Einleitung
Corrie ten Boom erzählt. Einmal fuhr ich in einem Auto durch die kalifornischen Berge, von Los Angeles nach San Francisco. Es ist ein schwacher Punkt bei mir, dass ich mich fürchte, wenn ich mit Amerikanern durch die Berge fahre, denn meistens fahren sie mit ganz gehöriger Geschwindigkeit. Neben der Strasse befand sich ein Abgrund, und ausserdem hatte sie viele Haarnadelkurven. Aus Erfahrung wusste ich, was ich machen musste, wenn ich in solche Angstzustände gerate. In der Gefängniszelle hatte ich oft solche Ängste auszustehen, und dann fing ich an zu singen. Singen half immer. Auch jetzt sang ich ein Lied nach dem andren, und der Fahrer, fragte mich neckend: Haben Sie Angst?" "Ja", sagte ich, und deshalb singe ich." Aber es hatte diesmal nicht viel Erfolg. Jedesmal, wenn wir uns einer Kurve näherten, dachte ich. Wenn nun ein Auto von der entgegengesetzten Seite kommt, oh! dann gibt es einen Zusammenstoss, und erschrocken hörte ich auf zu singen. Nein, singen nützte diesmal nicht. Ich versuchte zu beten, aber immer war es das gleiche. - Herr, bringe uns wohlbehalten nach San Francisco. Gib, dass wir nicht in diesen Abgrund stürzen, und gib bitte, dass bei der Kurve da vor uns kein Auto von der anderen Seite kommt.' Ich betete fortwährend gegen meine Angst, und dann - ich weiss nicht, wie ich auf den Gedanken kam - fing ich an, für andere zu beten, für jeden, der mir in den Sinn kam - für die Menschen, mit denen ich gereist war, mit denen ich in dem Gefängnis gesessen hatte, mit denen ich zur Schule gegangen war. Ich weiss nicht, wie lange ich betete; aber dies weiss ich, dass ich mich nicht mehr fürchtete. Durch die Fürbitte war ich von meiner Angst befreit worden.
Fürbitte ist ein wichtiger Teil unseres Gebetslebens. Wir bringen Gott unsere Anliegen. So bittet auch Paulus die Kolosser: Betet auch für uns, dass Gott uns eine Tür öffnet und wir sein Geheimnis bekanntmachen können: die Botschaft von der Rettung durch Christus, für die ich jetzt im Gefängnis bin. Bittet Gott darum, dass ich dieses Geheimnis offenbar machen kann, wie es mein Auftrag ist. (Kol 4,3-4)
I. Warum braucht Paulus das Gebet der Gemeinde?
Paulus bittet die Gemeinde um Gebet für seinen Dienst. Hat er das überhaupt nötig? Paulus war ausserordentlich intelligent und gebildet. Er war ein mächtiger Verkündiger. Kurz nach seine Bekehrung wird über ihn berichtet: Er aber immer mehr an Kraft und trieb die Juden in die Enge, die in Damaskus wohnten, und bewies, daß Jesus der Christus ist. Apg.9,22. Zudem war er sich auch sehr bewusst, dass er von Gott für die Verkündigung des Evangeliums bestimmt wurde. Den Ephesern berichtet er: Gerade mir, dem geringsten von allen, die er in sein heiliges Volk berief, hat er diesen Auftrag anvertraut, den anderen Völkern die Gute Nachricht von dem unergründlichen Reichtum zu bringen, der uns durch Christus geschenkt wird. (Eph 3,8)Wieso braucht nun Paulus, der begnadete und von Gott beauftragte Verkündiger die Gebete der Gemeinde? Es gibt eben noch eine andere Seite der Verkündigung. Es sind die Widerstände, mit denen Paulus ständig konfrontiert war. So berichtet er den Korinthern: Hier steht mir die Tür weit offen für ein erfolgreiches Wirken, und ich muss mich mit vielen Gegnern auseinandersetzen. (1.Kor 16,9)Dieser ständige Widerstand gaben Paulus zu schaffen. Er fühlte sich oft schwach. Sein seelischer Zustand, als er nach Korinth kam, um das Evagelium zu verkündigen, war nicht sehr gut. Er sagt: Ich kam in Schwäche und in Furcht, zitternd und bebend zu euch. (1.Kor 2,3)
Auch in Thessalonich brauchte Paulus wieder neuen Mut, um seinen Auftrag auszuführen. Er schrieb der Gemeinde: Wir hatten vorher in Philippi viel zu leiden und wurden misshandelt, wie ihr wisst; dennoch haben wir im Vertrauen auf unseren Gott das Evangelium Gottes trotz harter Kämpfe freimütig und furchtlos bei euch verkündet. (1.Thess 2,2)Trotz solchen Widerständen das Evangelium zu verkündigen, benötigte enorm viel Kraft, die kein Mensch in sich selbst entwickeln kann. Deshalb ist es Paulus wichtig, dass die Gemeinde für ihn betet. Aber noch etwas macht für Paulus das Gebet wichtig. Paulus weiss darum, dass weder seine Intelligenz, noch seine Bildung. Weder sein Bekehrungserlebnis, noch seine besonderen Offenbarungen es vermögen Menschen zur Umkehr zu bewegen. Paulus weiss, wenn nicht Gott selbst die Herzen der Menschen öffnet, dann ist alles Reden und Predigen sinnlos. Er ist ganz und gar abhängig, dass Gott die Türen für das Evangelium öffnet, so wie er es erlebte, als er nach Europa kam und Lydia das Evangelium erklärte. Wir lesen über dieses Ereignis: Eine dieser Frauen – sie hiess Lydia – war eine Purpurhändlerin aus Thyatira, die an den Gott Israels glaubte. Während sie uns zuhörte, öffnete ihr der Herr das Herz, sodass sie das, was Paulus sagte, bereitwillig aufnahm. (Apg 16,14)Der Herr tat ihr das Herz auf. Dies kann Paulus nicht tun. Er weiss um diese Grenze. Um so wichtiger ist ihm, dass die Gemeinde dafür betet.
Alle unsere Anstrengungen nützen nichts, wenn Gott nicht selbst eingreift und Herzen öffnet. Wenn der grosse Paulus es als nötig erachtete, dass ihn die Gemeinde im Gebet unterstützte, wie nötig haben es wir, dass wir einander unterstützen, dass Gott uns eine Tür öffnet, da wo wir leben? Die beste Überzeugungskraft und Argumentation hilft nichts, wenn nicht Gott die Tür der Herzen öffnet. Deshalb ist es wichtig, dass wir vor allem dafür beten, dass das Reich Gottes gefördert wird und Menschen das Evangelium verstehen.
II. Was Paulus wirklich bewegt?
Nun ist es doch noch beachtenswert, dass Paulus in der Gefangenschaft, mit keinem Wort die Gemeinde darum bittet, für seine Gefangenschaft zu beten. Er bittet sie nicht dafür zu beten, dass er bald freikommt. – Das würden wir doch erwarten – oder? Paulus bittet die Gemeinde lediglich darum, ihn ihm Gebet zu unterstützen, damit er seinen Auftrag, die Verkündigung des Evangeliums richtig erfüllen kann. Das ist doch eher erstaunlich. Sicher, Paulus hat auch ab und zu persönliche Anliegen weitergegeben. So schreibt er Philemon: Halte auch schon ein Quartier für mich bereit! Denn ich rechne zuversichtlich damit, dass Gott eure Gebete erhört und ich euch wiedergeschenkt werde. (Phlm 22)Aber auch hier. Es geht immer um die Erfüllung seines Auftrages. So beteten auch die Christen in Jerusalem unter der Verfolgung leidend: Höre nun, Herr, wie sie uns drohen, und hilf uns als deinen Dienern, furchtlos und unerschrocken deine Botschaft zu verkünden. Apg.4,29. (Folie) Die Christen sorgten sich vorwiegend darum, dass die Botschaft des Evangeliums nicht zu tragen kommt. Das kam vor ihrem persönlichen Wohlbefinden. Wie stark sind unsere Gebet von diesem Anliegen geprägt, oder geht drehen sich unsere Gedanken und Gebete vorwiegend um unsere persönlichen und privaten Anliegen? Jakobus bemerkt diesbezüglich: Ihr seid begierig und erlangt's nicht; ihr mordet und neidet und gewinnt nichts; ihr streitet und kämpft und habt nicht, weil ihr nicht bittet; / ihr bittet und empfangt nicht, weil ihr in übler Absicht bittet, nämlich damit ihr's für eure Gelüste vergeuden könnt. Jak.4,2- 3. Ein Leben lang können wir uns in anscheinend geistlicher Weise, um uns selbst drehen. D.h. wir erwarten eigentlich, dass sich Gott vorwiegend um unsere Anliegen kümmert. ER soll sich um uns drehen, nicht wir um ihn!
Eine gläubige Frau war durch allerlei körperliche Gebrechen gezwungen, ständig mit Medikamenten und unter ärztlicher Kontrolle zu leben. Dazu kamen Sorgen in der eigenen Familie, Schwierigkeiten im Haushalt, Ärger und Probleme mit Nachbarn und Hausbewohnern. Kurzum, ihr Leben war voller Schwierigkeiten und Widerwärtigkeiten. Eines Tages aber geschah in ihr eine totale Wandlung, und zwar durch ein Mädchen, das in Not und Verzweiflung an ihrer Tür stand und um Hilfe bat. Im Umgang mit diesem Mädchen und beim ernsthaften Beten um seine Errettung erlebte sie, wie plötzlich eine echte Liebe zu diesem verlorenen Menschen in ihr aufbrach. je mehr sie sich um sie kümmerte, desto mehr sah sie auch andere, die in Not geraten waren. Während sie vorher nur ihre eigenen Probleme gesehen hatte, bekam sie jetzt einen Blick für die Schwierigkeiten und Nöte um sie her- um, und je mehr sie anfing, für die Not der anderen zu beten, desto mehr verschwand ihre eigene Not. Sie wurde fröhlich und hilfsbereit. Sie vergass sogar ihre Tabletten und Tropfen, und nach einiger Zeit entdeckte sie, dass sie kaum noch Beschwerden hatte. Sie war frei geworden für die Not ihrer Mitmenschen. Durch ihr Gebet für die anderen wurde auch sie an das Stromnetz der Liebe Gottes angeschlossen und dadurch frei von sich selbst. Welche Anliegen bestimmen meine Gebete? Meine ganz persönlichen? Oder: auch die Anliegen, die Gott wichtig sind? Man muss es natürlich nicht übertreiben, wie jene Studentin, die dann folgendermassen betete: Herr, da ich nicht für mich selbst beten möchte, bitte ich dich für meine Mutter – dass du ihr einen Schwiegersohn schenken möchtest! Bsp.1810. Aber eben: Was bewegt mich wirklich in meinen Gebeten?
Schluss
Es soll euch zuerst um Gottes Reich und Gottes Gerechtigkeit gehen, dann wird euch das übrige' alles dazugegeben. Mt.6,33. Amen.