Ich habe heute einen Predigttext ausgewählt. Warum ich das ab und zu tue? Heute wäre nach der Ordnung unserer Kirche der Einzug Jesu in Jerusalem dran. Ich weiß nicht, wie oft ich darüber bei Ihnen schon im Advent oder auch am Palmsonntag gepredigt habe.
Aber ich habe einen Text ausgesucht, über den ich noch nie in meinem Leben gepredigt habe: Johannes 15,9-17. Das ist ein ganz wichtiger Abschnitt. Jesus spricht dort im Anschluss an das Gleichnis vom Weinstock über unser Wirken. Es ist wichtig, wie wir im Auftrag Jesu richtig in die Welt hineinwirken können.
Jesus hat das noch einmal verdeutlicht an diesem Bild vom Weinstock: „Ohne mich könnt ihr nichts tun.“ Das Bild vom Weinstock ist in unserer Gemeinde für diejenigen, die schon vor dem Krieg zur Gemeinde gehörten, sehr bedeutend. Denn früher war es im Altarraum der alten Kirche, die unten am Eck stand und im Krieg zerstört wurde, angebracht. Dort gab es eine Darstellung dieses Weinstocks.
Nun schließt Jesus die Worte an, im Vers 9.
Die Einladung zur Liebe und Freundschaft Jesu
Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich euch auch. Bleibt in meiner Liebe. Wenn ihr meine Gebote haltet, bleibt ihr in meiner Liebe.
Wie ich das Gebot meines Vaters erhalte und in seiner Liebe bleibe, das sage ich euch, damit meine Freude in euch bleibt und eure Freude vollkommen wird.
Das ist mein Gebot: dass ihr einander liebt, wie ich euch liebe. Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben für seine Freunde lässt.
Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete. Ich nenne euch nicht mehr Knechte, denn ein Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Euch aber habe ich Freunde genannt, denn alles, was ich von meinem Vater gehört habe, habe ich euch kundgetan.
Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt. Damit, wenn ihr den Vater bittet in meinem Namen, er euch gebe.
Das gebiete ich euch: dass ihr einander liebt.
Die Frage nach dem Sinn des Lebens und die Antwort Jesu
Sie wissen, dass es Fragen gibt, die man nur schwer beantworten kann. Eine dieser komplizierten Fragen lautet: Was ist der Sinn meines Lebens?
Vielleicht sagen Sie: „Das ist ganz einfach, ich lebe für meine Familie.“ Schön, oder? Oder: „Ich lebe für meinen Beruf.“ Sie haben einen Abend, an dem Sie wirken können. Doch es gibt auch Zeiten in Ihrem Leben, in denen all das plötzlich infrage gestellt wird.
Vielleicht erleiden Sie einen schmerzlichen Verlust und fragen sich: Was ist jetzt der Sinn meines Lebens? Oder wenn Sie Ihren Beruf aufgeben müssen. Ich denke dabei an einen jungen Mann, der nach einem schweren Unfall gelähmt in einem Krankenhaus liegt. Er fragte mich: „Was ist der Sinn meines Lebens?“
Man versucht dann oft, Trost zu spenden, indem man sagt: „Hauptsache, du bist noch unter uns. Deine Eltern haben dich noch, die Freunde können dich besuchen, auch im Krankenbett. Du kannst aus deiner Krankheit Erfahrungen weitergeben.“ Doch man spürt, wie hohl das alles klingt.
Was ist der Sinn meines Lebens? Auch die Alten unter uns, die schon viele Lasten tragen, geraten manchmal in Depressionen und fragen sich: „Was ist der Sinn meines Lebens? Warum holt mich Gott noch nicht heim?“
Es gibt nur eine Antwort auf diese Frage. Und diese Antwort gilt für alle – nicht nur für die Alten, nicht nur für die Gelähmten und Kranken, nicht nur für junge Menschen und Kinder, sondern auch für die Tätigen und Schaffenden.
Jesus Christus hat uns erwählt und gesetzt, damit wir Frucht bringen. Aha, unser Glaube ist also nicht nur eine fromme Entscheidung, sondern wir müssen immer wieder umdenken und Jesus die Regie in unserem Leben überlassen. Er stellt uns an Plätze und gibt uns Aufgaben.
Den Kindern ganz andere Aufgaben, sie sind auch schon gesetzt, damit sie Frucht bringen. Die ganz Kleinen, die Frauen, die Männer, die Alten und die Kranken – alle sind gesetzt, damit sie Frucht bringen und ihre Frucht bleibt.
Der Sinn meines Lebens ist, dass ich blühe zur Ehre Gottes, dass mein Leben sich für meinen Herrn Jesus entfalten kann und dass ich etwas für ihn darstelle. Ich lebe ihm zur Ehre, zur Freude meines Herrn.
Und wenn er einmal meine Lebenszeit beendet, möchte ich sagen können: „Ja, Herr, für dich war mein Leben gelebt, jeder Tag zu deinem Lob, zu deiner Ehre.“ Sonst wird unser Leben leer sein.
Die Bedeutung bleibender Frucht und die wahre Lebensfüllung
Vielleicht täuschen wir uns oft, gerade als Menschen, die tätig sind, und sagen: „Ich habe doch viel bewirkt. Ich habe das Lob meiner Mitmenschen erhalten, ich wurde von meinen Kollegen geschätzt.“
Doch das wäre eine sehr kurzsichtige Lebensfüllung, wenn uns das genügen würde. Solche Erlebnisse mögen manchmal dabei sein und unser Herz erfreuen, aber sie reichen nicht aus. Im Blick auf die Ewigkeit ist das keine bleibende Frucht.
Es geht also um bleibende Frucht – Frucht, die nicht verdorrt, Frucht, die auch in der Ewigkeit Bedeutung hat.
Ich möchte zuerst darüber predigen, welch eine Liebe das ist. Will ich eine solche Liebe? Ist es wirklich so, dass uns Jesus braucht und unser irdisches Leben benutzt, damit wir für ihn etwas wirken?
Das mag oft so aussehen in unserem Leben: Wie werden wir für ihn Opfer bringen? Müssen wir das, wenn wir vor Gott etwas darstellen sollen? Was will Gott von mir? Ich bringe ihm meine Opfer, ich widme ihm etwas von meiner Zeit.
Darf ich Sie ganz herzlich bitten, diesen frommen Aktivismus einmal beiseitezulegen? Das ist nämlich der Blick von uns frommen Geschäftemachern, die immer wieder meinen, wir würden Gott unsere Opfer darbringen.
In Wirklichkeit ist es ganz anders. Man muss sich nur den Jüngerkreis Jesu anschauen, dann wird dieses Wort so plastisch. Wie hat damals Jesus die einzelnen Frauen und Männer zu sich gerufen?
Da saß Simon Petrus beim Fischefangen am See Genezareth. Jesus kommt zu ihm und sagt: „Du bekommst eine neue, lohnende Aufgabe von mir.“
Levi saß an seinem Zollhäuschen, zählte seine Münzen und führte seine Kunden. Jesus sagt zu ihm: „Komm, ich habe mehr für dich. Du sollst etwas wirken. Ich habe dich erwählt und gesetzt, damit du hingehst und Frucht bringst.“
Die Größe der Liebe Jesu und unser Wert für ihn
Wenn der Glaube tiefer in uns eindringt, werden wir merken, dass das eigentliche Wunder darin besteht, dass Jesus uns überhaupt braucht und dass er uns brauchen kann. Ob wir für ihn überhaupt tauglich sind, ist eine wichtige Frage. Ich habe vor dieser Predigt viel gebetet, und es war mir besonders wichtig, dass zumindest einigen von Ihnen in diesem Gottesdienst heute ein neuer Blick geschenkt wird.
Es geht darum, wie groß die Liebe Jesu ist, dass er sich mit uns abgibt. Wir sind Menschen, die mit gutem Grund oft über sich selbst verzweifeln können. Wir machen viele Fehler und sind hoffentlich oft betrübt darüber, weil wir so untreue Menschen sind. Aber wie sieht unser Leben erst im Licht Gottes aus?
Wenn wir jetzt in die Passionswoche eintreten, passt dieser Text ganz besonders. Denn in dieser besonderen Woche wird uns eine Seite unserer Welt gezeigt, die wir sonst meist nicht wahrhaben wollen. Im Frühling ist unsere Welt so hübsch: Die Wiesen blühen, die Knospen sprießen, und wenn man durch die Straßen geht, fühlt man sich beflügelt. Doch die Passionsgeschichte zeigt uns, wie die Welt wirklich ist.
Es ist eine Welt, in der die Lüge triumphiert, in der Menschen im Hass die Fäuste ballen und sich gegen die Gerechtigkeit Gottes auflehnen. Wenn man die Figuren in der Passionsgeschichte betrachtet, sieht man diesen unheimlichen Judas Iskariot, der Jesus verrät. Immer wieder frage ich mich: „Herr, bin ich wie er?“ Oder den untreuen Simon Petrus, der mit seinem großen Eifer an der wichtigsten Stelle versagt und sich nicht zu Jesus bekennt.
Wir Christen sollten nicht immer nur auf die Welt schauen und sagen: „Guck mal, was da wieder Grausames passiert!“ Gestern die Schießerei in Mali, dort am Golf – siehst du diese bösen Menschen? Stattdessen sollten wir den Finger auf uns selbst richten und sagen: „Ach mein Herr Jesus, ich habe das verschuldet, was du erduldet hast. Das ist mein Leben. Ich bin so tief gefallen.“
Dann erst begreifen wir die Liebe, die Jesus hat, wenn er uns dazu ruft, Frucht zu bringen. Dass Jesus sich überhaupt mit uns abgibt, zeigt, wie groß seine Liebe ist. Er ruft uns und sagt: „Ich will in dein irdisches Leben eintreten, das so oft nur mit vergänglichen Gütern gefüllt ist, und ihm einen ewigen Sinn geben.“
Ob nun jemand krank ist, ob jemand noch jung ist oder seine Lebenspläne durchkreuzt wurden – Jesus steht heute mit seinem erwählten Ruf vor uns und sagt: „Ich will etwas Großes bei dir tun.“
Die Liebe Jesu als Quelle der Hoffnung und Freude
Wenn eine Liebe dahintersteht, will ich eine Liebe. Friedrich von Bodelschwingh, der Sohn des Gründers der Anstalten von Bethel, war der Mann, der mit Adolf Hitler den schweren Kampf zur Rettung seiner Pflegebefohlenen geführt hat. Er sorgte dafür, dass kein geistig Behinderter zur Euthanasie abgeholt wurde.
Fritz von Bodelschwingh erzählt einmal, wie er durch ein Kinderheim in Bethel geht, in dem diese schwachen Kinder leben. Es war in der Passionswoche, und da war ein geistig krankes Kind, das etwas nicht fassen konnte. Er geht auf das Kind zu und fragt: „Was hast du denn?“ Das Kind weint herzzerreißend. Er sagt noch einmal: „Was hast du denn?“ Das Kind antwortet: „Ich kann es nicht mit ansehen, wie Jesus geschlagen wird, wie er leidet, wie man ihm die Wunden zufügt und wie die Dornenkrone ihm ins Gesicht drückt.“
Ich erzähle Ihnen das heute, weil ich möchte, dass Sie in der Passionszeit das Empfinden spüren, wie groß die Liebe Jesu ist.
Fritz von Bodelschwingh erzählt weiter von einem anderen Kind. Dieses war ganz fröhlich und sagte: „Ich wünsche dir eine fröhliche Passionszeit.“ Fritz von Bodelschwingh sagte, auch dieses Kind hat begriffen, dass die Passionszeit eine fröhliche Sache ist. So sehr hat uns Jesus lieb, dass er alles gibt, nur um unser Leben aus der Nichtigkeit herauszuheben. Er will nicht, dass wir unter der Schuld zerbrechen, sondern er schenkt uns, dass unser Leben eine ewige Bedeutung hat.
Dem schönen Lied von Paul Gerhardt soll ich meinem Gott nicht singen, heißt es: „O du unergründlich Brunnen, wie will doch mein schwacher Geist, ob er gleich hoch befreit, deine Liebe ergründen können.“ Wie groß ist die Liebe Gottes!
Wir sind doch komische Leute. Wir lesen in der Bibel, wir kennen vieles auswendig, wir kennen manche christlichen Überzeugungen und Lebenshaltungen. Aber die Liebe lässt uns kalt. Sie hat uns noch nie so überwältigt.
Schauen Sie doch mal den jungen Leuten nach, wie sie von der Liebe ergriffen werden im Frühling. Das alles nur Liebe, nur weil sie irgendwo einen Menschen gefunden haben.
Wenn aber die Liebe Gottes uns ergreift, wenn wir wissen, dass Gott in seiner Liebe bei uns ist, dann muss das doch fröhlich machen. „Soll ich jetzt habe ich mit euch geredet, dass meine Freude in euch sei.“ Der Paulus hat bei seiner Verkündigung oft zum Höhepunkt gefunden. Manchmal spürt man das richtig im Text seiner Briefe, dass er kaum mehr weiterschreiben konnte. Da springt seine Feder, der ganze Satzbau gerät durcheinander. Leute, die die Grammatik lieben, verzweifeln an diesen Stellen. Das nennt man im Griechischen Akolouthia – da kommt alles durcheinander.
„Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unser Herz.“ Da wurde es bei Paulus plötzlich bewegt.
Oder wenn er sagt: „Gott ist für uns, wer kann jetzt noch gegen uns sein?“ Es kann uns niemand mehr von dieser Liebe Gottes trennen.
Ich bin gewiss, auch wenn ich im Gefängnis bin, mein Leben hat Sinn und Bedeutung, weil Jesus sein Leben für mich gelassen hat.
Und das soll auch bei uns so sein, dass uns die Liebe Jesu trägt und geborgen macht. Die Liebe, die wir nur am gekreuzigten, sterbenden Körper Jesu sehen. So lieb hat er mich, dass er mich nicht nur bekennt, sondern weil er sein Leben für mich gibt. Weil er mich löst aus der Umklammerung der Sünde und der Hölle.
Ich darf Ihnen dienen. Nun glaube und weiß ich fest, ich rufe es auch ohne Scheu aus: Gott ist mein Freund und Vater, das Höchste und Beste.
Jetzt kann ich fröhlich wirken, jetzt darf ich etwas tun, jetzt kann ich wirken, und mein Leben ist nicht umsonst. Es hat einen Sinn. Ich weiß noch nicht wie, aber ich weiß, dass er bei mir ist. Das genügt doch.
Die Liebe Gottes und ihre Herausforderungen in der heutigen Zeit
Nun kennen viele Menschen die Erfahrung, an der Liebe Gottes zu verzweifeln. Sie sehnen sich stets nach der Liebe Gottes. Doch sie messen diese Liebe oft an ihren Lebensumständen. Sie sagen: Wenn es mir gut geht, wenn ich keine Probleme habe und gesund bleibe, dann liebt mich Gott. Das ist jedoch nicht biblisch.
Die Liebe Gottes können sie nur am Kreuzestod Jesu, am Opfertod Jesu erkennen. So sehr hat er mich geliebt. Wenn Jesus davon spricht, wie mich mein Vater liebt, sagt er: „So liebe ich euch, wie ihr selbst seid.“ Wer von der Vaterliebe Gottes getragen wird, darf sich in die wunderbare Liebe Jesu einhüllen.
Es gibt keine Not, keine Traurigkeit und kein Leid, in dem man nicht in diese Liebe Jesu eingebunden wäre.
Die Verpflichtung zur Treue in der Liebe zu Jesus
Will ich eine große Liebe? Nun möchte ich einen zweiten Punkt ansprechen: Das verpflichtet.
Unsere Generation ist schon originell. Die Menschen heute starten ein interessantes Abenteuer. Sie wollen Liebe – aber ohne Bindung. Das klingt sehr verlockend: „Ich will lieben, solange es mir Spaß macht. Aber Liebe darf mich nicht einengen, darum kein Ehebund.“ Junge Leute sagen oft: „Ich kann mit jemandem zusammen ins Bett gehen, das macht nichts aus, aber ich will mich nicht binden.“
Gibt es denn überhaupt Liebe ohne Bindung? Wenn man Liebe von allen anderen Tätigkeiten unterscheiden wollte, die es auf diesem Gebiet gibt, dann wäre Liebe sicher dadurch gekennzeichnet, dass Ausschließlichkeit dazugehört. Sie ist eine Bindung, eine Festlegung.
Denken Sie einmal an eine Mutter. Liebe ist, wie eine Mutter ihr Kind liebt. Und die Mutterliebe wird erst richtig schön, wenn das Kind Probleme macht oder krank ist. Wenn das Kind in Not ist, dann entbrennt die Mutterliebe richtig.
Wenn Sie wahre Liebe kennenlernen wollen, dürfen Sie nicht nur auf die Liebe der Menschen schauen. Auch wenn Musiker, Sänger und Poeten immer wieder schöne Lieder gedichtet haben – das Volkslied, das von der Liebe große Freude bringt, das wissen alle Leute. Aber Liebe bringt auch viel Leid. Denn Liebe ohne Bindung bringt eigentlich nur Wunden.
Wir haben ja in der vergangenen Woche auch Ihre Mutter beerdigt. Und es ist uns erst in diesem Augenblick deutlich geworden, wie tief man in der Liebe verbunden ist. Man mag mit diesem Moment gerechnet haben, und wir konnten in den letzten Wochen auch viel mit unserer Mutter über das Sterben sprechen. Wir waren dankbar für die Vollendung der Harmonie.
Und doch ist die Bindung der Liebe so groß, dass man den Schmerz empfindet, wenn Liebe durchschnitten wird. Man kann sich gar nicht damit abfinden, dass Liebe kündbar ist, dass Liebe aufhört.
Die Liebe bindet uns auch auf eine ganz merkwürdige Weise. Kaum ist die Nachricht da, dass die Mutter tot ist, erinnert man sich und denkt: „Ach, ich hätte ihr doch sicher noch etwas tun müssen.“ Man spürt die Versäumnisse in der Liebe.
Die jungen Leute bringen sich heute um das Schönste, wenn sie Liebe vielfach und unverbindlich leben wollen. Aber ich bin nicht hier, um Ratgeber für irdisches Glück zu geben. Das kann man nur als Nebenprodukt beim Bibellesen entdecken, und das hat ja auch seine Bedeutung.
Von der Gottesliebe her wird deutlich, was Liebe wirklich ist: Liebe zeigt sich darin, dass Gott sich an uns bindet, obwohl wir es gar nicht wert sind. Jesus hat das nicht nur damals getan, als er am Kreuz starb. Er liebt und bindet sich an uns, obwohl wir ihm nichts bieten können, was für ihn wichtig wäre, wenn er Engel zum Dienst rufen würde.
Warum gerade uns? Er nennt uns seine Freunde, seine Hausgenossen. Er lädt uns zum Dienst ein und sagt: „Nein, ich will keinen Knechtsdienst, ich will dich voll angenommen haben.“ Er nennt uns auch seine Kinder. Und er tut täglich diesen Dienst.
Wissen Sie, in der Nacht, in der Sie so sanft geschlafen haben, hat er für Sie gearbeitet. Er hat beim Vater ein Wort für Sie eingelegt. So lieb hat er Sie. Und er hat beim Vater für Sie gebeten.
Die Liebe Jesu ist ungeheuer. Darum verpflichtet uns die Liebe. Deshalb sagt Jesus: „Wer meine Gebote liebt, der ist es, der mich liebt.“ Ich glaube nicht, dass Jesus hier an Satzungen dachte.
Manche stellen sich die Liebe zu Jesus so vor, dass man mit einem ganzen Bündel von Papieren unter dem Arm herumlaufen muss. Man muss immer wieder prüfen, wie sich ein Christ in einer Situation richtig verhält. Dann muss man diskutieren, wie man es in dieser Lage macht.
Zwei Liebende schauen sich in die Augen. Das einzige Gebot heißt Treue. Anders gibt es keine Liebe. In dem Moment ist jede Liebe gekündigt.
Wenn einem Kind andere Menschen so viel wert sind wie die Eltern, ist die Liebe dahin. Das ist furchtbar. Die Treue ist die Antwort. Das ist das Gebot Jesu.
Gib dich ihm hin! Die Gebote sind nur ein Prüfstein. Nie wird sich Liebe gegen die Gebote Jesu wenden können. Es kann gar nicht sein, dass Ihr Leben an irgendeiner Stelle die konkreten Gebote und Ordnungen Jesu bricht.
Wenn Sie Jesus lieb haben, daran können Sie es merken. Das ist das letzte Warnsignal. Sie können es also nicht eigenmächtig nach Ihrem Gefühl auslegen.
Passen Sie bitte auch auf, wie Sie diese Liebe zu Jesus beantworten – gerade in diesen Passionstagen. Er will unsere Liebe haben.
Es kann sein, dass wir bewegt sind, wenn wir von der Liebe Jesu hören, der sein Leben für uns hingegeben hat. Wir sind erregt, begeistert, entflammt, entzündet. Wir sind im Gefühl ergriffen.
Das genügt nicht. Es genügt Jesus nicht. Er will, dass wir uns ihm in Treue verschreiben.
Darum sagt er: Wir sollen leben, wie er uns geliebt hat. Für ihn leben. Ihn suchen. Alles nur noch für ihn.
Die praktische Umsetzung der Liebe im Alltag
Jetzt wollte ich wieder konkret im Vier-Augen-Gespräch mit Ihnen weiterreden. Es soll für Sie Bedeutung haben, wie Sie nun in Ihren vielen Aufgaben und Verpflichtungen leben. Kurz gesagt: Sie leben für ihn.
Heute Mittag muss ich einen Ingenieur und seine Frau verabschieden. Sie werden zum Radio Lumière gehen, einem großen Evangeliumssender auf Haiti. Dieses Land ist geprägt von Unruhen und Turbulenzen. Darüber werde ich heute Mittag sprechen.
Es ist sehr wichtig. In Liebe zu Jesus zu leben, ist entscheidend. Sie müssen nicht denken, dass Sie hauptamtlich weggehen müssen. Bleiben Sie an Ihrem Platz, aber dienen Sie Jesus für ihn. Lieben Sie ihn und leben Sie ihn an jedem Ort. Auch wenn jemand nur noch einen engen, eingeschränkten Lebensraum hat, weil ihm die Kraft fehlt, soll er ihm treu bleiben.
Ich will dir zur Ehre blühen – damit sind wir beim Letzten.
Die Frucht des Glaubens wächst aus Liebe, nicht aus Leistung
Wächst Frucht? Wir haben das Christenleben heute sehr verändert im Vergleich zu dem, was Jesus einmal gesagt hat. Jesus sprach von der wachsenden Frucht. Wir hingegen reden immer von Leistung und denken ständig daran, was wir für Jesus tun müssen – fast wie eine Maschine. Deshalb ist unser Leben oft so freudlos. Auch unser Glaubensleben hat dadurch wenig Freude.
Wissen Sie, dass man Frucht nicht durch irgendwelche Leistungen produzieren kann? Ein Apfelbaum kann sich drehen und biegen, wie er will, er kann die Frucht und die Qualität seiner Äpfel nicht selbst machen. Die Frucht wächst aus einem gesunden Stamm heraus. Es ist kein Zufall, dass Jesus immer vom Wachsen sprach. Wir können gar nichts erzwingen. Sie können sich verkrampfen oder verzweifeln und denken: „Jetzt wird meine Ehe neu!“ – aber sie wird nicht neu, sie wird schlimm. Sie können sagen: „Ich will lieb sein und nicht streng“, aber es gelingt nicht. Sie können alles nur mit Zwang versuchen.
Ein junger Mann sagte einmal: „Ich möchte mein Leben und meine Fantasie rein behalten.“ Das geht nicht mit Zwang. Ich kann nur Liebe leben – Jesus über alles lieben und ihm vertrauen. Dann weiß ich: Er hat mich erwählt, trotz meiner Schwachheit, meiner Behinderung und meiner Ohnmacht.
Wissen Sie, warum Gott eigentlich das Volk der Juden erwählt hat? Wenn Gott damals die Ägypter gewählt hätte, oder die Babylonier mit ihrer Wissenschaft, oder wenigstens die Römer oder Griechen mit ihrer Weisheit – warum hat er die Juden gewählt? Im fünften Mose 7,4-7 steht: „Nicht weil ihr größer wärt als alle Völker hat der Herr euch angenommen und erwählt. Denn ihr seid das kleinste unter allen Völkern.“ Zum Vergleich: Gott hat gerade dieses kleine Volk geliebt.
Heute gibt es viele, die meinen, Christen seien mehr als andere Menschen. Das stimmt nicht. Wir sind ganz gewöhnliche, fehlbare Menschen. Der Theologe Hofacker hat immer gesagt: Wir sind wie die Galgenvögel, die man am Galgen hängt – wir sind verlorene Leute mit all unseren Fehlern und Versäumnissen. Aber seine Liebe trägt uns und gibt unserem Leben Sinn.
Wenn Paulus von der Gemeinde spricht, schreibt er im 1. Korinther 1,27: „Was töricht ist vor der Welt, hat Gott erwählt, was schwach ist, was gering ist.“ Sie brauchen nie zu denken, Jesus hätte Interesse an Ihrer Körperkraft, Ihrem Wissen oder Können. Er hat uns so genommen, wie wir sind, aber er möchte, dass wir ihm Frucht bringen.
Und wie wächst diese Frucht? Ganz einfach aus Liebe. Lieben Sie! Es ist erschreckend, was Christen heute für ein großes Leistungsprogramm auf sich nehmen, was Kirchengemeinden alles tun wollen – und dann versagen sie am Nächsten. Wenn Sie heute nur lieben und morgen nur Liebe weitergeben wie Jesus, dann ist das eine Frucht von unglaublicher Bedeutung für die ganze Welt.
Unser Herr kann dann einmal sagen, wenn wir heimgerufen werden: „Du frommer und getreuer Knecht, du bist über wenig treu gewesen, ich will dich über viel setzen.“ Eine größere Belohnung gibt es nicht, als das Kleine wichtig zu nehmen, Jesus zu dienen und ihm treu zu sein.
Unser ganzer Dienst, auch der Dienst der Jünger damals, bestand darin, in ihren Gemeinden im Namen Jesu zu wirken – einfach vor ihm. Und was hat Gott daraus für eine Frucht geschenkt? Dazu segnet Sie unser Herr heute. Amen.