Gott wird Mensch: Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode 482: Der barmherzige Samariter, Teil 3
Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter: Eine Erzählung über Mitmenschlichkeit
Hören wir noch einmal das Gleichnis vom barmherzigen Samariter aus Lukas 10,30-35.
Jesus nahm das Wort und sprach: Ein Mensch ging von Jerusalem nach Jericho hinab. Dabei fiel er unter Räuber, die ihn auszogen, ihm Schläge versetzten und ihn halbtot liegen ließen.
Zufällig ging ein Priester denselben Weg hinab. Als er den Verletzten sah, ging er auf der anderen Straßenseite an ihm vorüber. Ebenso kam ein Levit an den Ort, sah den Mann und ging ebenfalls auf der entgegengesetzten Seite vorüber.
Doch ein Samariter, der auf der Reise war, kam zu ihm. Als er den Verletzten sah, wurde er innerlich bewegt. Er trat hinzu, verband seine Wunden und goss Öl und Wein darauf.
Dann setzte er ihn auf sein eigenes Tier, führte ihn in eine Herberge und sorgte für ihn. Am folgenden Morgen zog er zwei Denare heraus, gab sie dem Wirt und sagte: „Trage Sorge für ihn. Was du darüber hinaus noch ausgibst, werde ich dir bezahlen, wenn ich zurückkomme.“
Die Frage nach dem Nächsten: Eine Herausforderung an vorgefasste Meinungen
Wozu erzählt Jesus dieses Gleichnis? Wir wissen, dass der Gesetzesgelehrte sich selbst rechtfertigen wollte. Deshalb stellt er die Frage: „Und wer ist mein Nächster?“ Der Gesetzesgelehrte möchte eigentlich nur von Jesus hören, dass seine Einschätzung richtig ist. Doch dem ist nicht so.
Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter ist Jesu Antwort auf die Frage: „Und wer ist mein Nächster?“ Hören wir, wie Jesus fortfährt. Total interessant ist Lukas 10,36: „Was meinst du, wer von diesen dreien der Nächste dessen gewesen ist, der unter die Räuber gefallen ist?“
In gewisser Weise antwortet Jesus gar nicht direkt auf die Frage des Gesetzesgelehrten. Dieser hatte gefragt: „Wer ist mein Nächster?“ Jesus hingegen fragt: „Wer von diesen dreien ist der Nächste dessen gewesen, der unter die Räuber gefallen ist?“ Merkt ihr den Unterschied?
Der Gesetzesgelehrte hätte gern eine Definition: Wer ist mein Nächster und wer nicht? Um wen muss ich mich kümmern und um wen nicht? Wer verdient meine Aufmerksamkeit und wer nicht? An wem darf ich vorbeigehen, wenn er halb tot am Straßenrand liegt? Und bei wem sollte ich innerlich berührt stehen bleiben und mich kümmern?
Jetzt aber kommt Jesus und lässt sich auf diesen ganzen Gedankengang nicht ein. Er stellt ihn, wenn man so will, auf den Kopf. Es geht nicht darum, die Menschheit in Nächste und Nichtnächste einzuteilen. Vielmehr geht es darum, Liebe zu leben.
Und die Liebe fragt eben nicht: „Wer ist mein Nächster?“ Sondern Liebe fragt: „Wem kann ich Nächster sein?“
Gottes unparteiische Liebe als Vorbild für unser Handeln
Und genau diese Haltung zeigt Gott im Umgang mit den Menschen. Er unterteilt die Menschheit nicht in solche, die es wert sind, gerettet zu werden, und solche, um die man sich nicht kümmern muss.
Gott stellt nicht die Frage: Wer ist mein Nächster? Stattdessen handelt er als ein unparteiischer Retter, der allen Menschen zum Nächsten wird. Er stirbt für alle am Kreuz, um, wenn möglich, alle zu retten.
Titus 2,11: Denn die Gnade Gottes ist erschienen und bringt Heil allen Menschen.
Johannes 3,16: Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.
1. Timotheus 2,3-4: Dies ist gut und angenehm vor unserem Rettergott, der will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.
Die Aufforderung zum Handeln: Barmherzigkeit als Lebensprinzip
Zurück zu unserer Frage aus Lukas Kapitel 10, die Verse 36 und 37: Was meinst du, wer von diesen Dreien der Nächste dessen gewesen ist, der unter die Räuber gefallen war?
Er aber sprach: Der, der die Barmherzigkeit an ihm übte.
Jesus aber sprach zu ihm: Geh hin und handle du ebenso.
Der Gesetzeslehrer beantwortet die Frage Jesu völlig korrekt. Zwar bringt er das Wort „Samaritaner“ nicht über seine Lippen, doch es ist klar, wer gemeint ist: der, der die Barmherzigkeit an ihm übte.
Und was sagt Jesus? Geh hin und handle ebenso! Nimm dir den Samariter zum Vorbild. Nimm dir den zum Vorbild, den du in deinem Herzen verachtest und der dir zugleich vorgemacht hat, was es heißt, über nationale Grenzen und Vorurteile hinweg Barmherzigkeit zu üben.
Ewiges Leben und Barmherzigkeit: Eine theologische Spannung
Vergessen wir bei alledem nicht die Eingangsfrage des Gesetzesgelehrten: „Lehrer, was muss ich getan haben, um ewiges Leben zu erben?“ Die Antwort lautet: Liebe Gott und liebe deine Mitmenschen. Dabei sollst du bei deinen Mitmenschen keine Unterschiede machen. Frage nicht, wer mein Nächster ist, sondern schau, wo Gott dich gebrauchen will. Überlege, wo du Nächster sein kannst.
Bedeutet das, was Jesus hier sagt, dass wir ewiges Leben erben, wenn wir Barmherzigkeit üben? Die Antwort lautet: Ja, das tut es. Genau das sagt Jesus.
Aber wie kann man dann davon sprechen, dass Errettung allein aus Gnade durch Glauben geschieht? Merkt ihr die Spannung? Als Protestanten sind wir seit Luther so darauf gepolt, dass bei der Errettung auf keinen Fall Werke eine Rolle spielen dürfen, dass wir Jesus hier am liebsten widersprechen würden.
Doch das sollten wir bleiben lassen. Es ist besser, Jesus zu verstehen, als ihm zu widersprechen.
Glaube und Barmherzigkeit: Ein untrennbares Zusammenspiel
Es gibt im Jakobusbrief eine ganz ähnliche Stelle. Auch dort geht es um eine Situation, in der Menschen in Kategorien eingeteilt werden. Dort sind es die Reichen und die Armen. Die Reichen werden hofiert, die Armen verachtet.
Jakobus schreibt in Jakobus 2,8-9: „Wenn ihr wirklich das königliche Gesetz erfühlt, du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst, so tut ihr recht. Wenn ihr aber die Person anseht, so begeht ihr Sünde und werdet vom Gesetz als Übertreter überführt.“
Etwas später heißt es dann in Jakobus 2,12-13: „Redet so und handelt so, wie solche, die durch das Gesetz der Freiheit gerichtet werden sollen; denn das Gericht wird ohne Barmherzigkeit sein gegen den, der nicht Barmherzigkeit geübt hat. Die Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht.“
Hier steht Barmherzigkeit, wo man eigentlich Glauben erwartet hätte: Die Barmherzigkeit und gerade nicht der Glaube triumphiert über das Gericht. Warum ist das so?
Die Antwort lautet: Hier wird Barmherzigkeit genannt, weil die praktische Seite des rettenden Glaubens betont werden soll. Mein Glaube an einen unparteiischen Gott der Liebe ist nur dann echt, wenn sich Gottes Liebe zu allen Menschen auch in meinem Leben widerspiegelt. Wo das nicht der Fall ist, bekomme ich im Gericht ein Problem.
„Das Gericht wird ohne Barmherzigkeit sein gegen den, der nicht Barmherzigkeit geübt hat.“ Wo es im Leben eines Menschen an Barmherzigkeit fehlt, da fehlt es auch an rettendem Glauben. Das eine gibt es nicht ohne das andere.
Auch uns gilt, was Jesus dem Gesetzlehrer sagt: „Geh hin und handle ebenso.“
Persönliche Reflexion und Abschluss
Was könntest du jetzt tun? Denke über dein Leben nach und frage dich, ob du Barmherzigkeit übst.
Das war's für heute. Ich freue mich über neue Abonnenten für meinen YouTube-Kanal.
Der Herr segne dich. Erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.