Welt. Die Welt fliegt auf all diese Stimmen wie Fliegen auf süßen Honig. Nur die Schafe Jesu Christi können genau unterscheiden. Viele dieser Stimmen tun so, als wären sie Stellvertreter des Hirten, als wären sie die Stimme Jesu. Aber die scharfen Ohren Jesu erkennen die Stimme des Fremden.
Sehen Sie, ich will Ihnen ein Beispiel sagen: Im Jahr 1933, als alles, Kirche und alles, Hitler zu viel wurde – wirklich merkwürdig – da kam ich in ein abgelegenes Dorf auf der Schwäbischen Alb zu einer Gemeinschaftsstunde. Da saßen die Brüder und sagten: „Wir wollen nicht von Hitler reden, das ist die Stimme des Fremden, er führt ins Verderben.“
Da habe ich an dieses Wort gedacht: Die Schafe Jesu fliehen vor der Stimme des Fremden, sie kennen die Stimme Jesu. Diese Hirtenstimme scheidet die Menschen.
Ich sage es in der Hirtenstimme: Jesus sagt, „Ich bin der gute Hirte.“ Nun sehen Sie, das muss man eben zwischendurch sagen. Man erklärt uns heute dauernd, die Bibel wäre nur aus einer alten Vorstellung geschrieben. Damals gab es Hirten und Landwirtschaft, heute kaum noch. Jedenfalls ist keiner von Ihnen Landwirt. Sie haben höchstens einen Blumentopf.
Also müsste ich das Bild vom Hirten, von der Hirtenstimme in Ihre Sprache übersetzen. Ja, wie soll ich das machen? Soll ich sagen, die Stimme Jesu ist wie eine Fabriksirene? Das ist schlecht, nicht wahr? Oder wie das Heulen eines Düsenjägers? Oder ich könnte höchstens sagen, sie ist wie die Stimme einer Mutter.
Aber sehen Sie, wenn ich durch die Stadt gehe, höre ich so viele Mutterstimmen. Da ist der kleine Junge hingefallen, und die Mutter schreit: „Du böser Kerl!“ Sie hauen und kreischen ihn an. Kann doch ein Kind nichts dafür, oder? Ich höre so viele kreischende, töricht schimpfende Mutterstimmen, dass ich heute sagen möchte: Es gibt weniger rechte Mütter, als es Hirten in der Großstadt gibt. Finden Sie sich auch darin wieder?
Also wollen wir es bei der Hirtenstimme belassen, finden Sie nicht? Bleiben wir dabei, lassen wir es bei der Hirtenstimme. Die Welt hört sie sowieso nicht. Wir brauchen gar keine Mühe, sie zu übersetzen.
Aber hören Sie! Hören Sie! „Meine Schafe hören meine Stimme.“ Jesus ruft Maria, und sie begreift: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen.“
Es könnten Menschen hier sitzen, die er gerufen hat, deren Herz aber verstockt ist und die sich nicht zu ihm umdrehen wollen. Die unter Ihnen, die unter das Wort Jesu fallen: „Meine Schafe hören meine Stimme“, die singen an diesem Ostermorgen mit allen Heiligen:
„Herr, mein Hirt, Brunnen aller Freuden,
ich bin dein, du bist mein,
niemand kann uns scheiden.
Ich bin dein, weil du dein Leben
und dein Blut mir zu gut
in den Tod gegeben.“
Abschlussgebet und Segensworte
Wir wollen beten.
Ach, Herr, wir danken dir, dass du als Lebendiger durch die Welt gehst und dass eine Hirtenstimme ruft. Nun bitten wir, wie so oft: Herr, lass deine Todespein an mir nicht verloren sein. Amen.
Wir wollen aus dem Lied 373 den vierten Vers singen. Zum Schluss singen wir aus dem Anhang den zweiundzwanzigsten ersten Vers, unseren Siegesgesang.
Vorher muss ich noch kurz etwas erklären: Es ist die Auswärtige, die fragt, wo eigentlich die Jungen sind, die sonst immer im Gottesdienst sind. Die sind über Ostern abteilungsweise auf Freizeiten, auf Bibelfreizeiten und Fahrten. Darum sind sie heute nicht da.
Und nun lassen Sie uns still werden!
Unser Vater im Himmel, dein Name werde geheiligt, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auch auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen!
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen!
Herr, segne uns und behüte uns! Herr, lass dein Angesicht über uns leuchten und sei uns gnädig!
Erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns Frieden. Amen.